08.01.2010
Finanzgericht München: Beschluss vom 21.12.2001 – 15 V 2659/01
1. Übt ein Arbeitnehmer nebenberuflich nachhaltig ein Gewerbe (hier: die Erstellung und Vermarktung elektronischer Stadtführer) aus, welches sich als gewerblich ausnutzbare Geschäftsidee darstellt, kann nicht von vornherein (ex ante) auf eine Untauglichkeit des Gewerbes zur Gewinnerzielung geschlossen werden, weil der Steuerpflichtige subjektiv nicht die optimalen Fähigkeiten zur Umsetzung der Geschäftsidee aufweist oder aber der gewerblichen Betätigung nicht die gesamte Arbeitskraft widmen kann (Dienstvertrag und Dissertation).
2. Ausführungen zur Unterscheidung zwischen der ex ante- und der ex post-Betrachtung bei der Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht.
In der Streitsache
wegen
Aussetzung der Vollziehung in Sachen
Einkommensteuer 1988–1991
Säumniszuschläge zur Einkommensteuer
hat der 15. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht …
des Richters am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht …
ohne mündliche Verhandlung am 21. Dezember 2001 beschlossen:
1. Bis zur endgültigen Entscheidung in der Hauptsache (s. Az.: 15 K …/01) werden die Einkommensteuerfestsetzungen 1988 bis 1991 vom 30. Mai 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 27. November 2000 in folgender Höhe von der Vollziehung ausgesetzt:
Einkommensteuer 1988:
8.550 DM
Einkommensteuer 1989:
11.707 DM
Einkommensteuer 1990:
10.172 DM
Einkommensteuer 1991:
11.559 DM
2. Die Vollziehung der verwirkten Säumniszuschläge zur Einkommensteuer 1988 bis 1991 wird insoweit aufgehoben, als sie auf die vorgenannten ausgesetzten Beträge entfallen.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt das Finanzamt.
Tatbestand
Streitig ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren, ob bei summarischer Beurteilung Einkunftserzielungsabsicht vorliegt und deshalb von einkommensteuerrechtsrelevanten Verlusten aus Gewerbebetrieb auszugehen ist.
I.
Wegen des in der Hauptsache anhängigen Klageverfahrens wird auf die unter dem Aktenzeichen 15 K xxx/01 angelegten bzw. vorgelegten Akten Bezug genommen. Nach Sachlage bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß diesbezüglich von Unzulässigkeit auszugehen wäre.
Nach den soweit ersichtlich vom Antragsteller (Ast) nicht angezweifelten Feststellungen des Finanzamts in dessen in der Hauptsache zu Einkommensteuer 1988 bis 1991 ergangenen Einspruchsentscheidung (EE) vom 27. November 2000 liegt der Streitsache folgender Sachverhalt zugrunde:
Der ledige Ast erzielte in den Jahren bis 1985 bei Fa. XY und ab November 1987 bis 21. Dezember 1991 bei der Fa. ZX Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (zu letzteren wegen deren Höhe s. EE). Ab 1. April 1997 war der Ast erneut nichtselbständig tätig (zur Höhe der Einkünfte s. EE).
Zum 10. August 1987 hatte der Ast als Gewerbe eine Unternehmensberatung angemeldet, die er zum 30. August 1995 um eine Versicherungsvermittlung erweiterte. In den Jahren 1987 bis 1999 hat der Ast nach seinen Angaben mit Ausnahme von 1996 hieraus nur Verluste zwischen 8 139 DM und 34 657 DM erwirtschaftet (zu den Einzelheiten s. die EE). Die Einnahmen schwankten dabei zwischen 0 DM (wiederholt) und 29 241 DM (Aufstellung s. EE). Unter den Betriebsausgabenpositionen stechen die AfA zwischen 3 280 DM und 18 347 DM (Aufstellung s. EE), Ausgaben für Bücher zwischen 1 264 DM und 10 115 DM (Aufstellung s. EE) und Zinsen zwischen 2 031 DM und 4 496 DM (Aufstellung s. EE) hervor.
Der Ast führt zu seiner gewerblichen Betätigung aus, daß er im Jahre 1987 in die Multimedia-Produktion eingestiegen sei. Er habe Städte- und Länderführer sowie einen Windows-Führer geplant.
Seit 25. August 1992 ist der Ast außerdem zu 2/3 Anteilseigner der ABC-service GmbH gewesen.
