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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 03.11.1998 – 1 K 93/94

    1. Die Finanzbehörde trägt die Beweislast für die Tatsachen, welche ihren Anspruch begründen. So auch für die Feststellung der Person, die eine Lohnsteueranmeldung abgegeben hat, gegen deren Rückstände das FA Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet hat.

    2. Die Übersendung einer Bescheidkopie bewirkt die Heilung eines früheren Bekanntgabemangels. Unerheblich ist, ob die Übersendung der Kopie durch die Vollstreckungs- oder die Veranlagungsstelle erfolgt, wenn ein fehlender Bekanntgabewille der Behörde nicht ersichtlich ist.

    3. Fehlt im Zeitpunkt des Ergehens einer Pfändungsverfügung das Leistungsgebot, führt dies zu deren Rechtswidrigkeit, nicht zur Nichtigkeit.


    Im Namen des Volkes hat der 1. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 3. November 1998 durch

    Vorsitzender Richter am Finanzgericht ...

    Richter am Finanzgericht ...

    ehrenamtliche Richter ...

    für Recht erkannt:

    Die Pfändungs- und die Überweisungsverfügung des Beklagten vom 25. April 19 sowie die dazu ergangene Beschwerdeentscheidung vom 20. Juli 19 werden geändert. Der Pfändungsbetrag wird auf DM herabgesetzt. Der Beklagte wird angewiesen, den diesen Betrag übersteigenden eingezogenen Betrag an die Klägerin zurückzuerstatten. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten zu 9,5%, der Klägerin zu 90,5% auferlegt.

    Die Entscheidung ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des auf ihn entfallenden Kostenbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    Tatbestand

    Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Pfändungsverfügung.

    Die Klägerin hat eine Umsatzsteuererklärung 1984 vom 30. März 198 abgegeben, welcher das zuständige Finanzamt KD zugestimmt hat. Am 3. August 198 erging gegen sie durch dasselbe Amt ein Umsatzsteuerbescheid 1985, der auf einer Schätzung beruhte. Ebenso erging Schätzungsbescheid über Umsatzsteuer 1986 vom 6. Juni 198 durch den Beklagten. Am 7. April 198 wurde eine Umsatzsteuererklärung 1986 für E U abgegeben, aufgrund der vom Beklagten ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 1986 vom 23. November 199 gegen die Klägerin erlassen wurde. Nachdem der Zugang dieses Bescheides bestritten worden war, übersandte ihn der Beklagte am 7. Juni 199 an den Bevollmächtigten der Klägerin. Diese legte dagegen am 9. Juni 199 Einspruch ein. Des weiteren erging am 4. April 199 ein Umsatzsteuerschätzungsbescheid 1987 gegen die Klägerin, der am 7. Mai 199 geändert wurde. Der gegen diesen eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen. Für 1986 wurden in der Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung 1986 auch die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für E U erklärt.

    Ab 29. Mai 198 hat der Ehemann der Klägerin (E U) bei der Stadt K einen Estrich- und Fliesenlegerbetrieb angemeldet. Mit seinem Schreiben vom 10. August 199 erwähnt er, daß der Klägerin mit Schreiben vom 15. Dezember 199 eine Rückstandsaufstellung vom 11. Dezember 199 übersandt worden sei. Wegen deren Inhalt wird auf die Vollstreckungsakte des Beklagten, Band 2 verwiesen.

    Mit Pfändungsverfügung vom 25. April 199 hat der Beklagte die Bankguthaben und alle weiteren Ansprüche der Klägerin gegen die D Bank bis zu einem Betrag von 156. DM gepfändet. Wegen seiner Zusammensetzung wird auf die Anlagen zu der Verfügung Bezug genommen. Der Beschwerde dagegen wurde mit Bescheid vom 27. Juni 199 in Bezug auf Lohnsteuer, ev. und rk. Kirchenlohnsteuer und dazugehörige Säumniszuschläge von März bis Dezember 1986 sowie wegen Umsatzsteuerverspätungszuschlägen August bis Dezember 1986 abgeholfen. Auf den Inhalt des Bescheids wird Bezug genommen. Dadurch wurden die zu vollstreckenden Schulden auf 129. DM verringert. Die Beschwerde dagegen wurde mit Beschwerdeentscheidung vom 20. Juli 199 abgewiesen.

