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  • 08.01.2010

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 06.12.2006 – 6 K 2836/03

    - Macht ein Steuerpflichtiger geltend, ein steuerfreier Umsatz sei zu Unrecht als steuerpflichtig erklärt worden, handelt es sich schon deshalb um keine offenbare Unrichtigkeit, weil für die Beurteilung der Steuerfreiheit rechtliche Überlegungen hinsichtlich des Leistungsempfängers erforderlich sind.


    - Soweit Vor- und Einfuhrumsatzsteuern einer Organschaft geltend gemacht werden, die in der ursprünglichen, nicht jedoch in der berichtigten Umsatzsteuererklärung berücksichtigt wurden, handelt es sich nicht um neue, sondern um bereits bekannte und auch steuerlich berücksichtigte Tatsachen.


    - Ist bekannt, dass noch nicht alle Fehlbuchungen korrigiert sind, hätte ein sorgfältiger und gewissenhafter Steuerberater die Abgabe einer - die Versicherung der Vollständigkeit und Wahrheit beinhaltenden - Umsatzsteuererklärung nicht veranlasst.


    - Soweit das Vorhandensein der Bilanzposition „Umsatzsteuer” einen Nichtfachmann – gewissermaßen auf den ersten Blick – dazu veranlasst, diese Position einer näheren Prüfung zu unterziehen, besteht für einen erfahrenen Angehörigen der steuerberatenden Berufe erst Recht Anlass für eine nähere Überprüfung der Vor- und Einfuhrumsatzsteuer.


    - Selbst bei bewährten und für die übertragene Aufgabe qualifizierten Mitarbeitern sind zumindest stichprobenweise Überprüfungen und Kontrollen erforderlich, sodass eine Verletzung der Kontroll- und Überwachungspflicht vorliegt, wenn ein Steuerberater seine Mitarbeiter in keiner Weise überwacht und kontrolliert hat.


    Tatbestand

    Strittig ist, ob der Beklagte (das Finanzamt – FA –) eine Änderung der bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzung 1995 zu Recht abgelehnt hat.

    Die Klägerin wurde am 02.05.1979 unter der Firma „A GmbH” gegründet. Mit Beschluss vom 13.01.1986 legte sie ihr Wirtschaftsjahr auf die Zeit vom 01.07.-30.06. Nachdem sie am 11.10.1989 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war und als „B AG” firmierte, wurde sie durch den am 08.09.2003 in das Handelsregister eingetragenen Gesellschafterbeschluss erneut in eine GmbH umgewandelt.

    In dem am 25.08.1995 vom Vorstandsvorsitzenden unterzeichneten Jahresabschluss der Klägerin zum 30.06.1995 waren unter der Bilanzposition „Sonstige Forderungen” 14.906,36 DM ausgewiesen. Im Jahresabschluss zum 30.06.1996, der vom Vorstandsvorsitzenden am 16.08.1996 unterzeichnet wurde, war diese Position auf 204.673,65 DM angewachsen. Die von dem Prozessbevollmächtigten erstellte und am 18.08.1998 beim FA eingereichte Umsatzsteuererklärung 1995 beinhaltete Umsätze von 13.997.522,-- DM, Vorsteuern von 700.911,25 DM und Einfuhrumsatzsteuern von 605.950,90 DM. Bei einer festzusetzenden Umsatzsteuer von 792.766,10 DM ergab sich infolge eines Vorauszahlungssolls von 827.136,69 DM ein Erstattungsbetrag von 34.370,59 DM. In einer Anlage zur Umsatzsteuererklärung 1995 (Bl. 11 USt-Akte) erläuterte die Klägerin die zur Erstattung führenden Gründe wie folgt:

    „1. Nachbuchungen des Wirtschaftsprüfers und Korrekturen durch die B AG selbst. Diese Buchungen wurden im 13. Lauf der Buchhaltung erfasst, jedoch wurde keine berichtigte USt-VA für den Juni 1995 (abweichendes Wirtschaftsjahr) abgegeben.

    a) MwSt-Veränderung gem. dem 13. Lauf  
    Mindererlöse i.H.v. 17.056,78 DM x 15% = 2.558,52 DM
    b) Vorsteuerberichtigung  
    Erhöhung der bisher gemeldeten Vorsteuer vor allem durch Buchungen des Wirtschaftsprüfers. Es handelt sich um den Kauf des Kundenstammes X. Die Rechnungssumme beträgt brutto 230.000,-- DM 31.213,85 DM


    2. manuelle Erstellung der USt-VA

    Aus computertechnischen Gründen wird die USt-VA manuell erstellt. Als Vorlage dienen jedoch ein Mehrwert- und ein Vorsteuernachweis, der nach Abschluss der Buchungen von dem Programm ausgegeben wird. Teilweise wurde jedoch nicht dieser Nachweis zugrunde gelegt, sondern die Erlöse aus der G+V, so dass mehr Erlöse als steuerpflichtig erklärt worden sind, als tatsächlich der Fall war. Dieser Fehler wurde im Rahmen der Jahreserklärung

    ebenfalls berichtigt. 598,32 DM
    Erstattung für 1995 34.370,69 DM”.
    Ausweislich der Mitteilung vom 09.11.1998 stimmte das FA der Umsatzsteuererklärung 1995 zu (Bl. 20 USt-Akte), ordnete jedoch danach (am 27.11.1998) eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung an. Diese beschränkte sich auf „Korrekturen im Rahmen der Umsatzsteuer-Jahreserklärung”. Die Prüfung fand am 07.01.1999 statt und ergab keine Feststellungen, die zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen führen. Das FA teilte dies dem Steuerberater der Klägerin mit und hob durch Bescheid vom 10.02.1999 den Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 AO auf (Bl. 22 USt-Akte).

