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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 27.01.2003 – 3 K 992/00

    1. Der Vorsteuerabzug ist zu berichtigen, wenn der Steuerpflichtige objektiv zahlungsunfähig und nicht in der Lage ist, die Forderung des Lieferanten zu erfüllen. Die Berichtigung berührt die Steuer desjenigen Veranlagungszeitraums, in den die Änderung der Bemessungsgrundlage fällt. Erneute Änderungen in späteren Veranlagungszeiträumen sind insoweit nicht von Bedeutung.

    2. Die Verpflichtung des Schuldners zur Vorsteuerberichtigung ergibt sich allein aus dem Gesetz und ist nicht von der vollzogenen Umsatzsteuerberichtigung durch den Lieferanten abhängig.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In dem Finanzrechtsstreit

    wegen Umsatzsteuer 1992

    hat der 3. Senat unter Mitwirkung des Präsidenten des Finanzgerichts …, der Richterin am Finanzgericht …, der Richterin am Finanzgericht …, der ehrenamtlichen Richterin und der ehrenamtlichen Richterin … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 27. Januar 2003 für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Tatbestand

    I.

    Streitig ist, ob die Klägerin im Streitjahr 1992 zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges verpflichtet ist.

    Die Klägerin hatte in den Jahren 1990 und 1991 Warenlieferungen von der C. GmbH (im weiteren: Lieferantin) für 875.393,97 DM einschließlich 107.504,53 DM Umsatzsteuer bezogen. Die Umsatzsteuer war im jeweiligen Voranmeldungszeitraum gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 UStG als Vorsteuer in Abzug gebracht worden. Aufgrund von Liquiditätsschwierigkeiten bei der Klägerin waren die Rechnungen nicht beglichen worden. Die Verbindlichkeiten gegenüber der Lieferantin wurden in den Jahresabschlüssen der Klägerin zum 31. Dezember 1992 und 31. Dezember 1993 als Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen ausgewiesen. Mit Beschluß der Gesellschafterin der Klägerin, der S. B. AG i.L., F., vom 24. August 1994 wurde die Liquidation über das Vermögen der Klägerin zum 01. September 1994 beschlossen. Die Liquidationseröffnungsbilanz zum 01. September 1994 sowie die folgenden Liquidationszwischenabschlüsse zum 31. Dezember 1994, 31. Dezember 1995 und zum 31. Dezember 1996 enthielten jeweils die Verbindlichkeit gegenüber der Lieferantin sowie eine Rückstellung für ggf. zu zahlende Verspätungszinsen von DM 130.000,00.

    Über die Tilgung der Verbindlichkeiten der Klägerin fand am 20. August 1992 ein Gespräch zwischen der Geschäftsführung der Lieferantin und der Muttergesellschaft der Klägerin statt:

    „Das Gespräch wurde geführt, um grundsätzliche Positionen beider Partner zu den außenstehenden Forderungen der C. aus Warenlieferungen gegenüber der S.B. AG im Jahre 1991 zu klären. Durch die C. wurde die Rechtsposition, die sich aus den im Jahre 1991 bereits notariell beurkundeten Sicherheitsleistungen der S.B. AG in Form von Immobilien ergibt, eindeutig dargelegt. Die Besicherung der Forderungen der C. gegenüber der S.B. AG wurde seinerzeit durch massive Einflußnahme verhindert. Unter anderem wurde die in der notariellen Urkunde vom Vorstand der S.B. AG zugesagte Unterschriftsleistung der GmbH Geschäftsführer zu einer Übereignung von Immobilien an die C. durch den Aufsichtsrat ausdrücklich untersagt. Die Geschäftsführung der C. wurde zum damaligen Zeitpunkt im guten Glauben gelassen, daß Bezahlung bzw. Besicherung bereits gelieferter Ware erfolgen wird.

