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  • 21.08.2013 · IWW-Abrufnummer 132656

    Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 23.05.2013 – 1 K 396/12

    1. Eine in einem elektronischen Warenwirtschaftssystem geführte Verkaufsdatei eines Apotkekers, bestehend aus einer Kassenzeile, den Einzeldaten und einer Bewegungsdatei, gehört zu den aufbewahrungspflichtigen Kassenunterlagen i. S. v. § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO und damit zu den nach § 147 Abs. 6 AO dem Datenzugriff des FA in elektronischer Form unterliegenden Unterlagen, da anhand der Verkaufsdatei die Bestände sowie die Bestandsveränderungen an Arzneimitteln, an Betäubungsmitteln oder auch an nicht verschreibungspflichtigen Produkten mit den Erlösen im Einzelnen verprobt werden können.

    2. Allgemein umfasst der Datenzugriff die steuerlich relevanten Daten, d. h., die Daten der Finanz-, Anlage- und Lohnbuchhaltung. Bei Daten eines Warenwirtschaftssystems wie der Verkaufsdatei handelt es sich um Daten der Finanzbuchhaltung, für die den Apotheker gemäß §§ 238ff. HGB i. V. m. den GoB eine Aufzeichnungspflicht trifft und die daher dem Datenzugriff unterfallen.

    3. Außer den allgemeinen Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften u. a. des Handelsrechts transformiert § 140 AO eine Vielzahl von in Gesetzen und Verordnungen geregelten Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften bestimmter Berufe und Tätigkeiten zu steuerrechtlichen Pflichten, für Apotheken beispielsweise §§ 22 ApBetrO, §§ 13-15 Betäubungsmittel-VerschreibungsVO i.V.m. § 13 Abs. 3 BetäubungsmittelG.

    4. Nach dem Sinn und Zweck und nach der Entwicklung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Zumutbarkeit sind in Betrieben, in denen Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden, die baren Betriebseinnahmen in der Regel nicht einzeln aufzuzeichnen, wenn dies technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich ist; jedoch sind grundsätzlich die angefallenen Registrierkassenstreifen, Kassenzettel, Bons und sonstigen Belege aufzubewahren.

    5. Welche Anforderungen die GoB stellen, ist vom Gericht objektiv unter Berücksichtigung des Zwecks der Buchführung, etwa vorhandener gesetzlicher Vorschriften und der Zumutbarkeit der Aufzeichnungen zu beurteilen. Die GoB werden durch das allgemeine Bewusstsein der anständigen und ordentlichen Kaufmannschaft geprägt und davon beeinflusst, was technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch möglich und zumutbar ist, und verändern sich folglich.

    6. Die verschiedenen steuerlichen und außensteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten bestehen unabhängig voneinander. Durch § 145 AO sollte nichts an dem durch § 140 AO und § 5 EStG erzeugten steuerrechtlichen Einfluss der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung geändert werden. Unterliegt der Steuerpflichtige bereits außensteuerlichen Regelungen der GoB, sind die handelsrechtlichen GoB auch für steuerliche Zwecke einzuhalten und treten die §§ 144, § 145 AO in den Hintergrund.


    FG des Landes Sachsen-Anhalt v. 23.05.2013

    1 K 396 / 12

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Datenanforderung im Rahmen der Betriebsprüfung, insbesondere über den Umfang der in § 147 Abs. 6 Abgabenordnung (AO) geregelten Datenzugriffsrechte.

    Der Kläger betreibt in L. eine Apotheke und ermittelt seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich, § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Derzeit findet bei ihm eine Betriebsprüfung wegen Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer der Jahre 2006 bis 2009 statt. Für die Streitjahre erklärte der Kläger jährliche Umsätze zwischen rund 6,4 und 7,7 Millionen EUR. Das Betriebsergebnis lag zwischen 830.000 und 890.000 EUR p.a.

    Der Betriebsprüfer forderte den Kläger mit Schreiben vom 17. Oktober 2011 zur Vorlage von Daten, nämlich der Verkaufsdatei bestehend aus der Kassenzeile, den Einzeldaten und der Bewegungsdatei, aus dem Warenwirtschaftssystem (WWS) der Fa. Y GmbH in elektronisch verwertbarer Form auf.

    Die Fa. Y bietet verschiedene Automatisierungsmöglichkeiten an, insbesondere für die Bereiche Warenlageroptimierung und Pflege (Verkaufsrythmusanalyse, tägliche Bestellungen), System- und Datenpflege (Datensicherung), Einkaufsoptimierung (Direktbezug, Großhandel, Reimport) und betriebswirtschaftliche Analysen (Handelsspannenkontrolle, Warengruppenanalyse, Umsatz- und Kassenstatistik).

    Der Kläger legte gegen die Aufforderung zur Vorlage der Daten der einzelnen Verkäufe in der Apotheke mit Schreiben vom 22. Oktober 2011 Einspruch ein und begründete dies damit, dass der Beklagte zu einem digitalen Zugriff insoweit nicht berechtigt sei.

    Der Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16. März 2012 zurückgewiesen.

    Der Beklagte begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Kläger als Istkaufmann nach § 1 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) gemäß §§ 238ff. HGB buchführungspflichtig sei, sich der Umfang der Buchführungspflicht aus den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) – bzw. den Grundsätzen ordnungsgemäßer datenverarbeitungsgestützter Buchführungssystem (GoBS) – ergebe und hiernach grundsätzlich jede Betriebseinnahme und -ausgabe, soweit zumutbar, mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalls aufzuzeichnen sei. Im Streitfall seien die Grundaufzeichnungen tatsächlich technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch geführt worden, so dass sich die Frage der Zumutbarkeit nicht mehr stelle.

    Es gebe zudem außensteuerliche (§ 22 Verordnung über den Betrieb von Apotheken [ApBetrO], § 13 Abs. 3 Betäubungsmittelgesetz i.V.m. §§ 13 bis 15 Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung) und steuerliche (§ 22 Umsatzsteuergesetz [UStG] i.V.m. §§ 63ff. Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung [UStDV], § 4 Abs. 5 i.V.m. Abs. 7 EStG) Aufzeichnungspflichten zu beachten.

    Auch wenn umsatzsteuerrechtliche Aufzeichnungen keine Aufzeichnungen nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen i.S.d. § 140 AO seien, so wirke eine Aufzeichnungspflicht aus einem Steuergesetz gleichwohl für andere Steuergesetze, wie das Einkommensteuergesetz (Hinweis auf Bundesfinanzhof [BFH]-Urteil vom 2. März 1982, BStBl 1984 II S. 504). Soweit im Streitfall keine gesonderte Aufzeichnung des Warenausgangs nach § 144 AO erforderlich sei, folge daraus noch nicht, dass jegliche Aufzeichnungspflicht des Warenausgangs entfalle.

