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  • 08.01.2010

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 23.06.2004 – 3 K 1712/01

    1. Der Grundbesitzwert für Rohbauland für das eine bauliche Nutzung bestimmt ist, deren Erschließung aber nicht gesichert ist und die nach Lage, Form und Größe für eine bauliche Nutzung unzureichend gestaltet ist, kann nicht unmittelbar aus dem Bodenrichtwert für Bauland abgeleitet werden, wenn das Bewertungsobjekt zum Stichtag nicht in einem vollständig erschlossenen Baugebiet liegt.

    2. Zur Ermittlung des gemeinen Wertes unbebauter Grundstücke in Erschließungsgebieten ist die Preisbildung bei der Durchführung von Umlegungsverfahren zur Bestimmung des Verkehrswertes von Grundstücken im Umlegungsgebiet geeignet.

    3. Wertsteigerungen auf Grund von Erschließung- und Aufteilungsmaßnahmen nach dem Bewertungsstichtag beruhen nicht auf der bereits zum Stichtag bestehenden Planung sondern auf der danach eingetretene Planverwirklichung und können daher nicht bei der Verkehrswertfeststellung zum Stichtag berücksichtigt werden.


    Im Anschluss an die unentgeltliche Übereignung von zwei unbebauten Grundstücken, die die begünstigten Kläger und die Beigeladene unmittelbar danach zu besonderen Konditionen wieder veräußert haben, streiten die Beteiligten über den Grundbesitzwert der Grundstücke im Zeitpunkt der Schenkung. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:

    Die Kläger sind die Eltern von drei Töchtern. Mit notariell-beurkundetem Grundstücksschenkungsvertrag vom 07.04.1997 haben die beiden ältesten Töchter zwei in einem eingemeindeten Stadtteil der Stadt X belegene, ursprünglich landwirtschaftlich genutzte Grundstücke von zusammen 3410 qm unentgeltlich auf ihre Eltern, die Kläger, und ihre jüngere Schwester, die Beigeladene, übertragen. Bei der nach Bruchteilen erfolgten Übereignung erhielten die Kläger je einen Anteil von 39/100, die Beigeladene 22/100. Der für Zwecke der Schenkungsteuer festzustellende Grundbesitzwert für diese Grundstücke ist zwischen den Beteiligten streitig.

    Mit ebenfalls am 07.04.1997 bei dem gleichen Notar beurkundetem Grundstückskaufvertrag haben die Kläger und die Beigeladene die zuvor erworbenen Grundstücke an die Y verkauft. Die Y war von der Stadt X in einem Vertrag vom 04.11.1992 mit der Planung, dem Grunderwerb, der Erschließung und dem Grundstücksverkauf für ein Neubaugebiet beauftragt worden, in dem auch die von den Klägern und der Beigeladenen (Verkäufer) am 07.04.1997 veräußerten Grundstücke lagen. In dem Kaufvertrag vom 07.04.1997 haben die Vertragspartner zunächst 1,00 DM/qm (3.410,00 DM) als Kaufpreis für das veräußerte Rohbauland vereinbart. Die danach als Eigentümerin handelnde Y verpflichtete sich zur Erschließung und Baureifmachung der erworbenen Grundstücke, wobei die Verkäufer für die Anlage von Straßen, Wegen und Plätzen pauschal einen Flächenbeitrag von 30 v.H. der übertragenen Gesamtfläche zu leisten hatten (§ 7 Nr. 1 Abs. 2 des Vertrages). Weiter heißt es in § 7 Nr. 2 Abs. 1 des Vertrages:

    „Die Käuferin hat sich der Gemeinde gegenüber verpflichtet, die entstehenden Baugrundstücke zum Kostenpreis zu verkaufen. Der Kostenpreis ergibt sich aus dem an den Verkäufer gezahlten Kaufpreis des Rohlandgrundstückes, den Erwerbs- und Herstellungskosten für die öffentlichen Ausgleichsflächen, dem Flächenbeitrag, den Grunderwerbsnebenkosten (wie z. B. für Notar, Grundbuchamt, behördliche Gebühren bzw. Negativatteste), den Vermessungskosten, den Aufschließungskosten, Planungs- und Dienstleistungshonorare sowie Finanzierungsaufwendungen. Das Honorar für die Dienstleistungen der Bodenordnung geht auf der Grundlage eines fiktiven Ankaufspreises von 90, DM/m² in die Kostenermittlung ein. Der Rückkäufer ist nach dem zwischen der Käuferin und der Gemeinde geschlossenen Planungs-, Bodenordnungs- und Erschließungsvertrag freigestellt von allen nach Bundes- und Landesrecht, in Verbindung mit den Ortssatzungen zu erhebenden Anlieger- und Anschlussbeiträgen für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlagen. Er ist gemäß Ortssatzung berechtigt und verpflichtet, an die in das Baugrundstück verlegten Leitungen der Ver- und Entsorgungsanlagen anzuschließen.”

