10.10.2012
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 20.08.2012 – I R 3/12
Gründe
1
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in den Niederlanden. Sie führt ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Abbau von Torf auf verschiedenen, von ihr jeweils zu diesem Zweck erworbenen Grundstücken ist; u.a. im Streitjahr 2008 war sie ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) tätig.
2
Im Jahr 2006 erzielte die Klägerin aus der Veräußerung eines in Deutschland gelegenen Grundstücks einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 3.643.373 €, den sie im Rahmen ihrer nach § 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) i.V.m. § 2 Satz 1 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte in der Bilanz zum 31. Dezember 2006 in eine Rücklage gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002) einstellte. Da sie mangels geeigneter Torfgrundstücke in Deutschland beabsichtigte, ihren Geschäftsbetrieb in der Zukunft wieder in die Niederlande zu verlegen, erwarb sie im Streitjahr ein in den Niederlanden gelegenes unbebautes Grundstück zum Kaufpreis von 176.365 €, das in keinem betriebsfunktionalen Zusammenhang mit den Betriebsstätten in Deutschland stand und an einen niederländischen Landwirt verpachtet war.
3
Im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2008 erfasste die Klägerin das Grundstück in den Niederlanden als Zugang im Anlagevermögen bei den Betriebsgrundstücken mit seinen Anschaffungskosten. Zugleich löste sie in selbiger Höhe die nach § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 gebildete Rücklage auf und zog von den Anschaffungskosten des niederländischen Grundstücks einen entsprechenden Betrag nach § 6b Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG 2002 ab.
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Nach Auffassung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt --FA--) kam ein Abzug des Rücklagenbetrags von den Anschaffungskosten des Grundstücks nach § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 2002 hingegen nicht in Betracht, da das Grundstück nicht zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehöre. Das FA löste die Rücklage dementsprechend auf und erhöhte den Gewinn überdies um einen Zuschlag gemäß § 6b Abs. 7 EStG 2002. Die Sprungklage gegen die hiernach geänderten Steuerbescheide war erfolgreich; das --den Beteiligten ausweislich der Empfangsbekenntnisse vom 21./22. Dezember 2011 zugestellte-- Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 1. Dezember 2011 6 K 435/09 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 1031 abgedruckt.
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Mit seiner vom FG zugelassenen --am 11. Januar 2012 eingelegten und mit beim Bundesfinanzhof (BFH) am 3. Februar 2012 eingegangenen Schriftsatz vom 1. Februar 2012 begründeten-- Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt in erster Linie sinngemäß,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
sie als unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision genügt nicht den Begründungserfordernissen des § 120 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); sie ist deswegen zu verwerfen (§ 124 Abs. 1 i.V.m. § 126 Abs. 1 FGO).
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Auch eine vom FG zugelassene Revision ist nach § 120 Abs. 2 und 3 FGO innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Wendet sich der Revisionskläger gegen die materielle Sicht des FG, so hat er die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO). Das umfasst auch Angaben dazu, aus welchen Gründen der Revisionskläger das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erachtet. Demgemäß gehört nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung u.a. die Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen FG-Urteils. Der Revisionskläger muss neben der Rüge eines konkreten Rechtsverstoßes die Gründe tatsächlicher oder rechtlicher Art angeben, die nach seiner Auffassung das erstinstanzliche Urteil als unrichtig erscheinen lassen. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des § 120 Abs. 2 und 3 FGO, das Revisionsgericht zu entlasten und den Revisionskläger zu zwingen, Inhalt, Umfang und Zweck des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 8. Mai 1985 I R 108/81, BFHE 144, 40, BStBl II 1985, 523). Zur ordnungsgemäßen Revisionsbegründung bedarf es einer zumindest kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils, aus der zu erkennen ist, dass der Revisionskläger die Begründung dieses Urteils und sein eigenes Vorbringen überprüft hat (ständige Rechtsprechung; s. die Nachweise Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 120 Rz 59; Rüsken in Beermann/Gosch, FGO, § 120 Rz 172 f.). Der Revisionskläger muss danach im Einzelnen und in Auseinandersetzung mit der Ar-gumentation des FG dartun, welche Ausführungen der Vorinstanz aus welchen Gründen unrichtig sein sollen (z.B. Senatsbe-schluss vom 7. April 2010 I R 34/06, BFH/NV 2010, 1466; BFH-Beschluss vom 4. April 1997 X R 144/94, BFH/NV 1997, 690, mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).
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Die vom FA in dessen ursprünglicher Revisionsbegründungsschrift vom 1. Februar 2012 innerhalb der beschriebenen Begründungsfrist vorgelegten Ausführungen entsprechen diesen Anforderungen nicht. Das FA referiert darin lediglich die Kernargumentation der Vorinstanz und bekundet sodann letztlich nur lapidar, dass es anderer Auffassung ist: Wenn das FG annehme, der in § 6b EStG 2002 enthaltene Inlandsbezug beschränke die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit, dann seien hierfür ausreichende Rechtfertigungsgründe vorhanden, nämlich insbesondere zwingende Gründe des Allgemeinwohls. Andernfalls würde die Aufteilung der Besteuerungsgrundlagen, wie sie in ein-schlägigen Doppelbesteuerungsabkommen erfolgt sei, nicht mehr gewahrt bleiben. Wenn das FG weiter ausführe, das Besteuerungsrecht verbleibe bei Deutschland, so sehe das FA demge-genüber hier die Gefahr der Steuerflucht. Es ergäben sich auch unter Beachtung der Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen nach § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung insoweit erhebliche Probleme, den Verbleib oder Verkauf des Reinvestitionsguts zu überwachen, insbesondere dann, wenn zum Zeitpunkt der Veräußerung des Reinvestitionsguts im übrigen Gemeinschaftsgebiet keine feste Einrichtung mehr im Inland bestehe. Nach allem vertritt das FA lediglich seine schon im Klageverfahren bekundete Rechtsauffassung und stützt diese wie schon zuvor mit der Behauptung angeblicher Gründe, die eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen könnten. Jegliche Aus-einandersetzung mit der vielschichtigen und durch neuere ein-schlägige höchstrichterliche Rechtsprechung belegten Argumen-tation der Vorinstanz fehlt indessen. Eine solche Auseinan-dersetzung bringen erst die im weiteren Verfahrensverlauf --am 3. Mai 2012 bzw. 26. Juli 2012 und damit verspätet-- vorge-legten Schriftsätze vom 30. April 2012 und vom 25. Juli 2012.