    Vom Kläger sei ein WWS eingesetzt worden, wobei davon auszugehen sei, dass die Verkaufsdatenbank mit den einzelnen Verkäufen Bestandteil der Registrierkasse sei. Es sei davon auszugehen, dass alle Daten vorhanden seien. Es bestünde insoweit eine Aufbewahrungspflicht und der Kläger habe den Datenzugriff – ggf. als Berufsgeheimnisträger in anonymisierter Form – zu gewährleisten. Auf die weiteren Ausführungen im Bescheid vom 3. Mai 2012 wird Bezug genommen.

    Am 11. April 2012 wurde Klage erhoben.

    Der Kläger meint, die streitgegenständliche Datenanforderung sei rechtswidrig. Dies ergebe sich aus dem Urteil des BFH vom 24. Juni 2009 (VIII R 80/06, BStBl 2010 II S. 452).

    Nach dieser Entscheidung sei nunmehr klargestellt, dass § 147 Abs. 6 AO keine eigenständige Aufbewahrungspflicht enthalte und sich die Vorlagepflicht nur auf solche Unterlagen erstrecke, die der Steuerpflichtige nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren habe. Auch habe der Gesetzgebers mit Einführung des § 147 Abs. 6 AO die Prüfungsbefugnisse der Finanzbehörden nicht erweitern wollen (BT-Drucks 14/2683, Seite 130). Eine Einsichtnahme in Unterlagen, die vorhanden aber nicht aufzubewahren seien, verbiete sich.

    Der Umfang der Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 AO werde begrenzt durch die Reichweite der zugrunde liegenden Aufzeichnungspflicht. Die Aufbewahrungspflicht sei also akzessorisch, d.h., die Aufbewahrungspflicht setze stets eine Aufzeichnungspflicht voraus und bestehe grundsätzlich nur in deren Umfang. Diese Beschränkung trage dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit der in § 147 Abs. 1 AO geregelten Aufbewahrungspflicht ebenso Rechnung wie dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Norm.

    Für die Finanzverwaltung ergebe sich nach dem Urteil des BFH vom 24. Juni 2009 das missliche Problem, dass ihr vermeintliche Datenzugriffsrechte abhanden gekommen seien, weil der Gesetzgeber bei Einführung der Vorschriften zum digitalen Datenzugriff die Einführung entsprechender Aufzeichnungsvorschriften übersehen habe. Gleichwohl bedürfe die Finanzverwaltung einer Ermächtigungsgrundlage und der Gesetzgeber müsse – so wie in Österreich zu einer Parallelregelung geschehen – tätig werden.

    Das Datenzugriffsrecht sei im Bereich des Umsatzsteuerrechts neu geregelt und auf „eine breite Basis gestellt worden”. Wäre die AO ausreichend hierfür, hätte ein Verweis genügt; ohne Änderung der AO sei allerdings derzeit ein umfassendes Datenzugriffsrecht nicht gegeben.

    Zu den gegebenen Aufzeichnungspflichten sei auszuführen, dass in § 145 AO eine Einzelaufzeichnungspflicht vorgesehen sei und es daher zu ihrer Begründung nicht des Rückgriffs auf § 238 HGB bedürfe. Der Beklagte versuche lediglich, der Regelung in § 144 AO auszuweichen. Dies sei dogmatisch falsch. Insbesondere lasse sich den Regelungen in §§ 143 bis 145 AO keine Einzelaufzeichnungspflicht für den Warenausgang entnehmen.

    Soweit der Beklagte auf das Urteil des BFH vom 12 . Mai 1966 ( BStBl 1966 III S. 372) verweise, wonach für den Einzelhandel lediglich wegen fehlender Zumutbarkeit auf Einzelaufzeichnungen verzichtet werde, was bei modernen WWS nicht gelten könne, sei darauf zu verweisen, dass der BFH auch in aktuellen Entscheidungen (Beschluss vom 7. Februar 2008 X B 189/07) im Einzelhandel mit Bargeschäften von geringem Wert an eine Vielzahl von Kunden keine Einzelaufzeichnungspflicht fordere. Das in diesem Zusammenhang angesprochene Kriterium der Zumutbarkeit setze aber zunächst eine Aufzeichnungspflicht voraus. Von der Wirkungsweise des Einsatzes eines modernen WWS könne ebenfalls keine Aufzeichnungspflicht abgeleitet werden.

    Apothekenrechtliche Vorschriften, wie der § 22 ApBetrO (Apothekenbetriebsordnung), hätten für den Umfang der Archivierungspflicht nur geringe Bedeutung, insbesondere da die Aufzeichnungen zum Nachweis über den Verbleib und Bestand von Betäubungsmitteln zu führen seien und nicht für steuerliche Belange. Im Übrigen gehe § 143 AO – Aufzeichnungen über den Wareneingang – hier als lex specialis vor.

    § 22 ApBetrO regele eine Kombination von Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten, wobei mit Aufzeichnungen über die Lagerung (§ 16 ApBetrO) nicht die Lagerung im üblichen Apothekenbetrieb gemeint sei, sondern vielmehr vor allem die nach § 9 BtMVV (Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung) vorgeschriebenen Aufzeichnungen zum Nachweis über den Verbleib und Bestand von Betäubungsmitteln. Werde das Verzeichnis edv-gestützt (regelmäßig aber nicht im WWS, sondern über vom Apothekerverband empfohlene Software) geführt, bestehe dort eine Archivierungspflicht, da das Verzeichnis den Bestand (nur Menge und Art ohne Preis) liefere.

    Unterstütze das WWS Aufzeichnungen über die Einfuhr von Arzneimitteln, gehe § 143 AO insoweit als lex specialis vor. Die Kassenauftragszeile bilde nur den Verkauf ab. § 140 AO transformiere außensteuerliche Vorschriften nur dann in steuerliche, wenn einschlägige steuerliche Vorschriften fehlten. § 22 ApBetrO begründe daher für apothekenrechtliche Aufzeichnungen über die Einfuhr von Arzneimitteln keine steuerrechtlichen Pflichten.

    Unter In-Verkehr-Bringen i.S.d. § 22 ApBetrO sei nicht der „normale” Apothekenbetrieb gemeint, sondern das In-Verkehr-Bringen bestimmter Stoffe, insbesondere Betäubungsmittel und Gifte. Die Vorschrift sehe keine Aufzeichnungspflichten hinsichtlich des Preises dieser Stoffe vor und sei daher für die Besteuerung ohne Bedeutung.

    Gleiches gelte hinsichtlich der übrigen Tatbestandsalternativen bzw. der Anknüpfung an die BtMVV, insbesondere da keine Aufzeichnungspflicht für Entgelte vorgesehen sei. Die Kassenauftragszeile enthalte die Informationen nicht und könne über diese apothekenrechtlichen Vorschriften nicht zugriffspflichtig werden.