    Zugleich hat die Y den Verkäufern nach Abschluss der Planungs-, Erschließungs- und Parzellierungsarbeiten einen Anspruch auf Baulandzuteilung im Umfang von 70 v.H. der Einlagefläche (2.387 qm) eingeräumt. Die Verkäufer haben in dem Vertrag vom 07.04.1997 erklärt, dass sie den Rückerwerbsanspruch in vollem Umfang entsprechend ihrer Bruchteilsquote ausüben wollten (§ 7 Nr. 5 des Vertrages). Der Rückkaufanspruch wurde durch eine Rückauflassungsvormerkung grundbuchlich gesichert (§ 7 Nr. 6 Abs. 1 des Vertrages). Weiter heißt es in § 7 Nr. 5 Abs. 3 des Vertrages: „Kommt es binnen 3 Monaten nach der Aufforderung gemäß Abs. 1 durch die Käuferin nicht zu einem Kaufabschluss mit dem Verkäufer oder mit dem von ihm benannten Erwerber (Abs. 4), so erlischt der Rückerwerbsanspruch. In diesem Falle verpflichtet sich die Käuferin, an die Verkäufer 89, DM/m² Bruttobaulandfläche nachzuentrichten.” Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Kaufvertrages vom 07.04.1997 wird auf die Vertragskopie (Blatt 16-27 FG-A) Bezug genommen.

    Im Juli 1998 hatte die Y die ihr übertragenen Arbeiten so weit abgeschlossen, dass sie die Verkäufer mit Schreiben vom 31.07.1998, auf das Bezug genommen wird (Blatt 81 FG-A), zur Ausübung des Rückerwerbsanspruchs aufgefordert hat. Bei Ausübung dieses Anspruchs sollte der an die Y zu zahlende Kaufpreis für die erschlossenen Nettobauplatzflächen 266,22 DM/qm betragen. Soweit sich im Rahmen der Bauplatzzuteilung Mehr- oder Minderflächen ergeben hatten, waren diese finanziell besonders auszugleichen. Auf dieser Grundlage haben die Kläger mit notariellem Vertrag vom 24.09.1998 von der Y 5 Bauplätze mit einer Gesamtfläche von 2.384 qm erworben, wobei sie für eine Fläche von 2.261 qm 266,22 DM/qm und für eine Fläche von 123 qm 403,67 DM/qm gezahlt haben. Am gleichen Tag hat die Beigeladene einen Bauplatz in der Größe von 618 qm zum Preis von 266,22 DM/qm erworben.

