07.12.2011
Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 12.04.2011 – 6 K 3291/08
1. Eine Berücksichtigung als arbeitsuchendes Kind i. S. d. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG kann nur auf Grund einer Meldung bei der Agentur für Arbeit erfolgen. Eien Arbeitssuche auf Eigeninitiative ist nicht ausreichend, weil es nach der gesetzlichen Regelung auf das eigene Bemühen des Kinders zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nicht mehr ankommt.
2. Die Berücksichtigung eines Kindes als ausbildungsuchend nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 c) EStG erfordert, dass dieses sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, habe sich ständig um einen Arbeitsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsplatzsuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus, um das Bemühen glaubhaft zu machen.
3. Der Kindergeldberechtigte hat beim Nachweis der Ausbilungswilligkeit unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes gemäß § 68 Abs. 1 EStG mitzuwirken.
4. Das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz kann durch die Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist, durch direkte Bewerbungen an Ausbildungsstätten und den daraufhin erfolgten Zwischennachrichten und Absagen nachgewiesen werden.
5. Bei der Meldung als Ausbildungsplatzsuchender ist zu beachten, dass eine Berücksichtigung mit dem Status „Bewerber” und nicht nur „ratsuchend” nachgewiesen werden muss.
6. Ist aufgrund einer Beweisaufnahme erwiesen, dass eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit zur Vorlage bei der Familienkasse inhaltlich falsch ist, kann mit dieser Bescheinigung nicht der Nachweis für eine Ausbildungswilligkeit des Kindes erbracht werden, da dieser keine Tatbestandswirkung zukommt.
7. Der Meldung bei der Agentur für Arbeit als Bewerber für eine Berufsausbildungsstelle hat hinsichtlich des Anspruchs auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 c) EStG keine Rückwirkung.
8. Wird zum Nachweis der Ausbildungswilligkeit für einen Zeitraum von 13 Monaten nur eine Bewerbung vorgelegt, kann nicht von einem ernsthaften Bemühen um einen Ausbildungsplatz ausgegangen werden.
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Finanzrechtsstreit
hat der 6. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg aufgrund der mündlichen Verhandlung in den Sitzungen vom 15. März 2011 und 12. April 2011 durch Richterin am Finanzgericht … als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Festsetzung von Kindergeld für ihren Sohn X, geboren am 17. September 1988, im Zeitraum von März 2007 bis März 2008 hat.
X besuchte nach seinem Hauptschulabschluss bis einschließlich August 2006 die A Schule, in L (Berufsvorbereitungsjahr – BVJ –). Danach war er zunächst arbeitslos.
Am 10. Juli 2006 war er zur Berufsberatung bei der Agentur für Arbeit H. Dort wurde er vom damals zuständigen Sachbearbeiter F zum 10. Juli 2006 als Bewerber für die Berufsberatung bei der Agentur für Arbeit H abgemeldet.
Der Antrag der Klägerin auf Kindergeld für X vom 14. Dezember 2006 wurde mit Bescheid vom 20. Dezember 2006 mit der Begründung abgelehnt, X sei bei der Arbeitsvermittlung nicht gemeldet und eine Ausbildung werde von ihm nach Aktenlage nicht bzw. nicht mehr angestrebt.
Dieser Ablehnungsbescheid wurde nicht angefochten.
Am 1. Juli 2007 stellte die Klägerin einen erneuten Antrag auf Kindergeld für drei ihrer Kinder, u.a. auch für X. In diesem Antrag, der am 3. Juli 2007 bei der Familienkasse einging, gab die Klägerin an, X suche einen Ausbildungsplatz und sei beim „Arbeitsamt H” gemeldet (Bl. 91 der Kindergeldakte).
Laut einem Ausdruck aus der Kundendatei der Arbeitsagentur vom 13. November 2007 war X seit 20. Juni 2007 bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit in H als ratssuchend gemeldet. (Bl. 94 der Kindergeldakte). Am 24. Juli 2007 war X zu einem Termin bei der seit Januar 2007 für ihn zuständigen Berufsberaterin dieser Behörde, der Zeugin P, unentschuldigt nicht erschienen.
Nachdem eine Aufforderung der Familienkasse vom 13. November 2007, Nachweise über eigene Bemühungen um einen Ausbildungsplatz ab Antragstellung vorzulegen, von der Klägerin nicht beantwortet worden war, lehnte die Familienkasse den Kindergeldantrag vom 1. Juli 2007 durch Bescheid vom 14. Februar 2008 mit der Begründung ab, eine Ausbildung werde von X nach Aktenlage nicht bzw. nicht mehr angestrebt.
Am 25. Februar 2008 übersandte die Klägerin das Original einer am 18. Februar 2008 von der Arbeitsagentur H ausgestellten „Bescheinigung zur Vorlage bei der Familienkasse” (Bl. 114 der KG-Akte), nach der X seit dem 12. März 2007 als Bewerber für eine Berufsausbildungsstelle gemeldet sei. Die Familienkasse wertete diese Übersendung als Einspruch.
Laut den elektronisch gespeicherten Daten der Berufsberatung, die am 25. März 2008 von der Familienkasse abgefragt und ausgedruckt wurden und auf die wegen weiterer Einzelheiten ergänzend verwiesen wird (Bl. 115 bis 117 der KG-Akte), war X „nie Bewerber bei der Berufsberatung” gewesen. Eine Nachfrage der Sachbearbeiterin der Familienkasse, T, bei der zuständigen Sachbearbeiterin der Berufsberatung, der Zeugin P, bezüglich des Widerspruchs zwischen der vorgelegten Bescheinigung vom 18. Februar 2008 und den elektronisch gespeicherten Daten wurde mit E-Mail vom 26. März 2008 von der Zeugin P dahingehend beantwortet, X sei „tatsächlich noch nie Bewerber bei der Berufsberatung” gewesen. Die Bescheinigung vom 18. Februar 2008 sei von der Eingangszone erstellt worden, nachdem der Jugendliche sich zum Termin bei der Berufsberatung angemeldet habe. Wie auch häufiger in der Vergangenheit, habe er sich, nachdem er eine Einladung erhalten habe, wieder abgemeldet, mit dem Wunsch, einen neuen Termin zu bekommen.
Laut einem Ausdruck aus den elektronisch gespeicherten Daten der Berufsberatung vom 16. April 2008 war X bei der Agentur für Arbeit H als ratssuchend gemeldet.
Mit Schreiben vom 16. April 2008 wurde die Klägerin von der Familienkasse über diese Erkenntnisse informiert und gebeten, Eigenbemühungen nachzuweisen.
Am 23. April 2008 erschien X zusammen mit seiner Schwester, der Zeugin A, bei der Zeugin P zur Berufsberatung, die über diesen Kontakt folgenden Aktenvermerk fertigte (Bl. 144 der KG-Akte):
„X mit Schwester, schildert Probl. mit der Familienkasse – sehr deutlich gemacht, dass dies auch mit seinen Terminversäumnissen in der Vergangenheit zu tun hatte und ihm somit keine Bewerbereigenschaft bescheinigt werden konnte (irrtümlich von der EZ geschehen). Altern. erarbeitet, VV's erstellt, EV + HP erledigt. bblz”
Am 27. Mai 2008 übersandte die Klägerin der Familienkasse die handschriftlich ausgefüllte „Mitteilung über ein Kind ohne Ausbildungs- und Arbeitsplatz” für X, wonach dieser ausbildungsplatzsuchend sei, bei keiner Stelle registriert sei, sich jedoch selbst um einen Ausbildungsplatz bemühe und dies im Falle einer Ausbildungsplatzsuche nachweisen könne. Zudem sei er bei der Arbeitsagentur in H als ausbildungsplatzsuchend registriert.