    Die Verprobungseignung von Daten löse grundsätzlich gerade keine Aufzeichnungspflicht aus (Bezugnahme auf FG Rheinland-Pfalz-Urteil vom 13. Juni 2006, DStRE 2005, 1550, 1552).

    Auch aus den Regelungen in den GoBS ließe sich keine Aufzeichnungspflicht ableiten, zumal es sich dabei nicht um ein Gesetz handele, weshalb § 144 AO nicht außer Kraft gesetzt werden könne.

    Auch könne eine Aufbewahrungspflicht nicht dadurch entstehen, weil sich ein Steuerpflichtiger zur Aufzeichnung von Daten entscheide; vorauszusetzen sei immer noch eine Ermächtigungsgrundlage. Es gelte für elektronische Unterlagen zudem die sog. Kassenrichtlinie und Manipulationen am WWS seien vielleicht theoretisch denkbar, praktisch aber im Streitfall nicht festgestellt worden.

    Der Beklagte verkenne, dass § 144 AO – Aufzeichnungen über den Warenausgang – als lex specialis anderen Regelungen, aus denen der Beklagte eine Einzelaufzeichnungspflicht ableiten möchte, vorgehe. In der Eingriffsverwaltung gelte der Bestimmtheitsgrundsatz, weshalb Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anforderung von Einzelaufzeichnungen bestünden, für die sich durch Auslegung des § 144 AO im Umkehrschluss keine gesetzliche Aufzeichnungspflicht finden lasse.

    Es sei rechtsvergleichend auf die gesetzliche Regelung in Österreich zu verweisen. Dort sei die Finanzverwaltung in Rechtsstreitigkeiten über eine parallele Regelung unterlegen gewesen und der Gesetzgeber (Österreichisches Bundesgesetzblatt Teil I, Ausgabe vom 26. Juni 2006) habe diese daraufhin im Jahr 2006 geändert und eine Einzelaufzeichnungspflicht mit einem korrespondierenden Überprüfungsrecht geregelt.

    Der vom Beklagte angeführte § 22 UStG erfasse nur Entgelte nach den unterschiedlichen Steuersätzen, verpflichte aber nicht zu einer kombinatorischen Aufzeichnungspflicht von Waren und Preise und schreibe unabhängig davon keine Einzelaufzeichnung vor. Dass keine verknüpfende Aufzeichnung von Ware und Entgelt verlangt werde, ergebe sich aus § 22 Abs. 2 Nr. 1 Sätze 1 und 2 UStG, wonach Entgelte nach Steuersätzen getrennt aufzuzeichnen seien und ein zusätzliches Aufzeichnen der Lieferung gesetzlich nicht vorgesehen sei. Eine Einzelaufzeichnungspflicht bestünde bei erheblichem Kassenverkehr nicht, vielmehr würden Registrierkassenstreifen diese Funktion übernehmen und bei Aufbewahrung des Tagesabschlussbons entfalle eine Aufbewahrung der Registrierkassenstreifen. Unstrittig dürfte sein, dass der Registrierkassenstreifen der Kassenauftragszeile entspreche. Zudem dürfe § 22 UStG nach dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung auch nicht so angewandt werden, dass damit der Regelungskern des § 144 AO aufgehoben werde. Auf die Schriftsätze vom 9. April 2012 sowie 18. Februar 2013 wird Bezug genommen.

    Der Kläger beantragt,

    den Datenanforderungsbescheid des Beklagten vom 17. Oktober 2011 in Form der Einspruchsentscheidung vom 16. März 2012 aufzuheben sowie hilfsweise

    die Revision zuzulassen.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen sowie hilfsweise

    die Revision zuzulassen.

    und bezieht sich zur Begründung auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid vom 16. März 2012.

    Dem Senat haben sechs Bände Verwaltungsakten vorgelegen.


    Entscheidungsgründe

    I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    1. Gemäß § 147 Abs. 6 AO können Unterlagen nach Abs. 1, die mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt wurden, im Rahmen einer Außenprüfung angefordert werden. Dieser sog. Datenzugriff setzt voraus, dass es sich um Aufzeichnungen oder Unterlagen handelt, für die den Steuerpflichtigen nach § 147 Abs. 1 AO eine Aufbewahrungspflicht trifft, welche in sachlicher Hinsicht wiederum grundsätzlich abhängig vom Bestehen und Umfang einer gesetzlichen Aufzeichnungspflicht ist (bereits BFH-Beschluss vom 26. September 2007 I B 53, 54/07, BFHE 219, 19, BStBl 2008 II S. 415; bestätigt durch BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06, BFHE 225, 302, BStBl 2010 II S. 452).

    § 147 AO ist eine Ordnungsvorschrift, die die Aufbewahrung von Buchführungs- und Aufzeichnungsunterlagen regelt (Dißars, in: Schwarz, AO, § 147, Rz. 1; Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 147 AO, Rz. 1). Die Aufbewahrungspflicht ist notwendiger Bestandteil der Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht und im Hinblick auf das Vorliegen einer Aufzeichnungspflicht akzessorisch (BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BStBl 2004 II S. 599), d.h., dass ein Steuerpflichtiger, der nach § 140 AO oder nach anderen Steuergesetzen buchführungs- und aufzeichnungspflichtig ist, die Unterlagen i.S.d. § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren hat (BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, Rz. 34, BFHE 205, 249, BStBl 2004 II S. 599; Urteil vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06, Rz. 19, BFHE 225, 302, BStBl 2010 II S. 452; Drüen, a.a.O., m.w.N).

    Zu den aufbewahrungspflichtigen Unterlagen gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 1 AO zählen Bücher und Aufzeichnungen. Darunter versteht man nicht nur die im Rahmen der Buchführung geführten, sondern alle für steuerliche Zwecke vorzunehmenden Aufzeichnungen (Dißars, a.a.O., Rz. 11). Die Begriffe Bücher und Aufzeichnungen werden in der AO nicht definiert, sondern dem handelsrechtlichen Sprachgebrauch entlehnt; Buchführung ist das Rechenwerk des Unternehmens, in dem die laufenden Geschäftsvorfälle erfasst und die Vermögenslage offengelegt wird und Aufzeichnungen sind die Darstellungen bestimmter Geschäftsvorfälle oder Vermögenssituationen außerhalb dieser Buchführung (Dißars, a.a.O., vor §§ 140-148, Rz. 6-8; Drüen, a.a.O., vor § 140, Rz. 9ff.). Bücher und Aufzeichnungen sollen die gesamten Geschäftsvorfälle dokumentieren und die Vermögenslage darlegen (Aufklärungs- und Beweisfunktion, Dißars, a.a.O., vor §§ 140-148, Rz. 10; Drüen, a.a.O., vor § 140 AO, Rz. 6).

