31.05.2013
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 11.03.2013 – 10 K 2457/11 F
- Auch Steuerpflichtige, die Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen und ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, können
Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 EStG n. F. für nach dem 31.12.2007 angeschaffte Wirtschaftsgüter nur geltend machen,
wenn sie die Größenmerkmale gemäß § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG n. F. nicht überschreiten.
- Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 1 EStG a. F. sind für Wirtschaftsgüter, die nach dem 31.12.2007 angeschafft wurden, nicht
mehr zulässig.
- Eine Auslegung der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 23 Satz 2 EStG in der Weise, dass sich Sonderabschreibungen bei nach
dem 31.12.2007 angeschafften Wirtschaftsgütern, für die eine Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG a. F. gebildet worden war,
noch nach § 7g Abs. 1 EStG a. F. und nicht nach § 7g Abs. 5 und 6 EStG n. F. richten, ist nicht geboten, um eine verfassungswidrige
Verletzung schützenswerten Vertrauens zu verhindern.
Tatbestand
Strittig ist, ob der Kläger für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die er nach dem 31. Dezember 2007 angeschafft hat, eine
Sonderabschreibung gemäß § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 20 v. H. der Anschaffungskosten in Anspruch nehmen
kann.
Der Kläger ist Arzt. Er betreibt seine Praxis im Bezirk des Beklagten. Seinen Wohnsitz hat er im Bezirk des Finanzamts A.
Der Kläger ermittelt seinen Gewinn gemäß § 4 Abs. 3 EStG als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben. Für
das Jahr 2006 zog er eine gemäß § 7g Abs. 3 und 6 EStG i. d. F. bis zum Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes
2008 vom 14. August 2007 (BGBl. I 2007, 1912) für die künftige Anschaffung von medizinischen Geräten und anderer zur Ausstattung
einer Arztpraxis gehörender Gegenstände (Computer, Telefonanlage, Mobiliar) gebildete Rücklage in Höhe von 138.361,10 Euro
als Betriebsausgabe ab. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gewinnermittlung 2006, die am 21. Dezember 2007 von der X- Steuerberatungsgesellschaft
mbH erstellt wurde, verwiesen.
Für das Streitjahr (2008) ermittelte der Kläger einen Gewinn in Höhe von 409.715,30 Euro. In den Vorjahren gebildete Ansparrücklagen
löste er in Höhe von 128.596,35 Euro gewinnerhöhend auf. Er nahm zugleich Abschreibungen in Höhe von 113.462,52 Euro vor,
darunter Sonderabschreibungen in Höhe von 33.380 Euro für im Streitjahr angeschaffte abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens
seiner Praxis. Die X- Steuerberatungsgesellschaft mbH nahm dazu folgenden Hinweis in die Gewinnermittlung auf: „Auf Wunsch
unseres Mandanten wurde entgegen der Gesetzeslage Sonderabschreibung gemäß § 7g EStG alte Fassung in Höhe von EUR 33.380,00
in Anspruch genommen.” Die dafür maßgebenden Gründe erläuterte der Prozessbevollmächtigte des Klägers in einem der Feststellungserklärung
beigefügten Schreiben, auf das Bezug genommen wird.
Der Beklagte stellte als Gewinn des Klägers aus dessen freiberuflicher Tätigkeit für das Streitjahr durch Bescheid vom 29.
März 2010 einen Betrag in Höhe von 405.141 Euro fest. Er berücksichtigte dabei dem Kläger aufgrund gesonderter und einheitlicher
Gewinnfeststellungen für zwei Ärztegemeinschaften, an denen der Kläger beteiligt war, zugerechnete Verlustanteile in Höhe
von 2.419,40 Euro bzw. 2.153,42 Euro. Der Bescheid erging gemäß § 164 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Nach abschließender Prüfung der Feststellungserklärung änderte der Beklagte die Gewinnfeststellung für 2008 durch Bescheid
vom 10. März 2011 gemäß § 164 Abs. 2 AO dahin ab, dass er den Gewinn auf 438.521 Euro feststellte. Die Sonderabschreibung
gemäß § 7g Abs. 5 EStG n. F. in Höhe von 33.380 Euro erkannte er unter Hinweis darauf, dass der Gewinn des Klägers im Jahr
2007 100.000 Euro überschritten habe, aufgrund der Regelung in § 7g Abs. 6 Nr. 1 EStG n. F. nicht mehr an.
Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein, mit dem er sich gegen die Versagung der Sonderabschreibung wandte.
Er verwies darauf, dass er die Ansparrücklage im Jahr 2006 insbesondere deshalb gebildet habe, um die Voraussetzungen für
die Inanspruchnahme einer Sonderabschreibung im Jahr 2008 zu schaffen. Zwischen der Bildung der Ansparrücklage und der Inanspruchnahme
der Sonderabschreibung bestehe ein Junktim, das es aus Gründen des Vertrauensschutzes gebiete, § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG i.
d. F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 so auszulegen, dass die Sonderabschreibung bei einer nach § 7g EStG a. F. gebildeten
Ansparrücklage ebenfalls noch nach § 7g EStG a. F. und damit ohne die Beschränkung des § 7g Abs. 6 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz
2 Nr. 1 Buchstabe c EStG n. F. vorgenommen werden könne.
Der Beklagte wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2011 als unbegründet zurück. Er begründete dies
damit, dass die Sonderabschreibung gemäß § 7g Abs. 5 EStG n. F. nach § 52 Abs. 23 Satz 2 EStG für nach dem 31. Dezember 2007
angeschaffte Wirtschaftsgüter nur noch gewährt werden könne, wenn die Größenmerkmale des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG n.
F. nicht überschritten seien (§ 7g Abs. 6 Nr. 1 EStG n. F.). Dies sei beim Kläger jedoch der Fall, weil er im Jahr 2007 einen
Gewinn in Höhe von 338.423 Euro erzielt habe.
Mit der Klage hält der Kläger an seinem Begehren fest. Man habe ihm im Jahr 2006 angeboten, Räume in einem geplanten Neubau
an der B-Straße ...... in C anzumieten, deren Übergabe am ..... Oktober 2008 erfolgen sollte. Den Mietvertrag über diese Räume
habe er am ..... September 2006 abgeschlossen. Um im Jahr 2008 Sonderabschreibungen für die Wirtschaftsgüter vornehmen zu
können, mit denen die neu eröffnete Praxis ausgestattet werden sollte, sei es nach § 7g Abs. 2 Nr. 3 EStG a. F. erforderlich
gewesen, im Jahr 2006 für die beabsichtigten Investitionen eine Ansparrücklage zu bilden. Im Jahr 2006 habe eine Rechtslage
bestanden, nach der die Ansparrücklage bis Ende 2008 im Ergebnis erfolgsneutral habe aufgelöst werden können, weil für die
angeschafften Wirtschaftsgüter seinerzeit eine degressive Abschreibung von bis zu 20 v. H. gemäß § 7 Abs. 2 EStG a. F. und
die Sonderabschreibung gemäß § 7g Abs. 2 Nr. 3 EStG a. F. in Höhe von ebenfalls bis zu 20 v. H. zulässig gewesen seien. Die
degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) sei dadurch weggefallen, dass der Gesetzgeber § 7 Abs. 2 EStG aufgehoben habe (Artikel
1 Nr. 10 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008). Die Sonderabschreibung gemäß § 7g Abs. 5 EStG n. F. habe er davon abhängig
gemacht, dass bestimmte Größenmerkmale nicht überschritten werden. Soweit der Gesetzgeber durch § 7g EStG n. F. die Sonderabschreibung
nicht mehr davon abhängig gemacht habe, dass der Steuerpflichtige auch den an die Stelle der Ansparrücklage getretenen Investitionsabzugsbetrag
(§ 7g Abs. 1 EStG n. F.) in Anspruch genommen habe, habe er das frühere Junktim der Fördermaßnahmen (Sonderabschreibung nur
bei zuvor gebildeter Ansparrücklage) aufgehoben. Dies sei – wie der Wegfall der degressiven AfA – nicht zu beanstanden. Unzulässig
sei es dagegen im Hinblick auf das Junktim, das im Jahr 2006 bestanden habe, Sonderabschreibungen für im Jahr 2008 angeschaffte
Wirtschaftsgüter, für die 2006 eine Ansparrücklage gebildet worden sei, von Voraussetzungen abhängig zu machen, die seinerzeit
noch nicht bestanden hätten, sondern erst durch die Rechtsänderung aufgrund des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 eingeführt
worden seien. Der damit verbundene Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip lasse sich jedoch durch eine verfassungskonforme
Auslegung des § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG vermeiden. Danach müsse § 7g EStG a. F. auch für Sonderabschreibungen weiter anwendbar
bleiben, die sich auf Wirtschaftsgüter bezögen, für die nach § 7g EStG a. F. eine Ansparrücklage gebildet worden sei.
