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  • 17.04.2013 · IWW-Abrufnummer 131383

    Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 19.02.2013 – 10 K 829/11 E

    - Fahrten eines Unternehmers zwischen der Wohnung und einer Einrichtung eines Kunden stellen nur dann Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG dar, wenn der Unternehmer in der Einrichtung des Kunden eine eigene Betriebsstätte i. S. von § 12 AO unterhält. Dies gilt auch, wenn der Unternehmer lediglich für einen Kunden tätig ist.
    - Das zeitlich wiederholte oder sogar dauerhafte Tätigwerden in Räumlichkeiten des Vertragspartners genügt für sich genommen nicht, um die für eine eigene Betriebsstätte erforderliche nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht des Unternehmers über die von ihm genutzte Einrichtung zu begründen.
    - Die BFH-Rechtsprechung zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, dass die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmers i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG darstellt, ist angesichts der von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG bezweckten Gleichbehandlung der Fahrtaufwendungen von Unternehmern und Arbeitnehmern entsprechend auf Aufwendungen im betrieblichen Bereich anzuwenden.


    Tatbestand
    Strittig ist, ob Aufwendungen des Klägers für Fahrten zu seinem im Streitjahr (2008) einzigen Auftraggeber mit seinem überwiegend betrieblich genutzten Fahrzeug in vollem Umfang oder nur mit einer Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Kilometer als Betriebsausgaben abziehbar sind.
    Der Kläger ist einzelunternehmerisch im Bereich EDV-Organisation und Software-Entwicklung tätig. Er wohnt zusammen mit seiner Lebensgefährtin, Frau X, in einem als Einfamilienhaus bewerteten Gebäude in der A- Straße…in B. Vom Flur im Eingangsbereich dieses Gebäudes führt eine Treppe in das Ober­geschoss, dessen Räume der Kläger aufgrund eines Mietvertrags mit Frau X vom 30. August 2002 für sein Unternehmen nutzt. Einziger Auftraggeber des Klä­gers war im Streitjahr die Y- GmbH mit Sitz in C. Vom Inhaber dieses zuvor von einem Einzelkaufmann geführten Unternehmens hatte der Kläger durch Kaufvertrag vom 13. Oktober 2004 einen gebrauchten „Pkw” erworben, den er im Streitjahr weit überwiegend für die Fahrten zum Auftraggeber und für sonstige betriebliche Fahrten nutzte. Der Kläger führte für den „Pkw” im Jahr 2008 ein Fahrtenbuch, auf das verwiesen wird. Daneben war er Halter eines „Pkw”, den er jedoch überwiegend privat und nur aus­nahmsweise für betriebliche Fahrten nutzte.
    In seiner Gewinnermittlung für 2008 zog der Kläger Fahrzeugkosten in Höhe von 8.945,77 Euro als Betriebsausgaben ab. Als Entnahme für die private Nutzung des „Pkw” setzte er einen Betrag in Höhe von 199,08 Euro an. In den Fahrzeugkosten enthalten war u. a. ein Betrag in Höhe von 996,90 Euro für „Firmen-km mit Privat Kfz”. Wegen der Zusammensetzung der Fahrzeugkosten im Übrigen wird auf die Sachkonten 4510 bis 4580 Bezug genommen. Der Kilometerstand des „Pkw” am 2. Januar 2008 belief sich nach der Eintragung im Fahrtenbuch auf 238.118 km, derjenige am 30. Dezember 2008 danach auf 257.254 km. 474 km hatte der Kläger nach den Eintragungen im Fahrtenbuch aus privatem Anlass zurückgelegt. Dies entspricht einem Anteil von 2,47 %. 2,47 % der Fahrzeugkosten lt. Gewinn- und Verlustrechnung, gekürzt um die als Betriebsausgaben behandelte Nutzungseinlage in Höhe von 996,90 Euro, betragen 196,33 Euro.