    Nachdem der Beklagte (das Finanzamt) von der zuständigen Schenkungsteuerstelle zur Feststellung des Grundbesitzwertes für die unentgeltlich auf die Kläger und die Beigeladene übertragenen Grundstücke aufgefordert worden war, hat er die Bedarfsbewertung nach § 138 Abs. 3 i.V.m. § 145 Abs. 3 Satz 1 Bewertungsgesetz (BewG) durchgeführt. Dabei ist er von einem für erschlossenes Bauland in dem Richtwertgebiet geltenden Bodenrichtwert von 480, DM/qm ausgegangen. Da es sich bei den übertragenen Grundstücken 1997 um Rohbaulandflächen gehandelt hat, hat das Finanzamt unter Bezugnahme auf Abschnitt 160 Abs. 2 Satz 7 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts (Erbschaftsteuerrichtlinie - ErbStR -, Bundessteuerblatt - BStBl - I Sondernummer 2/1998) den Bodenrichtwert nur zur Hälfte berücksichtigt (240,00 DM/qm) und diesen Wert gemäß § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG um 20 v.H. ermäßigt. Auf dieser Grundlage hat das Finanzamt den Grundbesitzwert gegenüber den Klägern mit Bescheid vom 06.08.1998 auf 654.000, DM festgestellt und nach den Bruchteilsquoten auf die beiden Kläger und die Beigeladene aufgeteilt. Gegen diesen Bescheid haben die Kläger fristgerecht Einspruch eingelegt, mit dem sie unter Bezugnahme auf den Grundstücksverkaufsvertrag vom 07.04.1997 die Feststellung des Grundbesitzwertes unter Ansatz eines geringeren gemeinen Werts der übertragenen Grundstücke von 90,00 DM/qm begehrt haben. Das Finanzamt ist dem Begehren nicht gefolgt, sondern hat den Einspruch mit Entscheidung vom 14.03.2001 abgewiesen. Dagegen richtet sich die vorliegende Klage, die zunächst auch im Namen und in Vollmacht der Beigeladenen erhoben worden war. Nach dem gerichtlichen Hinweis, dass die Klage der Beigeladenen wegen des fehlenden Vorfahrens unzulässig sein dürfte, hat die Beigeladene ihre Klage zurückgenommen. Das Gericht hat sie mit Beschluss vom 02.02.2004 notwendig zum Verfahren beigeladen, § 60 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO).

    Zur Begründung ihrer Klage machen die Kläger geltend, der Grundbesitzwert sei nicht nach § 145 Abs. 3 Satz 1, sondern nach § 145 Abs. 3 Satz 3 Bewertungsgesetz festzustellen, weil sie durch Vorlage des Grundstücksverkaufsvertrages vom 07.04.1997 für das Rohbauland einen niedrigeren gemeinen Wert nachgewiesen hätten. Dieser betrage 90,00 DM/qm, denn bei Nichtausübung des Rückkaufanspruchs hätten sie für das verkaufte Rohbauland keinen höheren Preis erzielen können, § 9 Abs. 2 BewG. Der Kaufpreis von 90,00 DM/qm sei auch im normalen Geschäftsverkehr unter Fremden zustande gekommen. Dabei sei es unerheblich, ob die Y in ihrem Preisangebot an Vorgaben der Stadt X gebunden gewesen sei, weil die Kläger diese Konditionen freiwillig akzeptiert hätten. Die Einräumung des Rückübertragungsanspruchs habe zum Bewertungsstichtag, dem 07.04.1997, den Grundstückswert nicht beeinflussen können, weil die Entscheidung, ob der Anspruch ausgeübt werde oder nicht, zum Stichtag keine Rolle gespielt habe.

    Die Kläger beantragen,

    den Feststellungsbescheid vom 06.08.1998 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14.03.2001 zu ändern, die Feststellung des Grundbesitzwertes auf 306.900,00 DM herabzusetzen und anteilig auf die Erwerber zu verteilen.

    Das Finanzamt beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Es ist der Auffassung, die Bedarfsbewertung habe - wie geschehen - in Anlehnung an Abschnitt 160 Abs. 2 Satz 7 ErbStR mit 50 v.H. des Bodenrichtwerts für erschließungsbeitragsfreie unbebaute Grundstücke zu erfolgen, weil die Kläger von ihren älteren Töchtern am 07.04.1997 unentgeltlich Anteile an einer Rohbaulandfläche erhalten hätten. Einen niedrigeren gemeinen Wert hätten die Kläger durch Vorlage des Grundstücksverkaufsvertrages vom 07.04.1997 nicht nachgewiesen, weil dieser Vertrag nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen sei. Vielmehr handle es sich um einen festgelegten Wert zur Durchführung des Umlegungsverfahrens unter den im Baugebiet beteiligten Eigentümern. Daher sei in dem Kaufvertrag auch kein Preis von 90,00 DM/qm, sondern nur ein symbolischer Wert von 1,00 DM/qm unter Einräumung eines Rückübertragungsanspruchs nach Abschluss des Umlegungsverfahrens durch die Y vereinbart worden. Nach der Baulandumlegung hätten die Kläger die neu entstandenen Grundstücke daher zum Kostenpreis der Y von 266,22 DM/qm zurückerwerben können, während der Preis für erschlossenes Bauland - ohne Einbringung von Rohbauland - im Bewertungsgebiet 500,00 DM/qm betragen habe. Unter diesen Umständen entspreche auch der Preis von 90,00 DM/qm nicht dem gemeinen Wert des unentgeltlich übertragenen Rohbaulandes. Diese Auffassung decke sich auch mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 21. Juli 1993 - II R 13/91 (BFH/NV 1994, 610) vertretenen Auffassung, wonach ein ansiedlungspolitisch bedingter Vorzugspreis auf außergewöhnlichen Umständen beruhe und deshalb nicht als gemeiner Wert nach § 9 Abs. 2 Satz 3 BewG berücksichtigt werden dürfe. Da der Preis für den Erwerb des Rohbaulandes von der Gemeinde festgesetzt worden sei (§ 169 Abs. 4 Baugesetzbuch - BauGB -), ohne die Entwicklungschancen der Grundstücke zu berücksichtigen, könne der Kaufpreis auch nach der Wertermittlungsverordnung (WertV) nicht als Verkehrswert angesetzt werden. Denn nach § 13 und § 3 Abs. 2 WertV seien der bauliche Zustand eines Grundstücks und alle wertbeeinflussenden Faktoren zu berücksichtigen.

    Wollte man dieser Auffassung nicht folgen und davon ausgehen, dass der Kaufpreis im freien Rechtsverkehr zustande gekommen sei, dann sei der Wert des Rückübertragungsanspruchs mit 226,22 DM/qm anzusetzen. Denn dieser Wert zeige, dass der Verkaufspreis aus dem Vertrag von 07.04.1997 einen erheblichen Einfluss auf die später zu zahlenden Rückübertragungskaufpreise gehabt habe. Daraus sei ersichtlich, dass dem eingeräumten Rückübertragungsrecht ein eigenständiger Wert beizumessen sei.

    In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin des Finanzamts auf Befragen des Gerichts vorgetragen: Die Y habe insgesamt eine Fläche von 88.793 qm erworben und davon eine Teilfläche von 59.824 qm erschlossen und veräußert. Die Restfläche von 28.969 qm sei Vorratsland der Stadt X geblieben. Die Y habe bei ihren Grundstückskäufen unterschiedliche Vertragsvarianten verwendet. Sie habe die Grundstücke entweder - wie im Fall der Kläger - zum Preis von 1, DM/qm erworben und den Verkäufern die späteren Bauplätze dann für 266,22 DM/qm zum Rückkauf angeboten oder sie habe das Rohbauland für 90, DM/qm erworben und dann von den Verkäufern einen Rückkaufpreis von 403,67 DM/qm verlangt; die zweite Vertragsvariante betreffe etwa 21 % der verkauften Rohbaulandfläche. In Einzelfällen habe die Y auch Kaufpreise geboten, die zwischen 1, und 90, DM/qm gelegen hätten. Die Vertreterin des Finanzamts hat betont, dass in allen von ihr durchgesehenen Vertragsabwicklungen kein einziger Verkäufer von Rohbauland auf seinen Rückerwerbsanspruch verzichtet und sich mit einem Verkaufserlös von 90, DM/qm endgültig zufrieden gegeben habe. Soweit einzelne Verkäufer ihren Anspruch auf Rückerwerb an Dritte weiterveräußert und abgetreten hätten, hätten sie Verkaufserlöse für das erschlossene Bauland erzielt, die weit über dem von der Y geforderten Preis von 403,67 DM/qm gelegen hätten. Die Kläger und die Beigeladene hätten bisher entsprechende Verkäufe nicht getätigt, sondern seien noch im Besitz aller von ihnen zurückerworbenen Bauplätze.

    Dem Senat hat bei seiner Entscheidung ein Band Verwaltungsakten vorgelegen.

    Tatbestand

    Die Klage ist begründet.

    Der Senat ist der Auffassung, dass der Grundbesitzwert im Streitfall nicht auf der Grundlage des Abschnitts R 160 Abs. 2 Satz 7 ErbStR zu ermitteln ist, weil die Kläger einen abweichenden niedrigeren Verkehrswert für die unentgeltlich erworbenen Grundstücke nachgewiesen haben, § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG.

    1. Der Grundbesitzwert eines unbebauten Grundstücks ist für Zwecke der Schenkungsteuer im Wege der Bedarfsbewertung nach § 138 Abs. 3 i.V.m. § 145 Abs. 3 BewG zu ermitteln. Für die Ermittlung der Grundbesitzwerte sind die tatsächlichen Verhältnisse im Besteuerungszeitpunkt und grundsätzlich die Wertverhältnisse zum 01.01.1996 maßgebend, § 138 Abs. 1 Satz 2 BewG. Der Wert unbebauter Grundstücke ergibt sich regelmäßig aus der Grundstücksfläche, die mit dem um 20 v.H. ermäßigten Bodenrichtwert für erschlossene Baugrundstücke multipliziert wird, § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG. Zu diesem Zweck sind die Bodenrichtwerte von den Gutachterausschüssen nach den Wertverhältnissen zum 01.01.1996 flächendeckend ermittelt worden, § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert des unbebauten Grundstücks niedriger ist als der unter Beiziehung der Bodenrichtwerte ermittelte Wert, dann ist der gemeine Wert als Grundbesitzwert festzustellen, § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG.

    2. Im Streitfall kann der Grundbesitzwert nicht unmittelbar aus dem Bodenrichtwert abgeleitet werden, da das Bewertungsobjekt zum Stichtag, dem 07.04.1997, nicht in einem vollständig erschlossenen Baugebiet gelegen hat. Vielmehr handelt es sich bei dem Bewertungsobjekt um Rohbauland, also um eine Fläche, die nach den §§ 30, 33 und 34 BauGB für eine bauliche Nutzung bestimmt ist, deren Erschließung aber noch nicht gesichert war und die nach Lage, Form und Größe für eine bauliche Nutzung unzureichend gestaltet war. Für Flächen, die sich in einem Entwicklungszustand wie das Bewertungsobjekt befunden haben, hat der Gutachterausschuss dem Finanzamt offenbar keine gesonderten Werte zur Verfügung gestellt. Eine Wertermittlung für diese Grundstücke lässt sich auch nicht unmittelbar aus dem Gesetz ableiten.

    Die Finanzverwaltung hat für diese Sachverhalte in Abschnitt R 160 Abs. 2 Satz 7 ErbStR geregelt, dass bei der Ermittlung des Bodenwerts für Bruttorohbauland, das auch die für öffentliche Zwecke benötigten Flächen des Planungsgebiets umfasst, regelmäßig von 50 v.H. des Bodenrichtwerts erschließungsbeitragsfreier vergleichbarer Baulandflächen auszugehen sei. Auf der Grundlage dieser Verwaltungsanweisung hat das Finanzamt den streitigen Grundbesitzwert ermittelt.

    Der Senat lässt offen, ob die Verwaltungsanweisung auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht. Denn im Streitfall haben die Kläger nach Auffassung des Senats durch den Abschluss des Kaufvertrages mit der Y einen niedrigeren gemeinen Wert für das Rohbauland nachgewiesen, § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG.

    3. Der gemeine Wert bestimmt sich § 9 Abs. 2 BewG durch den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre; dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen, ausgenommen ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse. § 9 Abs. 2 BewG unterstellt einen funktionierenden Absatzmarkt, d.h. insbesondere eine Nachfrage nach Wirtschaftsgütern von der Art des zu bewertenden Wirtschaftsguts. Der gemeine Wert lässt sich am zuverlässigsten aus einer Vielzahl tatsächlicher Verkäufe derartiger Wirtschaftsgüter herleiten. Finden solche Verkäufe in großer Zahl statt, so bietet dies die Gewähr, dass die dabei erzielten tatsächlichen Verkaufserlöse auch für das zu bewertende Wirtschaftsgut als Verkaufspreis zu erzielen wären (Urteil des BFH vom 29. April 1987 X R 2/80, BStBl II 1987, 769). Bei der Ermittlung des gemeinen Werts unbebauter Grundstücke verdient die Wertermittlung durch unmittelbare Ableitung aus Kaufpreisen für vergleichbare Grundstücke den Vorzug vor der Wertermittlung auf der Grundlage nach Bodenrichtwerten (BFH-Urteil vom 26. September 1980 III R 21/78, BStBl II 1981, 153). Dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung folgt auch die Finanzverwaltung in Abschnitt R 163 ErbStR. Danach eignet sich als Nachweis für den als Grundbesitzwert festzustellenden niedrigeren gemeinen Wert (Verkehrswert) regelmäßig ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder ein Sachverständigengutachten, aber auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum Besteuerungszeitpunkt zustande gekommener Kaufpreis über das Bewertungsgrundstück.

    a) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall haben die Kläger durch den Verkauf des Rohbaulandes an die Y unmittelbar nach der unentgeltlichen Übertragung auf sie einen im Vergleich zum festgestellten Grundbesitzwert des Finanzamts niedrigeren Verkehrswert nachgewiesen. Dieser Wert beträgt nach dem zwischen den Klägern und der Y geschlossenen Verkaufvertrag 90,-- DM/qm für das Bruttorohbauland. Denn diesen Preis hat die Y nicht nur mit den Klägern, sondern in einer Vielzahl von Kaufverträgen in einem geschlossenen Gebiet von fast 9 ha für den Ankauf von Rohbauland bezahlt. Dabei hatten die Grundstücksverkäufer keine realistische Chance, für den Verkauf des Rohbaulandes einen höheren Kaufpreis zu erzielen. Sie waren aber frei in ihrer Entscheidung, das Kaufangebot der Y anzunehmen oder es abzulehnen, wie sich aus § 4 Nr. 4 des Vertrages zwischen der Stadt X und der Y vom 4. November 1992 ergibt.

    b) Die Lage des Bewertungsobjekts in einem Umlegungsgebiet nach §§ 45 ff. BauGB und die Zahlung eines Kaufpreises, der zuvor mit der Stadt X abgestimmt worden war, stellen entgegen der Auffassung des Finanzamts keine ungewöhnlichen, den Verkehrswert beeinflussenden Umstände dar. Denn auch die Preisbildung bei der Durchführung von Umlegungsverfahren nach dem BauGB erfolgt auf der Grundlage der Verkehrswerte für die eingelegten und die zugeteilten Grundstücke.

    Nach dem das Umlegungsverfahren beherrschenden Grundsatz der anteilsgleichen Zuteilung, der sich aus § 56 BauGB herleitet, hat der Eigentümer grundsätzlich Anspruch darauf, mit seinem Zuteilungsgrundstück in demselben Verhältnis an der Verteilungsmasse beteiligt zu werden, wie er mit seinem Einwurfgrundstück an der Einwurfsmasse beteiligt ist (Battis/Krautzberger/ Löhr Kommentar zum BauGB 5. Auflage 1996, § 57 Rn. 23). Dabei kann die Verteilung zum einen auf der Grundlage der Verkehrswerte der eingelegten und der zugeteilten Grundstücke erfolgen, § 57 BauGB. Oder die Verteilung erfolgt - wie im Streitfall - nach den Verhältnissen der eingelegten Flächen, § 58 BauGB, wobei in Neubaugebieten die durch die Umlegung bewirkten Vorteile durch einen Flächenbeitrag von höchstens 30 v.H. ausgeglichen werden (Battis/Krautzberger/Löhr a.a.O. § 58 Rn. 5). Kann das neue Grundstück bei der Verteilung nach Flächen nicht gleichwertig zum Einlagegrundstück zugeteilt werden, dann ist der Wertunterschied in Fläche oder in Geld auszugleichen § 58 Abs. 2 BauGB. Der Geldausgleich bemisst sich nach dem Verkehrswert, § 59 Abs. 2 Satz 3 BauGB.

    Daraus folgt zum einen, dass der Erwerb der Einlagegrundstücke durch die Y zu Verkehrswerten erfolgt ist. Denn die Verkehrswerte der Einlagegrundstücke bilden die Berechnungsgrundlage für einen eventuellen Wertausgleich nach § 59 Abs. 2 Satz 3 BauGB. Dabei erfolgt die Ermittlung des gemeinen Werts nach § 194 BauGB nach den gleichen Grundsätzen wie nach § 9 Abs. 2 BewG.

    Zum anderen folgt aus der Verteilungsregelung des § 58 BauGB, dass die durch die Umlegung bewirkten Wertsteigerungen durch den aus dem eingelegten Rohbauland zu leistenden Flächenbeitrag von 30 v.H. abgegolten sind. Der Senat folgt daher nicht der Auffassung des Finanzamts, wonach spätere Wertsteigerungen des Grundstücks der Kläger gemäß § 3 Abs. 2 und § 13 WertV bereits zum Stichtag berücksichtigt werden müssten.

    Soweit diese Wertsteigerungen durch das laufende Umlegungsverfahren bewirkt worden sein sollten, sind sie durch den Flächenbeitrag abgegolten. Soweit aber weitere Wertsteigerungen auf Grund der Erschließungs- und Aufteilungsmaßnahmen der Y eingetreten sind, können sie nicht mehr auf den Stichtag zurückbezogen werden. Denn zum Stichtag war die vollständige Durchführung der Erschließungsmaßnahmen und der Baureifmachung der Zuteilungsgrundstücke hinsichtlich der zeitlichen und finanziellen Rahmenbedingungen ungesichert. Das zeigt sich besonders deutlich bei den Rohbaulandflächen im Umfang von fast 3 ha, die nach Darstellung des Finanzamts bisher nicht erschlossen worden sind und damit ihren Entwicklungszustand nicht verändert haben. Damit beruhen die nach dem Stichtag durch die Erschließung und Baureifmachung der Grundstücke eingetretenen Wertsteigerungen nicht auf der bereits zum Stichtag bestehenden Planung, sondern auf der danach eingetretenen Planverwirklichung (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr a.a.O. § 57 Rn. 27). Im Übrigen haben die Kläger die durch die Erschließungs- und andere Maßnahmen eingetretenen Wertsteigerungen nur gegen Erstattung der Kosten erhalten, die die Y für diese Maßnahmen aufgewendet hat. Damit ist der wesentliche Teil der eingetretenen Wertsteigerung von den Klägern selbst abgegolten worden.

    c) Die gleichen Überlegungen gelten auch für die Auffassung des Finanzamts, dass der Wert des von den Klägern an die Y veräußerten Rohbaulandes nicht nur durch den Kaufpreis von 90,-- DM/qm bestimmt werde, sondern insbesondere durch die Einräumung des Anspruchs auf den Rückerwerb von erschlossenen Baugrundstücken und durch die Möglichkeit der Abtretung dieses Anspruchs an Dritte. Diese Möglichkeit hat nach der Darstellung des Finanzamts in Einzelfällen dazu geführt, dass die erschlossenen Bauplätze zu einem deutlich höheren Preis an Dritte veräußert worden sind, als die Rückerwerbsberechtigten an die Y zahlen mussten. Die Kläger und viele andere Grundstücksverkäufer haben aber von dieser Möglichkeit bisher keinen Gebrauch gemacht mit der Folge, dass sie einerseits weiterhin die Risiken der künftigen Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt tragen und andererseits mit den Finanzierungskosten der Grundstückserwerbe belastet sind. Unter diesen Umständen ist nicht nur aus der Sicht des Stichtages, sondern auch aus heutiger Sicht ungewiss, ob die Kläger die erworbenen Bauplätze eines Tages mit einem nennenswerten Gewinn werden veräußern können.

    d) Entgegen der Auffassung des Finanzamts lässt sich auch aus dem BFH-Urteil vom 21. Juli 1993 II R 13/91 (BFH/NV 1994, 610) kein anderes Ergebnis herleiten. Dieses Urteil betrifft einen anderen Sachverhalt, nämlich bei der Einheitsbewertung den Ansatz des Bodenwerts im Sachwertverfahren. Außerdem hat der BFH in diesem Urteil keine eigenen Ausführungen zum Begriff des gemeinen Werts gemacht, sondern er hat lediglich bestätigt, dass die entsprechenden Ausführungen der Vorinstanz nicht gegen Denkgesetze verstoßen.

    4. Danach ist der Grundbesitzwert für das den Klägern und der Beigeladenen unentgeltlich übereignete Bewertungsobjekt unter Anwendung eines Quadratmeterpreises von 90,-- DM auf 306.000,-- DM herabzusetzen. Die Abweichung gegenüber dem Antrag der Kläger ergibt sich aus der Abrundungsregelung des § 39 BewG in der für den Stichtag geltenden Fassung.

    Da die Klage Erfolg hat, sind die Kosten des Rechtsstreits dem Finanzamt nach § 135 Abs. 1 FGO aufzuerlegen. Die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §  151 Abs. 3 i.V.m. § 155 FGO und §§  708 Nr. 10, 711 ZPO.

    Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen, um eine einheitliche Rechtsprechung zu der streitigen Rechtsfrage zu sichern.

    VorschriftenBewG § 138 Abs. 3, BewG § 145 Abs. 3 Satz 1, BewG § 145 Abs. 3 Satz 3, BewG § 9 Abs. 2