Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 03.05.2011

    Finanzgericht München: Urteil vom 22.02.2011 – 6 K 1451/08

    1. Auch im Falle eines Missbrauchs kann § 42 Abs. 1 Satz 3 AO nur die Beseitigung der missbräuchlichen Einkommensminderung rechtfertigen, nicht aber die Hinzurechnung eines Betrags, der auch bei rechtmäßigem Verhalten keine Auswirkung auf die Einkünfte gehabt hätte.

    2. Verzichtet ein Gesellschafter auf eine Forderung gegen seine GmbH unter der auflösenden Bedingung, dass im Besserungsfall die Forderung rückwirkend wiederaufleben soll, so führt die Erfüllung der Forderung nach Bedingungseintritt zu Betriebsausgaben, wenn die ursprüngliche Forderung betrieblich veranlasst war.

    3. Wird die Forderung, auf die unter Besserungsvorbehalt verzichtet wurde, zusammen mit den Gesellschaftsanteilen veräußert, eine andere Gesellschaft auf diese Gesellschaft verschmolzen und gleichzeitig die Forderung mit Besserungsanwartschaft an einen neuen Gesellschafter verkauft, so ist die „Darlehensrückzahlung” der Gesellschaft an den neuen Gesellschafter keine Betriebsausgabe, sondern eine Gewinnausschüttung.

    4. Ein Gestaltungsmissbrauch liegt vor, wenn bei zeitnaher Übertragung der Gesellschaftsanteile sowie einer Forderung mit Besserungsanwartschaft auf diese Forderung geleistet wird und auf diese Weise der an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte Verlustabzug umgangen wird.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In der Streitsache

    hat der 6. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht …, der Richterin am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung vom 22. Februar 2011

    für Recht erkannt:

    1. Dem Beklagten wird aufgegeben, die Bescheide für das Jahr … über Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag und Gewerbesteuermessbetrag jeweils vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … mit der Maßgabe zu ändern, dass im Jahr … von einer Gewinnerhöhung aufgrund der Besserungsleistungen in Höhe von … DM anstelle von … DM ausgegangen wird. Das Ergebnis der Neuberechnung ist der Klägerin formlos mitzuteilen. Nach Rechtskraft der Entscheidung sind die Verwaltungsakte mit geändertem Inhalt neu bekanntzugeben.

    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu …, der Beklagte zu …

    4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

    5. Die Revision wird zugelassen.

    Gründe

    I.

    Streitig ist, ob die zeitnahe Veräußerung von Gesellschaftsanteilen an einer GmbH und von Besserungsanwartschaften steuerlich mit der Folge anzuerkennen ist, dass die Besserungsleistungen den Gewinn der Klägerin mindern.

    Die Klägerin ist eine GmbH, die mit Gesellschaftsvertrag vom durch Herrn H – als Alleingesellschafter mit einem Stammkapital von 50.000 DM – gegründet wurde. Die Firma wurde zunächst „H GmbH” genannt. Der Gegenstand des Unternehmens war …. Mit Beschluss vom wurde die Firma in „V GmbH” und der Gegenstand des Unternehmens geändert.

    Die Gesellschaft hatte nach Aktenlage ab … ihren Geschäftsbetrieb weitgehend eingestellt. Ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnung … wurden im Jahr … keine Umsätze erzielt und nach der Bilanz zum … bestand das Gesellschaftsvermögen im Wesentlichen aus Kapitalfehlbetrag (Aktiva) und Verbindlichkeiten aus dem Verrechnungskonto H (Passiva).

    Mit Wirkung zum … verzichtete der Gesellschafter H wegen der auslaufenden Auftragslage auf seine mit dem Jahresabschluss zum … betragsmäßig festzustellende Forderung aus dem Verrechnungskonto unter der Bedingung, dass im Besserungsfall die Forderung wieder aufleben sollte (Forderungsverzicht mit Besserungsvereinbarung vom …). In der Bilanz zum … war die Forderung des Gesellschafters mit … DM passiviert, bei der Klägerin wurde im Jahr … ein außerordentlicher Ertrag in Höhe von … DM verbucht.