Der Kläger beantragt,
den Gewinnfeststellungsbescheid 2008 vom 10. März 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2011 dahin
zu ändern, dass die Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit auf 405.141 Euro festgestellt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass die vom Kläger vertretene Auslegung nicht zulässig sei, weil der Gesetzgeber Förderlücken, wie sie
sich im Streitfall ergäben, erkannt, jedoch bewusst in Kauf genommen habe. Wegen weiterer Einzelheiten seines Vorbringens
im Klageverfahren wird auf seinen Schriftsatz vom 16. August 2011 verwiesen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Der Gewinnfeststellungsbescheid 2008 vom 10. März 2011 ist nicht rechtswidrig; er verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt,
eine Sonderabschreibung gemäß § 7g Abs. 5 EStG n. F. oder gemäß § 7g Abs. 1 EStG a. F. zu gewähren.
1. Nach § 7g Abs. 5 EStG n. F., wie er im Streitjahr galt, können bei abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens
unter den Voraussetzungen des § 7g Abs. 6 EStG n. F. im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Jahren
Sonderabschreibungen bis zu insgesamt 20 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden. Voraussetzung
für die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach dieser Vorschrift ist damit außerdem, dass der Betrieb zum Schluss des
Wirtschaftsjahres, das der Anschaffung oder Herstellung vorangeht, die Größenmerkmale des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG n.
F. nicht überschreitet (§ 7g Abs. 6 Nr. 1 EStG n. F.). Auch wenn Steuerpflichtige, die – wie der Kläger – Einkünfte aus selbständiger
Arbeit erzielen, i. S. von § 4a EStG kein Wirtschaftsjahr als Gewinnermittlungszeitraum haben, fallen auch sie unter die Regelungen
in § 7g Abs. 6 Nr. 1 EStG n. F. (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 13. Oktober 2009 VIII B 62/09, Bundessteuerblatt
– BStBl – II 2010, 180). Damit können diese Steuerpflichtigen Sonderabschreibungen für nach dem 31. Dezember 2007 angeschaffte,
nach § 7g Abs. 5 EStG n. F. begünstigte Wirtschaftsgüter nur geltend machen, wenn sie die Größenmerkmale gemäß § 7g Abs. 1
Satz 2 Nr. 1 EStG n. F. nicht überschreiten. Der Kläger hat jedoch im Jahr 2007 als dem Wirtschaftsjahr, das der Anschaffung
voranging, für die er die Sonderabschreibungen beansprucht, einen Gewinn von mehr als 100.000 Euro erzielt. Sonderabschreibungen
gemäß § 7g Abs. 5 EStG n. F. sind daher im Streitfall ausgeschlossen.
2. Sonderabschreibungen konnten bei neuen beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens auch nach § 7g Abs. 1 EStG a.
F. im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den vier folgenden Jahren neben AfA nach § 7 Abs. 1 oder 2 EStG bis zu
insgesamt 20 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in Anspruch genommen werden. Voraussetzung dafür war u. a., dass
der Steuerpflichtige für die Anschaffung eine Rücklage nach den Absätzen 3 bis 7 des § 7g EStG a. F. gebildet hatte. Diese
Voraussetzungen erfüllt der Kläger, weil die Rücklage auch von Steuerpflichtigen gebildet werden durfte, die ihren Gewinn
gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermitteln (§ 7g Abs. 6 EStG a. F.), Größenmerkmale für diesen Personenkreis nicht bestanden und auch
sonst keine Hinderungsgründe für die Bildung der Rücklage erkennbar sind.
