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  • 18.01.2013

    Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 16.10.2012 – 3 K 10451/11

    - Zur Anwendung des Sonderrechts der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen.


    - Für die Unterscheidung zwischen privater Versorgungsrente und entgeltlichem Veräußerungsgeschäft ist grds. auf eine Ertragsprognose im Zeitpunkt der Übergabe des Vermögens abzustellen.


    - Ein Altenteilsvertrag ist auch ohne eine ausdrückliche Regelung zivilrechtlich grds. änderbar.


    - Die Aufgabe der selbst betriebenen Landwirtschaft und die anschließende Verpachtung der Flächen erfordern - entgegen der Ansicht des BMF - keine steuerliche Neubewertung eines Altenteilsvertrages. Damit ist auch keine neu zu erstellende Ertragsprognose bezüglich des übergebenen Hofes als existenzsicherndes Vermögen erforderlich.


    Tatbestand

    Streitig ist, ob nach der Aufgabe eines Wohnrechts eines Altenteilers wegen einer eingetretenen Pflegebedürftigkeit Barunterhaltsleistungen als dauernde Last abziehbar sind.

    Die Eltern des Klägers übertrugen dem Kläger durch Übergabevertrag vom 13. April 1984 zum gleichen Tag im Wege der vorweggenommenen Erbfolge u.a. einen sogenannten Ehegattenhof nach der Höfeordnung zur Größe von rund 17 ha und weiteren Grundbesitz mit allem lebenden und toten Inventar und allen Einrichtungen.

    Im Gegenzug regelten die Beteiligten in § 3 des Übergabevertrages:

    „Die Erschienenen zu 1) (Anm.: die Eltern des Klägers) erhalten auf dem übertragenen Grundbesitz, …, das lebenslängliche Altenteil.

    Dieses Recht besteht in der Wohnung mit Wohn- und Schlafzimmer im Erdgeschoß an der Westgiebelseite zur ausschließlichen Benutzung mit frei Licht, Heizung und Instandhaltung unter Mitbenutzung von Küche, Bad und allen gemeinschaftlichen Einrichtungen mit frei Umgang in Haus, Hof und Garten.

    Die Altenteiler erhalten Essen und Trinken sowie die Versorgung in Wäsche und Kleidung in gleicher Weise, wie es der Eigentümer hat, und nach Wahl der Altenteiler am Tisch des Eigentümers oder in den eigenen Räumen. Die Altenteiler haben jederzeit Zutritt zu den landwirtschaftlichen Vorräten und Speisen.

    Den Altenteilern steht die Mitbenutzung in angemessenem Umfang des auf dem Hof vom Eigentümer zu haltenden PKW's zu.

    Die Altenteiler erhalten ein Bar-Altenteil von monatlich 100,– DM, beginnend ab dem 01.01.1984 oder nach ihrer Wahl den Anspruch auf Lieferung von 4 Ztr. Roggen, immer aber den Gegenwert von 4 Ztr. Roggen ab Hof. …”

    Zum damaligen Zeitpunkt bildete der landwirtschaftliche Betrieb – unstreitig – eine existenzsichernde Wirtschaftseinheit. Der Kläger bewirtschaftete den Hof bis September 2005 im Nebenerwerb und erwirtschaftete Erträge. Anschließend verpachtete er die Flächen. In dem Streitjahren erzielte er Pachterlöse in Höhe von 1.930 €.

    Zunächst verstarb der Vater des Klägers. Die Mutter des Klägers musste ab Januar 2009 wegen Altersdemenz in einem Seniorenzentrum untergebracht werden. Das Seniorenzentrum stellte dem Kläger neben den Pflegeleistungen u.a. für „Unterkunft und Verpflegung” zunächst monatlich 442,53 €, später 498,58 € und zuletzt 504,06 € in Rechnung.

    Im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung für die Streitjahre (2009 und 2010) machte der Kläger Aufwendungen für Barleistungen und sonstige Sachleistungen gegenüber seiner Mutter als dauernde Lasten geltend. Das FA berücksichtigte diese Aufwendungen in Höhe von jeweils 1.201 € antragsgemäß.