    Nachdem die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bei der Erstellung des Jahresabschlusses zum 30.06.1999 festgestellt hatte, dass auf dem Konto „Sonstige Vermögensgegenstände/Sonstige Forderungen” (Unterkonten 1401 – 1434) Umsatzsteuern aus den vergangenen Jahren in einer Gesamtsumme von 238.367,51 DM als Forderung an das FA ausgewiesen waren, beantragte die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten, die Umsatzsteuerfestsetzungen 1996 und 1997 nach § 164 Abs. 2 AO und die Umsatzsteuerfestsetzung 1995 nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, hilfsweise nach § 129 AO zu ändern und für das Streitjahr 1995 weitere Vorsteuern in Höhe von 53.503,17 DM zu berücksichtigen. Wegen eines Fehlers bei der manuellen Übertragung der Daten von dem Buchhaltungssystem in die Voranmeldungen seien entstandene Vorsteueransprüche nicht ordnungsgemäß angemeldet worden. Diese offenbare Unrichtigkeit sei auch bei der Erstellung der Jahressteuererklärung nicht bemerkt worden. Insgesamt seien in die Voranmeldungen für 1995 Vor- und Einfuhrumsatzsteuern von 91.789,35 DM nicht eingeflossen. Da nur ein Teil davon im Rahmen der Jahressteuererklärung geltend gemacht worden sei, verblieben für 1995 noch Vorsteuern in Höhe von 53.503,18 DM. Am 21.12.1999 reichte die Klägerin eine berichtigte Umsatzsteuererklärung 1995 ein, in der sie Vorsteuern von 716.323,10 DM (bisher: 700.911,25 DM) und Einfuhrumsatzsteuern von 644.042,21 DM (bisher: 605.950,90 DM) geltend machte [Summe hieraus: 53.503,16 DM] In einem Schreiben vom 13.01.2000 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin ferner mit, dass sich auch eine Änderung der steuerpflichtigen Umsätze um 8.156,00 DM ergebe. Ein Umsatz sei bislang unzutreffenderweise als steuerpflichtig erklärt worden (Bl. 30 USt-Akte). Die Steuerminderung hierauf beträgt 1.223,40 DM. [Summe insgesamt: 54.726,-- DM]. Der Bevollmächtigte fügte eine Anlage „VoSt Aufstellung 94 -98” bei, der sich folgendes entnehmen lässt:

    Juni 1995

    Angem. VSt/DM VSt  laut Konten/DM Differenz in DM Angem. EUSt/DM EUSt lt. Konten/DM Differenz in DM
    59.735,61 80.251,04 20.515,43 33.570,41 72.273,96 38.703,55


    13. Periode

    Angem. VSt/DM VSt laut Konten/DM Differenz in DM Angem. EUSt/DM EUSt lt. Konten/DM Differenz in DM
    0,-- 31.213,85 31.213,85 0,- 0,- 0,-


    Dezember 1995

    Angem. VSt/DM VSt laut Konten/DM Differenz in DM Angem. EUSt/DM EUSt lt. Konten/DM Differenz in DM
    40.715,99 42.072,51 1.356,52 45.222,91 45.222,91 0,-


    Das FA lehnte den Änderungsantrag am 06.06.2001 ab, weil einer Änderung § 173 Abs. 2 AO entgegenstehe, die Klägerin am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen ein grobes Verschulden treffe und – da zum Aufdecken des Fehlers größere Nachforschungen erforderlich gewesen seien – auch eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne von § 129 AO nicht vorliege. Den dagegen eingelegten Einspruch wies das FA am 26.06.2003 als unbegründet zurück: Die nachträglich geltend gemachten Vorsteuern und Einfuhrumsatzsteuern könnten wegen groben Verschuldens der Klägerin am nachträglichen Bekanntwerden der weiteren Vorsteuern nicht berücksichtigt werden. Die Steuererklärung sei von einem Steuerberater angefertigt worden. Diesem hätte bei einer überschlägigen Abstimmung der Position „Sonstige Forderungen” mit der Umsatzsteuererklärung 1995 die Abweichung auffallen müssen. Eine Berichtigung der Umsatzsteuer nach § 129 AO wegen eines Übernahmefehlers des FA sei nicht möglich. Weder aus der Umsatzsteuer-Jahreserklärung und den Anlagen, noch aus den Aufzeichnungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei für das FA ersichtlich gewesen, dass die erklärten Vorsteuern und Einfuhrumsatzsteuern unzutreffend ermittelt wurden. Das FA habe daher weder bei der Festsetzung der Umsatzsteuer 1995 noch bei der Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung einen Fehler der Klägerin übernommen.

    Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzinteresse weiter und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor:

    a) Es lägen die Voraussetzungen des § 129 AO vor. Im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung habe das FA die von der Klägerin erstellte Selbsterklärung für das Kalenderjahr 1995 voll inhaltlich übernommen und dadurch ihren Übertragungsfehler zu seinem eigenen Fehler gemacht.

    b) Außerdem sei auch eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich.

    aa) Dabei müsse berücksichtigt werden, dass die Umsatzsteuer-Voranmeldungen manuell erstellt worden seien. Diese Voranmeldungen beruhten jedoch auf Kontoauszügen, welche die entstandenen und gebuchten Vorsteuern nicht vollständig berücksichtigt hätten. Denn für die Voranmeldungen seien ein sog. Vorsteuernachweis und ein sog. Einfuhrumsatzsteuernachweis zugrunde gelegt worden, nicht jedoch die Gesamtsumme der Vorsteuer- und Einfuhrumsatzsteuern, die sich nach Umbuchungen und Nachbuchungen für das Wirtschaftsjahr 1994/1995 aus den jeweiligen Konten ergeben hätten. So seien bspw. im Juni 1995 Vorsteuern in Höhe von 20.515,43 DM nicht geltend gemacht worden. Dabei handele es sich um Vorsteuern aufgrund von solchen Belegen, die nicht im Zeitraum vom 01.06. bis einschließlich 10.07.1995 erfasst worden seien. In die Umsatzsteuer-Voranmeldung für Juni 1995 seien somit nur die Belege aufgenommen worden, die den Zeitraum vom 01.06.-30.06.1995 (Buchungsperiode 12-12/94) betreffen und bis spätestens 10.07.1995 erfasst wurden, da dies der Stichtag für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung sei (Bl. 193/194 Gerichtsakte). Da der jeweilige monatliche Überhang auch nicht auf den jeweiligen Konten Vorsteuer und Einfuhrumsatzsteuer verblieben sei, sondern EDV-mäßig auf das Konto „Sonstige Forderungen” transferiert wurde, habe auch ein geübter Buchhalter keine Veranlassung gehabt, die Buchhaltung in Frage zu stellen.

