06.06.2013 · IWW-Abrufnummer 131795
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 23.04.2013 – 10 K 822/12 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf
10 K 822/12 E
Tenor:
Der Beklagte wird verpflichtet, unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 6. Januar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2012 bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere Werbungskosten in Höhe von 1.250,- € zu berücksichtigen.
Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom 27. Juni 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2012 wird dahingehend geändert, dass bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere Werbungskosten in Höhe von 930,- € berücksichtigt werden.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Kläger abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Der Kläger erzielt als Betriebsprüfer beim Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung (nachfolgend: FAfGKBp) Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten in der Dienststelle hatte sich der Kläger vor Jahren ein häusliches Arbeitszimmer eingerichtet.
Ende 2008 wurde der Standort der Behörde verlegt. Laut einer Bescheinigung der Dienststelle vom 10. Dezember 2010 werden hier Poolarbeitsplätze im Verhältnis von acht Prüfern zu drei Arbeitsplätzen vorgehalten. Die Möglichkeit, per 1. Oktober 2009 aufgrund der zusätzlichen Anmietung eines weiteren Geschosses eine Aufstockung um elf weitere Arbeitsplätze durchzusetzen, wurde nach einer Bescheinigung der Dienststelle vom 8. April 2011 aus organisatorischen und wirtschaftlichen Erwägungen nicht genutzt.
Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2009 machte der Kläger Aufwendungen in Höhe von 1.146,20 € und im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2010 Aufwendungen von 929,06 € für das häusliche Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 3. Mai 2010 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2009 auf 6.551,- € fest. Die geltend gemachten Kosten für das Arbeitszimmer berücksichtigte er unter Hinweis darauf, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Betätigung darstelle, nicht. Der Bescheid erging vorläufig hinsichtlich der Anwendung der Neuregelung zur Abziehbarkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2010 bat der Kläger unter Verweis auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juli 2010 um Berichtigung u.a. der Einkommensteuererklärung 2009. Dabei machte der Kläger nunmehr zusätzlich die Kosten für zwei Teppiche in Höhe von insgesamt 204,47 € (zusammen somit: 1.259,86 €) für das Arbeitszimmer geltend.
Nachdem der Beklagte den Antrag auf Berichtigung mit Bescheid vom 22. November 2010 abgelehnt und den Kläger aufgefordert hatte, eine Wohnflächenberechnung, Nachweise der Aufwendungen und eine Aufstellung der Kosten einzureichen, übermittelte der Kläger mit Schreiben vom 17. Dezember 2010 seine Berechnung der Wohnfläche, auf die Bezug genommen wird. Dabei wies der Kläger u.a. darauf hin, dass das Schlafzimmer im Dachgeschoss aufgrund der beiderseitigen Schrägen nicht zum Wohnraum gehöre und eigentlich nicht in die Wohnflächenberechnung einzubeziehen sei. Das Büro hatte sich der Kläger nach dieser Aufstellung in einem Kellerraum des aus 2 Eigentumswohnungen bestehenden Hauses eingerichtet.
Ohne die Teppiche kam der Kläger nunmehr zu einem Kostenanteil von 1.055,39 € für das Arbeitszimmer.
Mit Bescheid vom 6. Januar 2011 lehnte der Beklagte erneut den Antrag auf nachträgliche Ber ücksichtigung der Arbeitszimmerkosten – diesmal unter Verweis auf das BFH-Urteil vom 7. August 2003 (VI R 17/01, BStBl II 2004, 78) ‑ ab, weil dem Kläger von seinem Arbeitgeber ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werde.
Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 11. Januar 2011 Einspruch ein und machten geltend, dass der Arbeitnehmer in dem zitierten Urteil jederzeit über einen Arbeitsplatz habe verfügen können. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall.