    Daneben machte er zuletzt in Anlehnung an Sachbezugswerte für Unterkunft und Verpflegung den Abzug von monatlich 400 € (4.800 € je Streitjahr) als dauernde Last geltend. Er habe die Rechnungen des Seniorenheim bezahlt und seiner Mutter jeweils monatlich 400 € überwiesen. Dazu legte er exemplarisch einen Kontoauszug vom 9. Juni 2010 vor, der eine Überweisung am 1. Juni 2010 an die Mutter mit dem Betreff „Pflegegeld” auflistete. Er vertrat zuletzt die Rechtsansicht, die Sachleistungsverpflichtung habe sich gemäß §§ 5, 15, 16 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (Nds. AGBGB) in einen Anspruch der Mutter auf Geldrente gewandelt. Das FA folgte dem nicht. Dagegen richtet sich nach erfolglosem Einspruch die Klage.

    Der Kläger ist weiterhin der Ansicht, seine Verpflichtung zur Erbringung von Sachleistungen (Wohnen und Essen) habe sich durch die angesprochene gesetzliche Regelung im Nds. AGBGB in eine Zahlungsverpflichtung umgewandelt. Eine solche Umwandlung sei vertraglich nicht ausgeschlossen worden. Diese Zahlungsverpflichtung müsse ebenso als dauernde Last berücksichtigt werden.

    Im Übrigen komme es ausschließlich darauf an, ob im Zeitpunkt der Vermögensübergabe – hier im Jahre 1984 – eine Existenz sichernde Wirtschaftseinheit vorgelegen habe. Nur aus diesem Grund sei der Übergabevertrag vom Landwirtschaftsgericht genehmigt worden.

    Der Kläger beantragt,

    die Einkommensteuerbescheide 2009 vom 22. Juli 2010 und 2010 vom 31. Oktober 2011 in Gestalt des Einspruchsbescheides vom 21. November 2011 dahingehend zu ändern, dass jeweils zusätzlich weitere 4.800 € als dauernde Last zum Abzug zugelassen werden.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das FA ist nunmehr nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ebenfalls der Ansicht, dass der Sachleistungsanspruch der Mutter des Klägers sich gemäß §§ 5, 15, 16 Nds. AGBGB in einen Barleistungsanspruch gewandelt habe. Daher seien diese Aufwendungen dem Grunde nach als dauernde Last abziehbar. Der Höhe nach könnten die nach Sachbezugswerten geschätzten/angesetzten Beträge herangezogen werden.

    Allerdings sei der Abzugsbetrag in den Streitjahren der Höhe nach begrenzt. Der Kläger können allenfalls bis zur Höhe seiner Erträge aus dem übertragenen Vermögen (1.930 € pro Jahr) Aufwendungen als dauernde Last abziehen. Mithin seien in den Streit nur noch jeweils maximal 729 € abziehbar (1.930 € ./. der bereits gewährten Abzüge in Höhe von 1.201 €). Dies folge aus der Rechtsprechung des BFH. Dieser habe entschieden, dass bei einer Änderung des Versorgungskonzeptes eines Altenteilsvertrages eine aktualisierte Ertragsprognose hinsichtlich des übertragenen Vermögens heranzuziehen sei (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005 X R 61/01, BStBl II 2008, 16). In steuerlicher Hinsicht seien die Höhe der abziehbaren Leistungen (dauernden Lasten) durch die nach der neuen Ertragsprognose erzielbaren Nettoerträge begrenzt (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005, aaO.).

    Diese Rechtsprechung sei nicht nur auf die Fälle einer Änderung des Versorgungskonzeptes sondern auch auf die Fälle einer „erheblichen Ertragsminderung infolge einer Betriebsverpachtung” entsprechend anzuwenden. Das FA verweist insoweit auf eine Änderung der Auffassung der Finanzverwaltung durch das BMF-Schreiben vom 11. März 2010, IV C 3 – S 2221/09/10004 – 2010/0188949, BStBl I 2010, 227, dort. Rz. 62). Im Streitfall sei daher der Abzug der Höhe nach nur begrenzt möglich.

    Gründe

    Die Klage ist überwiegend begründet.