    Durch Schreiben vom 26. Januar 199 hat der Beklagte die nicht wirksame Bekanntgabe des Umsatzsteuerbescheids 1986 vom 23. November 199 nach § 125 Abs. 5 AO festgestellt und das Einspruchsverfahren gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1986 vom 23. November 199 für erledigt erklärt.

    Die Klägerin macht in ihrer innerhalb der nach § 79 b Abs. 1 FGO gesetzten Ausschlußfrist eingegangenen Klageschrift geltend. Lohnsteuerrückstände für die Zeit vom Januar 1986 bis Mai 1987 dürften nicht in die Pfändung einbezogen werden, da sie für diese Zeit keine eigenen Lohnsteueranmeldungen abgegeben habe. Sie habe lediglich vom Oktober 198 bis zum 31.12.198 ein Einzelhandelsgeschäft geführt. Der Beklagte räume auch ein, daß solche Anmeldungen bei ihm nicht vorlägen. Seine Behauptung, deren Abgabe sei aus Eintragungen im Überwachungsbogen für die Zeit zwischen Januar 198 und Mai 198 und einem „Speicherkonto” zu schließen, werde bestritten. Aus den Akten des Beklagten ergebe sich nämlich, daß dieser Steueranmeldungen willkürlich umgeschrieben habe. Selbst wenn also der Überwachungsbogen vorhanden sei und das besagte Speicherkonto bestehe, würden dadurch die behaupteten Lohnsteueranmeldungen nicht bewiesen. Sie sei zu deren Abgabe weder berechtigt noch verpflichtet gewesen, weil sie Inhaberin des Einzelhandelsunternehmens nur von Oktober 198 bis 31.12.198 gewesen sei, ab dem 01.01.198 jedoch einen Handwerksbetrieb nicht habe führen dürfen und wollen, noch ihn geführt habe. Dies habe sie dem Beklagten gegenüber auch immer wieder erklärt. Sie sei nicht im Gewerberegister eingetragen gewesen. Betriebsinhaber sei allein ihr Ehemann. Daß dieser erst ab Juni 1987 ein Gewerbe angemeldet habe, stehe dem nicht entgegen. Für 1986 habe allein er eine Bilanz erstellt und eine Steuererklärung abgegeben. Der Beklagte habe ihn 1986 und 1987 auch immer wieder als Steuerpflichtigen behandelt, z. B. Verspätungszuschläge zu Lohn- und Umsatzsteuer-Voranmeldungen festgesetzt. Auch habe der Vollziehungsbeamte am 29. Oktober 198 Umsatzsteuer und Verspätungszuschlag für Juli 1986 unter der Steuernummer 3 eingezogen. Da sie nicht verpflichtet gewesen sei, Lohnsteueranmeldungen abzugeben, hätten gegen sie auch diesbezüglich keine Säumniszuschläge entstehen können.

    In Bezug auf die Umsatzsteuer fehle es am Leistungsgebot. Der Umsatzsteuerbescheid vom 6. Juni 198 liege ihr immer noch nicht vor. Die Kenntnisnahme davon im Wege der Akteneinsicht sei keine Bekanntgabe. Der geänderte Umsatzsteuerbescheid 1986 vom 23. November 199 sei ihrem Vertreter erst im Juni 199 übermittelt worden. Dagegen habe sie Einspruch eingelegt. Das Schreiben des Beklagten vom 29. April 198 an sie liege ihr nicht vor. Dessen Vortrag, sie habe keine Einwendungen gegen verschiedene Kontoauszüge und Rückstandsaufstellungen erhoben, werde durch ihre verschiedenen Beteuerungen ihm gegenüber entkräftet, sie führe keinen Gewerbebetrieb. Auch ihr Ehemann habe sich in Telefonaten und persönlichen Vorsprachen gegen die Richtigkeit der Aufstellungen des Beklagten gewendet. Zwar hätten ihr Kontoauszüge vorgelegen. Wegen der Vielfalt der darin vermerkten Angaben habe sie aber nicht erkannt, daß gegen sie Umsatzsteuerbescheide ergangen seien.