Mit Schreiben vom 1. Februar 2011 führte der Beklagte aus, aufgrund des Tätigkeitsbildes als Großbetriebsprüfer sei eine tagtägliche Nutzung eines Arbeitsplatzes außerhalb der zu prüfenden Betriebe nicht erforderlich. Ein Poolarbeitsplatz, welcher mit anderen Großbetriebsprüfern zu teilen sei, sei als ausreichend anzusehen, da die Kollegen den Arbeitsplatz auch nicht tagtäglich aufsuchen müssten. Da dem Kläger nach dem Geschäftsverteilungsplan der Dienststelle ein Zimmer mit fünf weiteren Kollegen zugewiesen sei, werde um Mitteilung gebeten, wieviele Arbeitsplätze in diesem Zimmer vorhanden seien.
Nachfolgend ergänzte der Beklagte seine Ausführungen wie folgt:
Sei die Anzahl der vorhandenen Schreibtische geringer als die Anzahl der Pr üfer, die sich den Raum teilten, sei maßgebend, ob die Mitarbeiter den zur Verfügung stehenden Raum in dem für sie konkret erforderlichen Umfang nutzen könnten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich die Mitarbeiter von Prüfungsfinanzämtern überwiegend im Außendienst befinden würden. Teilten sich acht Prüfer gemeinsam einen Raum mit nur drei Schreibtischen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der einzelne Prüfer den Raum nicht für sämtliche erforderlichen Tätigkeiten nutzen könne, weil die vorhandenen Schreibtische bereits von anderen Prüfern besetzt seien. In diesem Fall stehe den acht betroffenen Prüfern kein „anderer Arbeitsplatz“ zur Verfügung, wenn sie auch auf Antrag keinen Arbeitsplatz im Prüfungs- oder einem Festsetzungsfinanzamt gestellt bekommen würden, den sie für sämtliche erforderlichen Tätigkeiten nutzen könnten.
Aus den bisher vorgelegten Bescheinigungen gehe nicht hervor, dass dem Kläger auch auf Antrag kein entsprechender Arbeitsplatz habe zur Verfügung gestellt werden können.
Mit Schreiben vom 10. November 2011 forderte der Beklagte die Beibringung einer Bescheinigung, die konkret wiedergebe, dass ein Antrag des Klägers auf eine feste räumliche Zuweisung im Dienstgebäude gestellt und abgelehnt worden sei.
Dem entgegneten die Kläger, der Kläger sei in einem Prüfungsfinanzamt mit ca. 120 Prüfern tätig. Schätzungsweise 60-80 Prüfer hätten keinen Arbeitsplatz in der Dienststelle bei höchstens 11 möglichen Arbeitsplätzen. In diesen 11 Arbeitsplätzen seien aber schon die Arbeitsplätze für Prüfungen an Amtsstelle enthalten. Aus diesen tatsächlichen Gegebenheiten habe sich schon kein Grund ergeben, einen Arbeitsplatz in der Dienststelle zu beantragen. Dies sei für die Anerkennung der Aufwendungen auch nicht Voraussetzung.
Mit Einkommensteuerbescheid vom 6. Juni 2011 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2010 – wiederum ohne Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen für das Arbeitszimmer ‑ auf 6.587,- € fest.
Dagegen legten die Kläger mit Schreiben vom 7. Juni 2011 Einspruch ein. Unter dem 27. Juni 2011 erging für 2010 ein aus hier nicht mehr streitigen Gründen geänderter Einkommensteuerbescheid.
Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2012 wies der Beklagte die Einsprüche der Kläger als unbegründet zurück.
Zur Begründung machte er geltend, die Feststellung, dass kein anderer Arbeitsplatz im Sinne von § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 und 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 zur Verfügung stehe, sei u.a. an die Voraussetzung geknüpft, dass der Dienstherr auch auf Antrag keinen Arbeitsplatz schaffen könne. Das vergebliche Bemühen um eine feste räumliche Zuweisung im Dienstgebäude sei durch Negativbescheid zu belegen. Der Kläger habe weder in der Vergangenheit, noch aktuell mit Indizwirkung für die Streitjahre einen Antrag auf feste räumliche Zuweisung im Dienstgebäude gestellt.
Was die Durchsetzung der von ihm in Anspruch genommenen Steuervergünstigungsvorschrift angehe, vermöge die von ihm prognostizierte Erfolglosigkeit jedoch nicht von der Sinnhaftigkeit des Antragsverfahrens abzulenken und von seiner Durchführung zu entlasten. Nur so sei gewährleistet, dass Aussagen zu den Unterbringungsmöglichkeiten eine am jeweiligen Einzelfall orientierte Prüfung zugrunde liege. Diese Notwendigkeit belegten auch die Angaben zu dem im Streitfall maßgebenden Sachverhalt. Sie dokumentierten, dass individuelle Lösungen bei Nachfrage nicht vollkommen ausgeschlossen seien. Ob die Bescheinigung vom 8. April 2011 mangelndes Interesse derer dokumentiere, die über ein häusliches Arbeitszimmer verfügten, sei nicht eindeutig ablesbar, aber denkbar.
Mit der am 1. März 2012 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Ergänzend machen sie geltend, laut Ziffer VI 15 des Erlasses des Bundesministeriums der Finanzen an die obersten Finanzbehörden der Länder vom 2. März 2011 über die einkommensteuerliche Behandlung der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer entfalle die Erforderlichkeit des häuslichen Arbeitszimmers nur dann, wenn ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe, der so beschaffen sei, dass der Steuerpflichtige auf das häusliche Arbeitszimmer nicht angewiesen sei.
Nach Ziffer VI 18 werde lediglich das konkrete Darlegen des Nicht-zur-Verfügung-Stehens eines anderen Arbeitsplatzes verlangt. Eine Bescheinigung des Arbeitgebers werde hingegen nicht f ür unbedingt erforderlich erachtet, sondern lediglich als Indiz für das Nicht-zur-Verfügung-Stehen eines anderen Arbeitsplatzes gesehen.
Der Kläger könne auch nicht darauf verwiesen werden, mit den anderen Prüfern zu jeweils unterschiedlichen Tageszeiten die Arbeitsplätze zu nutzen oder morgens mit ihnen um die Arbeitsplätze zu kämpfen. Die Dienstzeiten seien bei den Prüfern vergleichbar. Eine dienstliche Regelung hinsichtlich einer Zuordnung der Arbeitsplätze an die Prüfer unter Ber ücksichtigung der Frage, wer Innendienst zu verrichten habe, existiere nicht.
Die Kläger beantragen,
1 den Beklagten zu verpflichten, unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2009 vom 6. Januar 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2012 bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere Werbungskosten in Höhe von 1.250,- € zu berücksichtigen,
2 unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 2010 vom 27. Juni 2011 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2012 bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere Werbungskosten in Höhe von 930,- € zu berücksichtigen,
3 hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
1 die Klage abzuweisen,
2 hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Ergänzend macht er geltend, es reiche eine Bescheinigung, aus der hervorgehe, dass bei Stellung eines entsprechenden Antrages auf Erhalt eines Arbeitsplatzes diesem nicht hätte entsprochen werden können. Jedoch auch eine solche Bescheinigung liege nicht vor. Sie sei aber unerlässlich und solle belegen, dass dem Kläger in den Streitjahren auch auf entsprechenden Antrag hin kein Arbeitsplatz im FAfGKBp oder einem wohnortnahen Festsetzungsfinanzamt zur Verfügung gestellt worden wäre, den er für sämtliche erforderlichen Tätigkeiten hätte nutzen können.
Dem Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 29. Februar 2012 (EFG 2012, 1432) sei über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht zu folgen. Das Finanzgericht habe nicht geprüft, ob dem Kläger auf Antrag ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden wäre.
Unter dem 11. April 2013 hat der Beklagte ein Schreiben der Oberfinanzdirektion Rheinland überreicht, auf das Bezug genommen wird. In diesem Schreiben ist u.a. ausgeführt, in dem vom Finanzministerium genehmigten Raumbedarfsplan für das FAfGKBp würden Prüfer von Großbetrieben mit 70 % des Stellensolls berücksichtigt. Das FAfGKBp nutze nicht alle zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten selbst. Diese Räumlichkeiten könnten jedoch im Bedarfsfall ebenfalls Prüfern als Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden. Das FAfGKBp habe bisher nicht bemängelt, dass die Unterbringungssituation nicht ausreichend sei. Bei einer Begehung des Finanzamtes im März 2011 sei festgestellt worden, dass dort zum damaligen Zeitpunkt 12 % (14 von 116) der Betriebsprüfer einen persönlich zugewiesenen Arbeitsplatz ständig nutzten und aufgrund der räumlichen Situation noch zahlreiche weitere Arbeitsplätze persönlich hätten zugewiesen werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge einschließlich der Bauakten des Hauses der Kläger, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Die Bescheide vom 6. Januar 2011 (betr. 2009) und vom 27. Juni 2011 (Einkommensteuerbescheid 2010), jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Februar 2012, sind rechtswidrig und verletzen die Kläger insoweit in ihren Rechten (§§ 101 Satz 1, 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung ‑FGO‑), als der Beklagte die Kosten für das häusliche Arbeitszimmer des Klägers nicht als Werbungskosten zum Abzug zugelassen hat.
Nach § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 1 EStG in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes vom 8. Dezember 2010 (Bundesgesetzblatt –BGBl‑ I, S. 1768) kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sowie die Kosten der Ausstattung nicht als Werbungskosten abziehen. Dies gilt nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 EStG u.a. dann nicht, wenn dem Steuerpflichtigen für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. In diesen Fällen wird nach Satz 3 1. Halbs. der Vorschrift die Höhe der abziehbaren Aufwendungen auf 1.250 € begrenzt. Auf die nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 3 2. Halbs. EStG mögliche unbeschränkte Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer für den Fall, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet, kommt es vorliegend nicht an, da der Kläger in keinem Streitjahr über 1.250 € liegende Aufwendungen geltend macht.
§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG in der vorgenannten Fassung ist auf die hier relevanten Streitjahre anzuwenden, denn nach der Anwendungsregelung in § 52 Abs. 12 Satz 9 EStG gilt diese Vorschrift für alle offenen Fälle ab 2007.
Dem Kläger stand in den Streitjahren für seine berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz im Sinne der vorgenannten gesetzlichen Regelung zur Verfügung.
Ein "anderer Arbeitsplatz" im Sinne der Abzugsbeschränkung ist grundsätzlich jeder Arbeitsplatz, der zur Erledigung büromäßiger Arbeiten geeignet ist. Die Abzugsbeschränkung setzt keinen eigenen, räumlich abgeschlossenen Arbeitsbereich voraus. Auch ein Raum, den sich der Steuerpflichtige mit weiteren Personen teilt, kann ein anderer Arbeitsplatz im Sinne der Abzugsbeschränkung sein (BFH-Urteil vom 7.8.2003 VI R 17/01, BFHE 203, 130, Bundessteuerblatt –BStBl‑ II 2004, 78; FG Niedersachsen, Urteil vom 22. Juni 2010, 12 K 482/08, Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG‑ 2011, 602). Des Weiteren setzt die gesetzliche Regelung auch nicht voraus, dass dem Steuerpflichtigen ein "angemessener" oder "ruhiger" anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht (FG Niedersachsen, Urteil vom 22. Juni 2010, 12 K 482/08, EFG 2011, 602). So ist Publikumsverkehr für die Frage, ob es sich um einen anderen Arbeitsplatz im Sinne der Abzugsbeschränkung handelt, grundsätzlich ebenfalls unbeachtlich (BFH-Urteile vom 7.8.2003 VI R 118/00, BFHE 203, 122, BStBl II 2004, 82 und vom 7.8.2003 VI R 162/00, BFHE 203, 124, BStBl II 2004, 83).
Ein solcher Arbeitsplatz steht allerdings nur dann „für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit ... zur Verfügung“, wenn ihn der Steuerpflichtige in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen kann. Übt der Steuerpflichtige nur eine berufliche Tätigkeit aus, muss geprüft werden, ob ein ‑ an sich vorhandener ‑ anderer Arbeitsplatz auch tatsächlich für alle Aufgabenbereiche dieser Erwerbstätigkeit zur Verfügung steht. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung und insbesondere aus dem ihr zugrunde liegenden Leitgedanken der „Erforderlichkeit“ von Aufwendungen. Der Steuerpflichtige ist auch dann auf das häusliche Arbeitszimmer angewiesen, wenn er dort einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit verrichten muss (BFH-Urteil vom 7.8.2003 VI R 17/01, BFHE 203, 130, BStBl II 2004, 78).
Die Beurteilung, ob ein anderer Arbeitsplatz für alle Aufgabenbereiche der Erwerbstätigkeit genutzt werden kann, ist anhand der objektiven Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen (BFH-Beschluss vom 5.3.2008 VI B 95/07, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs ‑BFH/NV‑ 2008, 956 m.w.N.; BFH-Urteil vom 5.10.2011 VI R 91/10, BFHE 235, 372, BStBl II 2012, 127).
Entsprechend den vorstehenden Grundsätzen ist der Arbeitsplatz des Klägers im FAfGKBp als Büroarbeitsplatz ein „anderer Arbeitsplatz“ im Sinne der Abzugsbeschränkung. Dieser stand dem Kläger jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht für sämtliche beruflichen Zwecke zur Verfügung.
Auf die Prüfung vor Ort hat sich ein Betriebsprüfer, der – wie der Kläger – überwiegend Großbetriebe prüft, an Hand der Steuerakten des jeweiligen Falles vorzubereiten. Die Ergebnisse seiner Prüfung hat der Außenprüfer in Form eines Prüfungsberichtes niederzulegen, dessen Abfassung wesentlicher Teil seiner Tätigkeit ist. Für diese vor- und nachbereitenden Arbeiten im Rahmen einer Außenprüfung bedarf der Prüfer eines Büroarbeitsplatzes. Dementsprechend hat auch der Kläger geschildert, dass er – nachdem er die Akten bei der Finanzbehörde abgeholt hat – zunächst alle daraus ersichtlichen, relevanten Daten in seinem PC speichert, um sodann die Entscheidung zu treffen, ob er den Betrieb überhaupt prüft und gegebenfalls den Prüfungsumfang für sich festzulegen. Die Prüfung einschließlich der Schlussbesprechung werde dann regelmäßig im Unternehmen durchgeführt. Im Anschluss daran fertige er den BP-Bericht, wobei er die rechtliche Würdigung unter Einbeziehung der mit Hilfe seines dienstlichen Notebooks zugänglichen Datenbanken wie Juris und SIS erarbeite. Schließlich bereite er das Ergebnis seiner Prüfung für das Festsetzungsfinanzamt soweit vor, dass etwaige Änderungsbescheide im Prinzip fertig seien. Die von ihm erstellten Eingabewertbögen überlasse er sodann den Festsetzungsfinanzämtern. Dazu müsse er seine während der Prüfung ermittelten Daten umarbeiten, da diese seitens der Finanzämter bei Erstellung der Festsetzungsbescheide aufgrund der nicht kompatiblen Programme nicht unmittelbar genutzt werden könnten.
Ein für die vorstehend wiedergegebenen Arbeitsschritte erforderlicher Büroarbeitsplatz stand dem Kläger in den Räumen des FAfGKBp nach objektiven Gesichtspunkten nicht zur Verfügung.
Die Oberfinanzdirektion Rheinland selbst hat in ihrem Schreiben vom 10. April 2013 ‑ bezogen auf die Prüfer von Großbetrieben ‑ eine 30 %ige Unterdeckung bei den Arbeitsplätzen im FAfGKBp eingeräumt.
Nach dem Vorbringen der Beteiligten und den schriftlichen Angaben des Vorstehers im Einspruchsverfahren waren die räumlichen und personellen Verhältnisse in den Streitjahren so, dass im Gebäude drei Poolarbeitsplätze für 8 Prüfer vorhanden waren. Bei isolierter Betrachtung der den Sachgebieten zugeordneten Zimmer ist somit ebenfalls unstreitig keine 100 %ige Deckungsquote festzustellen. Denn bei acht Prüfern und drei Poolarbeitsplätzen ergibt sich eine (noch ungünstigere) 37 %ige Unterdeckung. Damit lag die Unterdeckung in den Jahren 2009 und 2010 wesentlich höher als im Veranlagungszeitraum 2008, in dem sie sich auf 13,35 % belief und in dem der Beklagte die Kosten des Arbeitszimmers als Werbungskosten anerkannt hat.
Einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen Tätigkeit musste der Kläger von daher jedenfalls in den Streitjahren in seinem häuslichen Arbeitszimmer verrichten. Zwar ist es, wie oben ausgeführt, irrelevant, ob der Steuerpflichtige sich ein Großraumbüro mit anderen teilen muss und dort keinen fest zugewiesenen eigenen Schreibtisch hat. Erforderlich für einen „anderen Arbeitsplatz“ i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG ist aber, dass der Steuerpflichtige jederzeit für die dienstlich erforderlichen Büroarbeiten auf einen für ihn nutzbaren Arbeitsplatz zugreifen kann. Davon kann bei 3 Arbeitsplätzen für 8 Prüfer nicht ausgegangen werden. Der Steuerpflichtige kann nicht darauf verwiesen werden, zu verschiedenen Tageszeiten auf der Suche nach einem freien Schreibtisch „sein Glück zu versuchen“ oder morgens mit anderen Prüfern einen Wettstreit um den letzten verfügbaren Arbeitsplatz auszutragen (ebenso: FG Düsseldorf, Urteil vom 29.2.2012, 7 K 3963/11 E, EFG 2012, 1432). Eine dienstliche Regelung, wonach an bestimmten Tagen die vorhandenen Arbeitsplätze individuell der entsprechenden Anzahl an Prüfern zugeordnet wurde, weil diese nach den Prüfgeschäftsplänen Innendienst zu verrichten hatten, existierte jedenfalls nicht.
Abgesehen davon steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass es dem Kläger angesichts der geschilderten Ausstattung des Dienstzimmers, welches ihm und den übrigen Kollegen des Sachgebietes zugeteilt worden war, beispielsweise überhaupt nicht möglich gewesen wäre, dort die Akten, die er zur Vor- und Nachbereitung einer Prüfung benötigte, während dieser mehr als einen Tag dauernden Arbeitsphasen ordnungsgemäß dauerhaft aufzubewahren. Das Poolzimmer wird nach den Schilderungen des Klägers zudem unter Umständen auch sachgebietsübergreifend genutzt, so dass er dann gezwungen ist, irgendwo in dem Dienstgebäude nach einem freien Arbeitsplatz zu suchen.
Dass der Kläger eingeräumt hat, er habe bislang noch immer einen freien Schreibtisch bzw. eine freie Telefonanlage zum Abrufen der E-Mails und Updaten seines Rechners gefunden, ändert nichts an dem Ergebnis. Denn ein Arbeiten in dem geschilderten, konkret notwendigen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise wird dem Kläger in dem Dienstgebäude dadurch nicht ermöglicht.
Selbst nach der zusätzlichen Anmietung eines weiteren Geschosses ab Oktober 2009 haben sich die Verhältnisse im FAfGKBp nicht derart geändert, dass dem Kläger nunmehr ein eigener Arbeitsplatz im Amt zur Verfügung gestanden hätte. Vielmehr ist dem Kläger unter dem 10. Dezember 2010 bescheinigt worden, dass nach wie vor ein Poolarbeitsplatz in einem Verhältnis von acht Prüfern zu drei Arbeitsplätzen vorgehalten wird.
Auch der Beklagte scheint ausweislich seines Schreibens vom 14. März 2011 (1. Seite, letzter Satz) sowie der Einspruchsentscheidung (2. Seite, letzter Absatz) davon auszugehen, dass der Kläger in den Streitjahren den Büroarbeitsplatz im FAfGKBp nicht in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise tatsächlich nutzen konnte. Für diesen Fall stellt er jedoch die zusätzliche Anforderung auf, dass dem Steuerpflichtigen auch auf seinen Antrag hin kein entsprechender Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden kann.
Auf die Frage, ob dem Kläger auch auf seine Nachfrage hin ein Arbeitsplatz seitens seines Arbeitgebers in dem Dienstgebäude hätte eingerichtet werden können, kommt es hier aber nicht an. Ein vergebliches Bemühen gegenüber dem Arbeitgeber um einen Arbeitsplatz setzt der Wortlaut des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 1 EStG nicht voraus (vgl. auch Söhn in Kirchhof/ Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 4 Rdnr. Lb 145).
Die Frage, ob jemand nicht nur keinen Arbeitsplatz hat, sondern er sich auch keinen Arbeitsplatz einrichten kann, stellt sich – unter dem Blickwinkel der Erforderlichkeit ‑ in erster Linie bei Selbständigen (ständ. BFH-Rspr., s. z.B. BFH-Urteil vom 7.4.2005 IV R 43/03, BFH/NV 2005, 1541) und mag unter Umständen auch bei einem Arbeitnehmer von Relevanz sein, dem die Organisation seines Arbeitsplatzes allein obliegt (vgl. FG München, Urteil vom 24. November 2011, 11 K 1167/11, EFG 2012, 1047). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass diese Steuerpflichtigen andernfalls durch entsprechende Gestaltung des außerhäuslichen Arbeitsplatzes das grundsätzliche Abzugsverbot für das häusliche Arbeitszimmer unterlaufen könnten.
Diese Fälle unterscheiden sich jedoch von dem Vorliegenden, in dem der Arbeitgeber selbst beim Erstbezug des Dienstgebäudes offensichtlich darum bemüht war, nur denjenigen Arbeitnehmern einen festen Arbeitsplatz zuzuweisen, die sich zu Hause kein Arbeitszimmer einrichten konnten. Denn nur so kann die Schilderung des Klägers verstanden werden, anlässlich des Umzuges im Jahr 2008 seien die Prüfer gefragt worden, ob sie an einem Dienstzimmer interessiert seien. Es habe sich aber möglichst niemand melden sollen, der über ein häusliches Arbeitszimmer verfüge. Der Kläger hatte danach jedenfalls keine Position inne, die es ihm ermöglicht hätte, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen in den Streitjahren sich selbst einen anderen Arbeitsplatz i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG in dem Dienstgebäude des FAfGKBp zu verschaffen.
Soweit der Beklagte geltend macht, der Kläger hätte jederzeit Räume eines Festsetzungsfinanzamtes in seinem Bezirk nutzen können, mag es zwar zutreffen, dass es in den verschiedenen Finanzämtern nutzbare Räume gegeben hat, sofern diese nicht für andere Zwecke – Dienstbesprechungen, Personalratssitzungen u.Ä. – benötigt wurden. Der Kläger kann aber nicht darauf verwiesen werden, sich zur Erledigung seiner schriftlichen Arbeiten irgendeinen freien Schreibtisch in irgendeinem Finanzamt in erreichbarer Nähe zu suchen (ebenso: FG Düsseldorf, Urteil vom 29. Februar 2012 7 K 3963/11 E, EFG 2012, 1432). Maßgebend ist allein, ob ihm im Dienstgebäude des FAfGKBp, dem der Kläger zugewiesen ist, ein „anderer Arbeitsplatz“ im Sinne der Abzugsbeschränkung für seine sämtlichen beruflichen Zwecke zur Verfügung steht.
Da dem Kläger somit im Ergebnis in den Streitjahren kein anderer Arbeitsplatz für die berufliche Tätigkeit zur Verfügung stand, waren die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer, welches unstreitig die Anforderungen erfüllt, die an ein häusliches Arbeitszimmer i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 1 EStG zu stellen sind, im Streitjahr 2009 mit 1.250 € und im Streitjahr 2010 mit 930,- € abzugsfähig. Hinsichtlich der Höhe der Aufwendungen besteht zwischen den Beteiligten ausweislich ihrer Erklärung zu Protokoll des Gerichts in der mündlichen Verhandlung ebenfalls Übereinstimmung.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung –ZPO‑.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Frage, ob Arbeitnehmer dann, wenn weniger Büroarbeitsplätze als Mitarbeiter im Büro vorhanden sind, einen anderen Arbeitsplatz i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG haben bzw. ob das Nichtvorhandensein eines anderweitigen Arbeitsplatzes im Sinne der Vorschrift dann davon abhängt, dass sich der Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber um die Zuweisung eines vollumfänglich nutzbaren Arbeitsplatzes vergeblich bemüht, ist bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden.