05.09.2013
Finanzgericht Köln: Urteil vom 26.06.2013 – 7 K 2700/12
Anwaltskosten zur Verteidigung gegen einen Unterhaltsabänderungsantrag einer unterhaltsberechtigten Kindesmutter und deren
nichtehelichen Kindes sind als außergewöhnliche Belastungen des Kindesvaters abziehbar, solange die Rechtsverteidigung aus
Sicht eines verständigen Dritten hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Höhe der anzuerkennenden
Kosten richtet sich nach dem RVG. Daran ändert auch der Nichtanwendungserlass des BMF nichts, der bis zu der ausschließenden
Regelung in § 33 Abs. 3 EStG ab dem VZ 2013 die geänderte BFH-Rechtsprechung für über den Einzelfall hinaus nicht anwendbar
erklärt hat.
Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Senat in der Besetzung: Vizepräsident des Finanzgerichts … Richter am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht
… ehrenamtlicher Richter … ehrenamtlicher Richter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 26.06.2013 für Recht
erkannt:
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Anwaltskosten, die dem Kläger im Zusammenhang mit der gerichtlichen Festsetzung
des Unterhalts für sein uneheliches Kind und dessen Mutter entstanden sind, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen
sind.
Der geschiedene Kläger wurde im Streitjahr 2011 einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. Er ist der Vater des am ….7.2010 geborenen
Kindes A. Mit der Kindesmutter A1 war er nicht verheiratet und lebte auch nicht mit ihr zusammen. Weitere Kinder hatte der
Kläger nicht. Er verpflichtete sich am 3.9.2010 vor dem Jugendamt der Stadt B (Az.: …) in einer Jugendamtsurkunde zur Zahlung
von Kindesunterhalt für seinen Sohn A. Außerdem verpflichtete er sich in einem notariellen Schuldanerkenntnis mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung
am 6.9.2010 vor der Notarin C (UR.Nr. …) zur Unterhaltszahlung an die Kindesmutter gem. § 1615 l BGB in Höhe von 440 EUR monatlich.
Der Kläger kam diesen Unterhaltsverpflichtungen regelmäßig nach.
Die Mutter von A, Frau A1, stellte noch im Jahr 2010 beim Amtsgericht B, Familiengericht, Abänderungsanträge in Bezug auf
den Kindesunterhalt und den Unterhalt der Kindesmutter (Geschäfts. Nr.: …). Das Verfahren wurde mit gerichtlich protokolliertem
Vergleich vom 12.4.2011 einvernehmlich beendet. Mit dem Vergleich verpflichtete sich der Kläger unter Abänderung der o.g.
Jugendamtsurkunde, seinem Sohn einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 128 % des Mindestbedarfs abzüglich des in Anrechnung
zu bringenden hälftigen Kindergeldanteils zu zahlen. Außerdem wurde der Unterhalt der Kindesmutter für die Zeit vom Mai bis
September 2011 auf 550,00 EUR monatlich und ab Oktober 2011 auf 1.100,00 EUR monatlich festgesetzt. Die Kosten des Verfahrens
und die Kosten des Vergleichs wurden gegeneinander aufgehoben. Am 24.4.2011 erstellte der Prozessvertreter des Klägers in
der Familiensache die Endabrechnung, die sich auf noch zu zahlende Anwaltskosten i.H.v. 3.155 Euro belief und vom Kläger in
2011 beglichen wurde. Der Prozessvertreter rechnete dabei ausschließlich gesetzliche Anwaltsgebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes
(RVG) ab. Vom RVG abweichende Vergütungsvereinbarungen nach § 3a RVG, die über die gesetzlichen Rahmengebühren hinausgehen,
wurden nicht berechnet.
In der Einkommensteuererklärung für 2011 machte der Kläger neben Krankheitskosten von 20 EUR die o.g. Anwaltsgebühren als
außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 3.155 Euro geltend. Der Beklagte verweigerte im Einkommensteuerbescheid für 2011
vom 22.5. 2012 die steuerliche Berücksichtigung der Anwaltskosten. In den Erläuterungen des Steuerbescheids wies er insoweit
darauf hin, dass die Kosten eines Zivilprozesses den Steuerpflichtigen in aller Regel nicht zwangsläufig träfen und daher
keine außergewöhnlichen Belastungen seien. Die Krankheitskosten in Höhe von 20 EUR erkannte der Beklagte als außergewöhnliche
Belastungen an. Bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 58.882 EUR und der Berücksichtigung eines Kindes wirkten
sich diese Kosten im Hinblick auf eine zumutbare Belastung (§ 33 Abs. 3 Nr. 2 EStG) von 2.355 EUR zunächst nicht aus.
Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 9.8. 2012). Der Beklagte ging in der Einspruchsentscheidung
unzutreffend davon aus, dass die geltend gemachten Kosten in Zusammenhang mit der Scheidung des Klägers stünden. Er vertrat
insoweit die Auffassung, dass als außergewöhnliche Belastungen nur die originären Scheidungskosten, die Kosten für die Regelung
des Versorgungsausgleichs und die Kosten für das Sorge- und Umgangsrecht für vor dem 1.7.1998 geborene Kinder anerkannt werden
könnten. Die Kosten für alle weiteren Scheidungsfolgesachen seien nicht zwangsläufig entstanden, weil sie nur auf Antrag eines
Ehegatten durch das Gericht entstehen würden. Dies gelte auch für den anderen Ehegatten, der den Antrag auf Regelung von Scheidungsfolgesachen
nicht gestellt habe. Das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. 5. 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015), auf das sich
der Kläger berufe, werde von der Finanzverwaltung nicht über den Einzelfall hinaus angewandt (Hinweis auf Nichtanwendungserlass
des BMF vom 20.12.2011,BStBl I 2011, 1286).
Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger geltend, der Beklagte habe die Prozesskosten im Hinblick auf das BFH-Urteil vom
12. 5 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) zu Unrecht nicht anerkannt. Die Zivilprozesskosten seien zur Abwehr von Unterhaltsansprüchen
der Mutter des gemeinsamen Kindes entstanden. Diese Kosten seien zwangsläufig entstanden. Seine Rechtsverteidigung sei nicht
mutwillig gewesen und habe von Anfang an Aussicht auf Erfolg gehabt.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für 2011 vom 22.5.2012 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 9.8.2012 durch Ansatz eines
weiteren Betrages i.H.v. 3.155 Euro als außergewöhnliche Belastungen zu ändern,
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
im Unterliegensfall die Revision zuzulassen.
Auch wenn es sich bei den geltend gemachten Rechtsanwaltskosten nicht um Scheidungsfolgekosten handele, könnten die Kosten
nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden. Das Urteil des BFH-Urteil vom 12. 5. 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011,
1015) werde von der Finanzverwaltung nicht über den Einzelfall hinaus angewandt.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger wird durch den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2011 in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Der Beklagte hat zu Unrecht die vom Kläger in 2011 verausgabten Rechtsanwaltskosten i.H.v. 3.155 EUR nicht als weitere außergewöhnliche
Belastungen berücksichtigt.
Die im Rahmen des familiengerichtlichen Unterhaltsstreits im Streitjahr entstandenen Anwaltskosten stellen in vollem Umfang
außergewöhnliche Belastungen i.S. des § 33 Abs. 1 EStG dar.
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird auf Antrag die Einkommensteuer ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen
als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstands
erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen
aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und somit die Aufwendungen den Umständen nach
notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Für die Entscheidung, ob Aufwendungen zwangsläufig i.S. des § 33 EStG angefallen sind, ist auf die wesentliche Ursache abzustellen,
die zu den Aufwendungen geführt hat. Liegt diese in der vom Einzelnen gestaltbaren Lebensführung, kommt ein Abzug nicht in
Betracht (vgl. BFH, Urteil vom 18. 3. 2004 III R 31/02, BStBl II 2004, 867). Die Kosten eines Zivilprozesses wurden bis zum
Ergehen der Grundsatzentscheidung des BFH vom 12. 5. 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) lediglich in besonders gelagerten
Fällen als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die erforderliche Zwangsläufigkeit der Kosten wurde nur dann bejaht, wenn
die Durchführung eines Gerichtsverfahrens prozessrechtlich der einzige Weg war, das Klageziel zu erreichen.
Diese Rechtsprechung ist nach Auffassung des Senats im Hinblick auf die o.g. Grundsatzentscheidung des BFH vom 12. 5. 2011
(VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) jedoch überholt. Der BFH hat mit diesem Urteil seine bisherige Rechtsprechung geändert.
Nach der nunmehr vom BFH vertretenen Auffassung ergibt sich die rechtliche Zwangsläufigkeit der für die Durchführung eines
Zivilprozesses entstandenen Kosten unabhängig vom Gegenstand des Verfahrens aus dem staatlichen Gewaltmonopol und der daraus
folgenden Notwendigkeit für den Steuerpflichtigen, streitige Ansprüche gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren. Die für
die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen i.S. des § 33 Abs. 1 EStG erforderliche Unausweichlichkeit liegt für den Steuerpflichtigen
bereits darin, dass er – will er sein Recht durchsetzen – im Verfassungsstaat des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten
muss (a.A. FG Hamburg, Urteil vom 24. 9. 2012 1 K 195/11, EFG 2013, 41).
Voraussetzung für den Abzug als außergewöhnliche Belastungen ist jedoch, dass sich der Steuerpflichtige nicht mutwillig oder
leichtfertig auf den Prozess eingelassen hat.