    Aufzubewahren sind gemäß § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO auch die sonstigen Unterlagen, soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind, d.h. Aussagen oder Teilaussagen über steuerlich relevante Vorgänge enthalten (FG Münster-Urteil vom 6. September 2001 8 K 7080/97 E, EFG 2003, 45), womit als sonstige Geschäftsunterlagen alle sonstigen Unterlagen – gleich ob in verkörperter Form oder als Datei – anzusehen sind, die im Unternehmen anfallen und Geschäftsvorfälle dokumentieren oder erläutern (Dißars, a.a.O., § 147, Rz. 19). Hierunter fallen auch Kassenunterlagen (Kassenstreifen, Kassenzettel, Bons), welche – im Falle des Einsatzes von Registrierkassen – durch Tagesendsummenbons ersetzt werden können, die dann stattdessen aufzubewahren sind, bzw. durch Kassenberichte (Dißars, a.a.O., § 147, Rz. 22, m.w.Bsp.; Drüen, a.a.O. § 147 AO, Rz. 23a, 24, m.w.Bsp.).

    Die Regelung in § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO ist in ihrer generalklauselartigen Fassung verfassungsgemäß und verletzt nicht den Bestimmtheitsgrundsatz, denn die für die Besteuerung erforderlichen Unterlagen lassen sich nicht abschließend oder abstrakt und generell aufzählen; gleichwohl sind diese bestimmbar (Drüen, a.a.O., § 147 AO, Rz. 22). In der vom Kläger zitierten Entscheidung des BFH vom 24. Juni 2009 (VIII R 80/06 BFHE 225, 302, BStBl 2010 II S. 452) führt dieser aus, dass die Regelung in § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO unter Berücksichtigung der generellen Akzessorietät der Aufbewahrungspflichten dahingehend einschränkend auszulegen ist, dass nur solche sonstigen, d.h., nicht bereits unter die Nrn. 1 bis 4a fallenden, Unterlagen aufzubewahren sind, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgesehenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind. Die fraglichen Unterlagen müssen folglich dem Verständnis und der Kontrolle der gesetzlich vorgesehenen Aufzeichnungen dienen.

    Bei der vom Beklagten angeforderten Verkaufsdatei, bestehend aus der Kassenzeile, den Einzeldaten und der Bewegungsdatei, handelt es sich um Kassenunterlagen i.S.v. § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO und damit um steuerlich relevante Unterlagen, da sie dem Verständnis der Geschäftsvorfälle und der Verprobung dieser dienen können. Es können die Bestände sowie die Bestandsveränderungen an Arzneimitteln, an Betäubungsmitteln oder auch an nicht verschreibungspflichtigen Produkten mit den Erlösen im Einzelnen verprobt werden.

    2. Allgemein umfasst der Datenzugriff die steuerlich relevanten Daten, d.h., die Daten der Finanz- Anlage- und Lohnbuchhaltung ( BFH-Beschluss vom 26. September 2007 I B 53, 54/07, BFHE 219, 19, BStBl 2008 II S. 415). Hinsichtlich der angeforderten Daten des Warenwirtschaftssystems, hier die Verkaufsdatei, handelt es sich um Daten der Finanzbuchhaltung, für die nach Auffassung des Senats den Kläger gemäß §§ 238ff. HGB i.V.m. den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) eine Aufzeichnungspflicht trifft und die daher dem Datenzugriff unterfallen.

    a) § 140 AO erklärt die zahlreichen sich aus anderen Gesetzen ergebenden außersteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten zu steuerrechtlichen Pflichten (sog. abgeleitete Buchführungspflichten); diese abgeleiteten Pflichten stehen gleichberechtigt neben den durch die §§ 141 bis 144 AO normierten Pflichten (Drüen, a.a.O., vor § 140 AO, Rz. 8; § 140 AO, Rz. 1). Außer den allgemeinen Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften u.a. des Handelsrechts in den §§ 238ff. HGB transformiert § 140 AO eine Vielzahl von in Gesetzen und Verordnungen geregelten Buchführungs- und Aufzeichnungsvorschriften bestimmter Berufe und Tätigkeiten zu steuerrechtlichen Pflichten, für Apotheken beispielsweise §§ 22 ApBetrO, §§ 13-15 Betäubungsmittel-VerschreibungsVO i.V.m. § 13 Abs. 3 BetäubungsmittelG (Drüen, a.a.O., § 140 AO, Rz. 1, 14). Infolge dieser Transformation brauchen einerseits im Steuerrecht persönliche und sachliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nicht (erneut) detailliert bestimmt zu werden und andererseits brauchen die Steuerpflichtigen ihren Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nur einmal nachzukommen; dies ist grundsätzlich zweckmäßig, auch wenn die mit den jeweiligen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten verfolgten Ziele teilweise differieren (Drüen, a.a.O., § 140 AO, Rz. 1f.). Die nach anderen als Steuergesetzen zu erfüllenden Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten sind insbesondere dann für die Besteuerung zu erfüllen, wenn sie für diese von Bedeutung sind, wovon immer dann auszugehen ist, wenn sie zwar nicht darauf angelegt sind, steuerlich relevante Sachverhalte auszuweisen, ihnen aber solche zu entnehmen sind, so dass sie sich zur Verprobung der zu steuerlichen Zwecken geführten Bücher und Aufzeichnungen eignen (Drüen, a.a.O., § 140 AO, Rz. 15, Dißars, a.a.O., § 140, Rz. 8).

    b) Die wichtigsten Bestimmungen über Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten normiert das Handelsrecht für den Kaufmann in den §§ 238 bis 263 HGB, wobei nach § 1 Abs. 1 HGB Kaufmann jeder ist, der ein Handelsgewerbe betreibt (Istkaufmann). Der Kläger ist nach dem Gesamtbild seines Betriebes, insbesondere in Anbetracht des Umfangs seiner Geschäfte Kaufmann i.d.S.

    aa) Gemäß § 238 Abs. 1 HGB ist der Kaufmann verpflichtet, nach den GoB Bücher zu führen, mit denen sich ein sachverständiger Dritter in angemessener Zeit einen Überblick über seine Handelsgeschäfte und seine Vermögenslage machen kann. Nach § 239 Abs. 4 Satz 1 ist die Buchführung mit elektronischer Datenverarbeitung (EDV) zulässig, sofern sie den GoB entspricht.

    bb) Zu der Frage, ob im Einzelhandel aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung die Aufzeichnung jedes einzelnen Kasseneinganges verlangt werden kann, hat sich der BFH in einer mittlerweile bereits betagten Entscheidung im Jahr 1966 (Urteil vom 12 . Mai 1966 IV 472/60, BFHE 86, 118, BStBl 1966 III S. 371) geäußert. Der Senat geht davon aus, dass diese Grundsätze weiterhin gelten, da auch in aktuellen Entscheidungen des BFH hierauf Bezug genommen wird (beispielhaft BFH-Urteil vom 1. Oktober 1969 I R 73/66, BStBl 1970 II S. 45; BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl 2004 II S. 599; BFH-Beschluss vom 7. Februar 2008 X B 189/07, juris).