Der Ast hat des weiteren ausgeführt, daß er in der Zeit ab 1987 mit einer Dissertation zur System- und Erkenntnistheorie beschäftigt war. Nach den Ausführungen des Ast hat diese Beschäftigung einen wesentlichen Teil seiner Arbeitskraft gebunden (s. EE). Nach Sachlage war diese Dissertation zum ursprünglich geplanten Abschlußzeitpunkt 1995 noch nicht fertiggestellt.
Das Finanzamt hatte zunächst mit den Einkommensteuerbescheiden für 1987 bis 1991 die geltend gemachten gewerblichen Verluste steuerlich berücksichtigt, wenn auch im Hinblick auf die Einkunftserzielungsabsicht nur vorläufig (s. Einkommensteuerbescheide 1987 bis 1990 vom 13. November 1992, unter Aufhebung des jeweils bestehenden Vorbehalts der Nachprüfung, sowie Einkommensteuerbescheid 1991 vom 12. März 1993).
Unter dem Datum des 30. Mai 1995 hat das Finanzamt gestützt auf § 165 Abs. 2 AO geänderte Einkommensteuerbescheide 1988 bis 1991 erlassen und ohne Berücksichtigung gewerblicher Verluste die Einkommensteuer 1988 auf 18 864 DM, 1989 auf 22 676 DM, 1990 auf 21 102 DM und 1991 auf 19 059 DM (SolZ 714,71 DM) festgesetzt.
Die hierauf rechtzeitig eingelegten Einsprüche sind erfolglos geblieben (s. die bereits bezeichnete EE).
Aus den Akten ergibt sich, daß das Finanzamt einen Antrag des Ast auf Aussetzung der Vollziehung von Einkommensteuer 1988 bis u. a. 1991 vom 27. März jedenfalls bezüglich Einkommensteuer 1988 bis 1990 abgelehnt hat. Das Finanzamt steht auf dem Standpunkt, daß die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 FGO erfüllt seien.
Wegen der Begründung des vom Ast bei Gericht angebrachten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung (u. a.) von Einkommensteuer 1988 bis 1991 wird auf dessen Schriftsätze vom 5. Juni und 3. Oktober 2001 Bezug genommen.
Der Ast beantragt z.T. sinngemäß, bis zur Entscheidung in der Hauptsache die ausweislich der bezeichneten Einkommensteuerbescheide festgesetzten Einkommensteuern 1988 bis 1991 sowie Säumniszuschläge hierzu insoweit von der Vollziehung auszusetzen bzw. deren Vollziehung aufzuheben, als sie auf der Nichtberücksichtigung des jeweils vom Ast geltend gemachten gewerblichen Verlusts beruhen.
Das Finanzamt beantragt, den Antrag abzulehnen.
Auf das Ergebnis einer im Zuge des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens vorgenommenen BNV-Prüfung zur Sachverhaltsaufklärung wird Bezug genommen. Die Prüfung betraf die Frage, ob das Anlagevermögen bezüglich der Unternehmensberatung noch vorhanden war, ggf. im Arbeitszimmer des Ast, sowie die Frage, ob die Rechnungen über die Anschaffungen tatsächlich auf den Ast gelautet haben. Beide Fragen sind vom Prüfer bejaht worden.
Gründe
II.
Wegen der Auslegung des Antrags des Ast verweist der Senat darauf, daß dieser zwar Aussetzung der Vollziehung der bezeichneten Bescheide bzw. Säumniszuschläge in „voller Höhe” begehrt, diese volle Höhe aber ausdrücklich auf die „strittige Steuer” bezieht. Nach dem gesamten Vorbringen erwächst die strittige Steuer ausschließlich aus der Frage, ob die vom Ast geltend gemachten Verluste aus Gewerbebetrieb (mutmaßlich) zu berücksichtigen sind oder nicht. Insoweit erscheint es als zutreffend, den Antrag einschränkend zu verstehen.
Der Antrag hat Erfolg.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO auch bezüglich Einkommensteuer 1991 erfüllt sind. Jedenfalls kommt im negativen Falle dann die Zulässigkeit des Antrags nach § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 FGO in Betracht.
Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen geboten Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO). Ernstliche Zweifel sind im allgemeinen gegeben, wenn nach dem präsenten Tatsachenstoff in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/67 BStBl. III 1967 S. 182). Dem Antrag ist stattzugeben, wenn ein nicht nur geringer Grad von Wahrscheinlichkeit dafür spricht, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig ist. Dabei ist die Rechtslage summarisch zu prüfen. Es kann nicht Zweck des Aussetzungsverfahrens sein, die Entscheidung der Hauptsache vorwegzunehmen (BFH-Beschluß vom 22. September 1967 VI B 59/67 BStBl. II 1968 S. 37).
Im Streitfall hängt der Erfolg des Antrags davon ab, ob mit dem vorgenannten Maßstab davon auszugehen ist, daß die Voraussetzungen für das Vorhandensein eines Gewerbebetriebs im einkommensteuerrechtlichen Sinn vorliegen, namentlich, ob die einschlägige Betätigung des Ast mit Einkunfts- bzw. Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt worden ist, und somit – einstweilen – von einkommensteuerrechtsrelevanten gewerblichen Verlusten auszugehen ist (vgl. § 15 Abs. 2 EStG, zu dessen Rechtsgeschichte Schmidt/Weber-Grellet, EStG § 15 Rz 8).
Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist eine selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Mit den Beteiligten sieht der Senat im Streitfall derzeit im wesentlichen lediglich die Fragestellung der Gewinnerzielungsabsicht.
Wenn § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bestimmt, daß die Einkünfte aus LuF der Einkommensteuer unterliegen ist damit zugleich ausgesagt, daß nur solche Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen hierunter fallen, die der Erzielung positiver Einkünfte dienen. Entsprechendes ergibt sich auch aus § 15 Abs. 2 Satz 3, wonach ein Gewerbebetrieb bei Vorliegen seiner sonstigen Voraussetzungen auch dann vorliegt, wenn die Gewinnerzielungsabsicht nur ein Nebenzweck ist. Die Besteuerung auch von Einkünften aus Gewerbebetrieb setzt mithin in Abgrenzung von der Erwerbs- zur Privatsphäre das Vorhandensein von Einkunftserzielungsabsicht voraus. Die Kriterien für die diesbezügliche Beurteilung sind wegen weitgehenden Fehlens gesetzlicher Grundlagen von der Rechtsprechung erarbeitet und fortentwickelt worden (s. schon RFH v. 14. März. 1929 VI A 1473/28, RStBl. 1929 S. 329; BFH v. 25. Juni 1984 4/82, BStBl. II 1984 S. 751/766 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit BVerfG v. 18. November 1986 1 BvR 330/86, DStZ E 1987 S. 21 = HFR 1988 S. 34; v. 28. Oktober 1986 1 BvR 325/86 StRK § 13 EStG ab 1975 Allg. R. 7).
Die Rechtsprechung stellt diesbezüglich (wieder) die subjektive Seite dieses Begriffs in den Vordergrund (grundlegend BFH v. 25.6.84 4/82, BStBl. II 1984 S. 751/766 ff.). Allerdings ist auch unverkennbar, daß es bei der entsprechenden Prüfung und Beurteilung weniger auf das tatsächliche Vorhandensein einer subjektiven Absicht in dieser Hinsicht ankommt, als darauf, ob sich eine Betätigung mit Einkunftserzielung äußerlich und objektiv nachvollziehbar als mit dieser Absicht verbunden darstellt. Ob sich die Frage in gleicher Weise im Rahmen des Umsatzsteuerrechts stellt, ist hier nicht entscheidungserheblich (vgl. zu dieser Frage § 2 Abs. 1 UStG; zur Bewertung BFH v. 18. Dezember 1985 II B 35/85, BStBl. II S. 282; v. 4. März 1987 II R 8/86, BStBl. II S. 370; m.w.N. auch Weber-Grellet, DStR 1992 S. 606). Seit der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 (a.a.O.) wird in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs allgemein die Einkunftserzielungsabsicht als Streben nach Betriebsvermögensvermehrung (also auch unter Einbeziehung der stillen Reserven) in Gestalt eines Totalgewinns bis zur Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation des Betriebs bezeichnet. Der für die Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht maßgebliche erzielbare Totalgewinn setzt sich aus den in der Vergangenheit erzielten und künftig zu erwartenden laufenden Gewinnen/Verlusten und dem sich bei Betriebsbeendigung voraussichtlich ergebenden Veräußerungs- bzw. Aufgabegewinn/-verlust zusammen.
Nach Maßgabe aller Umstände des Einzelfalls (BFH v. 19. Juli 1990 IV R 82/89, BStBl. II 1991 S. 333) muß die Tätigkeit des Stpfl. auf Dauer geeignet und bestimmt sein, Gewinne zu erzielen und aufgrund objektiver Umstände erwarten lassen, daß gegebenenfalls anfänglich angefallene Verluste ausgeglichen werden und darüber hinaus eine Mehrung des BV eintritt. Das Streben nach einer durch die Betätigung verursachten Minderung der Steuern vom Einkommen reicht nicht zur Begründung der Gewinnerzielungsabsicht aus (§ 15 Abs. 2 Satz 2). Steuerersparnisabsicht wird von der Rechtsprechung des BFH als zur Lebensführung gehörend und damit für die Gewinnerzielungsabsicht schädlich gewertet (BFH BStBl. II 1984 S. 751/767; v. 21. August 1990 VIII R 25/86, BStBl. II 1991 S. 564; v. 10. September 1991 VIII R 39/86, BStBl. 1992 S. 328; v. 12. Dezember 1995 VIII R 59/92, BStBl. II 1996 S. 219).
Das Streben nach einem Totalgewinn und damit die Gewinnerzielungsabsicht kann ursprünglich und von vornherein objektiv erkennbar fehlen. Die Betätigung kann in dieser Hinsicht aber auch offen sein, dh, es kann Gewinnerzielungsabsicht erst später einsetzen oder wegfallen mit der Folge, daß eine einkommensteuerrechtlich relevante Tätigkeit entsprechend später beginnt oder wegfällt (BFH BStBl. II 1984 S. 751/767 m.w.N.). Zu berücksichtigen ist auch, daß nach dem Gesetz (§ 15 Abs. 2 Satz 3) ein gewerblicher Betrieb bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen gegeben sein kann, wenn die Gewinnerzielungsabsicht nur Nebenzweck ist. Bei Unterhaltung eines Gewerbebetriebs (dazu zB BFH v. 19. November 1985 VIII R 4/83, BStBl. II 1986 S. 289: Großhandelsbetrieb; BFH v. 21. Januar 1993 XI R 18/92, XI R 19/92, BFH/NV 1993 S. 475; zur Ausübung eines freien Berufs s. BFH v. 22. April 1998 XI R 10/97, BFH/NV 1998 S. 1414) soll der Beweis des ersten Anscheins für die Absicht der Gewinnerzielung sprechen (anders bei land- und forstwirtschaftlicher Betätigung, s. BFH v. 3. März 1988, BFH/NV 1989 S. 90/92; v. 25. Juni 1996 IV B 82/95, BFH/NV 1997 S. 21; v. 15. Mai 1997 IV B 74/96, BFH/NV 1997 S. 668). Dabei ist nicht zu übersehen, daß eine einkommensteuerrechtsrelevante gewerbliche Betätigung gerade Gewinnerzielungsabsicht voraussetzt und sich auf dem Boden der Auffassung des Bundesfinanzhofs die Gefahr eines Zirkelschlusses ergibt. Der Beweis des ersten Anscheins ist aber jedenfalls widerleglich und er ist nach Ansicht des Senats umso schwächer, je mehr die Betätigung im Zweifel steht, ob sie überhaupt noch eine gewerbliche Betätigung darstellt oder ob nicht etwa Gesichtspunkte der Lebensführung im Vordergrund stehen. Mit diesen Maßgaben ist es nach Ansicht des Senats auch im Bereich des § 15 EStG nicht ausgeschlossen, eine Betätigung von vornherein als nichtgewerbliche Betätigung einzuordnen. Ist der Beweis des ersten Anscheins widerlegt, trifft nach Auffassung des Senats den Steuerpflichtigen für das Vorhandensein der Einkunfts- bzw. Gewinnerzielungsabsicht die Nachweislast (so für den Bereich VuV BFH v. 31. März 1987 IX R 112/83, BStBl. II S. 774; glA zur LuF Schmidt/Seeger, EStG § 13 Rz 3; s. dagegen FG Baden-Württemberg v. 19. Februar 1993 9 K 93/90, EFG 1993 S. 718: Nachweislast bei der Finanzverwaltung).
Vorrangiges Beweisanzeichen für Gewinnerzielungsabsicht ist eine Betriebsführung, bei der der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten (BFH BStBl. II 1984 S. 751/767 mwN). Tatsächliche Gewinnerzielung, noch dazu über mehrere VZ, schließt im allgemeinen Gewinnerzielungsabsicht mit ein (s. m.w.N. BFH v. 19. Juli 1990 IV R 82/89, BStBl. II 1991 S. 333; v. 13. Dezember 1990 IV R 1/89, BStBl. II 1991 S. 452). Auch lang andauernde fehlende Gewinnerzielung muß nicht die Gewinnerzielungsabsicht ausschließen (z. B. aus dem Bereich Land- und Forstwirtschaft BFH v. 18. März 1976 IV R 52/72, BStBl. II 1976 S. 482). Auch der Umstand andauernder Verlusterzielung schließt für sich allein Gewinnerzielungsabsicht nicht aus (BFH BStBl. II 1984 S. 751/766 f. und im Anschluß hieran zB. BFH v. 13. Dezember 1984 VIII R 59/82, BStBl. II 1985 S. 455; tendenziell etwas anders BFH v. 13. Dezember 1990 IV R 1/89, BStBl. II 1991 S. 452: starkes Indiz).
Dies gilt zumal, wenn die Verlustquellen beseitigt werden sollen und können. Dies gilt auch, wenn es von Betriebsbeginn an wegen dauernder Verlusterzielung bislang zu keinem Totalgewinn gekommen ist (BFH v. 11. Dezember 1997 IV R 4/95, BFH/NV 1998 S. 947; IV R 86/95, BFH/NV 1998 S. 950). Lang andauernde Verluste ohne Reaktion des Stpfl. sind jedoch ein erster, wenn auch für sich nicht ausreichender Anhaltspunkt für fehlende Gewinnerzielungsabsicht. Gewinnerzielungsabsicht ist zu verneinen, wenn andauernde Verluste und gegebenenfalls ein dadurch verursachter Totalverlust auf das Fehlen der Gewinnabsicht hindeuten und aus weiteren objektiven Beweisanzeichen die Feststellung möglich ist, daß der Stpfl. die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt (BFH v. 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl. II S. 751/767). Dies ist nicht allein deshalb der Fall, weil sich der Stpfl. aufgrund seiner sonstigen Einkunfts- und Vermögenssituation die Verluste „leisten” kann (möglicherweise a.A. BFH v. 15. November 1984 IV R 139/81, BStBl. II 1985 S. 205). Gleichwohl kann dieser Umstand als Merkmal unter mehreren Gewicht erlangen. § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG und die dort angesprochene Frage der Lebensführung weist zwar eine andere Zielsetzung und einen anderen Regelungsgegenstand als das Merkmal der Einkunfts- bzw. Gewinnerzielungsabsicht auf. Gleichwohl können die unter § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG zu subsumierenden Sachverhalte (gegebenenfalls weitere) Anhaltspunkte dafür liefern, wann eine Betätigung wegen fehlender Einkunfts- bzw. Gewinnerzielungsabsicht einkommensteuerrechtlich unbeachtlich ist (vgl. etwa BFH v. 11. Dezember 1997 IV R 4/95, BFH/NV 1998 S. 947/950). Dazu gehört auch die bloße Steuerersparnisabsicht (§ 15 Abs. 2 Satz 2; BFH v. 21. August 1990 VIII R 25/86, BStBl. II 1991 S. 564; v. 10. September 1991 VIII R 39/86, BStBl. II 1992 S. 328; v. 12. Dezember 1995 VIII R 59/92, BStBl. II 1996 S. 219; BFH/NV 1998 S. 947 bzw 950).
Gewinnerzielungsabsicht kann bereits von vornherein ausgeschlossen sein, wenn nämlich der Betrieb dazu nicht bestimmt und geeignet ist. Fälle dieser Art sind von Betätigungen zu unterscheiden, bei denen diese objektive Eignung an sich gegeben ist (s. zB besonders deutlich BFH v. 22.4.98 XI R 10/97, BFH/NV 1998 S. 1414: Rechtsanwaltstätigkeit). In letzteren Fällen kann die Gewinnerzielungsabsicht von vornherein nur unter erschwerten Voraussetzungen verneint werden. Dies gilt namentlich in einer verlustbringenden Anlaufphase des Betriebes, sofern nicht ohnehin der vom Bundesfinanzhof bei Gewerbebetrieben vertretene Beweis des ersten Anscheins für die Annahme der Gewinnerzielungsabsicht greift. Ist der Betrieb nicht von vornherein als Liebhabereibetrieb einzuordnen, müssen Anlaufverluste regelmäßig akzeptiert werden (als Grenzfall noch hingenommen BFH v. 15. November 1984 IV R 139/81, BStBl. II 1985 S. 205: gewerbliche Reitschule).