Mit Bescheid vom 4. Juni 2008 setzte die Familienkasse für X Kindergeld ab April 2008 fest. Mit Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2008 wies die Familienkasse den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Mit ihrer am 28. Juli 2008 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin Kindergeld für ihren Sohn X, zunächst für den Zeitraum von Januar 2007 bis März 2008. Laut vorgelegter Bescheinigung der Agentur für Arbeit H vom 18. Februar 2008 sei X seit dem 12. März 2007 als Bewerber für eine Ausbildungsstelle gemeldet gewesen. Aus der Zielvereinbarung vom 23. April 2008 zwischen der Agentur für Arbeit H und X gehe ebenfalls hervor, dass X als Bewerber für einen Ausbildungsplatz vorgemerkt sei. Die Klägerin bestreitet ausdrücklich, dass die Bescheinigung vom 18. Februar 2008 fälschlicherweise ausgestellt worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, wie eine solche klare und vom Wortlaut eindeutige Bescheinigung „fälschlicherweise” ausgestellt werden könne. Es handele sich schließlich nicht einfach um eine Bescheinigung auf einem bereits vorgedruckten Formular, also einem Masseprodukt, sondern um eine individuell ausgestellte Bescheinigung. Auch aus den Verwaltungsakten der Beklagten sei nicht ersichtlich, weshalb diese Bescheinigung „fälschlicherweise” erteilt worden sein solle. Desweiteren bestreitet die Klägerin ausdrücklich, dass die Bescheinigung vom 18. Februar 2008 in der Eingangszone ausgestellt worden sei. Die Bescheinigung sei vielmehr von der für den Sohn der Klägerin zuständigen Beraterin, Frau P, ausgestellt und unterzeichnet worden. Die Bescheinigung trage die Unterschrift von Frau P wie ein Vergleich der Unterschrift mit der Unterschrift auf dem Ablehnungsbescheid vom 11. März 2008 zeige. X habe stets alle Forderungen und Aufforderungen der Agentur für Arbeit erfüllt. X sei mehrfach bei der Agentur für Arbeit, keineswegs nur einmal am 12. Februar 2007, gewesen. Ihm sei auch nie mitgeteilt worden, dass er sich in regelmäßigen Abständen erneut als arbeitssuchend zu melden habe.
In der mündlichen Verhandlung konkretisiert die Klägerin ihr Begehren auf den Zeitraum von März 2007 bis März 2008, weil auch die Bescheinigung vom 18. Februar 2008 eine Meldung als Bewerber für eine Berufsausbildungsstelle erst ab dem 12. März 2007 bescheinige. Zudem legt sie vier Schreiben verschiedener Unternehmen als Reaktionen auf entsprechende Bewerbungen des X vor, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 76 bis 79 der FG-Akte).
Die Klägerin beantragt,
den Kindergeldablehnungsbescheid vom 14. Februar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für X für den Zeitraum März 2007 bis März 2008 festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Im streitigen Zeitraum von Januar 2007 bis März 2008 lägen die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht vor. Das Kind sei entgegen der Bescheinigung vom 18. Februar 2008 nicht als Bewerber für eine Berufsausbildungsstelle gemeldet gewesen. Diese Bescheinigung sei fälschlicherweise ausgestellt worden. Dies sei dem Sohn der Klägerin im Beratungsgespräch am 23. April 2008 mitgeteilt worden. Bezüglich der Ausbildungswilligkeit des Sohnes seien bislang keine Nachweise vorgelegt worden. Dass die Bescheinigung fälschlicherweise ausgestellt worden sei, ergäbe sich aus der E-Mail von Frau P vom 26. März 2008 und dem Beratungsvermerk der Berufsberatung vom 23. April 2008. Frau E, eine Mitarbeiterin der Eingangszone, habe die Bescheinigung fälschlicherweise ausgestellt. Nach Auskunft der zuständigen Sachbearbeiterin, Frau P, sei X im streitigen Zeitraum nie als Bewerber bei der Berufsberatung gemeldet gewesen. Die Bescheinigung hätte daher nicht erstellt werden dürfen.
Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Absageschreiben vom 27. September 2007 und vom 16. Dezember 2007 beträfen Bewerbungen um einen Arbeitsplatz. Eine Berücksichtigung als arbeitssuchendes Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG könne nur auf Grund einer Meldung bei der Agentur für Arbeit erfolgen. Eine Arbeitssuche auf Eigeninitiative sei nicht ausreichend. Der Absage vom 6. Februar 2008 sei nicht zu entnehmen, ob es sich um eine vorherige Bewerbung für ein Ausbildungs- oder ein Arbeitsverhältnis handle. Daher könne auch diese Absage nicht als Nachweis für ein ernsthaftes Bemühen um einen Ausbildungsplatz dienen. Die vorgelegte Zwischennachricht vom 19. Oktober 2007 sei zwar ein tauglicher Nachweis, jedoch sei nach Auffassung der Beklagten eine einzige Bewerbung im gesamten streitigen Zeitraum nicht ausreichend, um ein ernsthaftes Bemühen des Sohnes der Klägerin annehmen zu können.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat am 4. November 2008 die den Streitfall betreffenden Akten eingesehen.
Mit Senatsbeschluss vom 2. Februar 2011 ist der Rechtsstreit auf die Einzelrichterin übertragen worden.
Mit Schreiben der Einzelrichterin vom 3. Februar 2011 ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter Setzen einer Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgefordert worden, die Klage näher zu begründen.
Mit Beweisbeschlüssen vom 3. Februar 2011 und vom 15. März 2011 ist die Vernehmung der Zeugen X Z (Sohn der Klägerin), A, geb. Z (Tochter der Klägerin), P (Berufsberaterin der Agentur für Arbeit, H) und E (Mitarbeiterin der Eingangszone bei der Agentur für Arbeit, H) angeordnet worden.
In der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2011 hat die Klägerin die Klage wegen Kindergeldes für X für Januar 2007 und Februar 2007 zurückgenommen. Mit Beschluss vom 15. März 2011 ist das Verfahren insoweit abgetrennt und eingestellt worden (Az.: 6 K 992/11).
In der mündlichen Verhandlung ist in den Sitzungen vom 15. März 2001 und 12. April 2011 gem. § 52 Abs. 1 FGO i.V.m. § 185 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) eine Dolmetscherin zugezogen worden, weil die Klägerin der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig ist.
Auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Akten der Familienkasse und die Niederschriften der mündlichen Verhandlung während der beiden Sitzungstage wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Ablehnungsbescheid vom 14. Februar 2008 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig. Die Klägerin hat für ihren Sohn X im Zeitraum von März 2007 bis März 2008 keinen Anspruch auf Kindergeld.
1. Ein Kindergeldanspruch aufgrund von §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) scheidet aus, weil X nach eigenen Angaben als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2011 im streitgegenständlichen Zeitraum nicht arbeitslos gemeldet war. Aufgrund des Absageschreiben vom 27. September 2007 und der Zwischennachricht vom 16. Dezember 2007 („Ü.”) ist zwar nachgewiesen, dass X im streitgegenständlichen Zeitraum Eigenbemühungen entfaltet und sich selbst auf Arbeitsstellen beworben hat. Eine Berücksichtigung als arbeitssuchendes Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG kann aber nur auf Grund einer Meldung bei der Agentur für Arbeit erfolgen. Eine Arbeitssuche auf Eigeninitiative ist nicht ausreichend, weil es nach der gesetzlichen Regelung auf das eigene Bemühen des Kindes zur Erlangung eines Arbeitsplatzes nicht mehr ankommt (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 20. November 2008 III R 10/06, BFH/NV 2009, 567).
2. Ein Kindergeldanspruch der Klägerin nach den §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ist ebenfalls nicht gegeben. Das Gericht ist zu der Überzeugung gelangt, dass sich X nicht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat.
a) Nach diesen Vorschriften besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen kann. Zweck der Vorschrift ist die Gleichstellung von Kindern, die noch erfolglos einen Ausbildungsplatz suchen, mit solchen Kindern, die bereits einen Ausbildungsplatz gefunden haben, da in typisierender Betrachtung davon ausgegangen werden kann, dass dem Kindergeldberechtigten auch in diesen Fällen regelmäßig Unterhaltsaufwendungen für das Kind erwachsen (BFH-Urteile vom 15. Juli 2003 VIII R 79/99, BFHE 203, 94, BStBl II 2003, 843, sowie vom 7. August 1992 III R 20/92, BFHE 169, 159, BStBl II 1993, 103, unter Hinweis auf BTDrucks 10/2884, 102 f.).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat (BFH-Urteile vom 15. Juli 2003 VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473; und vom 26. November 2009 III R 84/07, BFH/NV 2010, 853; BFH-Beschlüsse vom 21. Juli 2005 III S 19/04 (PKH), BFH/NV 2005, 2207, und vom 24. Januar 2008 III B 33/07, BFH/NV 2008, 786). Das Bemühen ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsplatzsuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 2207; Felix, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 63 Rz D 55), muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05 BFHE 222, 343, BStBl II 2009, 1005 m.w.N.).
Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor.
Nachgewiesen werden kann das ernsthafte Bemühen um einen Ausbildungsplatz z.B. durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist, durch direkte Bewerbungen an Ausbildungsstätten und ggf. den daraufhin erfolgten Zwischennachrichten oder auch Absagen (siehe BFH-Urteil vom 26. November 2009 III R 84/07, BFH/NV 2010, 853 m.w.N.). Bei der Meldung als Ausbildungsplatzsuchender ist zu beachten, dass eine Berücksichtigung mit dem Status „Bewerber” und nicht nur „ratsuchend” nachgewiesen werden muss. Nach § 38 Abs. 2 Drittes Sozialgesetzbuch (SGB III) kann die Ausbildungsvermittlung die Vermittlung einstellen, solange der Ausbildungssuchende nicht ausreichend mitwirkt. § 38 Abs. 2 SGB III setzt wegen der bestehenden Eigenverantwortung des Ausbildungssuchenden bei der Vermittlung von Ausbildungsstellen auch nicht voraus, dass der Betroffene über die Rechtsfolgen fehlender Mitwirkung belehrt wird (siehe BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BFHE 222, 343, BFH/NV 2008, 1740 m. w. N.).
b) In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass sich X im Zeitraum von März 2007 bis März 2008 nicht ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat.
aa) Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass X während dieses Zeitraums nicht als Bewerber um einen Ausbildungsplatz bei einer Agentur für Arbeit gemeldet war. Vom früheren Berufsberater F wurde X am 10. Juli 2006 als Bewerber bei der Agentur für Arbeit in H abgemeldet. Erst ab 20. Juli 2007 war X mit dem Status „ratssuchend” und erst ab dem 23. April 2008 mit dem Status „Bewerber” bei der Berufsberatung registriert. Die Zeugin P als zuständige Berufsberaterin erläuterte in ihrer Zeugenaussage, dass ein Ausbildungsplatzsuchender den Status „Bewerber” erst dann erhält, wenn der Berufsberater ein Beratungsgespräch mit ihm oder ihr geführt hat. Laut ihrer glaubwürdigen Schilderung, die sie anhand der in der Kindergeldakte befindlichen Computerausdrucke in der mündlichen Verhandlung vorgenommen hat, war X erstmals am 23. April 2008 bei ihr zum Beratungsgespräch, obwohl sie spätestens seit Januar 2007 für X zuständig gewesen sei. Der frühere Sachbearbeiter F sei solange für X zuständig gewesen, als dieser noch in Schulausbildung bzw. beim Bildungszentrum gewesen sei. Danach sei sie zuständig geworden. Erst am 23. April 2008 hatte die Zeugin P ihren ersten persönlichen Kontakt zu X. Anhand der lückenlosen EDV-Erfassung aller persönlichen Kontakte könne sie ausschließen, dass X zuvor bei Ihr oder auch bei einem anderen Berufsberater an einem Beratungsgespräch teilgenommen hat.
Der Zeuge X hat dies zwar anders geschildert und ausgesagt, er sei früher schon mal bei Frau P gewesen, wisse aber nicht mehr genau wann. Diese pauschale Behauptung vermag aber die detaillierten und glaubwürdigen Ausführungen der Zeugin P nicht zu erschüttern, zumal alle Kontakte in der Arbeitsagentur lückenlos dokumentiert werden.
Die Tochter der Klägerin, die Zeugin A, hat bestätigt, dass X jedenfalls einmal bei Frau P gewesen sei. Sie könne sich aber nicht mehr erinnern, wann das gewesen sein soll. Aufgrund des Aktenvermerks der Zeugin P vom 23. April 2008, wonach an diesem Tag X mit seiner Schwester erschienen ist, ist zu schließen, dass der der Zeugin A erinnerliche einmaligen Kontakt ihres Bruders mit der Zeugin P am 23. April 2008 stattgefunden hat.
Nach Würdigung dieser Aussagen gelangt das Gericht zu der Überzeugung, dass X erstmals am 23. April 2008 bei der Berufsberaterin erschienen ist und daher im fraglichen Zeitraum von März 2007 bis März 2008 nicht bei der Berufsberatung gewesen ist und daher dort auch nicht als Bewerber gemeldet sein konnte.
bb) Die Bescheinigung vom 18. Februar 2008 ist kein tauglicher Nachweis dafür, dass X im maßgeblichen Zeitraum mit dem Status „Bewerber” bei der Agentur für Arbeit gemeldet war, weil diese Bescheinigung fälschlicherweise ausgestellt worden ist. Zu dieser Überzeugung ist das Gericht unter Würdigung aller Umstände einschließlich der Beweisaufnahme gekommen, denn die Bescheinigung widerspricht inhaltlich dem zur Überzeugung des Gerichts nach der Beweisaufnahme festgestellten Sachverhalt, wonach X im streitgegenständlichen Zeitraum von März 2007 bis März 2008 eben gerade nicht bei der Berufsberatung der Agentur für Arbeit gemeldet war.
Zudem haben die Zeuginnen P und E übereinstimmend bestätigt, dass der Inhalt der Bescheinigung falsch ist, weil X im Zeitraum von März 2007 bis März 2008 kein Beratungsgespräch bei einem Berufsberater wahrgenommen und daher auch nicht als Bewerber um einen Ausbildungsplatz gemeldet gewesen ist. Die Zeugin E konnte es sich nicht mehr erklären, wieso sie eine inhaltlich falsche Bescheinigung ausgestellt hat, aber sie hat in der mündlichen Verhandlung die inhaltliche Unrichtigkeit der von ihr bescheinigten Angaben versichert.
Die Beweisaufnahme hat entgegen der Behauptung der Klägerin eindeutig ergeben, dass die Zeugin E am 18. Februar 2008 in der Eingangszone diese Bescheinigung ausgestellt und unterschrieben hat. Die Zeugin P war am 18. Februar 2008 gar nicht in der Behörde, weil sie Urlaub hatte. Der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Ablehnungsbescheid vom 11. März 2008 (wegen Erstattung von Bewerbungskosten), der die gleiche Unterschrift trägt, ist ebenfalls von Frau E ausgestellt worden. Auch dies haben beide Zeuginnen bestätigt.
Ist aufgrund einer Beweisaufnahme erwiesen, dass eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit zur Vorlage bei der Familienkasse inhaltlich falsch ist, so kann mit dieser Bescheinigung nicht der Nachweis für eine Ausbildungswilligkeit des Kindes erbracht werden. Bei einer solchen Bescheinigung handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 118 AO, denn sie hat keinen Regelungscharakter, sondern enthält nur eine Äußerung der Behörde über einen tatsächlichen Vorgang. Schon deshalb kann sie nicht den Charakter eines Grundlagenbescheids haben, an den die Familienkassen gebunden wären (so auch Urteil des saarländischen FG vom 8. Juni 2010 2 K 1516/08, abrufbar bei juris, zu einer Bescheinigung der Berufsberatung zur Vorlage bei der Familienkasse,; ebenso Urteil des FG Köln vom 13. März 2008 10 K 2174/07, EFG 2008, 1043 und Urteile des FG Düsseldorf vom 21. Juli 2009 10 K 809/07, EFG 2010, 144 und vom 11. August 2006 18 K 5042/05 Kg, EFG 2006, 1764 zu einer von der Agentur für Arbeit zur Vorlage beim Rentenversicherungsträger erstellten Bescheinigung). Maßgebend ist allein der tatsächliche Lebenssachverhalt, wie er nach den Vorschriften der FGO ermittelt worden ist. Stellt sich nach einer Beweisaufnahme nach Überzeugung des Gerichts (§ 96 Abs. 1 FGO) ein anderer Lebenssachverhalt heraus, als er von der Berufsberatung bescheinigt wird, so ist der ermittelte Lebenssachverhalt der Entscheidung zugrunde zu legen.