§ 7g EStG a. F. ist jedoch durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 neu gefasst worden. Die Neufassung ist nach § 52
Abs. 23 Satz 1 EStG erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 17. August 2007 enden. § 7g Abs. 5 und 6 i. d.
F. des Art. 1 des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 ist erstmals bei Wirtschaftsgütern anzuwenden, die nach dem 31. Dezember
2007 angeschafft oder hergestellt werden (§ 52 Abs. 23 Satz 2 EStG). Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 1 EStG a. F. sind
daher für Wirtschaftsgüter, die – wie im Streitfall – nach dem 31. Dezember 2007 angeschafft oder hergestellt wurden, nicht
mehr zulässig.
§ 52 Abs. 23 Satz 2 EStG kann entgegen der Rechtsansicht des Klägers auch nicht – verfassungskonform – in der Weise ausgelegt
werden, dass Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 1 EStG a. F. zulässig bleiben, wenn sie sich auf Wirtschaftsgüter beziehen,
für die nach altem Recht eine Ansparrücklage gebildet werden musste, um die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 1 EStG a. F.
in Anspruch nehmen zu können. Es kann dahin stehen, ob § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG insoweit zurückwirkt, als dadurch Sonderabschreibungen
für die dort aufgeführten Wirtschaftsgüter ab dem 1. Januar 2008 nur noch nach Maßgabe des § 7g Abs. 5 und 6 EStG n. F. zulässig
sind, obschon § 7g EStG in der bis zum 17. August 2007 geltenden Fassung bei Ansparabschreibungen, die in vor dem 18. August
2007 endenden Wirtschaftsjahren gebildet worden sind, und Wirtschaftsgütern, die vor dem 1. Januar 2008 angeschafft oder hergestellt
worden sind, nach § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG weiter anzuwenden war. Dagegen könnte sprechen, dass Ansparabschreibung und Sonderabschreibung
unterschiedliche Instrumente steuerlicher Förderungen waren und der Gesetzgeber sie schon deshalb in zeitlicher Hinsicht unterschiedlich
neu regeln durfte. Selbst wenn man aber – wie der Kläger – aus der Regelung in § 7g Abs. 1 und 2 Nr. 3 EStG a. F. ein Junktim
dergestalt ableiten wollte, dass § 52 Abs. 23 Satz 2 EStG im Hinblick auf Sonderabschreibungen für Wirtschaftsgüter, für die
eine Ansparrücklage gebildet worden war, eine Rückwirkung enthält, könnte es sich allenfalls um eine „unechte” Rückwirkung
handeln, die nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip oder gegen Grundrechte verstößt.
Eine „unechte” Rückwirkung liegt vor, soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich
aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung”). Eine solche unechte
Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der
bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen
der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse
in nicht mehr vertretbarer Weise zulasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz
geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit
hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen
verfassungsrechtlichen Schutz. Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte
anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die Interessen der Allgemeinheit,
die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss gewahrt sein. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen grundrechtlichen und
rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich
ist und in einer Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der
die Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (Bundesverfassungsgericht, Beschluss
vom 7. Juli 2010 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – BVerfGE – 127, 1, BStBl
II 2011, 76, unter C. II. 1. c).
Der Gesetzgeber verfolgte mit der Neufassung des § 7g EStG durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 das Ziel, die Wettbewerbssituation
kleiner und mittlerer Betriebe zu verbessern, ihre Liquidität und Eigenkapitalbildung zu unterstützen und ihre Investitions-
und Innovationskraft zu stärken. Eine allgemeine Liquiditätsverbesserung sollte durch die Neufassung des § 7g EStG nicht erreicht
werden. Vielmehr sollten die bisherigen Regelungen zu Ansparabschreibungen aufkommensneutral umgestaltet und deutlich vereinfacht
werden (vgl. BT-Drucks. 16/4841, 51).