    Die Gesellschaft wurde vom Gesellschafter H aufgelöst. Der Gesellschafter H wurde zum Liquidator bestellt.

    Mit Vertrag vom … verkaufte und übertrug Herr H die Geschäftsanteile an der Klägerin zum Preis von 1 DM an die neuen Gesellschafter M und S (jeweils 25.000 DM des Stammkapitals). Am gleichen Tag beschlossen die neuen Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft und die „S GmbH” als Übertragerin (Gesellschafter: M und S jeweils mit einer Stammeinlage von 25.000 DM und damit jeweils 50 v.H. der Stammeinlage) wurde auf die Klägerin (Übernehmerin) mit Wirkung zum … verschmolzen. Gleichzeitig wurde die Firma in „S GmbH” und der Gegenstand des Unternehmens … geändert.

    Mit Vertrag vom … veräußerte Herr H die „Besserungsanwartschaft” aus dem Forderungsverzicht mit Besserungsabrede zum Kaufpreis in Höhe von … DM an den Gesellschafter S.

    In den Jahren … erzielte die Klägerin Gewinne, aus denen sie Zahlungen auf den Besserungsschein an den Gesellschafter S leistete, die sie jeweils als Aufwand gewinnmindernd in den Gewinn- und Verlustrechnungen dieser Jahre berücksichtigte.

    Die Anteile an der Klägerin wurden im Jahre … an S H veräußert und die Firma in „S H GmbH” geändert.

    Im Anschluss an eine Betriebsprüfung sah das beklagte Finanzamt (FA) im Wiederaufleben der Forderung des Gesellschafters S im Jahr … über … DM in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Gesellschafterwechsel eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) und erließ jeweils am … folgende nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheide für das Streitjahr:

    BescheidFestsetzung
    Körperschaftsteuer 2001
    Solidaritätszuschlag 2001
    Gewerbesteuermessbetrag 2001
    Gesonderte Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG
    Gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. §§ 27 ff. KStG
    Gesonderte Feststellung des Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2001
    Gesonderte Feststellung des Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer zum 31.12.2002


    Die dagegen eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom … als unbegründet zurück. Die Wiedereinbuchung einer Verbindlichkeit bei Gesellschafterwechsel zwischen Forderungsverzicht gegen Besserungsschein mit Eintritt des Besserungsfalls sei – sofern in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit dem Gesellschafterwechsel eine Abtretung der Forderung erfolge – eine vGA.

    Zur Begründung der dagegen erhobenen Klage wird im Wesentlichen vorgetragen: Die vom Beklagten unter Berufung auf ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums vertretene Auffassung widerspreche der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Dieser habe bereits entschieden, dass, soweit ein beherrschender Gesellschafter auf eine Forderung gegen seine GmbH unter der auflösenden Bedingung, dass sie im Besserungsfall wieder aufleben solle, verzichtet, die Erfüllung der Forderung nach dem Bedingungseintritt keine vGA ist (Urteil vom 18. Dezember 2002 I R 27/02, BFH/NV 2003, 824). Diese Auffassung werde auch von der überwiegenden Literatur vertreten. Zudem sei der Streitfall mit dem Sachverhalt im Gerichtsbescheid des BFH vom 31. März 2004 (I R 38, 39/03, nicht veröffentlicht) vergleichbar, in dem der BFH entschieden habe, dass kein Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO vorliege.

    Zum weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf die Schriftsätze vom … verwiesen.

    Die Klägerin beantragt,

    den Körperschaftsteuerbescheid …, den Solidaritätszuschlagsbescheid …, den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag …, die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. §§ 27 ff. KStG auf den … jeweils vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … dergestalt abzuändern, dass die bisher angesetzte verdeckte Gewinnausschüttung von … DM nicht mehr berücksichtigt wird,

    hilfsweise

    die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Zur Klageerwiderung wird im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung … sowie auf die Ausführungen im Schreiben des Bundesfinanzminsteriums – BMF – vom 2. Dezember 2003, Az. IV A 2-S 2743-5/03, BStBl I 2003, S. 648 zum Körperschaftsteuergesetz 2006 verwiesen.

    Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

    II.

    Die Klage ist teilweise begründet.

    1. Die Klagen gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Endbestände gem. § 36 Abs. 7 KStG und die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum … und … wurden in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

    2. In Höhe von … DM ist die Klage unabhängig davon begründet, ob eine vGA oder ein Missbrauch bejaht wird.

    Liegt eine vGA in Form einer Vermögensminderung (hier: Auszahlung der Verbindlichkeit gemäß Besserungsschein) vor, ist auf der ersten Stufe der Einkünfteermittlung die Auswirkung auf den Gewinn laut Bilanz zu ermitteln. Auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung wird sodann außerhalb der Bilanz ein entsprechender Betrag wieder hinzugerechnet (vgl. im Einzelnen: Schallmoser in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Anm. 204). Im Streitfall hat die Klägerin aufgrund der Verbindlichkeit gemäß dem Besserungsschein ihren Bilanzgewinn im Streitjahr nur um … DM gemindert. Damit ist – wenn eine vGA bejaht wird – höchstens dieser Betrag wieder hinzuzurechnen. Auch im Falle eines Missbrauchs kann § 42 Abs. 1 Satz 3 AO nur die Beseitigung der missbräuchlichen Einkommensminderung rechtfertigen, nicht aber die Hinzurechnung eines Betrags, der auch bei rechtmäßigem Verhalten keine Auswirkung auf die Einkünfte gehabt hätte.

    Bei der exakten Berechnung der Auswirkungen dieses Teilobsiegens auf die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag hat das FA insbesondere die Folgeänderungen bei den Steuerrückstellungen zu berücksichtigen.

    3. Im Übrigen hat das FA im Ergebnis zu Recht die Besserungsleistungen nicht gewinnmindernd berücksichtigt, da in Höhe von … DM vGA zu bejahen sind. Bei wertender Betrachtung sind die streitigen Zahlungen gesellschaftsrechtlich veranlasst.

    a) Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist eine vGA im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 4. September 2002 I R 48/01, BFH/NV 2003, 347; vom 22. Oktober 2003 I R 37/02, BFHE 204, 96, BStBl II 2004, 121, jeweils m.w.N.). Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG darf eine vGA das steuerlich zu erfassende Einkommen nicht mindern.

    Im Gegensatz zu einer vGA sind betrieblich veranlasste Aufwendungen abzuziehen. Nach dem Regelungsziel des EStG sind Aufwendungen als durch eine Einkunftsart (und nicht als durch das Gesellschaftsverhältnis) veranlasst anzusehen, wenn sie zu den Einkünften in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Das ist der Fall, wenn sie objektiv mit einer Einkunftsart zusammenhängen und ihr subjektiv zu dienen bestimmt sind (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C.II.2., m.w.N.). Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die –wertende– Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen „auslösenden Moments”, zum anderen dessen Zuweisung zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, unter C.III.1.a; BFH-Urteil vom 16. März 2010, VIII R 20/08, BStBl II 2010,787). Eine solche wertende Betrachtung ist auch vorzunehmen, wenn Zahlungen einer GmbH an einen Gesellschafter auf mehreren Ursachen beruhen.

    b) Im Streitfall sind die Zahlungen von Besserungsleistungen keine Betriebsausgaben.

    Verzichtet ein Gesellschafter auf eine Forderung gegen seine GmbH (vgl. § 397 des Bürgerlichen Gesetzbuchs –BGB–) unter der auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB), dass im Besserungsfall die Forderung rückwirkend wiederaufleben soll (§ 159 BGB), so führt die Erfüllung der Forderung nach Bedingungseintritt nach den allgemeinen Grundsätzen zu Betriebsausgaben, wenn die ursprüngliche Forderung betrieblich veranlasst war. Wie der BFH durch Urteil vom 30. Mai 1990 I R 41/87 (BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588, 593), in dem es um den Verzicht des Gesellschafters auf eine Darlehensforderung mit Besserungsabrede ging, entschieden hat, steht der steuerrechtlichen Berücksichtigung der sich aus § 159 BGB ergebenden Rechtsfolgen nicht entgegen, dass in Höhe des auflösend bedingten Forderungsverzichts auch zivilrechtlich für die Dauer der Krise Eigenkapital bestand und der Forderungsverzicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war. Die Rechtsfolge des Bedingungseintritts besteht gerade darin (§ 158 Abs. 2 BGB), dass die Wirkung des Rechtsgeschäftes (hier: des Forderungsverzichts) endige. Diese Wirkung kann zulässigerweise mit der Vereinbarung verbunden werden, dass der Bedingungseintritt schuldrechtlich gesehen zurückbezogen werden soll (§ 159 BGB; vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 2002 I R 27/02, BFH/NV 2003, 824). Die Veranlassung für die Leistung an den Gesellschafter richtet sich deshalb nach den Umständen, durch die die ursprüngliche Verbindlichkeit ausgelöst wurde (BFH-Urteil vom 30. Mai 1990 I R 41/87, BStBl II 1991, 588).

    Im Streitfall hatte der ehemalige Gesellschafter H nach dem unwidersprochenen Vortrag der Klägerin eine betrieblich veranlasste Darlehensforderung (1. Veranlassungskette). Der Verzicht auf diese Forderung führte nach den allgemeinen Grundsätzen zu einem Gewinn der Klägerin und zu Betriebsausgaben im Besserungsfall.

    Nach Auffassung des Senats wird der Veranlassungszusammenhang unterbrochen, wenn die Forderung, auf die unter Besserungsvorbehalt verzichtet wurde, zusammen mit den Gesellschaftsanteilen veräußert, eine andere Gesellschaft auf diese Gesellschaft verschmolzen wird und gleichzeitig die Forderung mit Besserungsanwartschaft an einen neuen Gesellschafter verkauft wird (2. Veranlassungskette). Denn in diesem Fall sichert sich der neue Gesellschafter und Erwerber der Forderung rechtlich den Erhalt der von der Klägerin erwirtschafteten Gewinne. Ohne Erwerb der Forderung mit Besserungsanwartschaft bei Erwerb der Gesellschaftsanteile und Fortführung der Gesellschaft hätte der bisherige Gesellschafter die von der Klägerin erwirtschafteten Gewinne erhalten, die zur Verbesserung der Vermögenssituation der Klägerin führen. Die Veräußerung der Gesellschaftsanteile an der zum Zeitpunkt der Veräußerung wertlosen Klägerin wäre ohne die Veräußerung der im Zeitpunkt der Abtretung ebenfalls wertlosen Forderung mit Besserungsabrede nicht denkbar. Denn für den Käufer bestand kein Grund, ohne Gegenleistung oder sonstige Vorteile die Gewinnauszahlung an einen Dritten in Kauf zu nehmen.

    Letztlich hat der Käufer mit dem Erwerb des Besserungsscheins den negativen Wert der erworbenen Gesellschaftsanteile beseitigt.

    Auch wenn rechtlich zwischen der Veräußerung der Gesellschaftsanteile an die neuen Gesellschafter und der Forderungsabtretung an einen der beiden neuen Gesellschafter zu unterscheiden ist, so ist die Veranlassung für die Forderungsabtretung und die Zahlung aus diesen Gründen der Veräußerung der Gesellschaftsanteile zuzuordnen. Auch wenn diese Zuordnung auf der Ebene der alten und neuen Gesellschafter bzw. des Veräußerers und des Erwerbers der Forderung stattfindet, so unterbricht die Abtretung der Forderung mit Gesellschafterwechsel bei einer wertlosen Gesellschaft die ursprüngliche (betriebliche) Veranlassung der Verbindlichkeit der Gesellschaft zu einem Zeitpunkt, da die Forderung nicht als Fremdkapital bilanziert war und der Besserungsfall bilanzrechtlich zu einer neuen Verbindlichkeit der Gesellschaft führt (BFH-Urteil vom 29. Januar 2003, I R 50/02, BStBl II 2003, 768). Die „Darlehensrückzahlung” der Klägerin war damit keine Betriebsausgabe sondern eine Gewinnausschüttung (vgl. BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 IV R 3/00, BStBl II 2001, 520).

    c) Die Klägerin hat im Streitjahr auf die Forderung geleistet. Der steuerliche Gewinn der Klägerin ist zu erhöhen, soweit die Besserungsleistung tatsächlich gewinnmindernd gebucht wurde. Dies sind im Streitjahr die gewinnwirksam gebuchten Zahlungen von … DM.

    d) Da eine vGA gegeben ist, hat das FA zu Recht nach § 27 KStG das Einlagekonto in Höhe von … Euro festgestellt.