    Der Beklagte veranlagte den Kläger durch Einkommensteuerbescheid vom 21. Dezember 2009 zunächst erklärungsgemäß, bat ihn jedoch u. a. um einen Kontennachweis zu den Kfz-Kosten, eine Ermittlung und Abgrenzung der privaten Nutzung des Pkw und Angaben zum Umfang seiner betrieblichen Nutzung. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
    Der Kläger legte gegen den Bescheid Einspruch ein, mit dem er sich gegen die Festsetzung des Solidaritätszuschlags und die Nichtberücksichtigung negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wandte. Er legte zugleich die den „Pkw” betreffenden Sachkonten vor und führte aus, dass er den Umfang der privaten und betrieblichen Nutzung dieses Fahrzeugs, mit dem mit Rücksicht auf den ihm auch zur Verfügung stehenden „Pkw” kaum Privatfahrten durchgeführt worden seien, anhand der Eintragun­gen im Fahrtenbuch ermittelt habe. Abzüglich der Nutzungseinlage für die Nutzung des „Pkw” für betriebliche Fahrten beliefen sich die Fahrzeugkosten auf 7.948 Euro. Bei einer Gesamtfahrleistung des „Pkw” im Streitjahr von 19.138 km ergebe sich ein Kilometersatz von 0,42 Euro. Bei insgesamt 474 privat zurückgelegten Kilometern sei eine Entnahme in Höhe von (474 km x 0,42 Euro/km =) 199,08 Euro zuzüglich Umsatz­steuer anzusetzen gewesen. Mit Schreiben vom 12. Januar 2010 legte der Kläger sodann auch sein Fahrtenbuch für den „Pkw” vor.
    Der Beklagte erließ alsdann erneut einen Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 14. Januar 2010, der hinsichtlich der festgesetzten Steuer und der Begründung nicht vom Erstbescheid abwich, wohl aber erstmals einen Vorläufigkeitsvermerk hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 enthielt. Mit Schreiben vom 29. Januar 2010 teilte er dem Kläger mit, dass er nach Prüfung der einge­reichten Unterlagen die Fahrten zwischen der A- Straße .... in B und dem Sitz des Auftraggebers als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und nicht mehr als Fahrten zwischen zwei Betriebsstätten beurteile. Der Gewinn sei daher um 6.146,47 Euro zu erhöhen.
    Der Kläger blieb dagegen in seiner Stellungnahme dazu bei der Ansicht, dass er in B über ein als Betriebsstätte anzusehendes Büro verfüge. Dabei handele es sich nicht um einen Teil der Wohnung, sondern um einen davon getrennten, eigenständig zugänglichen Bereich. Er habe zu den Servern seines Hauptkunden einen Online-Zugang. Dies ermögliche es ihm, von seinem Büro aus diverse, dem Auftraggeber ge­schuldete Leistungen zu erbringen, wie z. B. die Verbuchung von Geschäftsvorfällen, Tätigkeiten im Bereich der Lohn- und Gehaltsabrechnung sowie das Erstellen und Än­dern von Programmen. Trotzdem fahre er fast täglich, meist mittags, zu seinem Auf­traggeber, um dort die Tätigkeiten auszuführen, die ihm trotz des Online-Zugangs nicht möglich seien (Abholung von Buchungs- und Arbeitsunterlagen, Besprechung von Sachverhalten, Installation von Programmen auf diversen Rechnern, Wartung der Hard- und Software im gesamten Unternehmen, Formularanpassungen, Wechseln der Datensicherungsmedien, Ablagetätigkeiten im Bereich Personalwesen u. a. m.). Danach kehre er in sein Büro zurück, um die abgeholten Arbeitsmittel dort hinzubringen. Über den Online-Zugang kontrolliere er dann, ob die Datensicherung in der Buchhaltung und im Personalwesen erfolgreich gewesen sei. Danach beende er das Programm. Z. T. arbeite er danach noch weiter für den Auftraggeber oder kümmere sich um andere betriebliche Angelegenheiten. Der Umstand, dass er derzeit nur einen Hauptkunden habe, beruhe darauf, dass ihm zwei andere Kunden wegen Geschäftsverkaufs bzw. Organisationsänderungen abgesprungen seien. Von seiner Auslastung her falle es ihm ge­genwärtig auch schwer, weitere Kunden zu gewinnen bzw. dafür tätig zu sein.
