08.01.2010
Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 21.02.2002 – II 215/00
1. Bei einer Tätigkeit auf der unteren und mittleren Strukturebene des Amway-Vertriebs ist es eher zweifelhaft, dass langfristig ein Totalgewinn erzielt werden kann und damit eine Gewinnerzielungsabsicht besteht.
2. Das bei Handelsunternehmen bereits der Beweis des ersten Anscheins für eine Gewinnerzielungsabsicht spricht, setzt voraus, dass die zu beurteilende Tätigkeit auf Dauer gesehen zu einem Totalüberschuss führen kann, und dass nicht nur irrationale, nicht durch Tatsachen zu begründende und von findigen Geschäftsleuten geschürte Hoffnungen der im Strukturvertrieb oft wirtschaftlich unerfahrenen Steuerpflichtigen auf ferne Gewinne vorliegen (hier: in mehr als 11 Jahren ein Gesamtverlust von 90.000 DM).
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
wegen Gewinnfeststellung 1995, 1997 und 1998
hat der II. Senat des Thüringer Finanzgerichts auf Grund der mündliche Verhandlung in der Sitzung am 21. Februar 2002 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Hauptsache über die steuerliche Einordnung der aus der Betätigung der Kläger im Amway-Vertrieb erzielten Einnahmen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Die Kläger erzielten in den Jahren 1991–1999 folgende Einkünfte:
Veranlagungszeitraum | Einkünfte nichtselbstständige Arbeit Kläger | Einkünfte nichtselbstständige Arbeit Klägerin | weitere steuerpflichtige sonstige Einkünfte – Verlust aus Amway Vertrieb |
1993 | 34.750 DM | 60.611 DM | -18.350 DM |
1994 | 0 DM | 4.343 DM | -17.918 DM |
1995 | 0 DM | 21.086 DM | -2.071 DM |
1996 | 0 DM | 13.761 DM | -10.776 DM |
1997 | 0 DM | 0 DM | -10.666 DM |
1998 | 0 DM | 0 DM | -5.639 DM |
1999 | 43.500 DM | 18.540 DM | - 3.595 DM |
Ab 1990 betrieben sie auf dem Gebiet des Handels mit bzw. der Vertriebsförderung von Amway-Artikeln tätig. Die Vertriebsförderung erfolgte im Rahmen eines so genannten Strukturvertriebs, d. h. der in diesem Vertriebssystem Tätige – bei Amway werden sie Berater genannt – erhält aus den Erlösen seiner eigenen Verkäufe der Amway-Artikel eine Gewinnmarge von 30 %. Außerdem werden ihm nach einem besonderen Berechnungsmodus mit steigendem Umsatz sich erhöhende Erfolgsprovisionen gewährt. Darüber hinaus ist er am Erfolg der von ihm betreuten, in einer niedrigeren Strukturebene angesiedelten „Berater” mit umsatzabhängigen, nach einem besonderen Punktschlüssel ermittelten Boni beteiligt. Auf das von den Klägern eingereichte Rechenbeispiel (im Anschluss an Blatt 64 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.
Die wirtschaftliche Entwicklung dieser Tätigkeit der Kläger zeigt sich an Hand folgender Zahlen. Zu beachten ist, dass der Kläger bis einschließlich Juni 1991 als Einzelunternehmer und ab Juli 1991 zusammen mit der Klägerin als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) diese Tätigkeit ausführte:
Jahr | Nettoerlöse aus Verkäufen | Netto-provisionen | Bruttoeinnahmen inkl. Entnahmen | Kfz.-Kosten | Werbe/Reisekosten | Wareneinsatz | Verlust |
1990 | 1.427 | 3.833 | 7.550 | 3.497 | 1.091 | 1.951 | 3.354 |
1991 1. Hj. | 1.620 | 5.538 | 8.605 | 3.564 | 2.326 | 2.604 | 1.945 |
1991 2. Hj. | 1.481 | 6.662 | 9.753 | 3.912 | 3.060 | 2.505 | 2.888 |
1992 | 4.112 | 16.597 | 26.044 | 6.268 | 9.563 | 6.977 | 1.757 |
1993 | 3.384 | 21.713 | 32.865 | 12.377 | 16.681 | 6.765 | 18.350 |
1994 | 4.159 | 26.065 | 39.015 | 19.242 | 20.910 | 3.044 | 17.918 |
1995 | 8.109 | 21.394 | 39.832 | 8.955 | 13.170 | 7.866 | 2.071 |
1996 | 6.252 | 15.854 | 31.110 | 9.727 | 11.189 | 8.049 | 10.776 |
1997 | 5.116 | 16.999 | 30.784 | 17.224 | 5.526 | 7.488 | 10.627 |
1998 | 7.370 | 13.543 | 29.940 | 10.956 | 3.794 | 10.165 | 5.639 |
gesamt | 43.830 | 148.198 | 255.498 | 95.722 | 87.310 | 57.414 | 75.325 |
nachrichtlich auf Grund der von den Klägern eingereichten Zahlen | 4.116 | 9.732 | 18.478 | 4.252 | 2.372 | 6.063 | 3.595 |
1999 | |||||||
2000 | 7.573 | 6.954 | |||||
bis 6/2001 | 2.823 | 2.260 | |||||
Beträge sind als DM-Beträge zu verstehen |
Nachdem der Beklagte die erklärten Verluste aus der Amway-Tätigkeit über mehrere Jahre anerkannt und mit kleinen Abweichungen erklärungsgemäß bis 1997 festgesetzt hatte, änderte er seine Auffassung und stellte mit teilweise nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten Feststellungsbescheiden für 1994 bis 1998, alle vom 2. November 1999, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 0 DM fest.