    Aufgrund dieser Tatbestände fordert die Geschäftsleitung der C, daß ihre Forderungen an die S.B. AG beglichen werden, bevor im Rahmen der Liquidation andere Gläubiger bedient werden. Herr O. erklärte dazu, daß aufgrund des Beschlusses der X. zur Liquidation der S.B. AG und bei Gegenrechnung der Kosten der Liquidation an die Gläubiger nur eine Quote von 5% ihrer Forderungen ausgezahlt werden kann, die sich nach neuesten Erkenntnissen sogar noch auf ca. 1% verringern wird. Hauptgläubiger der S.B. AG seien die Y-bank AG mit 192 Mio. DM (aus Altkrediten) und die C. mit ca. 14 Mio. DM. Herr O. erkannte grundsätzlich den Anspruch der C. auf Zahlung der 14 Mio. DM an, erklärte aber gleichzeitig, daß im Rahmen der Liquidation der S.B. AG die Bereitstellung von finanziellen Mitteln über die ermittelte Quote hinaus nur durch den gemeinsamen Gesellschafter beider Unternehmen, die Treuhandanstalt Z., erfolgen kann.

    Mit einer Quote von 1–5 % kann sich die Geschäftsführung der C. nicht einverstanden erklären, da in diesem Falle eine vollständige Tilgung ihrer Altkredite gegenüber der Deutschen Kreditbank AG nicht möglich sein wird und somit eine Überschuldung droht. Eine Vergleichsquote von unter 40 % kann die C. aus existentiellen Gründen nicht akzeptieren. Die C. fordert aufgrund ihrer besonderen Stellung gegenüber der S.B. AG aufhellende Informationen zur endgültigen Klärung der Rechtslage im Jahre 1991 sowie weitergehende Informationen zur aktuellen Geschäftslage der S.B. AG. Dazu gehören vor allem zeitnahe Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen sowie Aufsichtsratsprotokolle, die die Zusicherung der Bezahlung der offenen Rechnungen bzw. eine grundschuldmäßige Besicherung der Außenstände gegenüber der C. zum Inhalt hatten. Es wurde abschließend vereinbart, daß beide Parteien nochmals mit den für sie zuständigen Stellen der X. Rücksprache nehmen und auf eine möglichst kurzfristige Lösung des Problems der Forderungen und Verbindlichkeiten untereinander sowie der beiderseitigen Verbindlichkeiten gegenüber der Y-bank AG drängen.” (Protokoll Blatt 27a der Rechtsbehelfsakte).

    Die Klägerin trägt vor, nach Aussage ihres damaligen Liquidators habe es Bemühungen gegeben, eine einvernehmliche Lösung bezüglich der Begleichung der Verbindlichkeiten im Rahmen eines Vergleiches zu erhalten. Diese Bemühungen seien jedoch erfolglos geblieben. Im Jahre 1994 sei die Lieferantin privatisiert worden. Die Käuferin der Lieferantin habe in diesem. Zu aller Nebenrechte an die Treuhandanstalt/Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) abgetreten. Die BvS habe sodann die abgetretenen Forderungen in ein Darlehen umgewandelt. Die Umwandlung in ein Darlehen sei gemäß § 607 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) durch konkludentes Handeln erfolgt. Der Einzelbetrag der Forderung sei aus Saldenbestätigungen der BvS ersichtlich.

    Eine bei der Klägerin am 21. Oktober 1991 durchgeführte Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Zeitraum Januar bis September 1991 (Bericht des Finanzamtes vom 06. November 1991) blieb hinsichtlich des strittigen Sachverhaltes ohne Feststellungen. Im Zeitraum vom 09. Oktober 1995 bis 04. Januar 1996 fand bei der Klägerin eine Betriebsprüfung statt. Hierbei wurde festgestellt daß aus den von der Lieferantin bezogenen Lieferungen Vorsteuerbeträge von DM 120.317,02 beansprucht wurden. Mit der Begründung, daß die Lieferantin nach Erkenntnissen einer dort durchgeführten Betriebsprüfung ihre Forderungen an die Klägerin zum 31. Dezember 1992 wegen Uneinbringlichkeit ausgebucht und die Umsatzsteuer gemäß § 17 Abs. 2 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Nr. 1 UStG korrigiert habe, wurde der Vorsteuerbetrag in Höhe von 120.317,02 DM von der Klägerin zurückgefordert.

