08.01.2010
Finanzgericht Brandenburg: Urteil vom 28.04.2005 – 5 K 44/03
1. Die Beurteilung, ob ein Anbau ein selbständiges Gebäude im Sinne von § 2 Abs. 3 InvZulG 1999 darstellt, richtet sich nach einkommensteuerlichen Grundsätzen. Ob mehrere auf einem Grundstück stehende Baulichkeiten als ein einziges oder mehrere Wirtschaftsgüter zu beurteilen sind, hängt von den bestehenden baulichen Verschachtelungen ab (vgl. Rechtsprechung).
2. Eine an eine bestehende Stahlhalle angebaute Werkhalle eines Kfz-Handels- und Kfz-Reparaturbetriebs ist kein selbständiges Gebäude, wenn die tragenden Pfeiler teilweise auf den Fundamenten der Stahlhalle ruhen und der Anbau für sich gesehen nach statischen Gesichtspunkten nicht standsicher ist.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
wegen Investitionszulage 2000
hat das Finanzgericht des Landes Brandenburg – 5. Senat – aufgrund mündlicher Verhandlung vom 28. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …, den Richter am Finanzgericht …, die Richterin am Finanzgericht …, sowie die ehrenamtlichen Richter … und …
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin unterhält einen Kraftfahrzeughandel und eine Kraftfahrzeugreparaturwerkstatt. Im Zuge von Baumaßnahmen, welche die Klägerin in den Jahren 1999 bis 2001 durchführen ließ, verlängerte die Klägerin eine vorhandene Stahlhalle und errichtete unmittelbar angrenzend an die bestehende Halle ein Werkhalle (Halle 1). Die Klägerin beantragte unter anderem für die Erweiterung und die Neuerrichtung der Halle Investitionszulage nach § 2 InvZulG 1999. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 16.4.2002 die Investitionszulage ohne Berücksichtigung dieser Aufwendungen fest und führte zur Begründung aus, der Anbau stehe in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit der vorhandenen Halle (Halle 2). Es handle sich daher nicht um ein selbständiges Wirtschaftsgut.
Im Rahmen des Einspruchsverfahrens fand eine Ortsbesichtigung durch den Bausachverständigen des Beklagten statt, der u.a. folgende Feststellungen traf:
Die neu errichtete Werkhalle besitze nur zur Hälfte eine eigene Umfassungskonstruktion mit eigener Fundamentierung und eigenen Stützen. Im Übrigen stellten die vormaligen Außenwände der Halle 2 zugleich den Abschluss für die Werkhalle 1. Drei der vier Dachriegel seien an die Dachriegel des vorhandenen Abschnitts der Halle 2 konstruktivstatisch angekoppelt. Nach den Erläuterungen zur Statik erfolge die Aussteifung der Dachebene über eine konstruktive Schubfeldausbildung an die bestehende Halle 2 mit Einleitung der Lasten über die vorhandenen Verbände und Rahmen, weshalb die Halle 1 für sich genommen nicht standsicher sei.
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, die angebaute Halle werde zum Betrieb einer selbständigen KfZ-Klempnerei genutzt. Sie sei nur über eine spezielle Brandschutztür mit dem Altgebäude verbunden. Der Anbau sei über eine separate Eingangstür und ein 3-Meter-Rolltor zugänglich. Die separate Bebauung sei erforderlich gewesen, da der Betrieb von CO2-Schutzgasgeräten und Punktschweißgeräten gesondert habe abgesichert werden müssen. Zudem sei eine Verbindung zu den vorhandenen Hallen nach den Vorschriften der Berufsgenossenschaften nicht zulässig. Zwar seien für die Dachkonstruktion die Stützpfeiler der Stahlbauhalle mit Laschungen versehen worden, auf die die Dachträger eingelegt worden seien. Nach der Rechtsprechung des BFH sei aber gerade in der Tatsache, dass auf eigene Wände des Anbaus an der Nahtstelle zum Altbau verzichtet werde, keine bauliche Verschachtelung zu sehen. Bei einem Abriss der Althalle sei die Standfestigkeit des Neubaus weiterhin gegeben, da bei dem gedachten Abbau die Dachstreben nur von den Vorstreckungen abgenommen werden müssten, so dass der Neubau unverändert stehen bleibe. Die Halle 1 verfüge über eigene Stützen, die in dem Bereich, in welchem die Halle 1 an die Halle 2 angrenze, auf die vorhandenen Fundamente gestellt und befestigt worden seien.