    4. Sollte eine vGA verneint werden, sind die Besserungsleistungen gleichwohl nicht gewinnmindernd abziehbar, da ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, wenn bei zeitnaher Übertragung der Gesellschaftsanteile sowie einer Forderung mit Besserungsanwartschaft auf diese Forderung geleistet wird und auf diese Weise der an bestimmte Voraussetzungen geknüpfte Verlustabzug umgangen wird. Rechtsfolge des Missbrauchs ist, dass die Wirkungen der Umgehung in Höhe von … DM zu neutralisieren sind (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 42 Rz. 50).

    a) Es bedarf keiner näheren Ausführungen, dass nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 4 Körperschaftsteuergesetz in der im Streitjahr geltenden Fassung die Klägerin nicht mehr wirtschaftlich identisch mit der Körperschaft vor der Verschmelzung ist. Gleichwohl ergibt sich aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 4 KStG kein Verlustabzugsverbot.

    Soweit das FA darauf hinweist, dass der Aufwand der Besserungsleistung unter die beschränkte Verlustberücksichtigung des § 8 Abs. 4 KStG falle und Bezug auf das BMFSchreiben vom 2. Dezember 2003 Ziff. 2.d.) nimmt, ist dem Einwand nicht zu folgen. Die Regelung des § 8 Abs. 4 KStG beschränkt sich ihrem Wortlaut nach darauf, der Gesellschaft den Verlustvortrag i.S.d. § 10 d Einkommensteuergesetz (EStG) nur unter bestimmten Voraussetzungen zu gewähren. Ein solcher Verlustvortrag ist im Streitfall jedoch nicht festgestellt, da bei einem Forderungsverzicht gegen Besserungsschein nach der Rechtsprechung des BFH eine bilanzrechtlich neue Forderung entsteht. § 8 Abs. 4 KStG ist nicht anwendbar, da kein Verlustvortrag nach § 10 d EStG entsteht (vgl. Blümich/Rengers § 8 KStG Rz. 951, Gosch, KStG, 2. Auflage, § 8 KStG Rz. 131, Schloßmacher in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8 KStG Anm. 428).

    b) Ein Gestaltungsmissbrauch im Sinne von § 42 Abgabenordnung (AO) ist gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die – gemessen an dem erstrebten Ziel -unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (BFH-Urteil vom 29. August 2007 IX R 17/07, BFH/NV 2008, 426, m.w.N.). Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2003 IX R 56/03, BFHE 205, 70, BStBl II 2004, 648, m.w.N.).

    Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Veräußerung bzw. der Erwerb von im Zeitpunkt der Veräußerung wertlosen Gesellschaftsanteilen an einer GmbH als „Mantelkauf” anzuerkennen (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 29. Oktober 1986 I R 202/82, BFHE 148, 158, BStBl II 1987, 308). Im Erwerb eines „GmbH-Verlustmantels” ist kein genereller Missbrauch zu sehen.

    Der Gesetzgeber hat auf die Rechtsprechung zur Anerkennung des Mantelkaufs durch die Änderung des § 8 Abs. 4 KStG reagiert. Nach § 8 Abs. 4 KStG ist der Verlustabzug einer Kapitalgesellschaft im Anschluss an eine Veräußerung von Gesellschaftsanteilen eingeschränkt. Die Neufassung des Gesetzes gilt, wenn – wie im Streitfall – die zum Verlust der wirtschaftlichen Identität führenden Rechtsgeschäfte nach dem 23. Juni 1988 abgeschlossen wurden (§ 54 Abs. 4 KStG i.d.F. des Steuerreformgesetzes 1990; anders im Gerichtsbescheid des BFH vom 31. März 2004 I R 38,39/03, nicht veröffentlicht).

    § 8 Abs. 4 KStG selbst normiert keinen Missbrauchstatbestand, sondern ist eine auf der Ebene der hinsichtlich des Gesellschafterwechsels passiv beteiligten Gesellschaft den Verlustausgleich einschränkende Norm (BFH-Gerichtsbescheid vom 31. März 2004, a.a.O.; a.A. Drüen in Tipke/Kruse, AO, § 42 Rz. 78). Ein Verlustausgleich bei der Gesellschaft soll nach der gesetzlichen Wertung nur bei wirtschaftlicher Identität möglich sein. Ein Regelbeispiel fehlender wirtschaftlicher Identität normiert § 8 Abs. 4 Satz 2 KStG (Veräußerung der Mehrheit der Geschäftsanteile, Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs, Zuführung überwiegend neuen Betriebsvermögens).

    Wurde vor Inkrafttreten des § 8 Abs. 4 KStG zugleich mit dem Verlustmantel einer GmbH eine gegen diese gerichtete Forderung erworben, kann dieser Vorgang nach § 42 AO wie der Erwerb von GmbH-Anteilen nach vorherigem Forderungsverzicht des Gläubigers der GmbH zu behandeln sein (BFH-Urteil vom 1. Februar 2001, IV R 3/00, BStBl II 2001, 520 m.w.N.).

    c) Im Streitfall ist die Veräußerung eines GmbH-Mantels allein nicht missbräuchlich. Der Forderungsverzicht gegen Besserungsschein ist für sich allein ebenfalls kein Gestaltungsmissbrauch, da ein solcher Forderungsverzicht einerseits der Entschuldung und Sanierung der Gesellschaft und andererseits dem Erhalt einer im Zeitpunkt des Verzichts wertlosen Forderung dienen kann. Einen Missbrauch im Sinne des § 42 AO sieht der Senat ausschließlich darin, dass im Zusammenhang mit der Veräußerung des GmbHVerlustmantels die Forderung mit Besserungsanwartschaft übertragen wurde. Zwar mag es für den Veräußerer der Forderung wirtschaftlich sinnvoll sein, seine im Zeitpunkt der Abtretung wertlose Forderung zu verkaufen und der Erwerber der Forderung sichert auf diese Weise, dass der künftig von der Klägerin erwirtschaftete Erfolg des Unternehmens bei ihm selbst verbleibt, doch ist diese wirtschaftlich begründete Handlungsweise auf der Ebene von altem und neuen Gesellschafter diesen – nicht jedoch der Gesellschaft – zuzurechnen, so dass die Rechtsfolge des § 42 AO gegenüber demjenigen eintritt, der aus der missbräuchlichen Gestaltung einen Vorteil zieht (BFH-Gerichtsbescheid vom 31. März 2004, a.a.O.). § 8 Abs. 4 KStG lässt auf der Ebene der Gesellschaft den Verlustausgleich nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Auch wenn die Klägerin bei der Forderungsabtretung lediglich passiv beteiligt ist, ist nach Inkrafttreten des § 8 Abs. 4 KStG im Falle von Besserungsleistungen ein Missbrauch auf Ebene der Gesellschaft gegeben, da die gesetzliche Wertung des § 8 Abs. 4 KStG regelt, unter welchen Umständen bei einer Veräußerung der Mehrheit der Gesellschaftsanteile auf der Ebene der Gesellschaft ein Verlust ausgeglichen werden kann.

    Im Streitfall wurde durch den Forderungsverzicht mit Besserungsschein, die nachfolgende Veräußerung des GmbH-Mantels und der Forderungsabtretung eine rechtliche Gestaltung der Gesellschaftsübertragung und -fortführung gewählt, die – entgegen der gesetzlichen Wertung des § 8 Abs. 4 KStG – ausschließlich dem Erhalt des Verlustausgleichs dienen soll.

    Die Übertragung der Gesellschaftsanteile an der Klägerin sowie die zeitnahe Übertragung der Forderung mit Besserungsanwartschaft hatte im Streitfall wirtschaftlich lediglich den Sinn, entgegen der gesetzlichen Wertung des § 8 Abs. 4 KStG, den Verlustabzug auf der Ebene der Gesellschaft zu erhalten und gewinn- und steuermindernd auf die Forderung leisten zu können. Wirtschaftlicher Gehalt des Mantelkaufs mit zeitnaher Abtretung der Forderung mit Besserungsanwartschaft im Streitfall ist es allein – da die Klägerin ansonsten wertlos war – entgegen der Wertung des § 8 Abs. 4 KStG, den durch den Forderungsverzicht gegen Besserungsschein nicht festzustellenden Verlustvortrag nutzen zu können. Ein weiterer wirtschaftlicher Grund für die Veräußerung der Gesellschaftsanteile und der Forderung mit Besserungsanwartschaft bestand auf der Ebene der Gesellschaft im Streitfall nicht. Auch in der Verschmelzung eines anderen Unternehmens auf die Klägerin, ist ein wirtschaftlicher Grund für die Übertragung der Gesellschaftsanteile und der Forderung nicht gegeben.

    d) Auch das objektive Nettoprinzip gebietet es, die gewählte Gestaltung als Missbrauch zu bewerten.

    Die gesetzlichen Abzugstatbestände für Betriebsausgaben und Werbungskosten sind Ausdruck des objektiven Nettoprinzips, nach dem der Steuergesetzgeber die für die Lastengleichheit im Einkommensteuerrecht u.a. maßgebliche objektive finanzielle Leistungsfähigkeit bemisst. Danach unterliegt der Einkommensteuer grundsätzlich nur das Nettoeinkommen, nämlich der Saldo aus den Erwerbseinnahmen einerseits und den (betrieblichen/beruflichen) Erwerbsaufwendungen andererseits. Das objektive Nettoprinzip hat verfassungsrechtliche Bedeutung vor allem im Zusammenhang mit den Anforderungen an die hinreichende Folgerichtigkeit bei der näheren Ausgestaltung der gesetzgeberischen Grundentscheidungen. Daneben ist das objektive Nettoprinzip bei der Rechtsanwendung als Auslegungsrichtschnur heranzuziehen (so der Große Senat des BFH im Beschluss vom 21. September 2009 GrS 1/06 BStBl II 2010, 673, 681 m.w.N.). Nach Maßgabe des Nettoprinzips und des Prinzips der Individualbesteuerung können einem Steuerpflichtigen nur die selbst erzielten Einnahmen und der selbst geleistete Aufwand zugerechnet werden. Drittaufwand ist nicht abziehbar (vgl. Weber-Grellet in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 29. Auflage, § 2 Rz. 10, 19).

    Im Streitfall kommt nur eine Gesetzesauslegung als Missbrauch in Betracht. Entscheidend ist, dass nach der Wertung des § 8 Abs. 4 KStG der Verlustabzug nicht nur die rechtliche sondern auch die wirtschaftlich Identität einer Körperschaft erfordert. Mithin hat der Gesetzgeber angeordnet, dass – wenn wie hier die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG erfüllt sind – die Körperschaft wie eine andere Person zu behandeln ist. Eine andere Person aber kann den Aufwand eines Dritten nicht abziehen. Das verfassungsrechtliche Gebot der folgerichtigen Gesetzesauslegung erfordert es daher, das Abzugsverbot für Drittaufwendungen durch die Annahme eines Missbrauchs durchzusetzen. Der Gesetzgeber hat zwar nur den praktischen Hauptanwendungsfall eines solchen Verlustabzugsverbot über die Verhinderung eines Verlustabzugs über § 10d EStG selbst geregelt. Da es aufgrund der zivilrechtlichen Gestaltungsfreiheit aber unmöglich ist, jede gezielte ungewöhnliche Sondergestaltung, mit der im Ergebnis Drittaufwand abgezogen wird, gesetzlich ausdrücklich zu regeln, ist das einzige folgerichtige Ergebnis im Besteuerungssystem aus der Anwendung der Generalklausel des § 42 AO abzuleiten.

    5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.

    Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

    VorschriftenKStG § 8 Abs. 4, KStG § 8 Abs. 3 S. 2, KStG § 8 Abs. 1, EStG § 4 Abs. 4, AO § 42 Abs. 1 S. 3, BGB § 158 Abs. 2, BGB § 159

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents