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  • 05.10.2012

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 29.09.2011 – 16 K 255/10

    - Die Berechtigung des ausgeübten Vorsteuerabzugs gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG setzt voraus, dass überhaupt ein steuerpflichtiger Umsatz i. S. des Gesetzes gegeben ist.


    - Die Bemessungsgrundlage für den Vorsteuerabzug ändert sich nicht umsatzsteuerbefreiten Geldzahlungen Dritter an den Leistungsempfänger.


    Tatbestand

    Die Klägerin ist Organträgerin der B. IT Distribution GmbH (nachfolgend: B. IT). Die B. IT stellt Computer her und vertreibt diese. In die Computer werden von B. IT Prozessoren (CPUs) eingebaut. Soweit es sich um Prozessoren der Herstellerfirma Intel handelt, bezieht B. IT diese Prozessoren von der in Deutschland ansässigen Firma Mic.. Mic. ist der von der Fa. INTEL Corporation (UK) Ltd. autorisierte sog. Distributor. Die B. IT zahlte an Mic. den vereinbarten Kaufpreis in vollem Umfang und machte die in den entsprechenden Einkaufsrechnungen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuern geltend.

    Die INTEL Corporation (UK) Ltd. zahlte an die B. IT Vergütungsbeträge, die abhängig waren von der Anzahl der in einem bestimmten Zeitraum in Computer eingebauter Prozessoren der Herstellerfirma Intel. Derartige Vergütungen wurden seitens der Intel in sog. ecap lettern den Herstellern von Computern angeboten und seitens der INTEL Corp UK als Maßnahme einer außerordentlichen Preisanpassung - ECAP (Exceptional Customer Adjusted Price) bezeichnet.

    Verpflichtungen, die über den Erwerb und die Verwendung der Prozessoren hinausgingen, ging B. IT nicht ein.

    Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung vertrat der Beklagte die Auffassung, dass die Zahlungen der Intel als Entgeltsminderungen zu betrachten seien, die zu einer Berichtigung der Vorsteuerabzugsbeträge über § 17 Abs. 1 UStG bei der Klägerin als Organträgerin führten. Dementsprechend setzte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 21. Mai 2010 die Umsatzsteuer für 2008 neu fest und kürzte dabei die abziehbare Vorsteuer um 122.941,03 €. Den Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Dezember 2009 änderte der Beklagte und kürzte die abziehbaren Vorsteuerbeträge um 71.554,74 €.

    Ihre hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage begründet die Klägerin im Wesentlichen wie folgt:

    Eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs über § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG, wie vom Beklagten angenommen, scheide aus. Diese Vorschrift stehe im Zusammenhang mit den Sätzen 1 - 3 des § 17 Abs. 1 UStG. Der Ausgangsumsatz, aus dem sich der Vorsteuerabzug der Klägerin hergeleitet habe, sei der Erwerb der Prozessoren von der im Inland ansässigen Fa. Mic.. Bezüglich dieses Umsatzes habe sich keine Änderung der Bemessungsgrundlage ergeben. Andere steuerpflichtige Umsätze, für die sich eine Änderung der Bemessungsgrundlage auswirken würde, lägen nicht vor. Die Fa. INTEL UK habe die Prozessoren steuerfrei als innergemeinschaftliche Lieferung an den inländischen Zwischenhändler Mic. geliefert. Dieses Geschäft sei für den deutschen Zwischenhändler ein innergemeinschaftlicher Erwerb, der nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG falle. Für den Umsatz von Mic. an B. IT habe sich die Bemessungsgrundlage nicht geändert. Damit ergebe sich, dass § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG schon deshalb keine Anwendung finde, weil kein Grundfall des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG gegeben sei.

    Die Klägerin beantragt,

    den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 2008 vom 21. Mai 2010 und den geänderten Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für den Monat Dezember 2009 vom 20. Mai 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Er hält daran fest, dass die Zahlungen der INTEL (UK) Ltd. an B. IT wie Gutscheine anzusehen seien, die zur Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG führten. Es komme entscheidend darauf an, ob zwischen der Ausschüttung seitens der Intel und der Leistung, auf die sie sich bezieht, ein unmittelbarer, auf Entgeltzurückzahlung gerichteter, wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Dies liege hier unstreitig vor. B. IT erhalte von Intel eine Rückvergütung für die von dem in Deutschland ansässigen Zwischenhändler erworbenen Prozessoren. § 17 Abs. 1 UStG beinhalte einen eigenständigen materiell-rechtlichen Berichtigungstatbestand. Dabei sei nicht zwingend, dass die Berichtigung des Vorsteuerabzugs mit der Steuerschuld des Leistenden korrespondiere.

    Gründe

    Die Klage ist begründet.

    Die angefochtenen Steuerbescheide, mit denen der Beklagte im Ergebnis annimmt, dass ein zuvor zutreffend ausgeübter Vorsteuerabzugsanspruch über § 17 Abs. 1 UStG zu berichtigen sei, sind rechtswidrig und daher aufzuheben.

    Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG hat der Unternehmer, der einen steuerpflichtigen Umsatz i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen, wenn sich die Bemessungsgrundlage geändert hat. Nach Satz 2 der Vorschrift ist bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, ebenfalls der Vorsteuerabzug zu berichtigen. Demnach ist zwingende Voraussetzung, dass überhaupt ein steuerpflichtiger Umsatz i.S.d. Gesetzes gegeben ist. Im Streitfall ist dies der Umsatz, durch den die Fa. Mic. an die B. IT die Prozessoren im Inland lieferte. Für diesen Umsatz ergibt sich keine Änderung der Bemessungsgrundlage. Die B. IT hat das von ihr geforderte Entgelt im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG vollumfänglich entrichtet. Der hierfür vereinbarte Kaufpreis wird durch die Zahlung, die die INTEL (UK) Ltd. an B. IT leistete, nicht verändert. Deshalb schuldet die Mic. aus dem Liefergeschäft (weiterhin) die gesetzliche Umsatzsteuer auf den gezahlten Kaufpreis. Dementsprechend verbleibt der B. IT im selben Umfang der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG.

    Soweit in § 17 Abs. 1 Satz 4 UStG geregelt ist, dass in den Fällen des Satzes 3 ein anderer Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich begünstigt werde und er deshalb seinen Vorsteuerabzug zu berichtigen habe, liegt im Streitfall ein derartiger Sachverhalt nicht zugrunde. Denn auch hier wäre Voraussetzung, dass sich bezogen auf einen steuerpflichtigen Umsatz eine Bemessungsgrundlage ändern würde. Dies aber ist nicht der Fall. Denn die Umsätze der die Zahlung leistenden Intel (UK) Ltd. sind und bleiben umsatzsteuerbefreit und der innergemeinschaftliche Erwerb durch Mic. behält seine Bemessungsgrundlage.

    Im Ergebnis bedarf es deshalb keiner Korrektur nach § 17 Abs. 1 UStG, weil sich - wie zuvor - die geschuldete Umsatzsteuer bei der Lieferfirma Mic. und der Vorsteuerabzug bei der B. IT der Höhe nach weiterhin ausgleichen.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151,155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

    VorschriftenUStG § 17 Abs. 1