    Bei den Säumniszuschlägen sei die Rechtsgrundlage hinsichtlich eines Gesamtbetrages von DM für den Zeitraum vom 22. Oktober 198 bis 10. Juli 198 (darunter 2.095 DM – Umsatzsteuer 11.01.8 – und von 2.100 DM – Umsatzsteuer 17.05.8), die in einer Aufstellung der Finanzkasse vom 27.12.198 nicht enthalten seien, nicht ersichtlich. Denn der Beklagte habe den Zusammenhang zwischen diesen Beträgen und ihr zuzurechnender Säumnis oder Zahlungsrückstand nicht dargelegt. Es handele sich wahrscheinlich um Säumniszuschläge für eine Steuerschuld der Firma UGmbH i.L.. Auch bei den übrigen Säumniszuschlägen sei der Zusammenhang mit Zahlungssäumnissen ihrerseits nicht nachvollziehbar.

    Darüberhinaus seien ihre Zahlungen

    vomin Höhe von DM
    07.04.85.982,31
    04.09.81.021,94
    26.07.810.574,74


    auf Steuerschulden der Jahre 1984 und 1985 zu Unrecht auf solche aus dem Jahre 1986 verbucht worden. Denn für 1986 habe sie keine Lohnsteuer geschuldet.

    Nach Ablauf der Ausschlußfrist machte die Klägerin geltend, der Überwachungsbogen der Lohnsteueranmeldungen lasse nicht erkennen, wann der Adreßaufkleber aufgebracht worden sei. Außerdem sei der Beklagte intern davon ausgegangen, daß der Betrieb ab 01.01.1986 von ihrem Ehemann geführt worden sei. Schriftwechsel zwischen dem Beklagten und ihr liege erst ab dem 7. September 198 vor, weshalb der Beklagte nicht zeitnah zu der Auffassung habe gelangen können, die Lohnsteueranmeldungen für die Zeiträume Januar bis Juni 1987 seien durch sie erfolgt. Der Beklagte habe die gesamte Lohnsteuer 1986 von ihr auf ihren Ehemann umgebucht. Sei er damit davon ausgegangen, daß 1986 dieser Betriebsinhaber gewesen sei, so müsse dies auch für die Monate Januar bis Juni 1987 gelten. Im Zeitpunkt des Ergehens der Pfändungsverfügung habe hinsichtlich der Umsatzsteuer 1986 weder ein Steuerbescheid noch ein Leistungsgebot vorgelegen. Die Übersendung einer Kopie des geänderten Umsatzsteuerbescheides 1986 vom 23. November 199 an ihren Bevollmächtigten stelle keine wirksame Bekanntgabe dieses Bescheides dar. Denn ihr Bevollmächtigter sei lediglich im Vollstreckungsverfahren aufgetreten und habe keine Empfangs vollmacht für das Veranlagungsverfahren gehabt. Der Bescheid sei aber auch auf Veranlassung der Vollstreckungsstelle und nicht der Veranlagungsstelle und somit ohne Bekanntgabewillen übersandt worden. Außerdem habe die Übersendung nach Ergehen der angegriffenen Pfändungsverfügung stattgefunden. Diese Mängel könnten durch Nachschieben nicht beseitigt werden. Die Pfändungsverfügung sei deshalb unheilbar nichtig. Dem Bundesfinanzhof könne nicht darin gefolgt werden, daß nur Rechtswidrigkeit eintrete. Abgesehen davon habe der Beklagte die Nichtigkeit des geänderten Umsatzsteuerbescheids 1986 vom 23. November 199 festgestellt. Dadurch sei er festgelegt. Die Feststellung sei keine nicht bindende Äußerung, jedenfalls sei diese Auffassung umstritten.

    Die Klage sei rechtzeitig erhoben. Die Beschwerdeentscheidung vom 20. Juli 199 sei ausweislich des Eingangstempels ihres Prozeßbevollmächtigten diesem am 25. Juli 199 zugegangen. Da eine Zustellung an dessen Hausanschrift nicht erfolge, sondern die Post in sein Postfach eingelegt werde, träten immer wieder Verzögerungen im Postzugang auf. Es würde sowohl an andere gerichtete Post in dessen Postfach eingelegt, was nach Korrektur zu Verzögerungen führe, als auch an diesen gerichtete Post in fremde Postfächer eingelegt, was Verzögerungen von 5 bis 7 Tagen zur Folge habe. Davon abgesehen sei die Beschwerdeentscheidung in einem DIN A 5-Fensterkuvert versandt worden, das einen Datumsstempel vom 21. Juli 199 trage. Sie sei also erst an diesem Tage zur Post gegeben worden. Deshalb gelte der 24. Juli 199 als Tag der Bekanntgabe. Die Klageschrift habe dem Gericht zu diesem Zeitpunkt schon vorgelegen.