    bb) Bei der Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 seien umfangreiche Prüfungshandlungen vorgenommen worden, wobei sowohl die Umsätze als auch die Vorsteuerabzugsberechtigung geprüft worden seien. Anhand von Arbeitsunterlagen lasse sich eindeutig nachweisen, dass dem Schwierigkeitsgrad entsprechend Prüfungshandlungen vorgenommen, Umbuchungen veranlasst und Umstruktierungsmaßnahmen in der Buchhaltung ab dem 01.07.1998 mit dem damaligen Vorstand der Klägerin vereinbart worden seien. Von einer nachlässigen Bearbeitung und einem groben Verschulden könne somit keine Rede sein. Auch der mit der Prüfung der Abschlussbuchungen beauftragten Prüferin des FA sei der Fehler nicht aufgefallen. Ihr sei somit das gleiche Versehen unterlaufen wie der Klägerin, der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und dem steuerlichen Berater im Rahmen der Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995. Bei allen Prüfungen seien die Vorsteuernachweise zur Abstimmung der Vorsteuerkonten herangezogen worden und nicht die Konten der Finanzbuchhaltung.

    cc) Der Prozessbevollmächtigte meint, bei einer modernen EDV sei es nicht erforderlich zu prüfen, ob die Summe der Vor- und Einfuhrumsatzsteuern aus den Buchhaltungskonten mit der Summe der Vor- und Einfuhrumsatzsteuern im Voranmeldungsformular übereinstimme. Der vorliegende Übertragungsfehler habe im Rahmen der Erstellung der Jahreserklärung nicht festgestellt werden können. Die Vorsteuerüberhänge seien nicht auf den Konten Umsatzsteuer, Vorsteuer und Einfuhrumsatzsteuer ausgewiesen worden, sondern auf einem Konto „Sonstige Forderungen”. Es könne nicht Aufgabe des die Steuererklärung erstellenden Beraters sein, sämtliche Konten der Finanzbuchhaltung daraufhin zu überprüfen, inwieweit hier Umsatzsteuer oder Vorsteuern gebucht seien, die keinen Eingang in die Voranmeldungen gefunden hätten. Zur Abstimmung von Vorsteuern und Umsatzsteuern sehe das von der Klägerin benutzte EDV-Programm die Erstellung von Vorsteuer- und Umsatzsteuernachweisen vor. Diese seien auch korrekt für die Erstellung der Voranmeldungen und Jahreserklärungen verwendet worden. Es sei nicht Aufgabe des Steuerberaters, eine Buchhaltung, die von Fachpersonal erstellt worden sei, im Einzelnen zu prüfen, zumal die Buchhaltung sorgfältig durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft worden sei.

    c) Bei dem steuerfreien Umsatz in Höhe von 8.156,00 DM handele es sich um eine Ausfuhrlieferung in die Schweiz. Die ursprünglich an den schweizerischen Kunden gestellte Rechnung mit Umsatzsteuerausweis sei durch Erteilung einer Gutschrift aufgehoben und eine Rechnung ohne Umsatzsteuerausweis erstellt worden. Zur weiteren Begründung werde auf die beigefügte Gutschrift sowie die Rechnungskopie vom 09.03.1995 ohne Umsatzsteuerausweis verwiesen (Bl. 199 – 202 Gerichtsakte).

    Nachdem die Klägerin zunächst die Berücksichtigung von weiteren Vorsteuern in Höhe von 54.726,40 DM begehrt hatte, wurde sie mit gerichtlicher Verfügung vom 17.11.2006 (Bl. 178 Gerichtsakte) aufgefordert, eine rechnerische Differenz von 7.072,33 DM aufzuklären. Hierauf teilte der Bevollmächtigte mit, es sei im Rahmen der berichtigten Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1995 versäumt worden, die Vorsteuerbeträge und Einfuhrumsatzsteuerbeträge der Organgesellschaft zu übernehmen. Aus der Anlage „Umsatzsteuerjahreserklärung kumuliert 1995” (Bl. 210 d.A.) ergäben sich Vorsteuern der Organgesellschaft von 6.772,27 DM und Einfuhrumsatzsteuern der Organgesellschaft von 612,24 DM, insgesamt also 7.384,51. Die sich dann noch ergebende Differenz von 312,17 DM sei nicht mehr nachvollziehbar.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 06.06.2001 und der Einspruchsentscheidung vom 26.06.2003 das FA zu verpflichten, die Umsatzsteuer 1995 um 62.110,91 DM (31.756,80 EURO) herabzusetzen. Diesen Antrag hat die Klägerin im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung dahingehend eingeschränkt, dass die Geltendmachung eines Minderumsatzes von 8.156,-- DM nicht weiterverfolgt wird.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    a) Die Klägerin berufe sich zu Unrecht auf eine offenbare Unrichtigkeit.

    aa) Der Fall des versehentlichen Übertragens von einer anderen Unterlage als der gewollten sei nicht gegeben. Das Steuerberatungsbüro habe die Werte aus den Nachweisen, die es dafür auch verwenden wollte, in die Jahreserklärung übertragen. Da es der Steuerberater versäumt habe, sich über die Eigenarten des Buchhaltungsprogramms zu informieren und die Buchungen zumindest anhand von Stichproben zu überprüfen, liege keine offenbare Unrichtigkeit, sondern ein Irrtum über die Technik des Buchhaltungsprogrammes vor.

    bb) Außerdem sei Voraussetzung für § 129 AO eine „offenbare” Unrichtigkeit, die sich ohne weiteres aus der Steuererklärung oder den dieser beigefügten Anlagen oder aus den Akten des FA ergeben müsse. Vorliegend sei aus diesen Unterlagen jedoch weder die Technik des Buchhaltungssystems noch der Umstand ersichtlich, dass für die Vorsteuer wie die Einfuhrumsatzsteuer die Werte aus Monatsübersichten entnommen wurden, die die Abschlussbuchungen nicht enthielten. Zu Unrecht konstruiere die Klägerin, dass der Betriebsprüferin das gleiche Versehen unterlaufen sei. Dem stehe bereits entgegen, dass Gegenstand der Prüfung weder die Umsatzsteuer insgesamt noch der Vorsteuerabzug schlechthin gewesen sei. Aufgabe der Prüferin sei es lediglich gewesen, die Korrekturen der ersten Umsatzsteuererklärung zu prüfen. Zum Nachweis dafür legte das FA am 14.03.2005 eine dienstliche Erklärung der Betriebsprüferin vor (Bl. 134).