Die Einsprüche dagegen blieben erfolglos. Nach Auffassung des Finanzamtes zeigten die über Jahre hinweg fortdauernden Verluste, dass hinsichtlich dieser Tätigkeit die Gewinnerzielungsabsicht fehle und es sich dabei um eine steuerlich nicht berücksichtigungsfähige Liebhaberei handele.
Ihre Klage dagegen begründen die Kläger damit, dass sie die Absicht hätten, mit der hier streitigen Tätigkeit Gewinn zu erzielen. Die Verluste seien von 18.196 DM in 1995 auf 5.639 DM in 1998 zurückgegangen. Diese Entwicklung rechtfertige die Annahme, dass in den nächsten Jahren positive Einkünfte erwartet werden könnten. Der Schwerpunkt der gewerblichen Tätigkeit liege im Aufbau einer stabilen Beraterschaft. Hierzu seien erhebliche Aufwendungen für Schulungen, Produktvorführungen u. a. veranlasst worden. Sie hätten eine Beraterschaft von 140 Beratern laut der vorgelegten Liste über Thüringen hinaus aufgebaut. Hierfür seien 6000 Kontakte mit über 9000 Gesprächen erforderlich gewesen. Eine derartig zeitaufwendig und Kosten verursachende Tätigkeit könne nicht als Liebhaberei bezeichnet werden. Außerdem werde die Tätigkeit durch Aufnahme einer ganz erheblichen Zahl neuer Produkte und durch den Handel und den Vertrieb über das Internet intensiviert. Hierdurch sei eine Umsatzsteigerung um das Zehnfache bei gleichzeitiger Verringerung der Kosten möglich. Deshalb sei auch in Zusammenarbeit mit Amway eine Homepage in das Internet eingestellt worden, über die die ab Mai 2002 auch in Deutschland über Internet vertriebenen Verkaufsartikel angesehen werden könnten. Diese Waren könnten dann entweder bei ihnen gekauft werden oder aber man könne sich als Amway-Berater über sie, die Kläger, anmelden und würden dann auf einer niedrigeren Strukturebene ebenfalls für Amway tätig sein und könne dann die „Amway-Vorteile” für sich nutzen. Sie, die Kläger, seien dann an den Käufen für den Eigenbedarf der nachgeordneten Berater ebenso beteiligt wie an deren Verkäufen. Sie hofften, dass sie auf diese Weise ihren Umsatz und vor allem ihren Ertrag beträchtlich würden steigern können.
Die Kläger stellen deshalb den Antrag,
die geänderten Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1995 und 1997 und den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 1998, alle vom 2. November 1999, in der Gestalt der gemeinsamen Einspruchsentscheidung vom 27. Januar 2000 dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 1995 auf -20.071 DM, für 1997 auf -10.626 DM und für 1998 auf -5.639 DM festgestellt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf die Einspruchsentscheidung.
Gründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angegriffenen Verwaltungsakte sind nicht rechtswidrig und die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Die Kläger haben die hier streitige Tätigkeit im Rahmen des Amway-Vertriebssystems nicht mit Gewinnerzielungsabsicht und damit nicht gewerblich betrieben. Die Tätigkeit ist deshalb als steuerlich nicht relevante Liebhaberei zu beurteilen. Die in den Streitjahren von den Klägern als BGB-Gesellschaft erklärten Verluste wurden deshalb zu Recht vom Beklagten in den angegriffenen Feststellungsbescheiden nicht anerkannt.