Die Gewinnerzielungsabsicht ist eine innere Tatsache, die nur anhand äußerer Merkmale (Hilfstatsachen) beurteilt werden kann (BFH BStBl. II 1984 S. 751/767). Unsicherheiten in der Beurteilung der Gewinnerzielungsabsicht – auch ab Gründung des Betriebs – sind grundsätzlich geeignet, den Erlaß vorläufiger Steuerbescheide zu rechtfertigen (BFH v. 25. Oktober 1989 X R 109/87, BStBl. II 1990 S. 278 unter Hinweis auf den ausgedehnten Prognosezeitraum; v. 25. Oktober 1989 X R 51/88, BFH/NV 1990 S. 502; kritisch unter dem Gesichtspunkt der Abschnittsbesteuerung Schmidt/Seeger, EStG, § 13 Rz 9).
Mit den vorstehenden Maßgaben neigt der Senat mit der für das vorläufige Rechtsschutzverfahren ausreichenden Gewißheit der Auffassung zu, daß der Ast, beurteilt mit dem präsenten Sachstand, in der Hauptsache erfolgreich sein kann.
Nach Ansicht des Senats sind im Streitfall mutmaßlich die Tatbestandsvoraussetzungen für die Annahme eines Gewerbebetriebs i. S.v. § 15 Abs. 2 EStG erfüllt.
Es ist nicht erkennbar, daß zweifelhaft wäre, daß der Ast von vornherein gar keine gewerbliche Betätigung unternommen hätte. Auch das Finanzamt behauptet dies nicht. Für die Frage der Beurteilung der Steuerpflicht der Betätigung des Ast kommen nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Betracht.
Es ist kein Anhaltspunkt dafür sichtbar, daß die Betätigung des Ast von vornherein für die Erzielung von gewerblichen Einkünften ungeeignet gewesen wäre. Es ist nicht zweifelhaft, daß die Erstellung und Vermarktung von elektronischen Stadtführern usw. eine gewerblich ausnutzbare Geschäftsidee darstellt. Jedenfalls kann von der Art der vom Ast unternommenen Betätigung her nicht von vornherein (ex ante) darauf geschlossen werden, daß sie zur Gewinnerzielung untauglich sein könnte. Davon ist die Frage zu unterscheiden, ob der Ast mit seiner Tätigkeit Gewinne erzielt hat oder nicht (ex post – Betrachtung) bzw. ob er bei ständiger Verlusterzielung nicht hätte irgendwann reagieren müssen.
Unter Einschluß der Feststellungen des BNV-Prüfers hat der Ast nach Sachlage diese Geschäftsidee auch ins Werk gesetzt. Er hat nicht nur einen Gewerbebetrieb angemeldet, sondern offenbar auch tatsächlich mit der Umsetzung seiner Idee begonnen. Nach dem Vortrag des Ast hat er sich auch an den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr gewandt. Dies ist vom Finanzamt nicht in Frage gestellt.
Der Senat ist auch mit der für das vorläufige Rechtsschutzverfahren nötigen Gewißheit der Ansicht, daß der Ast mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat.
Dabei kann es im allgemeinen keine Rolle spielen, ob der Ast subjektiv in jeder Hinsicht optimale Fähigkeiten zur Umsetzung seiner Geschäftsidee aufgewiesen hat. Die Frage etwa der Geschäftstüchtigkeit ist i.d.R. kein Kriterium, das die Frage der Gewinnerzielungsabsicht zu beeinflussen vermag.