    b) Das eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ausschließende „grobe Verschulden” ergebe sich insbesondere aus folgenden Umständen:

    aa) Die Jahreserklärung 1995 habe gegenüber dem Umsatzsteuer-Überwachungsbogen 1995 eine erhebliche Abweichung von 37.986,-- DM ergeben. Die erhebliche Abweichung von 34.370,69 DM bei den Vorsteuern hätte einen gewissenhaften Steuerberater zu einer gründlichen Überprüfung veranlassen müssen.

    bb) Außerdem habe die Klägerin ihrer Gewinnermittlung ein abweichendes Wirtschaftsjahr zugrunde gelegt, bei der Umsatzsteuer aber auf das Kalenderjahr abstellen müssen, was aufwendige und fehleranfällige Abgrenzungen erforderlich mache.

    cc) Die Anlagen zur Jahreserklärung 1995 (Nachbuchungen des Wirtschaftsprüfers, Korrekturbuchungen der Klägerin, manuelle Erstellung der USt-VA) zeigten einem erfahrenen Berater weitere typische Fehlerquellen. Hinzu komme, dass die Klägerin ihre Voranmeldungen teils gemäß einem vom Programm ausgegebenen Mehrwert- und Vorsteuernachweis erstelle, teils gemäß den Erlösen aus der Gewinn- und Verlustrechnung. Die Klägerin habe bislang nicht dargelegt, weshalb sie unterschiedliche Vorlagen verwendet und wann sie welche Vorlagen benutzt habe. Ein derartiges Vorgehen indiziere Buchführungsmängel und begründe für sich allein schon grobes Verschulden, weil es sich um einen Systemfehler handele.

    c) Dem langjährigen Berater der Klägerin sei sicherlich auch bekannt gewesen, dass im Jahr 1998 und damit vor Abgabe der Umsatzsteuererklärung 1995 das Buchführungssystem der Klägerin auf Windows umgestellt wurde, wobei es zu Überspielungsfehlern gekommen sei. Zugleich sei auch Personal in der Buchhaltung der Klägerin ausgeschieden. Werde das Buchhaltungsprogramm umgestellt, komme es dabei zu Überspielungsfehlern und scheide zeitgleich auch noch Buchhaltungspersonal aus, müsse sich einem Steuerberater selbst bei geringen Anforderungen an seine berufsüblichen Sorgfaltspflichten die Notwendigkeit eingehender Überprüfungen aufdrängen. Dass für die Jahre 1995 – 1997 insgesamt Vorsteuern von 238.367,51 DM übersehen wurden, belege hinreichend, dass die erforderlichen Überprüfungen und Verprobungen unterlassen worden seien.

    d) Die Klägerin habe ihren Vortrag zur Fehlerursache auffällig geändert: Während sie zunächst behauptet habe, dass ihr Fehler bei der manuellen Übertragung der Daten (Vorsteueransprüche) von dem Buchhaltungssystem in die Voranmeldungen unterlaufen seien, behaupte sie in der Klageschrift, dass sich auf Unterkonten des Kontos „Sonstige Vermögensgegenstände/sonstige Forderungen” Umsatzsteuerbeträge angesammelt hätten. Auf dem jeweiligen Vorsteuernachweisblatt, das als Grundlage für die monatlichen Voranmeldungen diene, seien nur die Buchungen des jeweiligen Monats erfasst worden. Abschlussbuchungen, die einen anderen Monat beträfen, hätten zwar die Finanzbuchhaltung, nicht aber diese Nachweisblätter ausgewiesen. Soweit dieser letzte Vortrag zutreffe, sei das Buchhaltungssystem mangelhaft, weil die Vorsteuernachweisblätter nicht sämtliche Vorsteuerbeträge enthielten. Die Klägerin habe nicht dargelegt, weshalb dies nicht bei Verprobungen der Beträge der Vorsteuernachweisblätter mit der Finanzbuchhaltung aufgefallen sei. Außerdem stehe dieses Vorbringen im Widerspruch zur Anlage 1 der Jahreserklärung, wonach die Voranmeldungen teils gemäß einem vom Programm ausgegebenen Mehrwert- und Vorsteuernachweis, teils gemäß den Erlösen laut G+V erstellt würden.

    e) Der Bevollmächtigte berufe sich zu Unrecht auf die Richtigkeit der Buchhaltung und die Prüfung des Jahresabschlusses durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Ein die berufsübliche Sorgfalt berücksichtigender Steuerberater verlasse sich nicht auf die Richtigkeit der Buchhaltung, wenn – wie im Streitfall – das Buchhaltungsprogramm umgestellt wurde, es dabei zu Überspielungsfehlern gekommen sei, Personal ausgeschieden sei und die Jahreserklärung erhebliche Abweichungen gegenüber den Voranmeldungen aufweise. Im Übrigen könnten nicht nur Fehler des Beraters, sondern auch Fehler des klägerischen Personals grobes Verschulden begründen.

    f) Die von dem EDV-Programm erstellten Vorsteuernachweisblätter erfassten laut klägerischem Vortrag die Abschlussbuchungen höchst unvollständig. Da das Programm außerdem die nicht erfassten Vorsteuer- und Einfuhrumsatzsteuern eigenmächtig auf ein Konto „Sonstige Forderungen” transferiere, erscheine es ungeeignet. Werde es gleichwohl eingesetzt, seien umfassende Überprüfungen erforderlich, die vorliegend jedoch offensichtlich unterlassen wurden.

    g) Eine materiell-rechtliche Überprüfung der geltend gemachten Vorsteuern setze eine Verprobung der Umsätze sowie der Vorsteuerbeträge mit den Beträgen laut Bilanz bzw. GuV-Rechnung voraus und sei daher aufgrund der vorgelegten Unterlagen nicht möglich.

    Mit gerichtlicher Verfügung vom 11.10.2006 (Bl. 159 ff) wurde der Prozessbevollmächtigte der Klägerin u.a. aufgefordert, diejenige Person namentlich und unter Angabe der ladungsfähigen Anschrift zu bezeichnen, welche die Jahressteuerklärung 1995 für die Klägerin erstellt hat. Außerdem wurde er gebeten mitzuteilen, ob und ggf. in welcher Weise er persönlich an der Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 mitgewirkt habe. Hierauf hat der Prozessbevollmächtigte einen Herrn C als verantwortlichen Sachbearbeiter benannt, der an der Erstellung der Jahressteuererklärung 1995 „im Wesentlichen” mitgewirkt habe. Außerdem erklärte der Bevollmächtigte, er selbst habe an der Erstellung der Umsatzsteuererklärung 1995 nicht mitgewirkt (Bl. 164 d.A.).

    Am 01.12.2006 wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Einfuhrumsatzsteuer nur dann als Vorsteuer abzugsfähig ist, wenn der Unternehmer den Besitz an einem auf seinen Namen lautenden zollamtlichen Zahlungsbeleg erhalten hat und dass Zweifel am Vorliegen einer steuerfreien Ausfuhrlieferung bestehen (Bl. 263 – 267 d.A.). Zollamtliche Zahlungsbelege und ein Ausfuhrnachweis sind jedoch nicht vorgelegt worden.

    Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 06.12.2006 durch Vernehmung des kaufmännischen Angestellten D sowie des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers C Beweis erhoben zu den Umständen, die der Abgabe der ursprünglichen und der berichtigten Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 der Klägerin zu Grunde lagen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 06.12.2006 verwiesen (Bl. 287 ff Gerichtsakte).

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet.

    Der Ablehnungsbescheid vom 06.06.2001 und die Einspruchsentscheidung vom 26.06.2003 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin daher nicht in ihren subjektiven Rechten. Das FA hat die Änderung der bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzung 1995 zu Recht abgelehnt. Eine Änderung dieser Steuerfestsetzung ist weder nach § 129 AO noch nach § 173 AO möglich.

    1. Die Voraussetzungen einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1995 wegen offenbarer Unrichtigkeiten liegen nicht vor. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 S. 2 AO).

    a) Im Streitfall sind Schreib- oder Rechenfehler des FA bei der (ersten) Umsatzsteuerveranlagung der Klägerin weder vorgetragen worden noch für das Gericht ersichtlich. Als den Schreib- und Rechenfehlern ähnliche Unrichtigkeiten werden solche Fehler angesehen, die auf einem sonstigen mechanischen Verhalten beruhen. Daran fehlt es bei fehlerhaften Vorgängen aus dem Bereich des Denkens, Überlegenes, Schlussfolgerns, Urteilens, wie z. B. bei fehlerhafter Sachverhaltsermittlung und bei fehlerhafter Gesetzesanwendung (Tipke in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 129 AO Tz. 13). Diese Unrichtigkeiten gehen über ein mechanisches Versehen hinaus, weil sie nicht ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können, sondern letztlich auf unzureichender Sachaufklärung beruhen (BFH-Urteil vom 29. 03. 1985 VI R 140/81, BStBl II 1985, 569).

    b) Die Berichtigungsvorschrift des § 129 AO gilt grundsätzlich nicht für offenbare Versehen des Steuerpflichtigen (vgl. bereits BFH-Urteil vom 01. 07. 1954 IV 444/53 U, BStBl II 1954, 265; BFH-Urteil vom 17. 04. 1969 V R 21/66, BStBl II 1969, 474 ; BFH-Urteil vom 02. 04. 1987 IV R 255/84, BStBl II 1987, 762). Ausnahmsweise liegt eine offenbare Unrichtigkeit beim Erlass eines Verwaltungsaktes dann vor, wenn das Finanzamt eine in der Steuererklärung des Steuerpflichtigen enthaltene offenbare, d. h. als solche erkennbare Unrichtigkeit als eigene in den Verwaltungsakt übernimmt (BFH-Urteil vom 24. 07. 1984 VIII R 304/81, BStBl II 1984, 785 ; BFH-Urteil vom 02. 04. 1987 IV R 255/84, BStBl II 1987, 762 ; Tipke, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 129 AO Tz. 15 m. w. N. aus der Rechtsprechung). Das trifft aber nur dann zu, wenn sich die Unrichtigkeit ohne weiteres aus der Steuererklärung des Steuerpflichtigen, den beigefügten Anlagen oder aus den Akten des Finanzamtes ergibt und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Veranlagungsbeamte rechtliche Überlegungen angestellt hat. Anderenfalls liegt ein Ermittlungsfehler vor (BFH-Urteil vom 24. 07. 1984 VIII R 304/81, BStBl II 1984, 785; BFH-Urteil vom 12. 04. 1994, IX R 31/91, BFH/NV 1995, 1).

    c) Bei der Zustimmung des FA zur beantragten Steuerfestsetzung am 09.11.1998 war aus der Umsatzsteuererklärung 1995 und den beigefügten Anlagen in keiner Weise erkennbar, dass diese über die vorgenommenen Korrekturen hinaus weitere Unrichtigkeiten hinsichtlich der Vor- und Einfuhrumsatzsteuern enthielten. Es liegt vielmehr auf Seiten der Klägerin ein Fehler in der Sachverhaltsermittlung vor, der eine offenbare Unrichtigkeit ausschließt. Soweit die Klägerin geltend macht, ein steuerfreier Umsatz sei zu Unrecht als steuerpflichtig erklärt worden, handelt es sich schon deshalb um keine offenbare Unrichtigkeit, weil für die Beurteilung der Steuerfreiheit rechtliche Überlegungen hinsichtlich des Leistungsempfängers erforderlich waren. Auch hinsichtlich der erst im Rahmen des Klageverfahrens geltend gemachten Vor- und Einfuhrumsatzsteuern der Organgesellschaft liegt keine offenbare Unrichtigkeit vor. Ausweislich der klägerischen Ausführungen auf Seite 3 und 4 des Schriftsatzes vom 22.11.2006 (Bl. 192 ff) sowie der Anlage „Umsatzsteuerjahreserklärung kumuliert 1995” (Bl. 210 d.A.) waren diese Besteuerungsgrundlagen in der ursprünglichen Umsatzsteuererklärung 1995 und der darauf beruhenden Umsatzsteuerfestsetzung 1995 enthalten, sodass es insoweit bereits an einer Unrichtigkeit fehlt.

    d) Eine die Berichtigung eröffnende offenbare Unrichtigkeit lag auch bei Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung durch den Bescheid vom 10.02.1999 nicht vor. Der Veranlagungsstelle war die teilweise unterlassene Geltendmachung von Vor- und Einfuhrumsatzsteuern auch nach der Umsatzsteuer-Sonderprüfung in keiner Weise erkennbar. Dasselbe gilt für die Umsatzsteuer-Sonderprüferin, die sich laut Prüfungsanordnung auf „Korrekturen im Rahmen der Umsatzsteuer-Jahreserklärung” zu beschränken hatte und dies ausweislich ihrer dienstlichen Erklärung vom 15.09.2004 (Bl. 134 Gerichtsakte) auch getan hat, sodass sie die streitgegenständlichen Unrichtigkeiten nicht erkennen konnte. Dass die Umsatzsteuer-Jahreserklärung 1995 neben den korrigierten noch weitere Unrichtigkeiten enthielt, scheint allenfalls dem Prozessbevollmächtigten bekannt gewesen zu sein. Denn auf Seite 3 seines Schriftsatzes vom 20.02.2004 erklärte er im Hinblick auf die Abgabe der ersten Umsatzsteuer-Jahreserklärung: „Dass seinerzeit noch nicht alle Fehlbuchungen bekannt waren, ist sicherlich nicht zu vermeiden gewesen”.