Diese Zielsetzung ist nicht zu beanstanden. Es stand dem Gesetzgeber frei, steuerliche Förderungsmaßnahmen wie die Ansparabschreibung
und die Sonderabschreibung nach § 7g Abs. 1 EStG a. F. so zu ändern, dass der Standort Deutschland sowohl für nationale als
auch internationale Investoren attraktiv blieb und das deutsche Steuersubstrat langfristig gesichert wurde (vgl. BT-Drucks.
16/4841, 1.) Der Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG n. F. dient wie die Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3
EStG a. F. dazu, die Liquidität eines Unternehmens durch eine Steuerstundung zu erhöhen. Diese Förderung von Größenmerkmalen
abhängig zu machen (§ 7g Abs. 1 Satz 2 EStG n. F.), stand dem Gesetzgeber frei, weil er den Förderbedarf speziell bei kleineren
und mittleren Betrieben als notwendig empfand, nicht dagegen bei Betrieben, die die Größenmerkmale überschreiten. Es ist auch
nicht zu beanstanden, dass die Inanspruchnahme der Sonderabschreibung an die Größenmerkmale geknüpft wurde. Der Gesetzgeber
hat in der Begründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 darauf hingewiesen, dass die zur Gegenfinanzierung der Unternehmensteuerreform
vorgenommene Abschaffung der degressiven AfA zu der weltweit vorherrschenden Tendenz passe, Ausnahmen abzuschaffen und stattdessen
die Steuersätze zu senken. Die degressive AfA verschaffe den Unternehmen einen zusätzlichen Zinsvorteil, der nach der erheblichen
Verbesserung der Besteuerung so nicht mehr erforderlich sei. Gleiches gilt nach Auffassung des Gerichts für die Sonderabschreibung.
Sonderabschreibungen lassen die AfA gemäß § 7g Abs. 1 oder 4 EStG unberührt (vgl. § 7a Abs. 4 EStG und BT-Drucks. 16/4841,
55). Es handelt sich daher um eine steuerliche Förderung, die über die Berücksichtigung des Werteverzehrs aufgrund der Nutzung
des Wirtschaftgutes hinausgeht und die nicht durch das objektive Nettoprinzip geboten ist. Dem Gesetzgeber steht insoweit
ein weiter, durch die Neuregelung der Sonderabschreibung gemäß § 7g EStG n. F. nicht überschrittener Ermessensspielraum zu.
Eine Auslegung des § 52 Abs. 23 Satz 2 EStG in der Weise, dass sich Sonderabschreibungen bei nach dem 31. Dezember 2007 angeschafften
Wirtschaftsgütern, für die eine Ansparrücklage nach § 7g Abs. 3 EStG a. F. gebildet worden war, noch nach § 7g Abs. 1 EStG
a. F. und nicht nach § 7g Abs. 5 und 6 EStG n. F. richten, ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht geboten, um eine verfassungswidrige
Verletzung schützenswerten Vertrauens zu verhindern. Es kann dahinstehen, ob der Kläger trotz der auf den 21. Dezember 2007
und damit auf einen Zeitpunkt nach dem Inkrafttreten der Neufassung des § 7g EStG datierten Fertigstellung der Gewinnermittlung
für 2006 die Ansparrücklage im Hinblick auf den beabsichtigten Wechsel des Standortes seiner Praxis in seiner Buchführung
bereits vor Inkrafttreten der Neufassung des § 7g EStG gebildet und auf ein Fortgelten der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung
des § 7g EStG vertraut hat. Selbst dann war das solchermaßen entstandene Vertrauen lediglich insoweit schützenswert, als es
die Ansparabschreibung betraf, für die der Gesetzgeber die Fortgeltung des § 7g EStG a. F. in § 52 Abs. 23 Satz 3 EStG ausdrücklich
angeordnet hat. Nur insoweit hatte der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen, die sich für eine Ansparabschreibung entschieden
hatten, einen Liquiditätsvorteil eingeräumt, den er ihnen nicht ohne Weiteres, d. h. vor Ablauf des Zeitraums, bis zu dem
die Rücklage gewinnerhöhend aufzulösen war, wieder entziehen durfte. Der Vertrauensschutz reicht indes nicht so weit, dass
er auch Sonderabschreibungen nach den rechtlichen Voraussetzungen umfasst, wie sie im Zeitpunkt der Bildung der Ansparrücklage
galten. Diese war zwar nach § 7g EStG a. F. Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen. Aus der Bildung
einer Ansparrücklage für die künftige Anschaffung eines Wirtschaftsgutes folgt jedoch nicht, dass für dieses Wirtschaftsgut
auch Sonderabschreibungen nach Maßgabe von § 7g Abs. 1 EStG a. F. weiterhin möglich sein mussten. Bei der Sonderabschreibung
handelt es sich um eine Fördermaßnahme, die der Ansparrücklage nicht immanent war. Der dem Steuerpflichtigen durch die Bildung
der Ansparrücklage eingeräumte Liquiditätsvorteil blieb auch dann erhalten, wenn der Steuerpflichtige nach der gewinnerhöhenden
Auflösung der Rücklage keine Sonderabschreibung in Anspruch nehmen konnte. Der Liquiditätsvorteil besteht in einem solchen
Fall lediglich nicht fort. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes gebietet es aber nicht, geltendes Recht künftig unverändert
fortbestehen zu lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn – wie im Streitfall – angesichts der ohnehin begrenzten Nutzungsdauer
der vom Kläger angeschafften Praxisausstattung selbst die lineare AfA zu einer vollständigen Abschreibung dieser Wirtschaftsgüter
innerhalb kurzer Zeit führt und der mit der Ansparrücklage verfolgte Zweck des Liquiditätsvorteils, der Anschaffung der Wirtschaftsgüter
zu dienen, erreicht wurde.
Soweit in der steuerrechtlichen Literatur vereinzelt (vgl. Kaligin in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 7g n. F. Anm. 7)
die Ansicht vertreten wird, dass Inhaber von Betrieben mit einer Gewinnermittlung durch Überschussrechnung und einem Gewinn
von mehr als 100.000 Euro aufgrund der Schlechterstellung verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Neuregelung geltend machen
könnten, folgt das Gericht dem für einen Fall wie dem Streitfall nicht. Diese Ansicht übersieht, dass jedenfalls Steuerpflichtige,
die Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen und bei denen das der selbständigen Arbeit dienende Betriebsvermögen einen
Wert von 235.000 Euro nicht überschreitet, durch einen Übergang zur Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs.
1 EStG verhindern konnten, dass die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen an Größenmerkmalen scheitert (vgl. § 7g Abs.
6 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchstabe a EStG n. F.; zutreffend Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht,
§ 7g ab UntStRefG 2008 Rn. 12a; Korn, Kölner Steuerdialog 2007, 15758, 15762; Bruschke, Deutsche Steuer-Zeitung 2008, 204,
206; Nothnagel, jurisPR-SteuerR 8/2010 Anm. 2). Dies wäre auch dem Kläger möglich gewesen, weil der Wert seines seiner selbständigen
Arbeit dienenden Betriebsvermögens nach der Entwicklung seines Anlagevermögens 2007 am Ende dieses Jahres lediglich 117.168,21
Euro betrug. Im Übrigen hat es der BFH für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger mit Einkünften aus selbständiger Arbeit im
Jahr 2007 die Größenmerkmale des § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG n. F. überschritt, nicht für zweifelhaft gehalten, dass gleichwohl
ausschließlich § 7g EStG n. F. zur Anwendung kommt (Beschluss vom 13. Oktober 2009 VIII B 62/09, BStBl II 2010, 180; ebenso
Finanzgericht – FG – Münster, Beschluss vom 26. Februar 2009 13 V 215/09 E, Entscheidungen der Finanzgerichte – EFG – 2009,
1108; a. A. Hessisches FG, Beschluss vom 4. Mai 2009 11 V 582/09, EFG 2009, 1366). Danach konnte die Klage im Ergebnis keinen
Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, weil der BFH-Beschluss vom 13. Oktober
2009 (VIII B 62/09, BStBl II 2010, 180) lediglich in einem summarischen Verfahren ergangen ist und der BFH sich zur Frage,
inwieweit verfassungsrechtliche Erwägungen eine Auslegung des § 52 Abs. 23 Satz 2 oder 3EStG dergestalt, wie der Kläger sie
für zutreffend hält, gebieten könnten, noch nicht geäußert hat.