Es ist zutreffend, daß die optimale Umsetzung einer Geschäftsidee, wie sie der Ast zu verwirklichen trachtete, vor allem hohen Dienstleistungseinsatz und eventuell keinen so hohen Kapitaleinsatz verlangt. Gleichwohl kann es für die Frage der Gewinnerzielungsabsicht im Ergebnis nicht ausschlaggebend sein, ob der Ast seiner gewerblichen Betätigung seine gesamte Arbeitskraft widmen konnte oder nicht. Häufig erfolgt der Übergang von der nichtselbständigen zur gewerblichen Betätigung dadurch, daß für eine Übergangszeit eine nichtselbständige Beschäftigung aufrechterhalten wird, um dem Risiko der allein gewerblichen Betätigung nicht von vornherein in voller Schärfe ausgesetzt zu sein. Hieraus folgt zugleich, daß es für die Frage der Gewinnerzielungsabsicht bezüglich einer geltend gemachten gewerblichen Betätigung nicht entscheidend darauf ankommen kann, ob der Ast anderweitige Einkünfte – hier aus nichtselbständiger Arbeit – erzielt hat.
Auch kann es kein (mit-)entscheidendes Kriterium sein, ob sich der Ast noch einer akademischen Aus- oder Fortbildung gewidmet hat bzw. er an einer Dissertation arbeitete. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang wie bereits erwähnt vielmehr, daß sich der Ast auch nachhaltig in gewerblicher Hinsicht betätigt hat, wenn auch nur unter anderem. Nach Sachlage war dies der Fall. Auch das Finanzamt bestreitet dies nicht. Eine gewerbliche Betätigung kann auch in Nebentätigkeit erfolgen. Sie muß auch nicht die alleinige Existenzgrundlage eines Steuerpflichtigen bilden.
Wie das Finanzamt nicht verkennt, stellt andauernde Verlusterzielung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für sich allein kein Kriterium dar, das entscheidend gegen die Absicht der Gewinnerzielung spricht. Dies gilt umso mehr in der Anlaufphase eines Betriebs, in der im allgemeinen noch nicht oder schwer zu beurteilen ist, ob die Geschäftsidee mit den ergriffenen Maßgaben zum wirtschaftlichen Erfolg wird oder nicht. Der Senat geht davon aus, daß sich der Ast mit seiner gewerblichen Betätigung in den hier zu beurteilenden Zeiträumen jedenfalls bis 1991 noch in einer solchen Anlaufphase befand. Mithin stellt sich nicht die Frage, ob der Ast bereits erkennen mußte, daß seine Betätigung nicht zum Erfolg führen konnte und deshalb mit Maßnahmen reagiert werden mußte.
Das Finanzamt schließt im Ergebnis von der Höhe der auch später noch aufgelaufenen Verluste darauf, daß die Betätigung vom Ast aus in seiner persönlichen Sphäre liegenden Gründen aufgenommen und aufrechterhalten worden ist. Damit werden nach Auffassung des Senats unzulässig (s. auch den Grundsatz der Abschnittsbesteuerung) ex ante – und ex post – Betrachtungen vermengt,
Nach Lage der Dinge kommt es nicht mehr darauf an, ob der Senat ohne weiteres der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs folgen könnte, wonach bei gewerblichen Betätigungen der Beweis des ersten Anscheins für Gewinnerzielungsabsicht spricht. Ebensowenig hält es der Senat für erforderlich, daß eine Totalgewinnprognose angestellt wird. Schließlich ist nach Auffassung des Senats derzeit kein hinlänglicher Anhaltspunkt dafür sichtbar, daß die Sache nur mit der Verteilung der Nachweislast entschieden werden könnte. Eine Entscheidung danach, wen die Nachweislast trifft, kommt grundsätzlich nur dann in Frage, wenn sich die Sache im Zustand des non liquet befindet.
Nach Sachlage bestreitet das Finanzamt nicht die vom Ast vorgelegten Gewinnermittlungen, sodaß auch von dieser Seite aus kein Hindernis besteht, die erklärten Verluste zu berücksichtigen. Da in gewissem Umfang die für die gewerbliche Betätigung des Ast maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen im Rahmen von Sachverhaltsermittlungen des Finanzamt vor Ort erfolgt sind, kann der Senat der Äußerung des Finanzamts – jedenfalls im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes – keine maßgebliche Bedeutung beimessen, daß der Ast seinen Betrieb nur (fort-)geführt habe, um Eigenbedarf zu decken und die Steuerbelastung für den Arbeitslohn des Ast zu senken.
Nach Sachlage ist nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO auch dem Antrag auf Aufhebung der Verwirkung der Säumniszuschläge zu entsprechen (vgl. dazu z. B. BFH vom 30. März 1993 VII R 37/92, BFH/NV 1994 S. 4/6), soweit sie auf die ausgesetzten Steuerbeträge zurückzuführen sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.