    In dem vom BFH im Jahr 1966 entschiedenen Fall hatte die Finanzbehörde einen Steuerpflichtigen, der eine Bäckerei mit Lebensmitteleinzelhandel betrieb und der seine Waren an in der Regel der Person nach unbekannte Kunden gegen Barzahlung verkaufte, geschätzt, weil dieser nicht jede einzelne Einnahme erfasst hatte und die Buchführung daher nicht ordnungsgemäß sei.

    Dem Verfahren war der Bundesminister der Finanzen (BdF) beigetreten, der die Ansicht vertrat, dass die GoB hier keine Einzelaufzeichnung verlangen und es genügt, wenn die Kasseneinnahmen täglich summarisch erfasst werden. Der BdF wurde in seiner Ansicht von der überwiegenden Anzahl der Industrie- und Handelskammern unterstützt.

    Der BFH hat festgestellt, dass die Regeln ordnungsmäßiger Buchführung grundsätzlich Einzelaufzeichnungen aller baren Betriebseinnahmen verlangen. Der Steuerpflichtige im Streitfall gleichwohl hierzu nicht verpflichtet war und dies wie folgt begründet:

    Nach § 238 Abs. 1 HGB (jetzige Fassung) muss jeder Kaufmann Bücher führen und in ihnen seine Handelsgeschäfte und die Lage seines Vermögens nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ersichtlich machen. Dies kann nur bedeuten, dass grundsätzlich jedes einzelne Handelsgeschäft so in den Büchern ersichtlich zu machen ist, dass es leicht identifiziert und nachgeprüft werden kann. Zu den Handelsgeschäften gehören auch die einzelnen sich im Geschäft abspielenden Kassenvorgänge, mögen sie Kasseneinnahmen oder Kassenausgaben betreffen. Es besteht keine Veranlassung zu der Annahme, dass die Ersichtlichmachung der Handelsgeschäfte im Grundsatz nur in Betracht kommen soll, wenn die Gegenleistung nicht Zug um Zug in bar erbracht wird.

    Die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung stellen einen unbestimmten Rechtsbegriff dar. Ihr Inhalt richte sich in erster Linie nach dem, was die anständige und ordentliche Kaufmannschaft, die der Verpflichtung zur Ersichtlichmachung der Geschäftsvorfälle und der Lage des Vermögens sorgfältig nachkommen will, hierunter versteht. Welche Anforderungen das sind, ist vom Gericht objektiv unter Berücksichtigung des Zwecks der Buchführung, etwa vorhandener gesetzlicher Vorschriften und der Zumutbarkeit der Aufzeichnungen zu beurteilen.

    Bei Barverkäufen an im allgemeinen der Person nach nicht bekannte Kunden in offenen Ladengeschäften besteht aber grundsätzlich keine Aufzeichnungspflicht in diesem Umfang, denn die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verlangen die Einzelaufzeichnungen der Kassenvorgänge nur im Rahmen des nach Art und Umfang des Geschäfts Zumutbaren. Es ist technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich, an die Aufzeichnung der einzelnen zahlreichen und baren Kassenvorgänge in Einzelhandelsgeschäften die gleichen Anforderungen wie bei anderen Handelsgeschäften zu stellen, nämlich zur Identifizierung und zur Bestimmung des Inhalts des Geschäfts Namen und Anschrift des Kunden und den Gegenstand des Kaufvertrages festzuhalten. Es kann sich bei dieser Art von Geschäften mit der Person nach im Allgemeinen nicht bekannten Käufern nur darum handeln, ob die einzelnen vereinnahmten Barbeträge festgehalten werden müssen.

    Diese Frage ist zu verneinen. Da es eine große Zahl von Einzelhandelsunternehmen gibt, bei denen auch diese Aufzeichnungen technisch und betriebswirtschaftlich nicht durchgeführt werden können oder einen im Verhältnis zu dem sich daraus ergebenden Vorteil ungewöhnlichen Arbeitsaufwand erfordern. Hinzu kommt, dass zunehmend Registrierkassen verwendet werden, bei denen zu jeder Zeit nur die Endsumme abgelesen werden können. Hierfür spricht des Weiteren die historische Entwicklung (mit weiteren Ausführungen).

    Im Ergebnis sind nach dem Sinn und Zweck und nach der Entwicklung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung und unter Berücksichtigung des Gesichtspunkts der Zumutbarkeit in Betrieben, in denen Waren von geringerem Wert an eine unbestimmte Vielzahl nicht bekannter und auch nicht feststellbarer Personen verkauft werden, die baren Betriebseinnahmen in der Regel nicht einzeln aufzuzeichnen, jedoch sind grundsätzlich die angefallenen Registrierkassenstreifen, Kassenzettel, Bons und sonstigen Belege aufzubewahren.

    cc) Der entscheidende Senat ist der Auffassung, dass diese Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Fall übertragen dazu führen, dass von einer Aufzeichnungspflicht hinsichtlich der Verkaufsdatei (Kassenzeile, Einzeldaten, Bewegungsdatei) und folglich auch von einer Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht auszugehen ist.

    (1) Der Entscheidung aus dem Jahr 1966 – wie auch den Folgeentscheidungen – ist folgende Struktur zu entnehmen: Vom Grundsatz her verlangen die GoB eine Einzelaufzeichnung jedes einzelnen Geschäfts und somit auch jeder Einnahme. Die GoB sind aber ein unbestimmter Rechtsbegriff, der sich insbesondere nach dem Vorstellungsbild eines anständigen und ordentlichen Kaufmanns richtet und dessen Inhalt durch die Gerichte u.a. nach Zumutbarkeitsgesichtspunkten zu würdigen ist. Daher ist abweichend von dem Grundsatz der Aufzeichnungspflicht in Ausnahmefällen keine Einzelaufzeichnung erforderlich. Dies wiederum ist regelmäßig dann der Fall, wenn es sich um Barverkäufe an im allgemeinen der Person nach nicht bekannte Kunden im offenen Ladengeschäft handelt. Denn eine Einzelaufzeichnung ist hier regelmäßig technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch unmöglich.

