10.04.2003 · IWW-Abrufnummer 030825
Bundesfinanzhof: Urteil vom 16.01.2003 – V R 72/01
Eine Lieferung oder sonstige Leistung eines Unternehmers wird "letztendlich" nur mit der Bemessungsgrundlage besteuert, die sich aufgrund der von ihm wirklich vereinnahmten Gegenleistung ergibt. Umsatzsteuerrechtlich macht es keinen Unterschied, ob der Besteller eines Werks, das sich als mangelhaft erweist, das Werk behält und statt der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 635 BGB verlangt.
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) bestellte Ende 1993 für das von ihr betriebene Sägewerk bei der M-GmbH (Beigeladene) eine von dieser an Ort und Stelle zu montierende Sägewerksmaschine zum Preis von 770 000 DM zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer = insgesamt 885 500 DM. Als Zahlungsweise war vereinbart die Zahlung eines Betrages in Höhe von 130 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer bei Auftragsvergabe sowie die Zahlung des Restbetrages in Höhe von 640 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer nach Inbetriebnahme.
Vereinbarungsgemäß leistete die Klägerin die Anzahlung in Höhe von 130 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer und machte die gezahlte Vorsteuer in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 1993 geltend.
Die Sägewerksmaschine wurde zwischen Frühjahr 1994 und Frühjahr 1995 geliefert und montiert. Die Vorsteuern aus der Restforderung der Beigeladenen von 640 000 DM, mithin 96 000 DM, machte die Klägerin nach Inbetriebnahme der Maschine in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für April 1995 geltend, ohne diese Restforderung zu begleichen.
Nach Inbetriebnahme der Maschine traten mehrere derart schwerwiegende Mängel auf, dass die Klägerin am 8. August 1995 ein Beweissicherungsverfahren beim Landgericht beantragte. Der in diesem Verfahren beauftragte Sachverständige kam zu der Feststellung, dass es an Stelle einer Instandsetzung kostengünstiger sei, die Maschine durch eine erprobte Serienmaschine zu ersetzen. Insgesamt ermittelte der Sachverst ändige einen Kostenaufwand für den Ersatz der mängelbehafteten Teile der Maschine durch Markenfabrikatteile in Höhe von insgesamt 1 080 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer.
Mit Schreiben vom 13. Februar 1996 machte die Klägerin gegenüber der Beigeladenen Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 635 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geltend. Sie wolle das mangelhafte Werk behalten und verlange von der Beigeladenen Ersatz des entstandenen Schadens in Geld, den sie wie folgt berechnete: Von dem durch den Sachverständigen ermittelten Betrag in Höhe von 1 080 000 DM setzte sie den Preis für eine mangelfreie Lieferung in Höhe von 770 000 DM ab, addierte zu dem verbleibenden Betrag in Höhe von 310 000 DM die von ihr bereits gezahlte Anzahlung in Höhe von 130 000 DM hinzu und verlangte mithin insgesamt 440 000 DM.
Daraufhin machte die Beigeladene die Klägerin mit Schreiben vom 4. März 1996 darauf aufmerksam, dass sie nach dem geschlossenen Vertrag für Schäden an den einzelnen Liefergegenständen nur bis zur Höhe ihres Wertes hafte, nicht jedoch für Folgeschäden, Wartungsfehler, indirekte Schäden und Verschleißteile.
Zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung schlossen die Klägerin und die Beigeladene sodann am 15. März 1996 einen "Vergleich". Darin wurde festgestellt, dass alle wechselseitigen Forderungen aus dem Vertrag über die Lieferung und Montage der Sägewerksmaschine erledigt seien. Es bestehe Einigkeit, dass die Maschine in das Eigentum der Klägerin übergegangen sei.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gelangte im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin zu der Auffassung, dass durch den Vergleich vom 15. März 1996 die Bemessungsgrundlage für die Lieferung und Montage der Sägewerksmaschine um 640 000 DM gemindert worden sei. Das FA berichtigte dementsprechend --zunächst im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für März 1996 und später im angefochtenen Umsatzsteuer-Jahresbescheid 1996-- den Vorsteuerabzug gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) um 96 000 DM.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung aus, das FA habe zu Recht im Streitjahr 1996 den im Jahr 1995 in Höhe von 96 000 DM gewährten Vorsteuerabzug gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG berichtigt. Denn hinsichtlich der erworbenen Sägewerksmaschine habe sich auf der Grundlage des zwischen der Klägerin und der Beigeladenen am 15. März 1996 abgeschlossenen Vergleichs die Bemessungsgrundlage für diesen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG geändert, so dass dementsprechend auch der dafür seitens der Klägerin im Jahr 1995 in Anspruch genommene Vorsteuerabzug gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG im Streitjahr zu berichtigen sei.
Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 1400 veröffentlicht.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts und macht hierzu im Wesentlichen geltend, die Bemessungsgrundlage habe sich nicht geändert.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 1999 aufzuheben und die Umsatzsteuer 1996 unter Änderung des Bescheides vom 4. September 1997 um 96 000 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beigeladene hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert. Sie hat im erstinstanzlichen Verfahren die Ansicht vertreten, dass es durch die Vereinbarung vom 15. März 1996 zu einer Minderung des Entgelts für die Lieferung der mängelbehafteten Maschine gekommen sei.
II.
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
1. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geändert, so haben
1. der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag und
2. der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug
entsprechend zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 UStG). Die Berichtigungen sind für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG).
a) Bei Lieferungen und sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG) wird der Umsatz nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG).
Maßgebend für die Höhe des Entgelts ist, was der Leistungsempfänger vereinbarungsgemäß für die Leistung aufwendet. Dem entspricht, dass die zunächst maßgebende vereinbarte Bemessungsgrundlage durch eine nachträgliche Vereinbarung mit umsatzsteuerrechtlicher Wirkung verändert (erhöht oder ermäßigt) werden kann, und dass die Leistung des Unternehmers "letztendlich" nur mit der Bemessungsgrundlage besteuert wird, die sich aufgrund der von ihm wirklich vereinnahmten Gegenleistung ergibt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. November 1995 V R 57/94, BFHE 179, 453, BStBl II 1996, 206, m.w.N.; vom 28. September 2000 V R 37/98, BFH/NV 2001, 491).
b) Damit übereinstimmend ist nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder Dienstleistungsempfänger erhält oder erhalten soll. Besteuerungsgrundlage im Sinne dieser Bestimmung ist die tatsächlich erhaltene Gegenleistung für die erbrachte Leistung (vgl. BFH-Urteil vom 16. März 2000 V R 16/99, BFHE 191, 94, BStBl II 2000, 360, m.w.N.).
2. Im Streitfall war Bemessungsgrundlage für die Lieferung und Montage der Sägewerksmaschine zunächst das vereinbarte Entgelt in Höhe von 770 000 DM (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Diese Bemessungsgrundlage hat sich durch die nachträgliche Vereinbarung der Klägerin und der Beigeladenen vom 15. März 1996 i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG geändert.
a) Nach dem Vergleich vom 15. März 1996 sollten nunmehr alle wechselseitigen Forderungen aus dem Vertrag über die Lieferung der --in das Eigentum der Klägerin übergegangenen-- Sägewerksmaschine erledigt sein.
Umsatzsteuerrechtlich bedeutet diese Vereinbarung, dass das ursprünglich vereinbarte Entgelt für Lieferung und Montage der Sägewerksmaschine von 770 000 DM um 640 000 DM auf 130 000 DM gemindert wurde. Die Klägerin hatte nunmehr für die ihr von der Beigeladenen erbrachten Leistungen "letztendlich" nur noch 130 000 DM (zuzüglich Mehrwertsteuer) zu zahlen. Diesen Betrag hat die Klägerin (mit ihrer Anzahlung) an die Beigeladene auch tatsächlich nur gezahlt. Ein weiteres Entgelt hat sie für die Lieferung und Montage der Sägewerksmaschine nicht erbracht.
b) Die Einwendungen der Klägerin gegen diese Beurteilung rechtfertigen kein anderes Ergebnis.
Dass im Streitfall der Vergütungsanspruch nicht gemäß § 634 i.V.m. §§ 459, 462, 465 und 472 BGB gemindert wurde und welche zivilrechtliche Folge das Schreiben der Klägerin vom 13. Februar 1996 hatte, ist für die Bestimmung des umsatzsteuerrechtlich "letztendlich" bezahlten Entgelts nicht erheblich. Umsatzsteuerrechtlich macht es keinen Unterschied, ob der Besteller eines Werks, das sich als mangelhaft erweist, das Werk behält und statt der Minderung Schadensersatz wegen Nichterfüllung gemäß § 635 BGB verlangt.
Ebenso wenig kommt es für die Beurteilung des hier gegebenen Sachverhalts darauf an, wie die Rechtslage wäre, wenn die Klägerin zunächst die von ihr geschuldete Vergütung in voller Höhe gezahlt und erst danach aufgrund aufgetretener Mängel von der Beigeladenen Schadensersatz verlangt hätte.