    Die Klägerin beantragt,

    unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion Karlsruhe vom 20. Juli 199 die Pfändungs- und Einziehungsverfügung des Beklagten vom 25. April 199 aufzuheben und die eingezogenen Beträge an sie zurückzuerstatten.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hält der Klage entgegen, zwar seien Lohnsteuer-Anmeldungen für die Monate Januar bis Juni 1987 nicht mehr bei den Akten, weil diese nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist vernichtet worden seien. Die Tatsachen, daß in Lohnsteuerüberwachungsbogen für diesen Zeitraum Eintragungen vorgenommen worden seien und die rückständigen Beträge im Speicherkonto erfaßt seien, ließen aber den Schluß zu, daß Lohnsteueranmeldungen abgegeben worden seien. Dieser werde durch das Fehlen der Unterlagen nicht entkräftet. Für ihn spreche vielmehr auch, daß der Klägerin am 11. Mai 198 eine Rückstandsübersicht vom 6. Mai 198 übersandt worden sei, gegen welche sie nicht den Einwand erhoben habe, die zugrundeliegenden Festsetzungen seien ihr nicht bekanntgegeben worden. Dasselbe gelte für die Bestätigung des Erhalts eines Kontoauszuges vom 2. Februar 199 und für die am 15. Dezember 199 übersandte Rückstandsaufstellung.

    Der Einwand der Klägerin, sie habe 1986 keinen Betrieb geführt, ihr Ehemann habe für das Jahr 1986 eine Bilanz erstellt und er habe ihn als Steuerpflichtigen behandelt, betreffe die zu vollstreckenden Verwaltungsakte und könne im Verfahren gegen die Pfändungsverfügung nicht berücksichtigt werden.

    Ein Leistungsgebot sei nicht Voraussetzung für die Pfändung wegen Säumniszuschlägen und vom Steuerpflichtigen angemeldeten Steuerschulden gewesen. Die Umsatzsteuer 1984 beruhe auf einer Steuererklärung der Klägerin, von der nicht abgewichen worden sei. Die Umsatzsteuerbeträge 1985, 1986 und 1987 seien durch Bescheide gegen die Klägerin festgesetzt worden. Ihre Behauptung, daß sie diese Bescheide nicht erhalten habe, sei nicht glaubhaft. Denn gegen den Umsatzsteuerbescheid 1987 vom 7. Mai 199 habe sie am 1. Juni 199 Einspruch eingelegt und diesen am 22. Juni 199 weiter begründet. Der Einwand, daß der Klägerin der geänderte Umsatzsteuerbescheid 1986 nicht zugegangen sei, könne nur gegen diesen Bescheid, nicht jedoch gegen die Pfändungsverfügung geltend gemacht werden. Im übrigen sei der Bescheid dem Vertreter der Klägerin am 7. Juni 199 übermittelt und damit bekanntgegeben worden. Im Zeitpunkt des Ergehens der Pfändungsverfügung habe deshalb ein diesbezügliches Leistungsgebot bestanden. Die spätere Feststellung der nicht wirksamen Bekanntgabe des geänderten Umsatzsteuerbescheides 1986 ändere diese Lage nicht mehr, denn für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Pfändungsverfügung seien die Verhältnisse im Zeitpunkt des Ergehens der letzten Verwaltungsentscheidung, d. h. der Beschwerdeentscheidung maßgeblich. Die Feststellung sei zudem zu Unrecht erfolgt, weil übersehen worden sei, daß die Übersendung einer Kopie am 7. Juni 199 eine wirksame Bekanntgabe herbeigeführt habe. Seine Feststellung binde das Gericht nicht. Denn sie sei kein Verwaltungsakt, sondern eine Auskunft der Behörde über die Wirksamkeit des Verwaltungsakts.