    Die angefochtenen Bescheide verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit das FA in den Streitjahren weitere 4.601 € (2009) und 4.661 € (2010) nicht als dauernde Last zum Abzug zugelassen hat.

    1. Der Kläger kann anstatt des Wertes des zuvor von ihm gegenüber seiner Mutter aufgrund des Altenteilsvertrages erbrachten Naturalunterhalts („Unterkunft und Verpflegung”) gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG, §§ 5, 15, 16 Nds. AGBGB den an die Stelle des Naturalunterhalts getretenen Anspruch auf Barunterhalt (als „Surrogat”) in voller Höhe abziehen, da seit 1984 keine wesentliche Änderung des Versorgungsvertrages eingetreten ist und die Veränderung der Bewirtschaftung im Jahre 2005 weder zivil- noch steuerrechtlich eine Veränderung des Vertrages und eine Neubewertung der Ertragskraft des übertragenen Vermögens erforderlich machte.

    a) Der Übergabevertrag von 1984 ist nach den Verhältnissen des Jahres 1984 (unstreitig) zivil- und steuerrechtlich als Altenteilsvertrag gemäß Art. 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) einzuordnen, da sich die Verpflichtungen gegenüber den Eltern als vorbehaltener Ertrag des übertragenen Ehegattenhofes nach der Höfeordnung darstellen.

    Das Sonderrecht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen kommt nur dann zur Anwendung, wenn die Versorgungsleistungen aus den erzielbaren Nettoerträgen des übertragenen Vermögens erbracht werden können. Im Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe zur Vorwegnahme der Erbfolge vereinbarte wiederkehrende Leistungen, die nicht aus den erzielbaren Nettoerträgen des übernommenen Vermögens gezahlt werden können, sind nicht als dauernde Last abziehbar. Sie sind Entgelt für das übernommene Vermögen (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005, aaO. m.w.N.).

    Für die Unterscheidung zwischen privater Versorgungsrente und entgeltlichem Veräußerungsgeschäft ist grundsätzlich auf eine Ertragsprognose im Zeitpunkt der Übergabe des Vermögens abzustellen (BFH-Urteil vom 16. Juni 2004 X R 22/99, BFHE 206, 400, BStBl II 2004, 1053). Ausgangspunkt sind die steuerlichen Einkünfte, die allerdings um AfA, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie um außerordentliche Aufwendungen zu bereinigen sind. Reichen die solchermaßen rechnerisch ermittelten erzielbaren Nettoerträge aus, um die vereinbarten Leistungen zu erbringen, liegt eine dauernde Last vor. Ergibt hingegen die nach den Verhältnissen des Übergabezeitpunktes „überschlägig” zu treffende Prognose, dass die – zu erwartenden – erzielbaren Nettoerträge nicht ausreichen, die voraussichtlichen wiederkehrenden Leistungen in vollem Umfang zu erbringen, sind diese von Anbeginn an Entgelt für das übernommene Vermögen.

    Diese Vorrausetzungen lagen nach den übereinstimmenden Darlegungen der Beteiligten nach den Verhältnissen des Jahres 1984 vor, so dass der Kläger seither die entsprechenden Aufwendungen als dauernde Last abziehen konnte und abgezogen hat.

    b) Durch die Aufgabe der aktiven Bewirtschaftung des Betriebes im Jahre 2005 wurde zivilrechtlich keine Änderung des Versorgungsvertrages erforderlich.

    - Der Altenteilsvertrag war – wie es der Rechtsnatur eines Versorgungsvertrages entspricht – auch ohne eine ausdrückliche Regelung zivilrechtlich grundsätzlich änderbar. Fehlt eine Bezugnahme auf § 323 ZPO, kann sich eine gleichwertige Änderungsmöglichkeit aufgrund des Vertragsinhalts ergeben, der eine Anpassung nach den Bedürfnissen des Übergebers oder der Leistungsfähigkeit des Übernehmers erlaubt. Die Abänderbarkeit kann auch aus der Rechtsnatur des typischen Versorgungsvertrages folgen (BFH-Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499, unter 3. und 4.). Die Rechtsprechung geht davon aus, dass Versorgungsleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Übergabe von Existenz sicherndem Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge vereinbart werden „im Regelfall” abänderbar sind (BFH-Urteil vom 31. März 2004 X R 3/01, BFH/NV 2004, 1386, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

    Die maßgeblichen Kriterien ergeben sich aus dem Vertragszweck selbst. Die durch die Übergabe des Existenz sichernden Vermögens und den hierauf gründenden einvernehmlichen Vertragszweck vorgeprägte Interessenlage ist exemplarisch und richtungweisend in den zu Art. 96 des EGBGB zum „Altenteil” ergangenen landesrechtlichen Ausführungsgesetzen – hier des Nds. AGBGB – bewertet. Die Interessenlage ist geprägt durch das Nachrücken der folgenden Generation in eine die Existenz – wenigstens teilweise – begründende Wirtschaftseinheit. Daraus entsteht das Versorgungsbedürfnis als typische notwendige Folge der Übertragung von Existenz sicherndem Vermögen. Der Versorgungscharakter als ein Kennzeichen eines Leibgedingvertrages und die aus der Überlassung des Vermögens gegen Übernahme der persönlichen Versorgung folgende wechselseitige Gebundenheit und die hierdurch bedingte „Verknüpfung der beiderseitigen Lebensverhältnisse” sind die zu berücksichtigenden Merkmale dieses Vertragstypus (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005, aaO.). Diese Kennzeichen sind auch maßgebend für evtl. Ansprüche der Vertragsparteien auf Änderung eines solchen Vertrages.

    Geringfügige Schwankungen der für die Bemessung der dauernden Last maßgebenden Daten, also das Versorgungsbedürfnis des Berechtigten einerseits und die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten andererseits, sind grundsätzlich unerheblich, so lange sie den zivilrechtlichen Änderungsmechanismus nicht auslösen.

    - Jedenfalls bis zur Verpachtung der Flächen im Jahre 2005 haben sich nach dem Inhalt der Akten keine Anhaltpunkte für die Notwendigkeit einer Änderung des Altenteilsvertrages ergeben.

    - Auch die Aufgabe der aktiv selbst betriebenen Landwirtschaft im Jahre 2005 und die Verpachtung der Flächen führten – entgegen der Ansicht des FA – nicht zu einer Verpflichtung der Vertragsparteien zur (zivilrechtlichen) Vertragsänderung aufgrund veränderter Verhältnisse.

    Nach Ansicht des Senats führte die Aufgabe der im Nebenerwerb betriebenen Landwirtschaft und die Verpachtung der Flächen im Streitfall nicht zu zivilrechtlich wesentlichen veränderten Bedingungen, die eine Vertragsanpassung notwendig gemacht hätten. Dies folgt aus dem vorgenannten Vertragszwecken eines solchen Versorgungsvertrages. Der Versorgungsvertrag ähnelt wirtschaftlich dem Nießbrauch. Während beim Vorbehaltsnießbrach dem Nießbraucher die Entscheidung über die Art und Wise und die Intensität der Bewirtschaftung selbst zusteht, ist dies beim Versorgungsvertrag umgekehrt. Der Übernehmer kann weitgehend frei über die Bewirtschaftung des übertragenen Vermögens bestimmen. Deshalb obliegt es zivilrechtlich allein dem Übernehmer, die von ihm zugesagten Versorgungsleistungen tatsächlich zu erbringen. Er ist aber zivilrechtlich nicht verpflichtet, die Versorgungsleistungen auch aus diesen Erträgen zu erbringen. Der Einsatz des Vermögens unterliegt vielmehr seiner Dispositionsfreiheit. Der Übergeber trägt danach zivilrechtlich lediglich das wirtschaftliche Risiko hinsichtlich der aus dem Vermögen objektiv erzielbaren Erträge. Der Übergeber trägt aber nicht das Risiko einer tatsächlich nicht vom Übernehmer erzielten Rendite. Erst ab dem Zeitpunkt, in dem die zugesagten Versorgungsleistungen objektiv nicht mehr aus dem übertragenen Vermögen erwirtschaftet werden könnten, kann für den Übernehmer zivilrechtlich ein Anspruch auf Vertragsänderung entstehen. Der Übernehmer kann sich deshalb zivilrechtlich nicht durch eine unterlassene oder eingeschränkte tatsächliche Bewirtschaftung seiner Leistungspflicht gegenüber dem Übergeber entziehen und zugleich das übertragene Vermögen behalten. Das widerspräche dem Konzept des Versorgungsvertrages und wäre deshalb treuwidrig. Er hat trotz der Änderung seiner Bewirtschaftung entweder die Versorgungsleistungen (in unveränderter Höhe) weiter zu zahlen oder läuft Gefahr, dass der gesamte Versorgungsvertrag wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage aufgehoben wird.

    Im Streitfall bestehen danach keine Anhaltspunkte für einen zivilrechtlichen Anspruch des Klägers auf Vertragsanpassung gegenüber der noch überlebenden Übergeberin, seiner Mutter, weil er die aktive Bewirtschaftung des Hofes im Jahre 2005 aufgegeben hatte. Einen solchen Anspruch hat der Kläger – zutreffend – auch nicht gegenüber seiner Mutter geltend gemacht.

    c) Ohne einen zivilrechtlichen Anspruch der Vertragsparteien auf Änderung des Versorgungsvertrages oder eine zivilrechtlich tatsächlich vorgenommene Änderung des Versorgungsvertrages war auch für steuerliche Zwecke ab 2005 keine neue Ertragsprognose erforderlich. Das Steuerrecht folgt nach Ansicht des Senats dieser zivilrechtlichen Rechtslage und der „vertragstypisch” vorausgesetzten grundsätzlichen Abänderbarkeit von solchen Versorgungsverträgen.

    - Der BFH hat bereits in dem vom FA herangezogenen Urteil entschieden, dass ein gestiegenes Versorgungsbedürfnis des Berechtigten und eine vertragliche Anpassung des Versorgungskonzepts durch die Vertragsparteien eine steuerliche Neubewertung des Vertrages nach sich zieht (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2005, aaO.). Die steuerliche Abziehbarkeit einer den geänderten Verhältnissen Rechnung tragenden Erhöhung der Versorgungsleistungen muss in solchen Fällen neu bewertet werden. Der BFH ist danach der Ansicht, dass in steuerlicher Hinsicht die Höhe der – als dauernde Last – abziehbaren Leistungen durch die nach einer neuerlich zu erstellenden Ertragsprognose erzielbaren Nettoerträge begrenzt werden. Im Streitfall ist im Jahre 2005 keine solche von den Vertragsparteien vereinbarte Änderung des Versorgungskonzeptes eingetreten. Die Rechtsprechung ist auf den Streitfall nicht übertragbar.

    - Andererseits hat der BFH hinsichtlich der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten in einer nicht entscheidungserheblichen Bemerkung dargelegt, dass mit der Veräußerung oder dem Verbrauch des übergebenen Vermögens die Abziehbarkeit der dauernden Last jedenfalls dann endet, wenn kein Ersatzwirtschaftsgut („Surrogat”) erworben wird (BFH-Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499). Auch diese Fallgestaltung entspricht nicht dem Streitfall.

    - Eine tatsächliche Verminderung der Erträge aufgrund einer einseitigen (unternehmerischen) Entscheidung des Verpflichteten in Bezug auf das übertragene Vermögen ohne Mitwirkung des Berechtigten führt nach Ansicht des Senats nicht zu einer notwendigen steuerlichen Neubewertung des Versorgungsvertrages. Der BFH hatte bisher keine Gelegenheit, diese Fallgestaltung höchstrichterlich zu entschieden.

    Das BMF hat (offenbar) aus dem Urteil des BFH vom 13. Dezember 2005 (aaO.) zugleich gefolgert, dass nicht nur eine gegenseitig vertraglich vereinbarte Änderung des Versorgungskonzeptes sondern auch eine einseitige Änderung der Bewirtschaftung des übertragenen Vermögens steuerlich im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG einer zivilrechtlichen Vertragsanpassung gleich stehe (vgl. Rz. 62 des BMF-Schreibens vom 11. März 2010, aaO.):

    „Werden die Versorgungsleistungen im Fall einer erheblichen Ertragsminderung infolge einer Betriebsverpachtung nicht angepasst, obwohl die Abänderbarkeit aufgrund wesentlich veränderter Bedingungen vertraglich nicht ausgeschlossen war, sind die die dauerhaften Erträge übersteigenden Zahlungen freiwillige Leistungen i. S. des § 12 Nummer 2 EStG.”