Die Klägerin beantragt,
den Investitionszulagenbescheid für 2000 vom 16.4.2002 und die Einspruchsentscheidung 3.12.2002 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Investitionszulage auf 44.848,– DM (22.930,42 EUR) festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er macht unter Bezugnahme auf die im Verlaufe des Klageverfahrens getroffenen zusätzlichen Feststellungen des Bausachverständigen geltend, die zusätzlichen Stützen seien erst im Jahre 2004 eingefügt worden. Dies folge aus der Tatsache, dass die Stützen bei der ersten Inaugenscheinnahme durch den Bausachverständigen im Jahre 2002 nicht vorhanden gewesen seien und der Fundamentplan mit den entsprechenden Ergänzungsvermerken auf den 15.5.2004 datiere.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
Nach § 2 Abs. 3 InvZulG 1999 gehören zu den begünstigten Aufwendungen auch die Anschaffung oder die Herstellung neuer Gebäude, soweit diese mindestens fünf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einem Betrieb des verarbeitenden Gewerbes verwendet werden. Nach der Legaldefinition fallen unter den Gebäudebegriff auch Eigentumswohnungen und andere Gebäude, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind. Die Beurteilung, ob ein Anbau ein Gebäude im Sinne von § 2 Abs. 3 InvZulG 1999 darstellt, richtet sich demnach nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen.
Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung die Frage, ob auf einem Grundstück stehende Baulichkeiten als ein einziges oder als gesonderte Wirtschaftsgüter zu behandeln sind, nach den bestehenden baulichen Verschachtelungen beurteilt (BFH-Urteile vom 23.3.1972 V R 104/71, BStBl. II 1972, 681; vom 5.12.1974 V R 30/74, BStBl. II 1975, 344; vom 18.08.1977 V R 164/75, BStBl. II 1978, 46; vom 21.7.1977 V R 58/75, BStBl. II 1978, 78; vom 15.09.1977 V R 14/76, BStBl. II 1978, 123; vom 15.2.1990 V R 7/85, BFH/NV 1991,61; Beschluss vom 13.5.1997 I B 4/97, BFH/NV 1997, 838). Eine bauliche Verschachtelung setzt bauliche Verbindungen in einem Maße voraus, dass die Teile des Bauwerkes nicht ohne erhebliche Bauaufwendungen voneinander getrennt werden können. Solche baulichen Verbindungen werden insbesondere durch einheitliche tragende Bauelemente begründet (BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 61). Auch die Frage, ob das Bauteil für sich genommen standsicher ist, ist für die Beurteilung der baulichen Verschachtelung von ausschlaggebender Bedeutung (BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 61).
Die angebaute Halle 1 stellt nach diesen Grundsätzen selbst dann kein selbständiges Gebäude im Sinne des § 2 Abs. 3 InvZulG 1999 dar, wenn man die Darstellung der Klägerin, die Stützpfeiler in den Achsen C1, C2 und C3 seien gemäß Fundamentplan 5-99-02c bereits im Zuge der Baumaßnahmen eingefügt worden, als wahr unterstellt. Die Halle 1 verfügt in den genannten Achsenschnittpunkten über keine eigene Fundamente, die tragenden Pfeiler ruhen vielmehr auf den Fundamenten der Halle 2. Die Halle 1 ist zudem für sich genommen nach statischen Gesichtspunkten nicht standsicher. Zwar ruhen auf den Pfeilern in den Achsenschnittpunkten C1, C2 und C3 die Vertikallasten der Halle 1. Ausweislich der zu den Akten gereichten Baustatik erfolgte jedoch die Aussteifung der Halle 1 über eine konstruktive Schubfeldausbildung bzw. allgemein über die Ankoppelung an die bestehende Halle 2 mit Einleitung der Lasten in deren vorhandene Rahmen und Verbände. Damit übernimmt die tragende Konstruktion der Halle 1 nicht die für die Standsicherheit eines Gebäudes ebenfalls bedeutenden Horizontallasten, die konstruktive Absicherung der Horizontalkräfte erfolgt vielmehr über die Verbände und Rahmen der Halle 2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –.