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  • 25.07.2013

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 18.10.2012 – 14 K 2159/12

    Aufwendungen für eine
    Dichtigkeitsprüfung der privaten Abwasserleitung nach § 61a Landeswassergesetz
    NRW sind als steuerermäßigende Handwerkerleistung i.S.v. § 35a EStG
    berücksichtigungsfähig.


    Im Namen des Volkes

    URTEIL

    In
    dem Rechtsstreit

    hat der 14. Senat in der
    Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richterin am
    Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtlicher Richter
    … ehrenamtlicher Richter… auf Grund mündlicher Verhandlung in der
    Sitzung vom 18.10.2012 für Recht erkannt:

    Tatbestand

    Streitig ist die Berücksichtigung
    von Aufwendungen für eine Dichtheitsprüfung der privaten Abwasserleitung als
    steuerermäßigende Handwerkerleistung nach § 35a EStG (Einkommensteuergesetz).


    In der Einkommensteuererklärung
    2010 beantragte der Kläger für eine Dichtheitsprüfung der Abwasserleitung
    seines privat genutzten Wohnhauses eine Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3
    EStG. In der entsprechenden Rechnung sind Arbeitskosten von 357,36 EUR
    ausgewiesen.

    In dem Einkommensteuerbescheid 2010
    vom 08.05.2012 blieben die Aufwendungen unberücksichtigt. Die Einkommensteuer
    wurde auf 6.160 EUR festgesetzt.

    Hiergegen sowie gegen die
    Berücksichtigung einer zumutbaren Eigenbelastung bei den Krankheitskosten
    richtete sich der fristgerecht eingelegte Einspruch. Hinsichtlich der
    zumutbaren Eigenbelastung wurde das Einspruchsverfahren nach § 363 Abs. 2 Satz
    1 Abgabenordnung (AO) ruhen gelassen. Hinsichtlich der Steuerermäßigung nach §
    35a Abs. 3 EStG wies der Beklagte den Einspruch durch
    Teileinspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 2a Satz 1 AO) zurück. Auf die
    Teileinspruchsentscheidung vom 14.06.2012 wird Bezug genommen.

    Mit der vorliegenden Klage vom
    11.07.2012 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er macht im Wesentlichen
    geltend, bei der Dichtheitsprüfung handele es sich um eine Handwerkerleistung
    in Form einer Erhaltungsmaßnahme im Sinne des § 35a Abs. 3 EStG. Hierzu
    gehörten auch Kontrollmaßnahmen zur Erhaltung der Immobilie unabhängig davon,
    ob es sich um Arbeiten im oder am Haus handele. Nur durch eine entsprechende
    Prüfung der Abwasserrohre könne festgestellt werden, ob Schäden vorhanden
    seien, die zu einem Reparaturaufwand führten. Entgegen der Auffassung des
    Beklagten handele es sich nicht um Aufwendungen, bei denen eine
    Gutachtertätigkeit im Vordergrund stehe. Die Dichtheitsprüfung werde nicht von
    Gutachtern, also nicht von Ingenieuren bzw. Diplom-Ingenieuren mit Hochschul-
    oder Fachhochschulausbildung durchgeführt, sondern von Installateuren mittels
    einer Rohrkamera, die Bilder der Abwasserrohre erstelle und anhand dieser
    Bilder Schäden erkennen lasse. Es handele sich nicht um ein wissenschaftliches
    Gutachten, sondern um die Überprüfung der Rohrleitung zur Behebung und
    Beseitigung eventueller Schäden und Verhinderung weiterer Schäden. Im Übrigen
    gehöre zu Erhaltungsaufwendungen auch eine Untersuchung im Vorfeld einer evtl.
    Reparaturmaßnahme dahingehend, ob tatsächlich Reparaturaufwand bestehe. Dies
    gelte umso mehr, wenn es sich um Abwasserrohre handele, bei denen nicht durch
    bloße Inaugenscheinnahme beurteilt werden könne, ob Reparaturaufwand bestehe.
    Die Untersuchung sei zudem mit einer Reinigung (Spülung) einher gegangen, da
    die Messung sonst nicht möglich gewesen wäre.

    Der Kläger beantragt,

    den Einkommensteuerbescheid 2010
    vom 08.05.2012 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 14.06.2012
    abzuändern und die Einkommensteuer 2010 um 72 EUR herabzusetzen,

    hilfsweise die Revision
    zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen,

    hilfsweise die Revision
    zuzulassen.

    Der Beklagte macht im Wesentlichen
    geltend, die Dichtheitsprüfung sei wie die vom TÜV oder anderen autorisierten
    Fachkräften durchzuführende Sicherheitsprüfung einer Heizungsanlage im
    Gegensatz zu einer Wartung der Heizungsanlage mit einer Gutachtertätigkeit
    vergleichbar. Nach Rz. 12 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen
    (BMF) vom 15.02.2010 (Bundessteuerblatt – BStBl – I 2010, 140)
    seien Aufwendungen, bei denen eine Gutachtertätigkeit im Vordergrund stehe,
    nicht nach § 35a EStG begünstigt. Eine Vergleichbarkeit mit der Wartung des
    Abwasserentsorgungssystems sei nicht gegeben. Sofern als Folge von
    Dichtheitsprüfungen Reparaturmaßnahmen anfielen, seien die entsprechenden
    Aufwendungen nach § 35a EStG begünstigt.

    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist begründet.

    Nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG in
    der im Streitjahr 2010 geltenden Fassung ermäßigt sich die tarifliche
    Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, auf Antrag um
    20 Prozent der Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die Inanspruchnahme von
    Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und
    Modernisierungsmaßnahmen, höchstens jedoch um 1.200 EUR. Nach § 35a Abs. 5 Satz
    2 EStG gilt der Abzug von der tariflichen Einkommensteuer nur für
    Arbeitskosten.

    § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG gilt nach
    seinem Wortlaut für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für
    Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen. Ausweislich der
    Gesetzesbegründung (Bundestag-Drucksache16/643 Seite 10) soll die Vorschrift
    für alle handwerklichen Tätigkeiten gelten, unabhängig davon, ob es sich um
    regelmäßig vorzunehmende Renovierungsarbeiten oder um Erhaltungs- und
    Modernisierungsmaßnahmen handelt. Danach werden sämtliche handwerkliche
    Tätigkeiten, also auch einfache handwerkliche Verrichtungen, etwa regelmäßige
    Ausbesserungs- und Erhaltungsmaßnahmen von der Vorschrift erfasst (vgl.
    BFH-Urteil vom 06.05.2010 VI R 4/09, BStBl II 2011, 909 zu § 35a Abs. 2 Satz 2
    EStG in der Fassung des Gesetzes zur steuerlichen Förderung von Wachstum und
    Beschäftigung vom 26.04.2006, BStBl I 2006, 350). Hierzu gehören auch
    Aufwendungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsarbeiten auf dem
    Grundstück, z. B. Garten- und Wegebauarbeiten (vgl. BFH-Urteil vom 13.07.2011
    VI R 61/10, BStBl II 2012, 232).

    Nach diesen Grundsätzen sind die
    streitgegenständlichen Aufwendungen für die Dichtheitsprüfung der
    Abwasserleitung als steuerermäßigende Handwerkerleistung anzuerkennen. Die
    Kamerauntersuchung wurde zum Zwecke des Dichtheitsnachweises angeordnet. Denn
    es handelte sich um eine Maßnahme, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der
    Verpflichtung stand, die Abwasserleitung instand zu halten.

    Nach § 61a Abs. 1 Satz 1
    Landeswassergesetz (LWG) NRW sind private Abwasseranlagen so anzuordnen,
    herzustellen und instand zu halten, dass sie betriebssicher sind und Gefahren
    oder unzumutbare Belästigungen nicht entstehen können. Nach Satz 2 der
    Vorschrift müssen Abwasserleitungen geschlossen, dicht und soweit erforderlich
    zum Reinigen eingerichtet sein. Nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift hat der
    Eigentümer eines Grundstücks Abwasserleitungen von Sachkundigen auf Dichtheit
    prüfen zu lassen, wobei nach Satz 4 und 5 der Vorschrift über das Ergebnis der
    Dichtheitsprüfung eine Bescheinigung zu fertigen ist, die der Gemeinde auf
    Verlangen vorzulegen ist. Nach Abs. 4 der Vorschrift muss die erste
    Dichtheitsprüfung bis zum 31.12.2015 durchgeführt werden. Der Sinn und Zweck
    einer derartigen Dichtheitsprüfung erschließt sich ohne weiteres daraus, dass
    durch diese in regelmäßigen Abständen zu wiederholenden Untersuchungen
    nachgewiesen werden soll, dass kein Abwasser über undichte Stellen aus der
    Leitung austritt und das Grundwasser kontaminiert.

    Die Dichtheitsprüfung war im
    Streitfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durch die Verpflichtung zur
    Instandhaltung der Abwasserleitung veranlasst. Durch die Untersuchung sollte
    eine konkrete Grundlage für die Notwendigkeit einer Sanierung geschaffen
    werden. Die Aufwendungen sind deshalb als Teil der Aufwendungen für die
    Instandhaltung und damit als steuerermäßigende Handwerkerleistung zu
    beurteilen. Denn zu den Handwerkerleistungen gehören nicht nur die Kosten, die
    unmittelbar der Sanierung dienen, sondern auch solche, die – wie hier die
    fachtechnische Einschätzung der Notwendigkeit einer Sanierung – nach der
    Art des Auftrags zu den Vorarbeiten gehören. Ebenso wie die Sanierung, das
    „Abdichten”, der Abwasserleitung muss die Dichtheitsprüfung als
    Handwerkerleistung anerkannt werden. Ob die Abwasserleitung saniert werden
    musste, spielt keine Rolle. Der Umstand, dass sich eine Reparatur nicht als
    notwendig erwiesen hat, vermag den eigentlichen Charakter der Aufwendungen
    nicht zu berühren.

    Entgegen der Auffassung des
    Beklagten stand bei der Dichtheitsprüfung nicht die Gutachtertätigkeit im
    Vordergrund. Zielrichtung der Maßnahme war ganz konkret die Instandhaltung der
    Abwasserleitung. Hätte sich nämlich herausgestellt, dass die Abwasserleitung
    undicht ist, wäre der Kläger nach § 61a Abs. 1 Satz 1 LWG NRW verpflichtet
    gewesen, die Abwasserleitung instand setzen zu lassen. Die Aufwendungen gehören
    daher ihrem Wesen nach zu den Instandhaltungskosten. Dass sich die
    Abwasserleitung als dicht erwiesen hat, ändert daran nichts. Im Übrigen würden
    die Aufwendungen für die Dichtheitsprüfung, wenn eine Sanierung erforderlich
    gewesen wäre, für Zwecke der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 3 EStG aus dem
    Gesamtaufwand nicht heraus gerechnet.

    Dagegen ließe sich auch nicht
    einwenden, eine Vergleichbarkeit mit der als Handwerkerleistung
    steuerermäßigten Leistung des Schornsteinfegers sei nicht gegeben, weil dieser
    die Esse reinige und (lediglich) als Ausfluss der Reinigungstätigkeit die Werte
    der Heizungsanlage auf Umweltverträglichkeit messe (vgl. Schreiben des
    Finanzministeriums Schleswig-Holstein vom 21.07.2010; Verfügungen der
    Oberfinanzdirektion – OFD-Frankfurt vom 20.08.2010, der OFD Koblenz vom
    06.09.2010 und der OFD Magdeburg vom 08.09.2010, jeweils zitiert nach juris).
    Denn die Überprüfungs-, Kehr- und Messarbeiten nach der Kehr- und
    Überprüfungsordnung (KÜO) bzw. der „Ersten Verordnung zur Durchführung
    des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (1. BImSchV) müssen nicht mehr durch ein
    und denselben Schornsteinfeger – nämlich den zuständigen
    Bezirksschornsteinfeger – durchgeführt werden. Bereits jetzt dürfen
    Schornsteinfeger aus anderen EU-Mitgliedstaaten im Rahmen der
    grenzüberschreitenden Dienstleistungsfreiheit Schornsteinfegerarbeiten in
    Deutschland anbieten. Ab dem Jahr 2013 können Grundstückseigentümer
    grundsätzlich jeden beliebigen Schornsteinfeger mit Überprüfungs-, Kehr- und
    Messarbeiten beauftragen (vgl. § 2 Schornsteinfeger-Handwerksgesetz). Reinigung
    der Esse – soweit überhaupt erforderlich – und Messung müssen daher
    nicht unbedingt in einem Arbeitsgang vorgenommen werden.

    Die festzusetzende Einkommensteuer
    2010 errechnet sich wie folgt:

    festzusetzende Einkommensteuer
    bisher
    6.160 EUR
    weitere Steuerermäßigung gem.
    § 35a EStG
    ./.
    72 EUR
    festzusetzende Einkommensteuer
    neu
    6.088 EUR
    Die Kostenentscheidung folgt aus §
    135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision wird wegen grundsätzlicher
    Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zugelassen.

    VorschriftenEStG § 35a Abs 3