    Das FA ist infolge dieser Verwaltungsvorschrift ebenfalls der Ansicht, im Falle einer Betriebsverpachtung bzw. der Verpachtung des landwirtschaftlichen Flächen durch den Übernehmer lägen wesentlich veränderte Bedingungen vor, die eine Neubewertung der Ertragskraft des übertragenen Vermögens notwendig mache. Daraus folge, so inzident der BMF, dass selbst wenn eine Vertragsanpassung durch die Vertragsparteien zivilrechtlich unterbleibe, eine Vertragsanpassung gleichwohl steuerlich angenommen werden müsse. Eine Rechtsgrundlage für diese Rechtsansicht gibt der BMF nicht an. Nach den allgemeinen Grundsätzen nimmt der BMF damit aber im Ergebnis an, dass eine unterlassene Vertragsanpassung trotz der Änderung der Bewirtschaftung letztlich einen Missbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten darstelle, der ansonsten in § 42 der Abgabenordnung (AO) geregelt ist. Der Senat folgt dieser Auffassung nicht.

    Die steuerrechtliche Behandlung der Versorgungsleistungen als dauernde Last beruht auf dem Umstand, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89, BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847). Dem liegt nach dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12. Mai 2003 GrS 1/00 (BFHE 202, 464, BStBl II 2004, 95) die normleitende Vorstellung zugrunde, dass der Übergeber das Vermögen – ähnlich wie beim Nießbrauchsvorbehalt – ohne die vorbehaltenen Erträge, die nunmehr als Versorgungsleistungen zufließen, übertragen hat. Maßgebendes Kriterium ist daher die Vergleichbarkeit mit dem Vorbehaltsnießbrauch. Die Vermögensübergabe muss sich so darstellen, dass die vom Übernehmer zugesagten Leistungen – obwohl sie von ihm erwirtschaftet werden müssen – als zuvor vom Übergeber vorbehaltene – abgespaltene – Nettoerträge vorstellbar sind (BFH-Urteil vom 16. Juni 2004 X R 50/01, BFHE 207, 114, BStBl II 2005, 130, unter II.1.b der Gründe). Dabei ist nach der ständigen Rechtsprechung auf die rechnerisch ermittelten erzielbaren Nettoerträge abzustellen.

    Im Streitfall haben sich nach Ansicht des Senates die erzielbaren Nettoerträge durch die Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen im Jahre 2005 nicht verändert. Der Kläger hätte die Bewirtschaftung stattdessen fortführen können. Die ausreichende Ertragskraft einer Existenz sichernden Wirtschaftseinheit, die bei der Übergabe des Vermögens im Jahre 1984 unstreitig vorgelegen hat, wird unabhängig von der Arbeitskraft des Unternehmers ermittelt. Ebenso sind die AfA, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen sowie außerordentliche Aufwendungen bei der Berechnung zu bereinigen, da es allein auf die Netto-Ertragskraft des übertragenen Vermögens ankommt. Durch die Verpachtung eines Teils des Vermögens durch den Kläger, nämlich die landwirtschaftlichen Flächen, hat sich eine Änderung der Ertragskraft des Vermögens selbst nicht ergeben. Nur die tatsächlich erzielten Erträge haben sich verändert. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ab diesem Zeitpunkt höhere Nettoerträge nicht mehr erzielbar gewesen wären.

    Die Annahme des BMF, dass bereits eine „erhebliche Ertragsminderung” durch unternehmerische Entscheidungen des Übernehmers steuerliche Folgen hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der eingegangenen Verpflichtungen als dauernde Last haben soll, begegnet neben den vorstehenden grundsätzlichen Bedenken auch praktischen Bedenken. Die Abzugsfähigkeit der dauernden Last wäre, die Auffassung des BMF als zutreffend voraussetzend, einer laufenden Überprüfung durch die Finanzämter für zu bestimmende Prognosezeiträume ausgesetzt. Der Übernehmer müsste bei der Bewirtschaftung des Vermögens mit tatsächlich wechselndem Erfolg befürchten, dass laufend oder wiederkehrend eine Überprüfung der Erträge und der Abziehbarkeit der zivilrechtlich eingegangenen Verpflichtungen erfolgt. Dies wäre nicht nur schwer handhabbar sondern widerspräche im Kern, wie dargestellt, dem zivilrechtlichen Wesen des Versorgungsvertrages mit seiner Verteilung der Chancen und Risiken zwischen Übergeber und Übernehmer für eine regelmäßig mittel- oder langfristige Zeitspanne. Für eine solche erhebliche Abweichung der steuerlichen Behandlung von der zivilrechtlichen Vertragsgestaltung besteht kein rechtlicher Ansatzpunkt im Einkommensteuergesetz oder in der Abgabenordnung.

    Aus den Aussagen des BFH in einem obiter dictum für den Fall der Veräußerung oder des Verbrauchs des übergebenen Vermögens (ohne Anschaffung eines Surrogates) ergibt sich nichts anderes. Wie vorstehend dargestellt, hat der BFH dann einen Wegfall der dauernden Last für möglich gehalten hat (BFH-Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499). Diese Aussage steht nicht im Widerspruch zum Zivilrecht, sondern folgt dem Zivilrecht, so dass daraus kein Argument für die Auffassung des BMF gewonnen werden kann. In diesen Fällen entfällt nämlich zugleich die Geschäftsgrundlage für den Versorgungsvertrag, so dass zivilrechtlich der Versorgungsvertrag regelmäßig rückabzuwickeln ist. Der Übernehmer ist dann verpflichtet, das Vermögen bzw. das für das Vermögen Erlangte an den Übergeber herauszugeben und es entfällt folgerichtig der Anspruch auf Versorgungsleistungen. Dann können solche Versorgungsleistungen auch nicht mehr steuerlich als dauernde Last geltend gemacht werden. Die Aussage des BFH ist im Ergebnis vielmehr dahingehend zu verstehen, dass ein fortgeltender Versorgungsvertrag auch dann noch anzunehmen sei, wenn das übertragene Vermögen durch ein Surrogat ersetzt worden ist. Der Anwendungsbereich für die Abzugsfähigkeit einer dauernden Last für durch die Aussage potentiell erweitert und nicht eingeengt.

    Es kann dahinstehen, ob das BMF-Schreiben das FA überhaupt gebunden hat, da nach der Anwendungsregelung in Rz. 80 des vorgenannten BMF-Schreibens aus dem Jahre 2010 die geänderte und insbesondere um den Inhalt der Rz. 62 erweiterte Fassung des BMF-Schreibens erst auf Übertragungsverträge anwendbar ist, die nach dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen worden sind. Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall zwar nicht vor, das FA war aber nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG im Festsetzungsverfahren nicht gehindert, eine entsprechende Rechtsansicht in Anlehnung an das BMF-Schreiben zu vertreten.

    Auf die tatsächlich niedrigeren Erträge aus der Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen ab 2005 kommt es danach im Streitfall – entgegen der Ansicht des BMF – insgesamt nicht an.

    d) Durch den Umzug der Mutter in das Pflegeheim zum Beginn des Streitjahres 2009 ist ebenfalls keine wesentliche Änderung des Versorgungskonzeptes eingetreten, so dass auch keine Neubewertung des erzielbaren Nettoertrages erforderlich ist.

    Nach dem durch den Vertragszweck vorgeprägten Interessenlage, der den Regelungen des Art. 96 AGBGB und der landesrechtlichen Regelungen der §§ 5, 15, 16 Nds. AGBGB entspricht, ist durch den Auszug der Mutter keine wesentliche Veränderung des Versorgungskonzeptes im Hinblick auf die wirtschaftliche Belastung des Übernehmers, des Klägers, eingetreten. Die Ansprüche der Mutter auf Bereitstellung einer Wohnung und ihre Beköstigung werden nur nicht mehr vom Kläger persönlich als Naturalunterhalt gewährt. Vielmehr schuldet dieser als Rechtsfolge aus § 15 Abs. 2 Nds. AGBGB seiner Mutter nunmehr eine entsprechende Geldrente „nach dem geschätzten Wert der Vorteile, die der Schuldner dadurch erlangt, dass er von der Verpflichtung zur Überlassung der Wohnung und zu Dienstleistungen befreit wird” (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 Nds. AGBGB) und „nach den ersparten Aufwendungen für andere Sachleistungen” (§ 15 Abs. 2 Nr. 3 Nds. AGBGB). Diese Ansprüche der Mutter treten als Surrogat an die Stelle der nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen. Nach der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungs- und Zivilgerichte können Sozialleistungsträger diese Zahlungsansprüche sogar auf sich überleiten (vgl. OLG Celle – Senat für Landwirtschaftssachen, Beschluss vom 20. März 2006 7 W 135/05 (L), juris und VG Lüneburg, Urteil vom 30. August 2005 4 A 309/03, juris). Darin liegt insoweit gerade keine wesentliche Veränderung der vertraglichen Bedingungen. Vielmehr wird lediglich der Naturalunterhalt durch einen gleichwertigen Barunterhalt ersetzt. Auf einen geänderten Versorgungsbedarf des Übergebers wird jedenfalls hinsichtlich der konkreten Verpflichtung bezüglich der Unterkunft und der Verpflegung nicht reagiert.

    Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger die Zahlung an seine Mutter in der als „Pflegegeld” bezeichnet hat. Entscheidend ist vielmehr, aufgrund welcher Rechtsgrundlage diese Zahlungen tatsächlich erfolgt sind.

    e) Etwas anderes käme nur in Betracht, wenn zwischen der Mutter des Klägers und dem Kläger tatsächlich zum Beginn der Heimunterbringung ein anderes Versorgungskonzept vereinbart worden wäre, dass fortan wesentlich höhere Leistungen für die Pflege der Mutter zum Inhalt gehabt hätte. Dies war Gegenstand des BFH-Urteils vom 13. Dezember 2005 (aaO.), da dort der bisherige jährliche Barunterhalt von 6.000 DM über 7.200 DM auf den vom BFH als wesentlich betrachteten Betrag von rund 41.000 DM bzw. rund 20.000 DM wegen der Pflegeleistungen erhöht worden war.

    Im Streitfall schuldete der Kläger nach dem Vertrag aus dem Jahre 1984 gar keine „Pflege in alten und kranken Tagen”. Eine wesentliche Änderung trat deshalb mit der Heimunterbringung nicht ein. Nach dem Inhalt der vertraglichen Regelungen sollte der Kläger dieses Risiko bzw. diesen Aufwand aus der Vermögensübertragung gar nicht tragen. Das Risiko verblieb vielmehr bei den Vermögensübergebern. Darin unterscheidet sich der hier streitige Sachverhalt entscheidend vom der Entscheidung des BFH.

    f) Der Höhe nach kann der Kläger als Surrogate für die bisher zur Verfügung gestellten Wohnräume und die Verpflegung im Wege der Schätzung nach § 162 AO die sich aus den Sachbezugswerten ergebenden Beträge wie folgt als dauernde Last abziehen:

      Wohnung (monatlich) Verpflegung (monatlich) Summe (jährlich)
    2009 173,40 € 210,00 € 4.601 €
    2010 173,40 € 215,00 € 4.661 €


    2. Im Übrigen ist die Klage hinsichtlich der Differenz zu dem jeweils geltend gemachten Betrag von 4.800 € unbegründet und abzuweisen, da insoweit kein Anspruch aus dem Versorgungsanspruch besteht, sondern der Kläger durch weitergehende Zahlungen nach § 12 Nr. 2 EStG freiwillige Zuwendungen an seine Mutter erbracht hat.

    3. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zugelassen, da eine höchstrichterliche Entscheidung zur Höhe der Abzugsfähigkeit einer dauernden Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG bei (erheblichen) Ertragsminderungen aus unternehmerischen Entscheidungen des Übernehmers und nicht aus Veränderungen der objektiven Ertragskraft der Wirtschaftseinheit – auch wegen der entgegenstehenden Auffassung des BMF – erforderlich ist.

    VorschriftenAO § 42, EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1