Gewinne und – wie hier – Verluste aus dem von den Klägern ausgeübtem Handel bzw. Vertrieb von Amway-Erzeugnissen sind gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO nur dann gesondert festzustellen, wenn es sich um einkommensteuerpflichtige gewerbliche Einkünfte handelt. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG setzt ein Gewerbebetrieb voraus, dass eine Betätigung mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird. Fehlt das Merkmal der Gewinnerzielungsabsicht, stellen Verluste aus einer solchen Tätigkeit steuerlich nicht relevante negative Einkünfte aus einer Liebhaberei dar (Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 10. Juni 1999 IV 363/97, in iuris abgespeichert, unter Verweis auf den Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, Bundessteuerblatt – BStBl – II 1984, 751).
Eben diese notwendige Gewinnerzielungsabsicht konnte in dem vorliegenden Verfahren nicht festgestellt werden. Gewinnerzielungsabsicht ist das Bestreben, das Betriebsvermögen zu mehren und auf Dauer einen Totalgewinn zu erzielen. Angestrebt werden muss ein positives Ergebnis zwischen Betriebsgründung und Betriebsbeendigung. Es handelt sich um ein subjektives Tatbestandsmerkmal (um eine innere Tatsache), das nicht nach den Absichtserklärungen des Steuerpflichtigen, sondern nach äußeren Merkmalen zu beurteilen ist. Es muss aus objektiven Umständen auf das Vorliegen oder Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht geschlossen werden (Entscheidungen des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, und vom 2. Juni 1999 X R 149/95, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFH/NV – 2000, 23). Zu den äußeren Kriterien, an denen die Gewinnerzielungsabsicht zu messen ist, gehören nicht nur der geschäftliche Erfolg, sondern auch die Art der auf diesen Erfolg hin ausgerichteten Tätigkeit.
Längere Verlustperioden reichen deshalb für sich allein gesehen noch nicht aus, um eine Betätigung als Liebhaberei anzusehen und dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen. Bei längeren Verlustperioden muss aus weiteren Anzeichen die Feststellung möglich sein, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt (Urteile des BFH vom 22. März 1996 III R 49/95, BFH/NV 1996, 812, in BFH/NV 2000, 23, und in BStBl II 1998, 727). Hierzu gehört u. a. auch die Absicht, Steuern zu sparen.
Gerade in den für die Abgrenzung zur „Liebhaberei” bedeutsamen Zweifelsfällen lässt sich die Frage, ob eine Tätigkeit auf Totalgewinn/Totalüberschuss gerichtet ist, regelmäßig nur mit Hilfe einer mehrere Jahre umfassenden Betrachtung beantworten. Dazu bedarf es einerseits einer in die Zukunft gerichteten, langfristigen Prognose; andererseits können die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten. Die Frage, ob bei laufend erzielten Verlusten Gewinnerzielungsabsicht vorliegt, lässt sich in der Regel aber erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums beantworten. Auch wird sich häufig erst nach mehreren Jahren herausstellen, auf welche äußeren Tatsachen es im Einzelfall ankommt und wie sie zu gewichten sind (BFH in BFHE 159, 128, BStBl II 1990, 278). Generelle zeitliche Fixierungen jedoch sind nicht möglich. Weder lässt sich allgemein sagen, wie lange ein solcher Beurteilungszeitraum bemessen sein muss, noch lässt sich ein allgemein gültiger Zeitpunkt festlegen, von dem aus die Betrachtung vorzunehmen ist. Schlüsse können auch daraus gezogen werden, wie der Steuerpflichtige darauf reagiert, dass er längere Zeit hindurch Verluste erwirtschaftet hat (Urteil des BFH vom 17. Juni 1998 XI R 64/97, BFHE 186, 347, BStBl II 1998, 727).
Grundsätzlich können aber Rückschlüsse vom Gegenstand des Unternehmens auf die Gewinnerzielungsabsicht gezogen werden. Regelmäßig spricht bei (Einzel) Handelsunternehmen der Beweis des ersten Anscheins zunächst dafür, dass sie mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden. Denn Unternehmen dieser Art sind nach der Lebenserfahrung nicht typischerweise nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen (Urteile des BFH vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, in BFH/NV 1996, 812, des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 4. Mai 2000 5 K 161/99, in juris und in lex inform abgespeichert).
Dieser Anscheinsbeweis ist indes bereits dann entkräftet, wenn die ernsthafte Möglichkeit in Betracht kommt, dass im konkreten Fall nicht das Streben nach einem Totalgewinn, sondern persönliche Motive des Steuerpflichtigen für die Fortführung des Unternehmens bestimmend waren. Dauernde Verluste reichen für die Entkräftung des Anscheinsbeweises und die Annahme, dass eine Gewinnerzielungsabsicht fehlt, alleine nicht aus. Hinzukommen müssen weitere Umstände, die es als ernsthaft möglich erscheinen lassen, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden Gründen oder Neigungen ausübt. Diese Möglichkeit ist jedenfalls aber dann gegeben, wenn feststeht, dass der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf die Dauer gesehen nicht nachhaltig mit Gewinn arbeiten kann (so auch BFH in BFH/NV 1996, 812). Der Senat setzt für die Anwendung des Anscheinsbeweises deshalb voraus, dass nach den erkennbaren Umständen zumindest die objektivierbare Möglichkeit besteht, dass die zu beurteilende Tätigkeit auf Dauer gesehen zu einem Totalüberschuss führen kann, und dass nicht nur irrationale, nicht durch Tatsachen zu begründende und von findigen Geschäftsleuten geschürte Hoffnungen der wirtschaftlich oft unerfahrenen Steuerpflichtigen auf ferne Gewinne vorliegen.
Der hier entscheidende Senat ist deshalb – anders als das Finanzgericht Baden-Württemberg (Urteil vom 4. Mai 1000 5 K 161/99, a.a.O.) – der Überzeugung, dass es beim Handel im Rahmen eines Strukturvertriebes nicht grundsätzlich einen Anscheinsbeweis oder eine Vermutung für eine Gewinnerzielungsabsicht gibt. In einem Strukturvertrieb wie dem hier zu beurteilenden ist es in den mittleren und unteren Ebenen eher zweifelhaft, dass langfristig Oberschüsse und damit ein Totalgewinn erzielt werden können. Dem Senat ist bisher auch kein Fall bekannt und weder Kläger noch Beklagter haben Fälle vorgetragen, dass im Amway-Vertrieb auf der Strukturebene der Kläger nachhaltig Gewinne erzielt wurden. Bei dieser Einschätzung darf nicht außer Betracht bleiben, dass als Interessenten für eine Beteiligung an einem Strukturvertriebssystem bzw. als Erwerber der Waren dieses Anbieters immer nur ein begrenzter Personenkreis in Frage kommt. Für die oberen Strukturebenen ist es noch möglich, über allgemein zugängliche Werbe- und Vervielfältigungsmedien potentielle Beteiligte zu werden. Je weiter man in der Struktur auf die mittleren bis unteren Ebenen hinabsteigt, je schwieriger ist es, Kunden und Interessenten zu finden, der Markt ist praktisch „abgegrast”. Letztlich bleibt für diese Strukturebenen der mehr oder minder große Bekannten- und Verwandtenkreis. Deshalb können neue Beteiligte an einem Strukturvertrieb wie „Amway” anfangs auch gute Erlössteigerungen verzeichnen. Es kommt aber dann in der Folgezeit zu Umsatzminderungen, wenn der Bekanntenkreis und auch deren Bekanntenkreis mit den Artikeln des Vertriebssystems ausreichend versorgt sind und dann weitere Kunden nicht gefunden werden können, weil diese zu anderen „Bekanntenkreisen” gehören. Zu beachten ist auch, dass die Konkurrenz auf dem Strukturvertriebsmarkt groß ist, dass einige Artikel, wie ein Beisitzer aus eigenen Erfahrungen weiß, zwar gut, aber auch teuer sind und dass deshalb bei der geringeren Kaufkraft in den neuen Ländern die Ertragssituation ungünstiger einzuschätzen ist. Diese allgemeinen Überlegungen zur Umsatzentwicklung in einem Strukturvertrieb lassen sich an den von den Klägern vorgelegten Bruttoeinnahmezahlen sehr gut belegen. Die Bruttoeinnahmen stiegen seit Beginn der Tätigkeit kontinuierlich von rd. 7,5 TDM in 1990 bis knapp 40 TDM in 1995. Von da an fielen die Bruttoeinnahmen beständig auf rd. 7,5 TDM im Jahr 2000 und weniger als 3 TDM im ersten Halbjahr 2001.
Ist der Anscheinsbeweis aber widerlegt, so hat der Senat die Entscheidung nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen, ob der Steuerpflichtige das Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben hat. Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht trägt dann der Steuerpflichtige, der positive Einkünfte mit den geltend gemachten Verlusten ausgleichen will (BFH in BFH/NV 1996, 812, unter Verweis auf weitere Rechtsprechung).