    Der Beklagte verblieb dagegen bei seiner Ansicht und erhöhte den Gewinn aus Gewerbebetrieb im Bescheid vom 25. Februar 2010 auf 36.572 Euro. Der Vorbehalt der Nach­prüfung wurde aufgehoben. Ein inhaltsgleicher Bescheid erging unter dem 2. März 2010 mit der Begründung, dass die Festsetzung des Solidaritätszuschlags „jetzt” nach § 165 der Abgabenordnung (AO) vorläufig erfolge. Hierdurch erledige sich der Einspruch vom 27. Dezember 2009. Dieser Bescheid ändere den Bescheid vom 14. Januar 2010.
    Der Kläger legte am 8. März 2010 Einspruch gegen die Änderungsbescheide ein, mit dem er daran festhielt, dass es sich nach seiner Auffassung bei den Fahrten zum Auftraggeber nicht um Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte handele, sondern um Fahrten zwischen zwei Betriebsstätten. Die Betriebsräume im Obergeschoss seien ohne Durchgang durch den privaten Wohnbereich zugänglich. Im Obergeschoss befänden sich keine privat genutzten Räume. Wegen des weiteren Schriftwechsels der Beteiligten im Einspruchsverfahren wird auf ihre Schreiben vom 11. und 31. März, 19. August und 1. September, 24. September und 13. Oktober, 27. Oktober und 9. November sowie 9. und 22. Dezember 2010 Bezug genommen.
    Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als der Beklagte die Einkommensteuer in der Einspruchsentscheidung vom 2. Februar 2011 von 3.571 Euro auf 3.414 Euro herabsetzte. Als Gewinn aus Gewerbebetrieb legte er einen Betrag in Höhe von 35.716 Euro zugrunde. Dies entsprach dem erklärten Gewinn zuzüglich der vom Kläger geltend gemachten Kfz-Kosten, jedoch vermindert um Aufwendungen für Fahrten zum Auftraggeber mit dem „Pkw” und dem „Pkw” bei Anwendung der Entfernungspauschale sowie im Wege einer Vollkostenrechnung ermittelter Aufwendungen für Dienstreisen im Umfang von 1.117 km à 0,47 Euro/km. Der Kläger hatte insoweit in seinem Schreiben vom 22. Dezember 2010 abziehbare Kfz-Kosten in Höhe von 3.655,34 Euro ermittelt. Der Beklagte blieb hinsichtlich des weitergehenden, auf den ungekürzten Abzug der Kfz-Kosten gerichteten Einspruchsbegehrens bei seiner Beurteilung, dass der Kläger bei den Fahrten zum Auftraggeber keine Fahrten zwischen zwei Betriebsstätten, sondern zwischen Wohnung und Betriebsstätte durchgeführt habe. Anzusetzen sei daher nach § 4 Abs. 5 Nr. 6 i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur die Entfernungspauschale.
    Mit der Klage hält der Kläger an seiner Ansicht fest, dass die Kfz-Kosten in vollem Umfang als Betriebsausgaben zu berücksichtigen seien. Bei seinen Geschäftsräumen im Obergeschoss des Hauses A- Straße .... in B handele es sich um eine Betriebsstätte. Da diese den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit darstelle, seien die Fahrten von dort aus zum Auftraggeber als ausschließlich betrieblich veranlasst anzusehen. Eine private Mitveranlassung, die allein eine Begrenzung der Entfernungspauschale auf 0,30 Euro/km rechtfertigen könne, liege daher bei ihm nicht vor. Auch des­halb dürften seine Kfz-Kosten nicht betragsmäßig begrenzt werden. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf die Klageschrift nebst Anlagen und die Schriftsätze vom 5. Oktober 2011 und 27. August 2012 verwiesen.
    Der Beklagte hat die Einkommensteuerfestsetzung für 2008 aus nicht im Streit befindlichen Gründen durch Bescheid vom 24. Mai 2011 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert.
    Der Kläger beantragt,
    den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 24. Mai 2011 dahin zu ändern, dass die Einkommensteuer unter Ansatz von Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von lediglich 30.425 Euro herabgesetzt wird.
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Er verweist auf seine Stellungnahmen im Einspruchsverfahren und die Einspruchsentscheidung. Wegen seines ergänzenden Vorbringens im Klageverfahren wird auf seine Schriftsätze vom 4. April und 11. November 2011 Bezug genommen.
    Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.
    Gründe
    I. Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis damit erklärt haben (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Kläger hat den Verzicht auf mündliche Verhandlung zwar davon abhängig gemacht, dass das Gericht keine klärenden Fragen zum Sachverhalt mehr hat. Diese Einschränkung stellt jedoch keine echte Bedingung dar, die den Verzicht unwirksam machen würde. Eine solche Bedingung liegt nicht vor, wenn der Beteiligte seinen Verzicht von innerprozessualen Voraussetzungen abhängig macht (z. B. davon, dass auch der andere Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet) oder wenn - wie hier - der Verzicht ausgesprochen wird für den Fall, dass auch das Gericht der Ansicht ist, weitere Ermittlungen seien nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 25. Juli 1997 VI R 109/96, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1998, 183 m. w. N.).
    II. Die Klage ist begründet. Die festzusetzende Einkommensteuer für 2008 war gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO auf den Betrag herabzusetzen, der sich beim Ansatz gewerb­licher Einkünfte in Höhe von 30.425 Euro ergibt, weil der Einkommensteuerbescheid vom 24. Mai 2011, der gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden ist, insoweit rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt, als der Beklagte darin gewerbliche Einkünfte in Höhe von 35.716 Euro angesetzt hat.
    1. Bei den dem Kläger im Streitjahr für den „Pkw” entstandenen Aufwendungen handelt es sich in Höhe von 7.948,87 Euro um Betriebsausgaben i. S. von § 4 Abs. 4 EStG, weil dieses Fahrzeug weit überwiegend betrieblich genutzt wurde und deshalb zum notwendigen Betriebsvermögen des Klägers gehörte. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht strittig. Zu Unrecht geht der Beklagte jedoch davon aus, dass diese Aufwendungen teilweise einem Abzugsverbot gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG unterliegen.
    Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Sätze 1 und 2 EStG dürfen Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Wege zwischen Wohnung und Betriebsstätte den Gewinn nicht min­dern, soweit sie die Entfernungspauschale von 0,30 Euro für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und Betriebsstätte gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 2 EStG übersteigen. Diese Vorschriften sind zwar erst durch das Gesetz zur Fortführung der Gesetzeslage 2006 bei der Entfernungspauschale vom 20. April 2009 (Bundesgesetzblatt I 2009, 774) eingefügt worden. Sie sind jedoch nach § 52 Abs. 12 Satz 8, Abs. 23 d Satz 1 EStG i. d. F. dieses Gesetzes bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2007 und damit auch für das Streitjahr anzuwenden.
    Betriebsstätte ist nach § 12 Satz 1 AO jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Es kann dahinstehen, ob die Räume im Obergeschoss des Gebäudes A- Straße…in B, die der Kläger für seinen Betrieb nutzt, als Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschrift beurteilt werden können, oder ob die Wohnung des Klägers, die sich im gleichen Gebäude befindet, dem Ganzen das Gepräge gibt und die Räume deshalb nicht als Betriebsstätte i. S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG angesehen werden können, sondern als Wohnung i. S. dieser Bestimmung anzusehen sind (vgl. dazu BFH-Urteile vom 15. Juli 1986 VIII R 134/83, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1986, 744; vom 7. Dezember 1988 X R 15/87, BStBl II 1989, 421; vom 13. Juli 1989 IV R 55/88, BStBl II 1990, 23; vom 19. September 1990 X R 44/89, BStBl II 1991, 97, und vom 21. März 1995 XI R 93/94, BFH/NV 1995, 875). § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG ist im Streitfall jedenfalls deshalb nicht anwendbar, weil der Kläger bei seinem Auftraggeber in C keine Betriebsstätte hatte.