    Die von ihm der Klägerin mitgeteilten Kontostände und Rückstandsaufstellungen seien zutreffend. Aus der Aufstellung der in Vollstreckung befindlichen Rückstände, welche der Pfändungsverfügung beigegebenen gewesen sei, könne man ersehen, daß zumindest für die Jahre 1984 und 1985 eine Umsatzsteuer-Jahressollstellung vorhanden sei.

    Die Säumniszuschläge in Höhe von 2.095 DM und 2.100 DM seien in der Rückstandsanzeige vom 2. März 198 enthalten. Sie hätten mit solchen gegen die Firma U GmbH i. L. nichts zu tun. Die übrigen seien in verschiedenen Änderungs- bzw. Zahlungsmitteilungen dargestellt.

    Bestünden unterschiedliche Auffassungen über die Verrechnung von geleisteten Zahlungen, sei darüber durch Abrechnungsbescheid zu befinden. Gegen den Pfändungsbescheid könnten solche Einwendungen nicht erhoben werden.

    Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

    Der vorstehende Sach- und Streitstand ist den Gerichtsakten, den vom Beklagten vorgelegten Akten sowie den Niederschriften über die mündlichen Verhandlungen vor dem erkennenden Senat am 23. Juni 1998 und 22. September 1998 entnommen.

    Gründe

    Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere rechtzeitig erhoben. Der Beklagte bestreitet nicht, daß die angegriffene Beschwerdeentscheidung erst am 21. Juli 199 zur Post gegeben worden ist. Demnach gilt gemäß § 122 Abs. 2 Ziff. 1 AO die Beschwerdeentscheidung am 24. Juli 199 als bekanntgegeben. Die Monatsfrist des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO endete darum mit Ablauf des 24. August 199, an dem die Klage bei Gericht eingegangen ist.

    Die Klage ist teilweise begründet.

    Gemäß § 251 Abs. 1 AO können Verwaltungsakte vollstreckt werden, soweit nicht ihre Vollziehung ausgesetzt oder die Vollziehung durch Einlegung eines Rechtsbehelfs gehemmt ist. Voraussetzung einer wirksamen Vollstreckung ist nach § 254 Abs. 1 AO u. a. die Aufforderung an den Vollstreckungsschuldner zur Leistung, das Leistungsgebot. Eines solchen bedarf es nach § 254 Abs. 1 Satz 4 AO nicht, wenn eine aufgrund einer Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht wurde, sowie nach § 254 Abs. 2 AO, wenn Säumniszuschläge zusammen mit der Steuer beigetrieben werden.

    Ein Leistungsgebot ist nicht ersichtlich zu den Umsatzsteuerverspätungszuschlägen:

    01/8vom 21.04.198
    05/8vom 27.07.198.


    Ebenso fehlt es in Bezug auf die noch verfolgten rückständigen Lohnsteuer- und Kirchenlohnsteuerschulden Januar bis Mai 1987. Die Ausnahmevorschrift des § 254 Abs. 1 Satz 4 AO greift im Streitfall nicht ein. Denn der Beklagte hat nicht nachgewiesen, daß die Lohnsteueranmeldungen durch die Klägerin erfolgt sind. Die Lohnsteueranmeldungen für 1986 und 1987 liegen nicht mehr vor. Der Lohnsteuerüberwachungsbogen 1987 ist zwar auf die Klägerin ausgestellt, enthält aber auch Eintragungen für die Monate nach dem Mai 1987, einer Zeit also, in welcher der Ehemann der Klägerin einen Gewerbebetrieb angemeldet hatte. Schon vorher war der Lohnsteuerüberwachungsbogen für das Jahr 1986 unklar. Denn er trägt als Anschrift „Herrn und Frau U, E”. Es ist deshalb durchaus denkbar, daß im Überwachungsbogen 1987 in der 1. Jahreshälfte auch Anmeldungen des Ehemanns der Klägerin erfaßt worden sind. Aus diesen Eintragungen kann also, wie aus den Angaben im Speicherkonto, nicht sicher geschlossen werden, daß es die Klägerin war, welche die erfaßten Lohnsteueranmeldungen abgegeben hat. Kann im Wege der Beweiswürdigung der Sachverhalt nicht mit einer nach der Lebenserfahrung der Gewißheit gleichstehenden Wahrscheinlichkeit aufgeklärt werden und greift keine subjektive Beweislastregel ein, sind die Folgen des Unerwiesenseins des Sachverhalts nach den Regeln der objektiven Beweislast zuzuweisen. Danach trägt im Regelfall die Finanzbehörde die Beweislast für Tatsachen, welche ihren Anspruch begründen (BFH-Urteile vom 7. Juli 1983 VII R 43/80, BStBl II 1983, 760; vom 23. Mai 1989 X R 17/85, BStBl II 1989, 879). Dies führt im Streitfall, in dem der Beklagte die Berechtigung seiner Vollstreckungsmaßnahme auf die Steueranmeldung der Klägerin stützt, dazu, daß der Beklagte die Beweislast trägt. Wegen der bestehenden Unklarheit ist davon auszugehen, daß die behaupteten Lohnsteueranmeldungen nicht der Klägerin zugerechnet werden können. Die betreffenden Lohnsteuerbeträge sowie die damit zusammenhängenden Säumniszuschläge dürfen deshalb nicht in die angegriffene Pfändungsverfügung einbezogen werden.

    Im übrigen liegt jeweils ein wirksames Leistungsgebot vor hinsichtlich der Umsatzsteuer

    durch
    1984Abrechnungsbescheid vom 16.04.198
    1985Umsatzsteuerbescheid 1985 vom 03.08.198
    1986geänderten Umsatzsteuerbescheid 1986 vom 23.11.199, bekanntgegeben am 10.06.199
    1987geänderten Umsatzsteuerbescheid 1987 vom 07.05.199.


    Die Klägerin hat zwar neben der Bekanntgabe des Umsatzsteuerbescheides 1986 vom 6. Juni 198 auch die Bekanntgabe des geänderten Umsatzsteuerbescheides 1986 vom 23. November 199 an sie bestritten. Der Beklagte hat den ihm nach § 122 Abs. 2. Halbsatz AO obliegenden Nachweis des Zugangs in beiden Fällen nicht geführt. Deshalb sind diese Bescheide als seinerzeit der Klägerin gegenüber nicht wirksam geworden zu behandeln. Der geänderte Umsatzsteuerbescheid 1986 vom 23. November 199 ist jedoch dem Bevollmächtigten der Klägerin am 7. Juni 199 in Kopie zugeschickt worden. Die Übersendung einer Bescheidkopie bewirkt die Heilung des früheren Bekanntgabemangels (BFH-Urteil vom 9. August 1991 III R 169/90, BFH/NV 1992, 433). Es ist aus den Akten nicht ersichtlich, daß der vom Beklagten vorgetragene Bekanntgabewille gefehlt hätte. Ob die Übersendung durch die Vollstreckungs- oder Veranlagungsstelle erfolgt ist, bleibt dann ohne Bedeutung. Die Klägerin selbst hat die Übersendung auch als Bekanntgabe aufgefaßt. Denn sie hat gegen den Bescheid am 9. Juni 199 Einspruch eingelegt und in dessen vom Prozeßbevollmächtigten der Klägerin formulierten Begründung den Bekanntgabemangel nicht gerügt. Das widerlegt auch ihre Behauptung, ihr Bevollmächtigter habe keine Empfangs vollmacht für das Festsetzungsverfahren gehabt.

    Im übrigen würde der Senat das Vorbringen der Klägerin, der geänderte Umsatzsteuerbescheid 1986 vom 23. November 199 sei ihr nur als Kopie durch die Vollstreckungsstelle zur Information übersandt worden und ihr Bevollmächtigter habe keine Empfangsvollmacht dafür besessen, als verspätet zurückweisen. Denn es wurde erstmals in den Schriftsätzen vom 10. September 199 und 19. Oktober 199 und somit nach Ablauf der Ausschlußfrist am 10. Mai 199 und nach Hinweis auf die damit verbundenen Folgen vorgetragen. Die Überprüfung dieser Behauptungen erforderte die Vernehmung von Zeugen und würde deshalb zu einer weiteren Verzögerung des Rechtsstreits führen (BFH-Beschluß vom 14. September 1994 I B 174/93, BFH/NV 1995, 977). Ein Entschuldigungsgrund für die Verspätung ist nicht erkennbar. Die Frage der Bekanntgabe des genannten Bescheides war schon in der Klageschrift angesprochen worden. Es sind keine Gründe dargelegt und ersichtlich, welche die Aufnahme des späteren Vortrags in diese gehindert hätten.

    Damit waren die im geänderten Umsatzsteuerbescheid vom 23. November 199 enthaltenen Leistungsgebote am 10. Juni 199 an die Klägerin ergangen. Dies ist für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Pfändungsverfügung zu beachten, weil für die gerichtliche Nachprüfung von Ermessenentscheidungen, zu denen die Pfändungsverfügung zählt, die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend sind (BFH-Urteil vom 11. Juni 1997 X R 14/95, BStBl II 1997, 642). Dies war im Streitfall die Beschwerdeentscheidung vom 20. Juli 199. Zu diesem Zeitpunkt war das Leistungsgebot bereits ausgesprochen. Entgegen der Auffassung der Klägerin führt sein Fehlen im Zeitpunkt des Ergehens der Pfändungsverfügung nicht zu deren Nichtigkeit. Es macht sie vielmehr nur rechtswidrig (BFH-Beschluß vom 17. Mai 1988 VII B 27/88, BFH/NV 1989, 114; Tipke-Kruse, Abgabenordnung, § 254 AO, Tz. 14; Hübschmann, Hepp, Spittaler, AO § 254 Rz. 63). Das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27. März 1979 VII R 41/78, BStBl II 1979, 589 kann die Klägerin zur Stützung ihrer Auffassung nicht heranziehen, weil dort noch von der inzwischen von der Rechtsprechung und Lehre aufgegebenen Auffassung der Nichtigkeit der Pfändungsverfügung bei fehlendem Leistungsgebot ausgegangen wird.

    Die von der Klägerin behauptete Nichtigkeit, weil ein vollstreckbarer Verwaltungsakt nicht existiere, kann der Senat ebenfalls nicht feststellen. Denn nach seiner von ihm oben dargelegten Auffassung ist der geänderte Umsatzsteuerbescheid 1986 vom 23. November 199 ergangen und am 10. Juni 199 bekanntgegeben worden. Die Feststellung des Beklagten nach § 125 Abs. 5 AO vom 26. Januar 199, der Bescheid vom 23. November 199 sei nicht wirksam bekanntgegeben worden, führt nicht zu seinem Wegfall. Sie hat nämlich keine bindende Wirkung, sondern enthält lediglich eine Äußerung der Finanzbehörde ohne Verwaltungsaktcharakter (BFH-Urteil vom 17. Oktober 1985 VII R 185/83, BFH/NV 1986, 720). Diese Auffassung ist im Urteil vom 15. November 1991 VI R 81/89, BStBl II 1992, 224 vom Bundesfinanzhof bestätigt worden. Nach den obigen Ausführungen ist im Streitfall davon auszugehen, daß die Bekanntgabe mit Wirkung vom 10. Juni 199 erfolgt ist.

    Allerdings ist der Bescheid vom 23. November 199 aufgrund einer Umsatzsteuererklärung des Ehemannes der Klägerin trotzdem gegen diese ergangen. Ergäbe sich daraus eine offenkundige Unrichtigkeit des Bescheides, dürfte sich der Beklagte in Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben darauf nicht berufen. Im Streitfall besteht jedoch eine solche Offenkundigkeit nicht. Denn der Ehemann der Klägerin hat in der Einkommensteuererklärung 1984 vom 30. März 198 als ausgeübten Beruf „Angestellter” angegeben, in einer Vorsprache bei der Vollstreckungsstelle am 27. April 198 wegen eines Teils der jetzt vollstreckten Steuerschulden ausdrücklich im Auftrag der Klägerin vorgesprochen und erst im November 198 mit Beginn vom 29. Mai 198 an einen Handwerksbetrieb bei der Stadt Karlsruhe als Gewerbe angemeldet.

    Die für die nicht nachgewiesenen Lohnsteueranmeldungen der Klägerin ermittelten Säumniszuschläge entfallen, weil nach § 240 Abs. 1 Satz 3 AO Säumnis erst ab Anmeldung der Steuer eintritt. Die mit den Umsatzsteuern beigetriebenen Säumniszuschläge konnten, wie schon gesagt, nach § 254 Abs. 2 Satz 1 AO ohne Leistungsgebot vollstreckt werden. Dies gilt auch für die beanstandeten Beträge von 40 DM, 2.095 DM und 2.100 DM, die Umsatzsteuern aus den Jahren 1984 und 1985 betreffen. Die vorgenannte Voraussetzung ist nicht erfüllt bei den Säumniszuschlägen für die Umsatzsteuervoranmeldungen Juli und Dezember 1987, Mai 1988 und die ungeklärten, am 10. Juli 198 und 7. Mai 199 fällig gewordenen Säumniszuschläge. Denn sie beziehen sich auf Umsatzsteueransprüche für einen Zeitraum, in dem der Beklagte die Unternehmerschaft der Klägerin nicht mehr annimmt und Umsatzsteuerschulden nicht vollstreckt hat.

    Im Vollstreckungsverfahren können nur Einwendungen gegen einzelne Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung erhoben werden. Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind gemäß § 256 AO außerhalb des Vollstreckungsverfahrens zu verfolgen. Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt bestehen dann, wenn geltend gemacht wird, der Steueranspruch bestehe ganz oder teilweise nicht. Um solche Einwendungen der Klägerin handelt es sich bei dem Vorwurf, die Umsatzsteuerbescheide 1986 und 1987 seien unzutreffend gegen sie gerichtet worden. Dieses Vorbringen kann deshalb im Streitfall nicht gewürdigt werden.

    Auch das Vorbringen der Klägerin, Zahlungen ihrerseits vom 07.04 und 04.09.198 sowie vom 26.07.198 seien falsch verbucht worden und der Zusammenhang der Säumniszuschläge mit den geltend gemachten Steuerschulden sei nicht ersichtlich, ist für die Entscheidung des Streitfalls nicht einschlägig. Über die Verwirklichung von Steueransprüchen entscheidet die Finanzbehörde nach § 218 Abs. 2 AO durch Abrechnungsbescheid. Darunter fällt u. a. der Streit, ob der Steuerschuldner wirksam gezahlt hat (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1972 VI R 310/68, BStBl II 1973, 89), aber auch, ob Säumniszuschläge entstanden sind (BFH-Urteile vom 15. März 1979 IV R 174/78, BStBl II 1979, 429; vom 8. November 1989 I R 30/84, BFH/NV 1990, 546). Solche Abrechnungsbescheide sind nicht Gegenstand der angegriffenen Beschwerdeentscheidung gewesen und deshalb nicht im vorliegenden Klageverfahren zu beurteilen.

    Die Pfändungsverfügung ist mangels Leistungsgebot bzw. Schuldnerschaft hinsichtlich folgender Beträge rechtswidrig und wird aufgehoben:

    ZeitraumFälligkeitBetragSäumnZu.
    DMDM
    LohnsteuerJan. 8723.02.683,94510
    Feb. 8723.03.1.050,04840
    März 8728.04.920,84747
    April 8725.05.1.389,841.066
    Mai 8723.06.1.518,281.215
    ev. KiLStFeb. 8723.03.40,94
    März 8728.04.23,96
    April 8725.05.50,15
    Mai 8723.06.54,87
    rk. KiLStFeb. 8723.03.45,05
    März 8728.04.46,31
    April 8725.05.54,48
    Mai 8723.06.63,94
    VerspZu. UStJan. 8721.04.55,00
    Mai 8727.07.85,00
    SäumnZu. UStUVA 07/8718.12.212
    UVA 12/8702.02.1.377
    UVA 05/8822.06.2
    ungeklärt10.07.17
    ungeklärt07.05.312
    6.082,646.298
    Gesamtsumme12.380,64


    Das gleiche gilt für die Einziehungsverfügung.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

    Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 1 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO (BFH-Beschluß vom 15. April 1981 IV S 3/81, BStBl II 1981, 402).

    VorschriftenAO 1977 § 122 Abs 2, AO 1977 § 254 Abs 1, AO 1977 § 124, AO 1977 § 125