Nach der Rechtsprechung des BFH kommt einer Bescheinigung der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit keine (echte) Tatbestandswirkung zu. Der Kindergeldanspruch könne nicht allein von einer Bescheinigung der Arbeitsagentur über die Meldung des Kindes abhängig gemacht werden. Vielmehr sei entscheidend darauf abzustellen, ob sich das Kind im konkreten Fall tatsächlich bei der Arbeitsvermittlung gemeldet hat (BFH-Urteil vom 25. September 2008 III R 91/07, BStBl II 2010, 47,BFHE 223, 354). Der BFH stellt daher bei von der Arbeitsvermittlung ausgestellten Bescheinigungen auf den ermittelten tatsächlichen Sachverhalt und damit auf die Lebenswirklichkeit ab und nicht auf den Inhalt der Bescheinigung. Nichts anderes kann daher für solche Bescheinigungen gelten, die von der Berufsberatung der Agentur für Arbeit ausgestellt worden sind. Solche Bescheinigungen können allenfalls eine öffentliche Urkunde i. S. d. § 418 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) sein (so Urteil des FG Düsseldorf vom 21. Juli 2009 10 K 809/07, EFG 2010, 144). Dies kann im Streitfall aber dahinstehen, weil die in einer öffentlichen Urkunde bezeugten Tatsachen dann als nicht bewiesen beurteilt werden, wenn sich – wie im Streitfall – die Urkunde nach Überzeugung des Gerichts – als fehlerhaft herausstellt.
Da es sich bei der Bescheinigung gerade nicht um einen Verwaltungsakt handelt (s.o.), ist es auch nicht möglich, ihr solange eine Nachweisfunktion zuzusprechen, wie sie nicht entsprechend § 45 des Zehnten Sozialgesetzbuchs (SGB X) zurückgenommen worden ist (so aber Urteil des saarländischen FG vom 8. Juni 2010 2 K 1516/08, EFG aaO). Eine solche Analogie ist schon deshalb nicht möglich, weil keine Gesetzeslücke erkennbar ist. Auf diese Rechtsfrage kommt es im Streitfall aber nicht an, weil die Bescheinigung zumindest konkludent durch die Zeugin P zurückgenommen wurde, als sie anlässlich ihres Gesprächs mit X am 23. April 2008 ihm gegenüber deutlich gemacht hat, dass die Bewerbereigenschaft irrtümlich von der Eingangszone (EZ) bescheinigt worden ist und ihm auch die Gründe hierfür dargelegt hat. Wenn schon eine analoge Anwendung des § 45 SGB X möglich sein soll, so ist nicht erkennbar, warum die Rücknahme zwingend schriftlich erfolgen muss.
cc) Die Meldung Xs vom April 2008 bei der Agentur für Arbeit als Bewerber für eine Berufsausbildungsstelle kann ein ernsthaftes Bemühen um einen Ausbildungsplatz nicht rückwirkend belegen (siehe BFH-Urteil vom 26. November 2009 III R 84/07, BFH/NV 2010, 853).
dd) Die Klägerin hat – trotz Aufforderung unter Ausschlussfristsetzung gem. § 79b Abs. 2 FGO – keine Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ein ernsthaftes Bemühen Xs um einen Ausbildungsplatz im maßgeblichen Zeitraum ergeben könnte.
Die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen sind keine tauglichen Nachweise für eine Ausbildungswilligkeit Xs. Dem Absageschreiben der Fa. V vom 6. Februar 2008 ist nicht zu entnehmen, ob es sich um eine Bewerbung für ein Ausbildungs- oder ein Arbeitsverhältnis handelt. Damit hat die Klägerin keinen ausreichender Nachweis für ein ernsthaftes Bemühen um einen Ausbildungsplatz erbracht. Mit der Zwischennachricht vom 19. Oktober 2007 (Bl. 77 der FG-Akte) ist zwar ein tauglicher Nachweis für eine Bewerbung um einen Ausbildungsplatz bei der Fa. B GmbH vorgelegt worden. Nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls kommt das Gericht aber zu Auffassung, dass bei einer belegten Bewerbung in einem Zeitraum von 13 Monaten nicht von ernsthaften Bemühungen gesprochen werden kann (so auch Urteil des Niedersächsischen FG vom 17. September 2009 11 K 245/08, EFG 2009, 2042 bei einer Bewerbung innerhalb von zehn Monaten).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.