Auf Grund des Gesamtergebnisses des finanzgerichtlichen Verfahrens und der mündlichen Hauptverhandlung konnte die hier streitige Gewinnerzielungsabsicht nicht mit ausreichender Sicherheit ermittelt und erwiesen werden. Die Kläger haben zwar glaubhaft vorgetragen, dass sie über Jahre hinweg bemüht waren, einen Beraterstamm aufzubauen. Richtig ist auch der Einwand, dass regelmäßig eine derartige Tätigkeit nicht aus privaten Interessen ausgeübt wird. Andererseits haben sie in einem „Geschäftsbereich”, in dem, wie oben ausgeführt, auf der Strukturebene der Kläger regelmäßig keine Gewinne erzielt werden können, über einen Zeitraum von zwischenzeitlich mehr als 11 Jahren Verluste mit einem Gesamtvolumen von fast 90 TDM erwirtschaftet. Nicht unbeachtet bleiben darf bei dieser Abwägung, dass der Kläger dabei die letzten Jahre Betriebsfahrzeuge der Mittelklasse gefahren hat, die Kosten von insgesamt mehr als 100 TDM verursacht haben. Der Einwand, dass auch Großunternehmen in Thüringen über diesen Zeitraum Verluste geschrieben haben, ist zwar richtig. Doch sind diese Unternehmen nicht mit dem „Unternehmen” der Kläger vergleichbar. Bei Unternehmen mit einer Vielzahl von Mitarbeitern wird im Gegensatz zu der Betätigung in einem Strukturvertrieb auf mittlerer Ebene die Gewinnerzielungsabsicht vermutet werden können. Auch der Einwand, dass die Verluste von 18.350 DM im Jahre 1993 auf 5.639 DM zurückgeführt worden seien und dass bei dieser Entwicklung bald mit Gewinnen zu rechnen sei, überzeugt bei dem vorliegenden Sachverhalt nicht, weil auch die Bruttoeinnahmen erheblich zurückgegangen sind. Vor allem in den Jahren nach 1998 gingen die Einnahmen auf nur noch 2,8 TDM im 1. Halbjahr 2001 zurück. Bei dieser Umsatzentwicklung ist eher das Ende der Betätigung als ein Gewinn zu erwarten.
Die Kläger haben auch den Nachweis nicht erbracht, dass sie auf die Verlustsituation ausreichend durch organisatorische Änderungen reagiert oder anderweitige Maßnahmen ergriffen haben, um in den Folgejahren Gewinne erzielen zu können. Sie haben zwar vorgetragen, dass Amway sein Vertriebssystem unter anderem auch auf den Verkauf im Internet erweitern wolle (im Mai 2002) und dass das Verkaufssortiment dann ganz erheblich gesteigert werden soll. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung auch vorgetragen, dass er jetzt in Zusammenarbeit mit der, Firma Amway bzw. mit Quixtar eine Homepage in das Internet eingestellt habe, die der Berichterstatter und der für die Netzbetreuung zuständige Beamte allerdings nicht über die üblichen Suchmaschinen finden konnten. Doch ist der Vortrag der Kläger nicht ausreichend substantiiert. Sie haben nicht vorgetragen, welche Effekte diese Präsens im Internet haben soll. Beim Strukturvertrieb ist nach Auffassung des Senats der persönliche Geschäftskontakt und die persönliche Überzeugungsarbeit für den Geschäftserfolg maßgeblich. Dass Kunden zufällig auf die Homepage der Kläger stoßen, scheint eher unwahrscheinlich. Die Bekannten wurden aber schon bisher von den Klägern geschäftlich betreut. Wie sie in Zukunft durch Maßnahmen der Rationalisierung, der Erweiterung des Aufwands, der Professionalisierung oder aber durch Einschränkung der Betriebsausgaben weitere Verluste vermeiden oder doch zumindest zurückfahren wollen, haben die Kläger nicht vorgetragen. Alleine die Hoffnung auf zukünftige und Ungewisse Erfolgsaussichten wegen der Sortimentvergrößerung und des Angebotes im Internet reichen nicht aus, um nach den sehr langen Verlustperioden in einem in der Regel auf dieser Strukturebene verlustbringenden Strukturvertrieb ein Verhalten des Steuerpflichtigen unterstellen zu können, dass die Annahme einer Änderung des bisherigen verlustreichen Verhaltens hin zu einem gewinnorientierten Streben und damit zur Annahme der Gewinnerzielungsabsicht erlaubt.
Der fehlende Nachweis der Gewinnerzielungsabsicht geht nach den oben geschilderten Regeln der objektiven Feststellungslast aber zu deren Lasten. Die Klage konnte danach keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Für die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 FGO) sieht der Senat keinen Grund.