    (2) Zunächst ist festzustellen, dass der BFH typisiert und bei Barverkäufen an im allgemeinen der Person nach nicht bekannte Kunden im offenen Ladengeschäft einen Regelfall der Ausnahme von der Aufzeichnungspflicht beschreibt. Er erläutert aber auch den dahinterliegenden Grundgedanken, weshalb bei einer bestimmten Art eines Betriebes die Aufzeichnungspflicht suspendiert ist. Weil nämlich bei diesen Betrieben die Einzelaufzeichnung aufgrund innerer, hier insbesondere die Größe des Betriebes (Bäcker, Imbiss, Taxibetrieb) und äußerer Gründe, hier insbesondere wegen technischer, wie der verwendeten Kassen (Registrierkasse, Handkasse), Grenzen hat.

    Die Typisierung stellt also nicht nur auf eine bestimmte Verkaufsform ab (Barverkäufe an im allgemeinen der Person nach nicht bekannte Kunden im offenen Ladengeschäft), sondern beinhaltet auch einzelfallbezogene Umstände, wie die Frage der Zumutbarkeit einer Aufzeichnung. Das kann nur bedeuten, dass auch beim Vorliegen einer bestimmten Art der Verkaufsform Ausnahmen von der Ausnahme zur Aufzeichnungspflicht in Betracht kommen bzw. schon der Regelfall (Ausnahme von der Aufzeichnungspflicht) nicht vorliegt.

    Dies ist nach Auffassung des Senats dann der Fall, wenn die beschriebenen technischen, betriebswirtschaftlichen und praktischen Probleme nicht (mehr) bestehen. In diesem Fall besteht kein Bedürfnis danach, von der grundsätzlich bestehenden Einzelaufzeichnungspflicht aller Kassenvorgänge eine Ausnahme zu machen.

    Es ist kaum anzunehmen, dass der BFH zum Ausdruck habe bringen wollen, dass man gleichsam schematisch eine Pflicht zur Aufzeichnung verneint, allein weil ein Geschäft einem bestimmten Verkaufstypus unterfällt (Barverkäufe an im allgemeinen der Person nach nicht bekannte Kunden im offenen Ladengeschäft; so aber FG Hessisches Finanzgericht-Urteil vom 24. April 2013 4 K 422/ 12 ), unabhängig davon, ob es sich hier um eine Bäckerei mit Lebensmitteleinzelhandel, einen kleinen Taxibetrieb, einen Zeitungskiosk, einen Imbiss, allesamt Kleinst- und Kleinbetriebe, oder aber um ein Geschäft handelt, in dem – wie beim Kläger – jährliche Umsätze von 6, 4 bis 7,7 Millionen EUR gemacht werden, also um einen Großbetrieb. Denn dann wären die umfangreichen Ausführungen zu dem beschriebenen Regel-Ausnahme-Verhältnis und die vorgenommene Betrachtung der Frage der Zumutbarkeit im Grunde überflüssig.

    Der Senat ist daher der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls den Kläger hier hinsichtlich der unstreitig vorhandenen Daten des WWS, insbesondere der Verkaufsdatei eine Aufzeichnungspflicht trifft. Der Einsatz des Warenwirtschaftssystems ermöglicht es dem Kläger, die aufzeichnungspflichtigen Daten technisch unproblematisch zu erfassen.

    Betriebswirtschaftliche oder sonstige praktische Schwierigkeiten der Aufzeichnungen sind nicht vorhanden. Die Datenerhebung ist im Gegenteil sogar besonders vorteilhaft, da sie einerseits den ständigen Überblick über den Bestand sowie dessen Pflege (automatisches Bestellsystem) und dessen Aktualität (Verfallsdaten, neue/alternative Medikamente, Informationen über die Produkte, etc.) gewährleistet und andererseits anhand der Verkaufsdaten auch betriebswirtschaftliche Analysen, beispielsweise über besonders nachgefragte oder auch besonders gewinnträchtige Produkte, ermöglicht werden.

    Da Zumutbarkeitsgründe hier nicht gegen die Aufzeichnung der Verkaufsdaten sprechen, kommt der Kläger nur seiner bestehenden Aufzeichnungspflicht nach, so dass er sich hier nicht etwa überobligatorisch verhält.

    (3) Die GoB unterliegen, wie der BFH festgestellt hat, einem Wandel. Sie werden durch das allgemeine Bewusstsein der anständigen und ordentlichen Kaufmannschaft geprägt und eben davon beeinflusst, was technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch möglich und zumutbar ist, und verändern sich folglich.

    Der Senat hält es insbesondere in Anbetracht des Umfangs der geschäftlichen Tätigkeit des Klägers für wenig wahrscheinlich, dass in der Kaufmannschaft die Ansicht vorherrscht, diesem sei die Einzelaufzeichnung der Geschäfte nicht zumutbar. Ganz im Gegenteil – und dass ist der entscheidende Punkt – ist die Einzelaufzeichnung, d.h., die Erfassung aller mit dem An- und Verkauf zusammenhängenden Daten, und der Einsatz eines Warenwirtschaftssystems das wesentliche Kriterium, um Geschäfte in dem Umfang, wie dies beim Kläger der Fall ist, überhaupt betreiben zu können. Denn die vom Kläger erzielten Umsätze von rund 6,4 und 7,7 Millionen EUR in den Streitjahren (Betriebsergebnisse zwischen 830.000 und 890.000 EUR p.a.) lassen sich nur mit einer großen Vielzahl verkaufter Einzelprodukte an eine große Käuferschicht mit entsprechend notwendiger logistischer Unterstützung durch ein WWS oder aber mit der Belieferung von Krankenhäusern mit speziell angefertigten und damit preisintensiven Medikamenten (derartige Umsätze dürften aber schon nicht mehr der Verkaufsform „Barverkäufe an im allgemeinen der Person nach nicht bekannte Kunden im offenen Ladengeschäft” unterfallen) erklären.

    Im Streitfall nutzt der Kläger ein WWS des Anbieters Y, welches Automatisierungsmöglichkeiten bei der Warenlagerverwaltung (z.B. Verkaufsrythmusanalyse, Verfalldatenkontrolle, tägliche Bestellungen), System- und Datenpflege (z.B. Datensicherung), Einkaufsoptimierung (z.B. Liste Direktbezug/Großhandel/Reimport) oder betriebswirtschaftliche Analysen (z.B. Handelsspannenkontrolle, diverse Umsatz- und Kassenstatistiken) u.a. bietet.

    Warenwirtschaftssysteme finden wegen der umfassenden Automatisierungsmöglichkeiten in großen Betrieben zunehmend Verbreitung. Gerade wegen der Möglichkeit, wertvolle betriebswirtschaftliche Daten zu sammeln, diese auszuwerten und eine Vielzahl von Arbeitsschritten darauf abzustimmen, erfolgt deren Einsatz. Die Automatisierung der Arbeitsschritte wiederum bietet die Möglichkeit, den Umfang der betrieblichen Aktivitäten enorm zu erweitern, insbesondere da die Überwachungs- und Kontrollfunktionen vereinfacht werden.

    Es erscheint in sich nicht schlüssig, einerseits aus betriebswirtschaftlichen und praktischen Gründen auf die Datenerhebung der Verkaufsdaten bei Einsatz der Technik eines Warenwirtschaftssystems angewiesen zu sein, will man hohe Umsätze und Gewinne erzielen, andererseits unter Hinweis auf die fehlende Zumutbarkeit einer Aufzeichnung dieser Daten wegen technischer, betriebswirtschaftlicher und praktischer Gründe eine Pflicht zur Aufzeichnung der Daten zu verneinen. Von einem anständigen und ordentlichen Kaufmann kann nicht angenommen werden, dass er den Inhalt der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung unter Zugrundelegung eines unschlüssigen Ansatzes bestimmt.

    Ebenfalls kann nicht angenommen werden, dass ein anständiger und ordentlicher Kaufmann eine Aufzeichnung für praktisch, technische und betriebswirtschaftlich unzumutbar hält, obwohl derartige Hinderungsgründe nicht vorliegen, und vorhandene Buchführungsdaten deshalb für nicht aufzeichnungspflichtig hält.

    (4) Des Weiteren ist durch die bestehende Rspr. des BFH zum Regel-Ausnahmeverhältnis der Aufzeichnungspflichten in dem dargestellten Rahmen – grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht, die bei besonderen Umständen (wie technischen, betriebswirtschaftlichen oder praktischen Schwierigkeiten) suspendiert wird – auch die Verhältnismäßigkeit gewahrt, denn dadurch kann angemessen auf jeden Einzelfall reagiert werden und insbesondere auch der Umfang der geschäftlichen Betätigung berücksichtigt werden. Ist eine Aufzeichnung nach dem Umfang der Geschäfte unverzichtbar, kann kaum unter Bezugnahme auf eine fehlende Zumutbarkeit die Vorlage dieser Daten verneint werden. Zumindest dürfte auch eine – nach Ansicht des Senats entbehrliche – gesetzliche Regelung kaum anders gestaltet sein.

    dd) Soweit der Kläger meint, aus steuerrechtsdogmatischer Sicht sperre § 145 Abs. 1 AO eine Transformation des § 238 Abs. 1 HGB und die Anwendung der GoB, kann der Senat dem nicht folgen.

    § 145 AO wurde im Rahmen der AO 1977 erschaffen und aus der langjährigen steuerlichen Rspr. entwickelt (Sauer, in: Beermann/Gosch, § 145 AO, Rz. 1). Durch § 145 AO sollte nichts an dem durch § 140 AO und § 5 EStG erzeugten steuerrechtlichen Einfluss der handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung geändert werden (Görke, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 145 AO, Rz. 5).

    Die Vorschrift definiert die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und Aufzeichnungen mit einem steuerlichen Zweckbezug (Abs. 2); durch diese steuerliche Zweckausrichtung ist das Verhältnis zu den handelsrechtlichen GoB bestimmt, was bedeutet, dass, sollte der Steuerpflichtige bereits den außensteuerlichen Regelungen der GoB unterliegen, die handelsrechtlichen GoB auch für steuerliche Zwecke einzuhalten sind und der § 145 AO in den Hintergrund tritt (Sauer, in: Beermann/Gosch, § 145 AO, Rz. 3; Dißars, in: Schwarz, § 140, Rz. 3, 6). Folglich ist es gerade der § 145 AO dessen Anwendung gesperrt wird, wenn sich Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten aus den GoB ergeben und nicht umgekehrt.

    ee) Soweit der Kläger meint, dass ein Rückgriff auf die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten des HGB eine unzulässige Umgehung des insoweit spezielleren § 144 AO bewirken würde, vermag dem der Senat ebenfalls nicht zu folgen.

    Im Vierten Teil der Abgabenordnung, der die Durchführung der Besteuerung regelt, sind im Zweiten Abschnitt die Mitwirkungspflichten und dort im Unterabschnitt 1 in den §§ 140 bis 148 AO die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten geregelt.

    Die Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten ergeben sich zum Teil aus den Steuergesetzen und zum Teil aus anderen Gesetzen, wobei § 140 AO die zahlreichen außensteuerlichen (abgeleiteten) Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten zu steuerlichen Pflichten erklärt, die gleichberechtigt neben den durch §§ 141 bis 144 AO normierten originären Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten stehen (vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, Vor § 140 AO, Rz. 8). Gerade weil neben den §§ 140ff. AO sowohl die Abgabenordnung als auch die Einzelsteuergesetze beweissichernde Aufzeichnungen zu speziellen Zwecken und mit speziellen Inhalten vorschreibt, haben die §§ 140 ff. AO keine Konzentrationsfunktion (vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, Vor § 140 AO, Rz. 7).

    Die §§ 238ff. HGB stimmen zum Teil wörtlich mit den §§ 140ff. AO überein und die Aufbauprinzipien entsprechen einander (vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, Vor § 140 AO, Rz. 2f.). Die Pflicht zur Aufzeichnung des Wareneingangs nach § 143 AO sowie die Pflicht zur Aufzeichnung des Warenausgangs bestehen unabhängig von den Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten nach § 140 AO bzw. den handelsrechtlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (vgl. Drüen, in: Tipke/Kruse, § 143 AO, Rz. 3, m.w.N., § 144, Rz. 1).

    Da die verschiedenen steuerlichen und außensteuerlichen Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten unabhängig voneinander, nebeneinander bestehen und eben keine vorrangige Anwendung der §§ 140ff. AO aus der Entstehungsgeschichte, den Gesetzgebungsmaterialien oder dem Wortlaut hergeleitet werden kann, ist eine Sperrwirkung abzulehnen. Im Übrigen sieht wohl auch der BFH eine solche nicht, da sich sonst seine Ausführungen hinsichtlich einer grundsätzlich bestehenden Pflicht zu Einzelaufzeichnungen der Betriebseinnahmen (z.B. Urteil vom 12 . Mai 1966 IV 472/60, BFHE 86, 118, BStBl 1966 III S. 372 und Urteil vom 7. Februar 2008 X B 189/07, juris) nicht erklären lassen.

    § 144 AO begründet positiv für bestimmte Gewerbetreibende eine zusätzliche, selbständige, von handelsrechtlichen Buchführungspflichten unabhängige Aufzeichnungspflicht (Drüen, a.a.O., § 144 AO, Rz. 1). Daher kommt es auch nicht zu dem behaupteten unlösbaren Widerspruch zwischen § 144 AO und § 145 AO. § 144 AO ist auch nicht etwa lex specialis zu anderen Regelungen, sondern gilt eben nur innerhalb ihres persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs.

    c) Da der Beklagte sein Vorlageersuchen auf die §§ 238ff. HGB i.V.m. den GoB gestützt hat, kommt es nicht darauf an, ob sich aus anderen Vorschriften noch Aufzeichnungspflichten ergeben (Der Beklagte hat lediglich ausgeführt, dass solche zu beachten seien.). Gleichwohl ist dazu Folgendes ausführen:

    aa) Neben den §§ 140ff. AO schreiben die Einzelsteuergesetze beweissichernde Aufzeichnungen zu speziellen Zwecken und zu speziellen Inhalten vor wie beispielsweise § 22 UStG (Drüen, a.a.O., vor § 140, Rz. 7). Diese Aufzeichnungspflichten aus einem Steuergesetz gelten, soweit ihr Geltungsbereich nicht gesetzlich beschränkt ist oder eine solche Beschränkung aus der Natur der Sache folgt, unmittelbar für andere Steuergesetze (BFH-Urteil vom 2. März 1982 VIII R 225/80, BFHE 136, 28, BStBl 1984 II S. 504; BFH-Beschluss vom 16. Februar 2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940). Eine derartige Beschränkung gilt hinsichtlich der Aufzeichnungsverpflichtung nach § 22 UStG nicht (BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl 2004 II S. 599).

    bb) Gemäß § 22 Abs. 1 UStG ist u.a. der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlage ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen, wobei nach Abs. 2 die – vereinbarten bzw. vereinnahmten – Entgelte für die – ausgeführten bzw. noch nicht ausgeführten – Lieferungen und sonstigen Leistungen u.a. mehr aufzuzeichnen sind. Aus § 22 UStG i.V.m. §§ 63 bis 68 UStDV ergibt sich eine Pflicht zur Einzelaufzeichnung (BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BFHE 205, 249, BStBl 2004 II S. 599), wobei diese so beschaffen sein muss, dass sich ein sachverständiger Dritter innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die einzelnen Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern verschaffen können muss.

    Soweit im Bereich des Einzelgewerbes Ausnahmen von dieser Aufzeichnungspflicht bestehen, gelten die obigen Ausführungen (unter b] bb]) hinsichtlich der Aufzeichnungspflichten aus den GoB entsprechend. Damit ist die Einheit der Rechtsordnung gewahrt.

    cc) Darüber hinaus ergeben sich grundsätzlich Aufzeichnungspflichten aus weiteren Vorschriften, nämlich aus § 22 ApBetrO und §§ 13-15 Betäubungsmittel-VerschreibungsVO i.V.m. § 13 Abs. 3 BetäubungsmittelG.

    Soweit diese Vorschriften, wie der Kläger zu Recht ausführt, vordergründig andere Zielsetzungen verfolgen, hindert dies nicht daran, dass sie auch steuerrechtlich nutzbar gemacht werden. Denn diese Aufzeichnungen sind zumindest zur Verprobung der zu steuerlichen Zwecken geführten Bücher und Aufzeichnungen geeignet.

    Es ist auch zutreffend, dass die hiernach zu führenden Aufzeichnungen nicht den gesamten Bestand der zu lagernden Waren bzw. die erzielten Veräußerungspreise erfassen, sondern diese nur punktuell bestehen (zu den Einzelheiten vgl. Pfeil/Pieck/Blume, Apothekenbetriebsordnung, § 22, Rz. 6ff.).

    dd) Folglich kann die Vorlage der Verkaufsdatei nicht hierauf gestützt werden – was der Beklagte auch erkennbar nicht gemacht hat. Der Senat meint aber, dass dann, wenn bestimmte Daten nicht aufbewahrungspflichtig seien sollten, diese aber mit vorlagepflichtigen Daten verknüpft sind, sich eine Datentrennung und Zugriffsbeschränkung durch den Steuerpflichtigen empfiehlt (Drüen, a.a.O., § 147 AO, Rz. 71f.), da der Steuerpflichtige andernfalls eine vollständige Vorlage der Daten nicht wird verhindern können (FG Rheinland-Pfalz-Urteil 20. Januar 2005 4 K 2167/04, EFG 2005, 667).

    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    III. Der Senat lässt die Revision zu.

    1. Anders als der Kläger meint, liegt eine Divergenz zum Beschluss des Finanzgerichts Hamburg (vom 31. August 2011 6 V 2/11, juris) nicht vor. In dem angeführten Beschluss des Finanzgerichts Hamburg vom 31. August 2011 ging es – verkürzt dargestellt – um die Schätzungsbefugnis der Finanzbehörde, weil ein Taxiunternehmer, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, seine Einnahmen jeweils am Monatsende für jeden einzelnen Fahrer in einem Kassenbericht erfasste, Grundaufzeichnungen der einzelnen Fahrer in Form von Schichtzetteln aber nicht vorlegte. Das Finanzgericht Hamburg hat die Einzelaufzeichnungspflicht zutreffend aufgrund fehlender Zumutbarkeit verneint. Schließlich führen Taxifahrer in der Regel eine offene Kasse (Brieftasche) und setzen kein Warenwirtschaftssystem ein. Die entschiedenen Fälle sind nicht vergleichbar.

    2. Im Hinblick auf die Entscheidung des Hessischen Finanzgerichts vom 24. April 2013 (4 K 422/ 12 ) liegt nach Auffassung des Senats eine Divergenz vor. Denn dieser Entscheidung ist zu entnehmen, dass es hinsichtlich der Frage, ob eine Aufzeichnungspflicht besteht, nicht auf den einzelnen Steuerpflichtigen, sondern auf den Typus eines in größerem Umfang Barumsätze erzielenden Einzelhandelbetriebs (gleich welcher Größe) ankomme.

    3. Zudem hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung. Die maßgebliche Entscheidung über die Frage, ob Einzelgewerbetreibende zur Aufzeichnung von Kasseneinnahmen verpflichtet sind, stammt aus dem Jahr 1966. Der BFH hat in dieser Entscheidung und auch in Folgeentscheidungen zur Bestimmung der GoB auch auf die technische Entwicklung abgestellt, die sich gerade in Abhängigkeit vom Umfang der betrieblichen Tätigkeit im Einzelfall stark weiterentwickelt hat. Die weiteren Entscheidungen sind – soweit erkennbar – zu Betrieben ergangen, die nicht die Betriebsgrößenklasse des klägerischen Unternehmens (Großbetrieb) erreichen.

    Im Streitfall erfordert das Unternehmen des Klägers allein nach dem Umfang des Umsatzes den Einsatz eines Warenwirtschaftssystems. Derartige Systeme gab es zum Einen im Jahr 1966 noch nicht, zum Anderen werden WWS infolge des Verschwindens des Einzelhandels zugunsten großer Filialketten zunehmend eingesetzt.

    RechtsgebieteAO, HGB, EStGVorschriftenAO § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO § 147 Abs. 6 AO § 140 AO § 144 AO § 145 HGB § 238 EStG § 5 Abs. 1