    Eine Betriebsstätte i. S. von § 12 Satz 1 AO wird nicht schon dadurch begründet, dass dem Unternehmer irgendein für seine Tätigkeit geeigneter Raum zur ständigen Nutzung zur Verfügung gestellt wird. Zu einer Betriebsstätte wird dieser nur dann, wenn der Unternehmer eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die von ihm genutzte Einrichtung hat. Das bloße Tätigwerden in Räumlichkeiten des Vertragspartners genügt für sich genommen nicht, um die erforderliche Verfügungsmacht zu begründen. Das gilt selbst dann, wenn die Tätigkeit zeitlich wiederholt und sogar dauerhaft erbracht wird. Neben der zeitlichen Komponente müssen vielmehr zusätzliche Umstände auf eine örtliche Verfestigung der Tätigkeit schließen lassen. Denn für die Begründung einer Betriebsstätte ist letztlich entscheidend, ob eine unternehmerische Tätigkeit in einer Geschäftseinrichtung oder Anlage mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird und sich in der Bindung eine gewisse „Verwurzelung” des Unternehmens mit dem Ort der Aus­übung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt (so BFH-Urteil vom 4. Juni 2008 I R 30/07, BStBl II 2008, 922, und BFH-Beschluss vom 22. April 2009 I B 196/08, BFH/NV 2009, 1588).
    Der Kläger hat in seinem Schreiben vom 9. November 2010 dargelegt, dass ihm zwar bei seinem Auftraggeber zeitweise ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird, er darüber aber nicht frei verfügen könne. Es sei ihm nicht erlaubt, an diesem Arbeitsplatz seinen betrieblichen Belangen (z. B. Postbearbeitung, Buchhaltung, Schriftverkehr, Steuererklärungen) nachzugehen oder mit anderen Kunden zu telefonieren oder Arbeiten für diese durchzuführen. Selbst seine Programmentwicklungen könne er dort nicht pflegen und erweitern. Der Beklagte hat diese Darstellung nicht bestritten. Auch das Gericht vermag keine Anhaltspunkte zu erkennen, die gegen die Richtigkeit der Darstellung des Klägers sprechen könnten. Es liegt vielmehr nahe und entspricht der Lebenserfahrung, dass ein Auftraggeber einem Auftragnehmer Zutritt zu seinen Einrichtungen nur in dem Umfang gewährt, der erforderlich ist, um den Auftrag ausführen zu können, nicht aber darüber hinaus für eigenbetriebliche Belange des Auftragnehmers bis hin zur Ausfüh­rung von Aufträgen für andere Kunden oder gar Konkurrenten. Insoweit erwartet jeder Auftraggeber typischerweise, dass der Auftragnehmer diesen Angelegenheiten in einer eigenen Betriebsstätte oder bei anderen Kunden nachgeht.
    Der Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG, eine Gleichbehandlung der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte bei der Ermittlung von Gewinneinkünften mit Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bei der Ermittlung von Überschusseinkünften sicherzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 1986 VIII R 134/83, BStBl II 1986, 744, unter Hinweis auf BT-Drucks. 7/1470, 250), steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Zwar wurde darin bislang ein Grund dafür gesehen, den Begriff der Betriebsstätte abweichend vom Normzweck und Verständnis des § 12 AO auszulegen (vgl. BFH-Urteile vom 7. Dezember 1988 X R 15/87, BStBl II 1989, 421, und vom 13. Juli 1989 IV R 55/88, BStBl II 1990, 23; BFH-Beschluss vom 25. Juli 2012 X B 11/11, BFH/NV 2013, 245). Dieser Grund ist jedoch entfallen mit der Folge, dass § 12 AO für die Auslegung des Betriebsstättenbegriffs, wie er in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG verwendet wird, ohne Einschränkung heranzuziehen ist, weil der für die Besteuerung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zuständige VI. Se­nat des BFH in nunmehr ständiger Rechtsprechung entschieden hat, dass die betriebliche Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers keine regelmäßige Arbeitsstätte des Arbeitnehmers i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG darstellt (vgl. BFH-Urteile vom 10. Juli 2008 VI R 21/07, BStBl II 2009, 818; vom 9. Juli 2009 VI R 21/08, BStBl II 2009, 822; vom 17. Juni 2010 VI R 35/08, BStBl II 2010, 852; vom 9. Februar 2012 VI R 22/10, BStBl II 2012, 827, und vom 13. Juni 2012 VI R 47/11, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFHE - 238, 53). Dies gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer jah­relang bei einem bestimmten Kunden seines Arbeitgebers tätig gewesen sein sollte, weil der Arbeitnehmer - angesichts der Ungewissheit, wie lange die vertragliche Beziehung zwischen seinem Arbeitgeber und dessen Kunden andauert - sich darauf typischerweise nicht einstellen kann, so dass er den Aufwand für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nicht durch eine Wohnsitznahme in der Nähe der Betriebsstätte des Kunden seines Arbeitgebers reduzieren kann (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 VI R 35/08, BStBl II 2010, 852). Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Arbeitgeber in der Betriebsstätte des Kunden über eine eigene betriebliche Einrichtung verfügt (BFH-Urteil vom 13. Juni 2012 VI R 47/11, BFHE 238, 53).
    Diese Rechtsprechung zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ist gerade angesichts der von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG bezweckten Gleichbehandlung der Fahrtaufwendungen von Unternehmern und Arbeitnehmern entsprechend auf Aufwendungen im betrieblichen Bereich anzuwenden. Sie hat zur Folge, dass Fahrten eines Unternehmers zwischen der Wohnung und einer Einrichtung eines Kunden nur dann Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschrift darstellen, wenn der Unternehmer in der Einrichtung des Kunden eine eigene Betriebsstätte i. S. von § 12 AO unterhält. Selbst wenn der Unternehmer - wie der Kläger - lediglich für einen Kun­den tätig ist, ist es ihm - wie einem Arbeitnehmer, der für seinen Arbeitgeber in der Ein­richtung eines Kunden tätig wird - nicht zumutbar, seinen Fahrtaufwand dadurch zu re­duzieren, dass er seinen Wohnsitz in die Nähe der Einrichtung des Kunden verlegt, weil für ihn ebenso wie für den Arbeitnehmer ungewiss ist, wie lange die vertragliche Beziehung zum Kunden erhalten bleibt. Die Einrichtung des Kunden unterscheidet sich dadurch von einer eigenen Betriebsstätte des Unternehmers, die er aufgrund eigenen Rechts (Eigentum, Miete, Pacht o. Ä.) unterhält und von seiner Wohnung aus aufsucht. Die Verlegung des Wohnsitzes zu dieser Betriebsstätte ist zumutbar mit der Folge, dass der Aufwand für Fahrten zwischen der Wohnung und der Betriebsstätte nicht mit den tatsächlichen Kosten, sondern nur nach Maßgabe der Entfernungspauschale abziehbar ist, weil die aufgrund eigenen Rechts unterhaltene Betriebsstätte eine stärkere örtliche Verfestigung und Dauerhaftigkeit aufweist als ein Werk- oder Dienstvertrag mit einem Kunden. Nur sie lässt sich daher mit der regelmäßigen Arbeitsstätte i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 1 EStG vergleichen. Das Gericht hält diese Auslegung und Rechts­anwendung nicht nur deshalb für allein zutreffend, weil sie die gebotene Gleichbehandlung von Steuerpflichtigen mit Überschusseinkünften und Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften gewährleistet, sondern auch deshalb, weil dadurch die Legaldefinition des § 12 AO zugleich im Bereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Satz 1 EStG wieder uneinge­schränkt Anwendung findet. Gerade darauf hat auch der VI. Senat des BFH in seiner jüngsten Entscheidung (Urteil vom 13. Juni 2012 VI R 47/11, BFHE 238, 53) ausdrück­lich hingewiesen.
    Ob das Gericht auch bei einem Sachverhalt, wie er dem BFH-Urteil vom 13. Juli 1989 (IV R 55/88, BStBl II 1990, 23) zugrunde lag, die Fahrten zum Sitz des Auftraggebers als Dienstreisen und nicht als Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte ansehen würde, kann dahinstehen. Dieser Sachverhalt, in dem es um die selbständig ausgeübte nebenberufliche Tätigkeit eines hauptberuflich als Lehrer beschäftigten Fußballtrainers ging, ist mit dem Streitfall nicht vergleichbar. Ein Fußballtrainer ist typischerweise nur für einen Verein, wenn nicht nur für eine Mannschaft tätig. Er befindet sich daher der Art seiner Tätigkeit nach in keiner anderen Situation als ein nur für einen Arbeitgeber tätiger Arbeitnehmer. Ein EDV-Betreuer und Softwareentwickler ist dagegen typischerweise für mehrere Kunden tätig, und zwar auf der Grundlage von Werkverträgen. Auch der Klä­ger hatte in den Jahren vor dem Streitjahr mehrere Kunden und müsste sich wieder um weitere Kunden bemühen, wenn sein jetziger Kunde den Auftragsumfang reduziert oder die EDV-Betreuung anderweitig vergibt. Ungeachtet dessen dürften die besseren Gründe zudem dafür sprechen, dass die vom VI. Senat des BFH entwickelte Rechtsprechung dazu geführt hat, dass auch an den Ausführungen im BFH-Urteil vom 13. Juli 1989 (IV R 55/88, BStBl II 1990, 23) nicht mehr festgehalten werden kann, weil auch einem auf der Grundlage eines Dienstvertrags tätigen selbständigen Steuerpflichtigen eine Reduzierung seines Fahrtaufwands für die Fahrten zum Auftraggeber durch eine Verlegung seines Wohnsitzes in dessen Nähe nicht zumutbar ist, denn der Fortbestand des Auftragsverhältnisses ist weit weniger gewiss als der eines Arbeitsverhältnisses oder der einer aus eigenem Recht genutzten Betriebsstätte.
    2. Der Kläger hat, wie dargelegt, in den Räumen seines Auftraggebers keine Betriebs­stätte unterhalten. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG ist daher nicht anwendbar. Die Fahrzeugkosten in Höhe von 7.948,87 Euro sind daher ohne Beschränkung abziehbar.
    3. Die Ermittlung des Betrags, mit dem die Nutzungsentnahme durch den Gebrauch des „Pkw” für Privatfahrten anzusetzen ist, gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1 und 3 EStG lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Das vom Kläger vorgelegte Fahrtenbuch ist ord­nungsgemäß. Danach betrug der Anteil der privaten Kfz-Nutzung nicht mehr 2,47 %. Die dafür angesetzte Entnahme kann wie vom Kläger ermittelt angesetzt werden.
    4. Die Bewertung der Nutzungseinlage hinsichtlich der mit dem „Pkw” durchgeführten betrieblichen Fahrten mit einem Kilometersatz von 0,30 Euro gemäß H 9.5 „Pauschale Kilometersätze” LStH 2008 ist nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat diese nur des­halb lediglich mit 50 v. H. des vom Kläger ermittelten Betrags angesetzt (vgl. den Schriftsatz vom 4. April 2011, Bl. 23 d. A.), weil er auch insoweit nur den Ansatz der Entfernungspauschale und damit des Kilometersatzes von 0,30 Euro je Entfernungskilometer und nicht je gefahrener Kilometer für zulässig gehalten hat. Der Beklagte ist aber mit dem Kläger von 3.323 mit diesem Fahrzeug aus betrieblichen Gründen zu­rückgelegten Kilometern ausgegangen. Das Gericht folgt dem in tatsächlicher Hinsicht und bewertet die Nutzungseinlage aus den oben unter 1. und 2. dargelegten rechtlichen Gründen mit 0,30 Euro je gefahrener Kilometer, d. h. mit einem Betrag in Höhe von 996,90 Euro.
    5. Die Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer war im Hinblick auf die Er­mäßigung für Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 35 EStG nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Beklagten zu übertragen.
    6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vor­läufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
    7. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen. Das Gericht weicht bei seiner Entscheidung im Hinblick auf die Rechtsprechung des VI. Senats des BFH zur Eigenschaft der Einrichtung eines Kunden des Arbeitgebers als regelmäßige Arbeits­stätte des Arbeitnehmers zwar nicht von der im BFH-Urteil vom 21. März 1995 (XI R 93/94, BFH/NV 1995, 875) wiedergegebenen Rechtsprechung zur Betriebsstätte von Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften ab. Die Revision war jedoch zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, um dem BFH Gelegenheit zu geben, die Maßgeblichkeit der Rechtsprechung des VI. Senats auch für die Anwendung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 EStG zu bestätigen.

    VorschriftenEStG § 4 Abs. 4, EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6, EStG § 9 Abs. 1 Satz 3, AO § 12 Satz 1