    Der Beklagte folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und setzte die Umsatzsteuer 1992 mit Bescheid vom 23. Juli 1997 auf 1.735.353,00 DM sowie Zinsen zu Umsatzsteuer 1992 auf 23.712,00 DM fest. Auf den Einspruch der Klägerin setzte der Beklagte die Umsatzsteuer 1992 auf 1.721.466,00 DM und die Zinsen zur Umsatzsteuer 1992 auf 21.001,00 DM herab. Im übrigen hatte der Einspruch keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 19. April 2000 – Blatt 67 f der Rechtsbehelfsakte).

    Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei nicht zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges verpflichtet. Die rechtliche Durchsetzbarkeit der Forderung sei im Zeitpunkt der Ausbuchung der Forderung bei der Lieferantin bzw. der von der steuerlichen Außenprüfung bei der Klägerin vorgenommenen Vorsteuerberichtigung zweifellos gegeben gewesen. Die Klägerin sei in diesem Zeitpunkt weder in Liquidation gewesen, noch sei die Forderung gemäß § 196 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BGB verjährt gewesen, noch hätten andere Gründe einer zivilrechtlichen Beitreibung der Forderung der Lieferantin entgegengestanden.

    Uneinbringlichkeit aufgrund mangelnder Durchsetzbarkeit aus tatsächlichen Gründen respektive aufgrund der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG der Klägerin sei ebenfalls nicht gegeben gewesen. Zwar habe die Klägerin die Rechnungsbeträge bei Fälligkeit aufgrund von temporären Liquiditätsproblemen nicht sofort begleichen können. Dieser Umstand habe jedoch aus damaliger Sicht auf einer vorübergehenden Zahlungsstockung beruht. Es sei zwar zutreffend, daß im August 1992 in einer Beratung des Abwicklers der Muttergesellschaft der Klägerin hinsichtlich der bestehenden Altkreditverbindlichkeiten gegenüber der Y-bank AG mit einer Tilgungsquote von 1% gerechnet worden sei. Diese Quote habe sich jedoch ausschließlich auf die übernommenen Altkredite, nicht jedoch auf sonstige Verbindlichkeiten der Klägerin bezogen. Die Entschuldung der Altkredite sei später tatsächlich mit einer Quote von 1,5 % erfolgt, während bezüglich der Verbindlichkeiten der Klägerin an die Lieferantin ein Vergleich niemals abgeschlossen worden sei.

    Mit Ausnahme der Altkreditgläubiger seien alle weiteren Gläubiger zu 100% befriedigt worden. Die BvS habe als Anteilseignerin der Muttergesellschaft der Klägerin diese stets – wenn auch teilweise mit Zeitverzug – derart mit den erforderlichen liquiden Mitteln ausgestattet, daß sämtliche Verbindlichkeiten der Klägerin hätten befriedigt werden können. Zahlungsunfähigkeit der Klägerin sei demzufolge nachweislich während der gesamten Liquidationsphase nicht gegeben gewesen. Aus einem internen Schreiben der BvS gehe überdies hervor, daß im Rahmen der in 1996 bei der Lieferantin durchgeführten steuerlichen Außenprüfung zunächst festgestellt worden sei, daß die im Rahmen der Umsatzsteuererklärung 1992 vorgenommene Umsatzsteuerkorrektur auf die Forderungen gegenüber der Klägerin nicht gerechtfertigt und damit zurückzufordern sei. Eine Akteneinsicht beim Finanzamt O. in die maßgeblichen Veranlagungs- und Betriebsprüfungsakten der Klägerin habe dies bestätigt. Im Ergebnis der Betriebsprüfung seien wurden diese Umsatzsteuer-Rückforderungen vom Finanzamt U. aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht geltend gemacht worden. Die Klägerin rege daher die Prüfung der Aktenlage aus der bei der Lieferantin durchführten Betriebsprüfung an.

    Die Annahme der Uneinbringlichkeit der Forderung der Lieferantin und die daraus abgeleitete Umsatzsteuerberichtigung in 1992 gemäß § 17 Abs. 2 UStG bei der Gläubigerin sei daher nicht gerechtfertigt. Entsprechend habe für die Klägerin im Veranlagungszeitraum 1992 keine Veranlassung zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG bestanden. Die Klägerin könne nicht deshalb zur Rückzahlung der Vorsteuerbeträge verpflichtet werden, weil die korrespondierenden Umsatzsteuerbeträge aufgrund nicht gerechtfertigter Ausbuchung der Forderung an die Lieferantin erstattet worden seien.

    Die BvS habe die Forderungen an die Klägerin einschließlich der nicht bestätigten Verzugszinsen im Wege der Abtretung übernommen. Die Abtretung sei als Gegenleistung für die gemäß § 3.02. des Vertrages von der Lieferantin zugunsten der Lieferantin übernommenen Verpflichtungen gegenüber Dritten erfolgt. Damit sei die BvS als Neugläubigerin an die Stelle der bisherigen Gläubigerin (Lieferantin) getreten. Die Forderungsabtretung sei ein steuerbarer, gemäß § 4 Nr. 8 c) UStG steuerfreier Umsatz, da die Forderung rechtlich und wirtschaftlich aus dem Vermögen des bisherigen Gläubigers ausscheide und entgeltlich in das Vermögen des Neugläubigers übergehe. Damit sei die Verbindlichkeit der Klägerin gegenüber der Lieferantin erfüllt worden. Selbst wenn also eine Berichtigung des Vorsteuerabzuges bei der Klägerin gemäß § 17 Abs. 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG mangels Durchsetzbarkeit aus tatsächlichen Gründen in 1992 oder später hätte erfolgen müssen, so wäre in 1994 mit Abschluß des Privatisierungsvertrages der Lieferantin eine nochmalige Änderung der Bemessungsgrundlage gemäß § 17 Abs. 1 UStG eingetreten. Mit der vereinbarten Übernahme der Verbindlichkeiten für die abgetretenen Forderungen habe die Neugläubigerin auf eine wertlose Forderung etwas geleistet. Dies löse dann die Berichtigung der Umsatzsteuer bei der Lieferantin gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 UStG sowie die Berichtigung des Vorsteuerabzuges gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG bei der Klägerin aus. Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG sei die Berichtigung in dem Voranmeldungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten sei, mithin in 1994.

    Die BvS habe im weiteren ihre durch Abtretung von der Lieferantin erworbene Forderung gegenüber der Klägerin in ein Darlehen umgewandelt. Dies stelle die Umwandlung der Schuld der Klägerin durch Novation in eine Darlehensschuld dar und bewirke die Tilgung der ursprünglichen Schuld und damit Vereinnahmung des Entgelts durch den (Neu)Gläubiger. Die Umwandlung der abgetretenen Forderung in ein Darlehen gemäß § 607 Abs. 2 BGB sei durch konkludentes Handeln der BvS erfolgt. Eine separate Darlehensvereinbarung in Schriftform zu diesem Sachverhalt sei zivilrechtlich keine notwendige Bedingung für die Wirksamkeit. Falle nach der Novation das Darlehen infolge Zahlungsunfähigkeit des Schuldners ganz oder teilweise aus, so führe dies nicht mehr zu einer Berichtigung der für den ursprünglichen Umsatz geschuldeten Umsatzsteuer nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 UStG und auch nicht zu einer Berichtigung der Vorsteuer nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG, weil das Entgelt für diesen Umsatz durch Novation in vollem Umfang „vereinnahmt” worden sei.

    Ergänzend trägt die Klägerin vor, die Darlehensvereinbarung sei mündlich zwischen der Klägerin und der BvS zustande gekommen. Als Zeugen hierfür könnten dem Gericht die folgenden Personen benannt werden:

    • Herrn T. O., Rechtsanwalt und Liquidator der Klägerin

    • Herrn W. M., früherer Geschäftsführer der Klägerin und Beauftragter des Liquidators

    • Herrn A. J., Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwalt, Verfahrensbevollmächtigter der Klägerin

    Zum weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom 15. August 2000 und vom 15. November 2000 verwiesen.

    Die Klägerin beantragt, den Bescheid über Umsatzsteuer 1992 sowie Zinsen zur Umsatzsteuer 1992 vom 23. Juli 1992 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2000 dahin abzuändern, daß die abziehbare Vorsteuer DM 1.424.520,31 beträgt.

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen

    Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, daß die Vorsteuerrückforderung zu Recht erfolgt sei. Habe sich nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1(1) Nr. 1 bis 3 UStG geändert, so habe der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt habe, den dafür geschuldeten Steuerbetrag und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden sei, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Nach Satz 3 seien die Berichtigungen nach Satz 1 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten sei. Gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG gelte dies sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden sei.

    Ein Entgelt werde uneinbringlich, wenn die zugrundeliegende Forderung einerseits noch nicht erfüllt, andererseits aber weder rechtlich noch tatsächlich durchsetzbar sei (vgl. BFH vom 08. Dezember 1993, BStBl II 1994, S. 338). Die von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG erfaßten Fälle der Uneinbringlichkeit seien mithin durch eine bestehende aber nicht realisierbare Forderung gekennzeichnet (vgl. BFH vom 10. März 1983, BStBl II 1983, S. 389).

    Hauptfall mangelnder Durchsetzbarkeit aus tatsächlichen Gründen sei die Zahlungsunfähigkeit. Der Gläubiger könne das vereinbarte Entgelt als uneinbringlich ansehen, wenn der Forderungsausfall tatsächlich drohe, z.B. bei allgemein bekannter schlechter wirtschaftlicher Lage des Schuldners oder wenn der Schuldner einen Wechsel nicht habe einlösen können (vgl. FG Niedersachsen vom 26. September 1991, EFG 1992, S. 303). Uneinbringlichkeit wegen Zahlungsunfähigkeit setze voraus, daß die Vollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers gegen den Schuldner erfolglos gewesen seien bzw. daß objektiv feststehe, daß der Schuldner vorläufig nicht mehr zahlen könne.

    Es liege nicht alleinig im Verantwortungsbereich des Beklagten, zu prüfen, inwiefern die Lieferantin berechtigt gewesen sei, die bestehenden Forderungen an die Klägerin zu 99 v.H. als uneinbringlich auszubuchen und die Umsatzsteuer 1992 zu berichtigen. Für den Beklagten sei auch der Umstand entscheidend, daß das für die Gläubigerin zuständige Finanzamt Chemnitz-Mitte gemeinsam mit den Prüfungsorganen die Feststellung getroffen habe, daß die Umsatzsteuerberichtigung zu Recht erfolgt sei, weil die Forderungen uneinbringlich gewesen seien. Von Seiten des Finanzamtes O. sei in Übereinkunft mit der Klägerin die Bearbeitung der Einsprüche solange ausgesetzt worden, bis die Prüfung der Uneinbringlichkeit beim Finanzamt Chemnitz-Mitte abgeschlossen gewesen sei.

    Die Klägerin habe behauptet, daß im Rahmen dieser Betriebsprüfung zunächst festgestellt worden sei, daß die Umsatzsteuerkorrektur seitens der Gläubigerin zu Unrecht erfolgt sei. Ihre Behauptung stütze sie auf Arbeitsunterlagen der Betriebsprüfung und der Rechtsbehelfstelle, derer sie sich im Rahmen der Akteneinsicht bedient habe. Diese Arbeitsunterlagen seien jedoch für den Streitfall nicht maßgebend. Maßgebend für die Entscheidung des Finanzamtes O. sei das Ergebnis der Betriebsprüfung, nämlich der Bescheid, in dem die Umsatzsteuer nicht zurückgefordert wurde, weil das Finanzamt Z. zur der Überzeugung gelangt sei, daß die Forderungen tatsächlich uneinbringlich gewesen seien.

    Maßgebend für die Entscheidung des Beklagten seien aber auch die Prüfungsfeststellungen bei der Klägerin. Sie hätten bestätigt, daß die Klägerin ihre Zahlungsverbindlichkeiten der Vorjahre an die Lieferantin per 31. Dezember 1992 nicht erfüllt habe. Aus Prüfungsunterlagen sowie von der Klägerin eingereichten Dokumenten sei zu entnehmen, daß objektiv bereits zum 21. August 1992 zum Zeitpunkt der Beratung der Liquidators der Muttergesellschaft der Klägerin mit der Lieferantin festgestanden habe, daß aufgrund des Beschlusses der BvS zur Liquidation dieser Gesellschaft und der ihr verbundenen Unternehmen sowie der Überschuldung des Unternehmens durch Altkredite nur mit einer Tilgungsquote von 1 v.H. der Forderungen zu rechnen sei (vgl. Protokoll der Beratung vom 21. August 1992).

    Nach BFH-Rechtsprechung müsse der Leistungsempfänger (Schuldner der Forderung) seinen Vorsteuerabzug nicht allein deshalb berichtigen, weil die Uneinbringlichkeit des Entgelts beim Gläubiger bejaht werde. Es kommt jedoch darauf an, ob die Annahme der Uneinbringlichkeit gerechtfertigt sei (vgl. BFH vom 21. April 1987, BFH/NV 1987, S. 604). Im Streitfall sei die Annahme der Uneinbringlichkeit dadurch gerechtfertigt, daß zum 31. Dezember 1992 die Forderungen noch nicht beglichen gewesen seien und ihre Begleichung durch die Zahlungsunfähigkeit der Klägerin sowie deren generell schlechter wirtschaftlicher Situation (aufgrund von Altlasten) zu 99 v.H. habe ausgeschlossen werden müssen. Schon deshalb erscheine eine Umsatzsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG bei der Lieferantin gerechtfertigt.

    Die Klägerin als Schuldnerin hätte nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. § 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG bereits zu diesem Zeitpunkt (31. Dezember 1992) den Vorsteuerabzug berichtigen müssen, da sich aus den Gesamtumständen, insbesondere aus dem längeren Zeitablauf nach Eingehung der Verbindlichkeiten ergeben habe, daß sie ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Gläubigerin nicht mehr nachkommen werde (vgl. Umsatzsteuerrichtlinien Abschn. 223 Abs. 5 Satz 7). Der Behauptung der Klägerin, daß sich die Aussage des Liquidators hinsichtlich der 1%igen Tilgung der Forderungen nur auf die Altkredite bezogen haben solle, stehe der Wortlaut des Protokolls vom 21. August 1992 entgegen, aus dem hervorgehe, daß das Gespräch geführt worden sei, „um grundsätzliche Positionen beider Partner zu den außenstehenden Forderungen der C. (C = Lieferantin) aus Warenlieferungen gegenüber der S.B. AG (= Muttergesellschaft der Klägerin) im Jahre 1991 zu klären”. Ebenso könne der Behauptung der Klägerin, die BvS habe mit der Übernahme der Forderungen von der Lieferantin zugleich ihre Verbindlichkeiten übernommen, nicht gefolgt werden.

    Eine Abtretung sei ein Vertrag des Gläubigers mit einem Dritten, durch den der Gläubiger eine ihm gegen den Schuldner zustehende Forderung auf den Dritten überträgt. Im Streitfall habe die BvS als Dritte die Forderungen erworben und trete als Neugläubiger an die Stelle des bisherigen Gläubigers. Da die BvS in ihrer Funktion als Neugläubigerin die Forderungen als Darlehensforderungen gegenüber der alleinigen Gesellschafterin der Klägerin aufrechterhalte, könne von einer Begleichung der Verbindlichkeiten durch die Treuhandanstalt nicht ausgegangen werden.

    Auch der Auffassung der Klägerin, daß im Streitfall aufgrund einer Novation eine Entgeltvereinnahmung eingetreten sei, in deren Folge die Vorsteuer nicht zurückzuzahlen wäre, sei nicht zu folgen. Voraussetzung für eine Entgeltvereinnahmung durch Novation sei, daß die Beteiligten eine diesbezügliche ausdrückliche und eindeutige Vereinbarung treffen. Das sogenannte Vereinbarungsdarlehn sei als Entgeltvereinnahmung nur anzusehen, wenn nach der rechtlichen Gestaltung durch die Beteiligten die durch den Leistungsaustausch begründete ursprüngliche Schuld des Leistungsempfängers endgültig erloschen sei. Zum Zeitpunkt der Betriebsprüfung sei der Finanzbehörde eine derartige Vereinbarung nicht vorgelegt worden, der Aufforderung des Beklagten vom 21. Februar 2000 (Blatt 49 der Rechtsbehelfsakte) an die Klägerin, eine eventuell getroffene Vereinbarung im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens einzureichen, sei diese nicht gefolgt.

    Der Beklagte habe folglich auch nicht prüfen können, ob die Ersetzung der Entgeltzahlung im Wege einer Novation (Umwandlung der ursprünglichen Forderung in eine Darlehensforderung gemäß § 607 Abs. 2 BGB) Erfüllungswirkung gehabt habe oder nicht, da dies nach der Rechtsprechung an Hand des surrogatbegründenden Rechtsgeschäftes zu entscheiden sei. Dem Finanzamt sei jedoch weder dessen Inhalt bekannt noch der Zeitpunkt dieses Vertragsabschlusses. Auch die mit Schreiben der Klägerin vom 14. April 2000 eingereichten Unterlagen (Blatt 61 f der Rechtsbehelfsakte) würden nicht zur weiteren Klärung dieses Sachverhaltes beitragen. Das Schreiben der BvS vom 31. März 2000 enthalte lediglich Angaben, die dem Beklagten bereits seit dem Zeitpunkt der Betriebsprüfung bekannt seien. Das Schreiben vom 31. März 2000 sowie das Schreiben der BvS vom 29. September 1999 ließen sogar bezweifeln, ob hinsichtlich der betreffenden Forderungen überhaupt Darlehensverträge abgeschlossen worden seien. So würden im Schreiben vom 29. September 99 die betreffenden Forderungen nicht als Darlehensforderungen sondern als sonstige Forderungen ausgewiesen. Auch in der an das Finanzamt am 17. Januar 2000 eingereichten Liquidationsbilanz der Klägerin seien die von der Treuhandanstalt übernommenen Verbindlichkeiten nicht als Darlehensverbindlichkeiten sondern als sonstige Verbindlichkeiten aufgeführt.

    Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Steuerakten der Klägerin und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

    Gründe

    II.

    Die Klage ist unbegründet.

    Die Klägerin war im Besteuerungszeitraum 1992 zur Berichtigung des Vorsteuerabzuges verpflichtet, da die Forderung der C. GmbH (Lieferantin) aus Warenlieferungen an die Klägerin uneinbringlich war (§ 17 Abs. 1 Nr. 2 UStG i.V. mit § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG).

    Die Berichtigungspflicht des Unternehmers tritt nicht erst dann ein, wenn eine Forderung schlechthin keinen Wert mehr hat, sondern dann, wenn sie für geraume Zeit nicht durchsetzbar ist. Die Uneinbringlichkeit ist in erster Linie nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu beurteilen. Maßgeblich ist, ob ein vorsichtig bewertender Kaufmann nach der allgemeinen Lebenserfahrung aus den jeweiligen Umständen die Annahme eines Forderungsausfalls herleiten darf. So können nicht nur erfolglose Zwangsmaßnahmen die Annahme der Uneinbringlichkeit rechtfertigen, es genügt, wenn der Schuldner (vorübergehend) zahlungsunfähig ist. Allerdings braucht der Schuldner seinen Vorsteuerabzug nicht deswegen zu berichtigen, weil der Gläubiger Uneinbringlichkeit annimmt; die Uneinbringlichkeit muß vielmehr objektiv vorliegen (vgl. u.a. BFH Urteile vom 04. Mai 1951, III 164/50 S, BStBl III 1951, 115; vom 13. November 1986, V R 59/79, BStBl II 1987, 226 und BFH Beschluß vom 21. April 1987, V B 73/86, BFH/NV 1987, 604 m.w.N.).

    Im Streitfall läßt sich dem Gesprächsprotokoll vom 20. August 1992 zweifelsfrei entnehmen, daß die Klägerin zu diesem Zeitpunkt objektiv zahlungsunfähig war. Es waren keine ausreichenden Mittel vorhanden, um die Forderungen der Lieferantin zu erfüllen. Entgegen der Auslegung der Klägerin kann das Gesprächsprotokoll nicht dahingehend verstanden werden, daß die Klägerin zwar nur 1% ihrer Altschulden tilgen, die Lieferantin jedoch vollständig befriedigen werde. Die Lieferantin fordert vielmehr ausdrücklich eine vorrangige Befriedigung ihrer Forderungen, worauf der Liquidator der Muttergesellschaft der Klägerin O. darauf hinwies, daß an die Gläubiger der Klägerin nur eine Quote von 5% ihrer Forderungen ausgezahlt werden könne, die sich nach neuesten Erkenntnissen sogar noch auf ca. 1% verringern werde. Selbst die Zahlung dieser geringen Quote konnte jedoch nicht zugesagt werden. Damit war die Forderung der Lieferantin – jedenfalls im Streitjahr 1992 – uneinbringlich.

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, die Lieferantin habe ihre Forderung im Jahr 1994 an die BvS abgetreten und diese habe sodann die Verbindlichkeit in eine Darlehensschuld umgewandelt. Selbst wenn man dieses Vorbringen als wahr unterstellt, ergeben sich hieraus keine Konsequenzen für die Verpflichtung der Klägerin, den Vorsteuerabzug für 1992 zu berichtigen. Denn nach § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG ist die Berichtigung des Steuerbetrages für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Durch die Berichtigung wird demnach nicht die ursprünglich festgesetzte Steuer, sondern die Steuer des Veranlagungszeitraums berührt, in den die Änderung der Bemessungsgrundlage fällt (BFH-Urteil vom 13. November 1986, V R 59/79, BStBl II 1987, 226). Da vorliegend das Berichtigungsereignis – die Uneinbringlichkeit der Kaufpreisforderung – im Laufe des Jahres 1992 eingetreten ist, kann die ggf. durch Abtretung und Novation erfolgte Erfüllung der Forderung im Jahr 1994 nicht bei der Umsatzsteuerfestsetzung 1992 berücksichtigt werden (vgl. Urteile des Hessischen Finanzgerichts vom 30. Oktober 1990, 9 K 9137/86, EFG 1991, 244 und des Finanzgerichts Münster vom 05. September 1995, 15 K 4867/92, EFG 1996, 295). Allenfalls könnte eine Berichtigungsmöglichkeit für die Umsatzsteuerfestsetzung 1994 bestehen; dies ist jedoch nicht Streitgegenstand.

    Unerheblich ist schließlich auch, ob und wie die Finanzverwaltung die Berichtigung der Umsatzsteuer durch die Lieferantin beurteilt hat, denn die Verpflichtung des Schuldners zur Vorsteuerberichtigung ergibt sich nicht als Rechtsfolge des Handelns des Gläubigers, sondern unmittelbar aus dem Gesetz. Damit ist die Vorsteuerberichtigung durch die Klägerin nicht von der vollzogenen Umsatzsteuerberichtigung durch die Lieferantin abhängig (vgl. BFH Urteil vom 21. April 1987, V B 73/86, BFH/NV 1987, 604 m.w.N.). Die Klage kann nach alledem keinen Erfolg haben.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    VorschriftenUStG 1991 § 17 Abs. 1 Nr. 2, UStG 1991 § 17 Abs. 1 S. 3