    2. Einer Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung 1995 steht zwar die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 AO nicht entgegen.

    a) Nach § 173 Abs. 2 AO können Steuerbescheide, soweit sie auf Grund einer Außenprüfung ergangen sind, nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinderziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO ergangen ist.

    b) Im Streitfall ist zwar auf die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 07.01.1999 kein Steuerbescheid ergangen, sondern lediglich eine Mitteilung darüber, dass die Prüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen führte. Diese Mitteilung steht jedoch nach § 173 Abs. 2 Satz 2 AO einem Steuerbescheid gleich.

    c) Eine Außenprüfung im Sinne von § 173 Abs. 2 AO kann zwar auch eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung sein (vgl. Rüsken in Klein, Kommentar zur Abgabenordnung, § 173 Rn 142). Eine solche hat im Streitfall am 07.01.1999 stattgefunden. Nach dem BFH-Urteil vom 11.11.1987 X R 54/82 (BStBl II 1988, 307 f) bewirkt eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung, durch welche auf der Grundlage eingereichter Umsatzsteuervoranmeldungen „insbesondere der Vorsteuerabzug” geprüft wird, jedoch keine Änderungssperre nach §  173 Abs. 2 AO. Denn eine Änderungssperre setzt voraus, dass die Prüfungsmaßnahmen auf eine umfassende und zusammenhängende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen angelegt sind. Daran fehlt es im Streitfall. Denn die Umsatzsteuer-Sonderprüfung war auf „Korrekturen im Rahmen der Umsatzsteuer-Jahreserklärung” und damit auf die punktuelle Überprüfung von Besteuerungsgrundlagen beschränkt.

    3. Die Voraussetzungen einer Änderung der bestandskräftigen Umsatzsteuerfestsetzung 1995 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegen jedoch nicht vor.

    a) Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich bekannt werden.

    b) Dem FA ist nachträglich, d.h. nach Durchführung der Umsatzsteuerveranlagung 1995, bekannt geworden, dass die Klägerin für den Veranlagungszeitraum 1995 weitere Vorsteuern und Einfuhrumsatzsteuern sowie eine steuerfreie Ausfuhrlieferung in die Schweiz geltend macht. Diese Umstände führen auch zu einer niedrigeren Umsatzsteuer. Soweit die Klägerin darüber hinaus noch weitere Vor- und Einfuhrumsatzsteuern ihrer Organschaft geltend macht und vorträgt, dass diese zwar in der ursprünglichen Umsatzsteuererklärung 1995 berücksichtigt wurden, nicht jedoch in der berichtigten Umsatzsteuererklärung 1995, handelt es sich dagegen um keine neuen, sondern um bereits bekannte und auch steuerlich berücksichtigte Tatsachen.

    c) Die Klägerin trifft am nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsachen ein grobes Verschulden. Grobes Verschulden im Sinne von § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn der Beteiligte die ihm persönlich zuzumutende Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (BFH-Urteil vom 30.10.1986 III R 163/82, BStBl II 1987, 161). § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO setzt Sorgfaltspflichten voraus, durch deren Verletzung die Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden. Als verletzte Sorgfaltspflichten kommen insbesondere die Erklärungspflichten des Steuerpflichtigen in Betracht. Denn nach § 90 Abs. 1 S. 2 AO haben Steuerpflichtige die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offen zu legen. Überdies sind die Angaben in der Steuererklärung nach § 150 Abs. 2 S. 1 AO wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen zu erklären. Als Ausprägung der Wahrheitspflicht gilt die Vollständigkeitspflicht daher ebenso für die Angaben in der Steuererklärung.

    aa) Die Klägerin hat die Umsatzsteuererklärung 1995 zwar nicht selbst erstellt. Gleichwohl wird in solchen Fällen ein grobes Verschulden des Steuerpflichtigen dann bejaht, wenn er eine von seinem steuerlichen Berater gefertigte Steuererklärung unterschreibt, obwohl ihm bei Durchsicht „ohne Weiteres” hätte auffallen müssen, dass steuerermäßigende Tatsachen nicht berücksichtigt waren (BFH-Urteil vom 28.06.1983 VIII R 37/81, BStBl II 1984, 2). Im Streitfall waren die zu gering angemeldeten Vor- und Einfuhrumsatzsteuern sowie ein steuerfreier Drittlandsumsatz nicht auf den ersten Blick für die Klägerin erkennbar. Abgesehen davon, dass sich aufgrund der „Korrekturbuchungen” der Eindruck aufdrängte, die bei den Umsatzsteuer-Voranmeldungen erfolgten Fehler seien im Rahmen der Jahrersteuererklärung beseitigt worden, sind die Differenzen zwischen der Vorsteuer in der berichtigten Umsatzsteuererklärung (716.323,10 DM ) und der ursprünglichen Erklärung (700.911,25 DM) sowie der Einfuhrumsatzsteuer in der berichtigten Steuererklärung (644.042,21 DM) und der ursprünglichen Erklärung (605.950,90 DM) nicht so erheblich, dass der gesetzliche Vertreter der Klägerin ohne Weiteres auf die Unrichtigkeit der Steuererklärung hätte schließen können.

    bb) Wird - wie im Streitfall - mit der Ausarbeitung der Steuererklärung ein steuerlicher Berater beauftragt, muss sich der Steuerpflichtige das Verschulden seines steuerlichen Beraters nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung als eigenes Verschulden zurechnen lassen. Dabei sind an den steuerlichen Berater erhöhte Anforderungen zu stellen (BFH-Urteile vom 03.02.1983 IV R 153/80, BStBl II 1983, 324 und vom 25.11.1983 VI R 8/82, BStBl II 1984, 256). Von einem Angehörigen der steuerberatenden Berufe wird die Kenntnis und sachgemäße Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften ebenso erwartet wie professionelle Sorgfalt bei der Sachverhaltsermittlung (Rüsken in Klein, Kommentar zur AO, § 173 Rz 126). Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte sowohl in seinem Schreiben vom 14.11.2006 (Bl. 164 Gerichtsakte) als auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung versichert, dass er selbst an der Erstellung der Umsatzsteuererklärung 1995 nicht mitgewirkt habe. Der Senat hält diese Aussage für glaubhaft, zumal sie der Zeuge C dahingehend bestätigte, dass die Umsatzsteuererklärung 1995 federführend von einer Rechtsanwältin E und unterstützend durch ihn erstellt wurde.

    cc) Ein Steuerberater wird indes nicht dadurch entlastet, dass er Mitarbeiter zur Vorbereitung der Steuererklärung einsetzt.

    (1) Ein grobes Verschulden des steuerlichen Beraters liegt auch vor, wenn er sein Personal Arbeiten ausführen lässt, es aber grob schuldhaft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt auswählt, einsetzt und überwacht, sodass dadurch Fehler auftreten, die dazu führen, dass Tatsachen der Finanzbehörde nicht rechtzeitig bekannt geworden sind (BFH-Urteil vom 26.08.1987 I R 144/86, BStBl II 1988, 109). Seine Sorgfaltspflichten erstrecken sich somit auf die Auswahl seiner Mitarbeiter, die Organisation der Arbeiten in seinem Büro und die Kontrolle der Arbeitsergebnisse der Mitarbeiter (BFH-Urteil vom 26.08.1987 I R 144/86, a.a.O.) Diese Kontroll- und Überwachungspflichten beinhalten allerdings – wenn es sich um einen bewährten und für die übertragene Aufgabe qualifizierten Mitarbeiter handelt – grundsätzlich keine Verpflichtung, dessen Arbeitsergebnisse in allen Einzelheiten zu überprüfen und nachzuvollziehen. Andernfalls wäre der Einsatz von Mitarbeitern sinnlos, da er trotz wirtschaftlichen Aufwands kaum Entlastung des Beraters bewirken könnte. Ob ein steuerlicher Berater jeden Entwurf seines Mitarbeiters selbst überschlägig überprüfen muss oder ob stichprobenweise Überprüfungen ausreichen, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab (BFH-Urteil vom 26.08.1987 I R 144/86, a.a.O. S. 110).

    (2) Im Streitfall beruht die Nichtberücksichtigung von Vor- und Einfuhrumsatzsteuern auf einem grob fahrlässigen Verhalten des steuerlichen Beraters in der Form eines Überwachungs- und Kontrollverschuldens. Denn es steht aufgrund der Anhörung des Prozessbevollmächtigten selbst sowie der Aussage des Zeugen C zur Überzeugung des Senates fest, dass der Prozessbevollmächtigte die Arbeit seiner angestellten Mitarbeiter E und C weder überwachte, noch das Arbeitsergebnis dieser Mitarbeiter – die Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 – überprüfte. Mit der Anfertigung der Umsatzsteuererklärung 1995 war demnach federführend Frau E beauftragt, die dabei in kollegialer Zusammenarbeit von dem Mitarbeiter C unterstützt wurde.

    (a) Die Pflichtverletzung des Prozessbevollmächtigten sieht der Senat darin, dass dieser weder eine Abstimmung der Vor- und Einfuhrumsatzsteuerkonten laut Finanzbuchhaltung mit der Vor- und Einfuhrumsatzsteuer laut Jahressteuererklärung vornahm, noch eine Verprobung anhand der bezogenen Waren und Dienstleistungen durchführte. Das Erfordernis zu derartigen Überprüfungen ergibt sich nicht nur daraus, dass die Klägerin ihren Gewinn nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr ermittelte, während maßgeblicher Veranlagungszeitraum für die Umsatzsteuer das Kalenderjahr ist, was aufwendige und – wie sich aus den unvollständigen Korrekturen im Rahmen der ersten Jahressteuererklärung 1995 ergibt – fehleranfällige Abgrenzungen zur Folge hat. Hinzu kommt, dass dem Prozessbevollmächtigten ausweislich seiner Ausführungen im Schreiben vom 20.02.2004 (Seite 3) die Fehlerhaftigkeit und Unvollständigkeit auch bewusst war. Nachdem er in dem angesprochenen Schreiben erwähnt hat, dass das FA die erste Umsatzsteuererklärung akzeptiert hatte, fährt er fort: „Dass seinerzeit noch nicht alle Fehlbuchungen bekannt waren, ist sicherlich nicht zu vermeiden gewesen”. Unter solchen Umständen hätte ein sorgfältiger und gewissenhafter Steuerberater die Abgabe einer – die Versicherung der Vollständigkeit und Wahrheit beinhaltenden – Umsatzsteuererklärung nicht veranlassen dürfen. Es wäre vielmehr seine Aufgabe gewesen, den noch unbekannten Fehlbuchungen nachzugehen.

    Das Erfordernis zu den o.g. Überprüfungen von Vor- und Einfuhrumsatzsteuern ergibt sich für den Senat jedoch entscheidend daraus, dass zum Zeitpunkt der Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 - im August 1998 - ein bereits am 13.09.1996 von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüfter Jahresabschluss zum 30.06.1996 vorlag. Im Erläuterungsteil sind unter „2. Sonstige Vermögensgegenstände” mit den Kontonummern 1401 – 34 „Umsatzsteuer” Forderungen in Höhe von 204.673,65 DM ausgewiesen. Im Jahresabschluss zum 30.06.1995 betrug diese Position noch 14.906,36 DM. Der Senat ist der Ansicht, dass bei der Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 die Jahresabschlüsse zum 30.06.1995 und zum 30.06.1996 hätten herangezogen werden müssen und die erhebliche Zunahme der Bilanzposition „Umsatzsteuer” im Rahmen der sonstigen Vermögensgegenstände um ca. 190.000,-- DM hinreichend Anlass für eine weitere Überprüfung bot. Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass ein vergleichbar hoher Bilanzposten von 238.367,51 DM im Jahresabschluss zum 30.06.1999 dem Zeugen D als dem kaufmännischen Leiter der Klägerin sogleich nach Übernahme dieser Funktion aufgefallen war und von ihm zum Anlass von weitergehenden Recherchen genommen wurde, die dann zur Entdeckung der nicht geltend gemachten Vor- und Einfuhrumsatzsteuern führten. Da somit das Vorhandensein der Bilanzposition „Umsatzsteuer” einen Nichtfachmann – gewissermaßen – auf den ersten Blick dazu veranlasste, diese Position einer näheren Prüfung zu unterziehen, hätte für den Prozessbevollmächtigten als einem erfahrenen Angehörigem der steuerberatenden Berufe erst recht Anlass für eine nähere Überprüfung der Vor- und Einfuhrumsatzsteuern bestanden.

    (b) Der Annahme eines groben Verschuldens des Prozessbevollmächtigten steht nach Überzeugung des Senates nicht entgegen, dass der Zeuge C zu den in der Bilanz ausgewiesenen Umsatzsteuerforderungen an das FA erklärte, er und Frau E seien davon ausgegangen, dass diese Forderungen bereits Gegenstand der Umsatzsteuervoranmeldung gewesen seien bzw. aus den im Rahmen der Prüfung des Jahresabschlusses vorgenommenen Nachbuchungen herrührten. Im Hinblick darauf, dass die Voranmeldungen der Klägerin – bis auf den Voranmeldungszeitraum Mai mit einer Erstattung von 35.913,54 DM – in der Regel Nachzahlungen ergaben, ist die Annahme eines Erstattungsbetrages aus einer Voranmeldung in einer Größenordnung von 200.000,-- DM völlig unrealistisch und daher in keiner Weise geeignet, das Vorhandensein der Bilanzposition „Umsatzsteuer” zu erklären. Die Nachbuchungen im Rahmen der Umsatzsteuer-Jahrserklärung 1995 hatten eine steuerliche Auswirkung von lediglich 34.370,69 DM und sind daher ebenso ungeeignet, das Vorhandensein einer Umsatzsteuerforderung von ca. 205.000,- DM zu begründen. Jedenfalls blieb unter Berücksichtigung der Nachbuchungen im Rahmen des Jahresabschlusses ein Differenzbetrag von ca. 170.000,-- DM offen, der vom Prozessbevollmächtigten aufzuklären gewesen wäre.

    (c) Eine Kontrolle und Überwachung der Mitarbeiter E und C konnte im Streitfall auch nicht ausnahmsweise unterbleiben. Ob ein steuerlicher Berater jeden Entwurf seines Mitarbeiters selbst überschlägig überprüfen muss oder ob stichprobenweise Überprüfungen ausreichen, hängt zwar von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. BFH-Urteil vom 26.08.1987 I R 144/86, a.a.O. S. 110). Selbst bei bewährten und für die übertragene Aufgabe qualifizierten Mitarbeitern sind jedoch zumindest stichprobenweise Überprüfungen und Kontrollen erforderlich. Eine Verletzung der Kontroll- und Überwachungspflicht liegt daher im Streitfall schon deswegen vor, weil der Prozessbevollmächtigte seine Mitarbeiter keiner Weise überwacht und kontrolliert hatte. Ob bei ganz besonders qualifizierten und seit langen Jahren bewährten Mitarbeitern von einer Kontrolle und Überwachung abgesehen werden kann, lässt der Senat im Streitfall offen. Denn es ist zumindest zweifelhaft, ob der die Mitarbeiterin E unterstützende Zeuge C bereits zum damaligen Zeitpunkt als ein derartiger Mitarbeiter anzusehen war. Dagegen spricht nicht nur, dass er im Rahmen seiner Zeugenaussage die Bilanzposition „Umsatzsteuer” mit einer Umsatzsteuer-Voranmeldung sowie mit Nachbuchungen im Rahmen des Jahresabschlusses erklärt hat, sondern auch, dass er erst im Oktober 1996 in die Steuerberaterpraxis des Prozessbevollmächtigten eintrat und im Februar 1997 seine Steuerberaterprüfung ablegte, bei Erstellung der Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 der Klägerin im August 1998 also nicht einmal zwei Jahre in der Steuerberaterpraxis des Prozessbevollmächtigten, davon eineinhalb Jahre als Steuerberater tätig war.

    d) Im Unterschied zu den nicht geltend gemachten Vor- und Einfuhrumsatzsteuern kann dem Prozessbevollmächtigten wegen der Nichtberücksichtigung eines steuerfreien Umsatzes kein grobes Verschulden vorgeworfen werden. In Anbetracht der umfangreichen Auslandsaktivitäten der Klägerin mit steuerfreien Umsätzen von ca. 250.000,-- DM im Streitjahr 1995 ist die Nichtberücksichtigung lediglich eines steuerfreien Umsatzes als ein Versehen zu beurteilen, das jedem unterlaufen könnte. Insoweit wäre daher zwar eine Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gegeben, einer Änderung steht aber entgegen, dass die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung keinen Ausfuhrnachweis vorlegen konnte und sie deshalb erklärt hat, die Geltendmachung eines steuerfreien Drittlandsumsatzes von 8.156,-- werde nicht weiter verfolgt.

    4. Ergänzend weist der Senat noch auf folgendes hin: Selbst wenn die Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO durchgreifen würde, wären der Abzug der nachträglich geltend gemachten Einfuhrumsatzsteuern in Höhe von 38.091,31 DM aus materiell-rechtlichen Gründen zu versagen.

    a) Nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG kann der Unternehmer die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für solche Gegenstände als Vorsteuer abziehen, die für sein Unternehmen in das Inland eingeführt worden sind. Entrichtete Einfuhrumsatzsteuer darf aber nur dann als Vorsteuer abgezogen werden, wenn der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer den Besitz an einem auf seinen Namen lautenden zollamtlichen Zahlungsbeleg oder Ersatzbeleg erhalten hat (BFH-Urteil vom 09.02.1995 V R 57/93, BFHE 177, 513).

    b) Das Gericht hat die Klägerin mit gerichtlicher Verfügung vom 01.12.2006 auf diese Rechtslage hingewiesen und sie aufgefordert, zollamtliche Zahlungsbelege nachzureichen. Gleichwohl hat die Klägerin als Anlage zu ihrem Schreiben vom 04.12.2006 nur Rechnungen von Speditionsfirmen, aber keine zollamtlichen Zahlungsbelege vorgelegt (Bl. 283 ff d.A.).

    Die Klage war daher abzuweisen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenAO § 129, AO § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2