Demgemäß sind Zivilprozesskosten nicht unausweichlich, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus Sicht eines verständigen
Dritten keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Da diese vom BFH im Rahmen einer „Filterfunktion” herangezogenen Begriffe
der „hinreichenden Aussicht auf Erfolg” und der fehlenden „Mutwilligkeit/Leichtfertigkeit” mit den im Prozesskostenhilferecht
in § 114 ZPO verwendeten Formulierungen vergleichbar sind, kann für deren Auslegung nach Auffassung des Senats auf die hierzu
bereits vorhandene Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden (vgl. FG Niedersachsen, Urteil vom 15.5.2013 9 K 238/12,
juris; Rosenke, EFG 2013, 454; Loschelder, in: Schmidt, EStG, 31. Auflage 2012, § 33 Rz 35 „Prozesskosten” m.w.N.). Danach
muss bei summarischer Prüfung für den Eintritt des Erfolgs eine gewisse Wahrscheinlichkeit bestehen. Eine abschließende Prüfung
der Erfolgsaussichten ist insoweit nicht erforderlich (vgl. hierzu BFH-Beschlüsse vom 26.6.2008 IV S 5/08 (PKH), juris, und
vom 23.1.1991 II S 15/90, BStBl II 1991, 366; FG Düsseldorf, Urteil vom 20.2.2013 15 K 2052/12 E, EFG 2013, 703; FG Niedersachsen,
Urteil vom 15.5.2013, 9 K 238/12, juris).
Unter dieser Voraussetzung sind diejenigen Prozesskosten abziehbar, die notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht
überschreiten. Da sich die Zwangsläufigkeit von Prozesskosten nach der aktuellen BFH-Rechtsprechung aus dem staatlichen Gewaltmonopol
zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche ableitet, kommt es auf die näheren Umstände der Beendigung des Zivilprozesses
und der Regelung der Kostenverteilung nicht an. Entscheidend ist allein, ob der Steuerpflichtige, der die Kosten letztlich
zu tragen hat, das Prozesskostenrisiko aus ex ante Sicht mutwillig oder leichtfertig eingegangen ist (vgl. FG Düsseldorf,
Urteil vom 20.2.2013 15 K 2052/12 E, EFG 2013, 703; FG München Urteil vom 20. 4. 2012 8 K 2190/09, EFG 2013, 453). Diese Sichtweise
trägt dem Umstand Rechnung, dass eine Einigung hinsichtlich der Kosten die Vergleichsbereitschaft erhöhen kann (vgl. Rosenke,
EFG 2013, 454).
Der Abzugszeitpunkt richtet sich nach § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG, d. h. die außergewöhnliche Belastung ist im Veranlagungszeitraum
der Verausgabung steuermindernd zu berücksichtigen (Loschelder in: Schmidt, EStG, 31. Aufl. 2012, § 33 Rz. 5).
Auf der Grundlage dieser aktuellen BFH-Rechtsprechung, der sich der Senat anschließt, stellen die geltend gemachten Anwaltskosten
im Streitfall in vollem Umfang eine außergewöhnliche Belastung dar.
Der Kläger sah sich einem gerichtlichen Unterhaltsabänderungsantrag der Kindesmutter für sich und das gemeinsame Kind ausgesetzt.
Nach summarischer Prüfung bot die beabsichtigte Rechtsverteidigung aus Sicht eines verständigen Dritten – bei ex ante Betrachtung
– hinreichende Aussicht auf Erfolg. Sie erscheint auch nicht mutwillig.
Der Kläger hatte die ursprünglich vereinbarten Unterhaltsleistungen regelmäßig erbracht. Die Mutter des gemeinsamen Kindes
begehrte eine Abänderung der bisher in den vollstreckbaren Urkunden (Jugendamtsurkunde und notarielles Schuldanerkenntnis)
festgesetzten Unterhaltsbeträge durch das Familiengericht. Der Kläger konnte sich dem Verfahren nicht entziehen. Dass Anlass
für eine Rechtsverteidigung bestand und der Kläger auch keinen Grund hatte, die geforderten Mehrbeträge einfach zu akzeptieren,
ergibt sich schon daraus, dass er sich mit der Kindesmutter im Rahmen eines Prozessvergleichs einvernehmlich unter Kostenaufhebung
geeinigt hat. Dass der Kläger den Vergleich in der Hauptsache durch ein unter objektiven Gesichtspunkten nicht gerechtfertigtes
Zugeständnis bei der Kostenverteilung erreicht hat, die Kostenaufhebung mithin nicht der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses
bestehenden Sach- und Rechtslage entsprach und damit möglicherweise nicht unausweichlich war, hat der Beklagte nicht vorgetragen
und ist auch sonst nicht ersichtlich.
Die Anwaltskosten können im Hinblick auf die Abrechnung nach dem RVG auch der Höhe nach nicht als unangemessen qualifiziert
werden.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das Urteil des IX. BFH-Senat vom 19.03.2013 (IX R 41/12, BFH/NV
2013, 1168). Der Entscheidung des IX. Senats lag ein Sachverhalt zugrunde, bei dem der dortige Kläger gemeinsam mit seiner
von ihm geschiedenen Ehefrau Eigentümer eines vermieteten Grundstücks war. Weil die geschiedene Ehefrau einem gemeinsamen
Verkauf nicht zustimmte und er die Gemeinschaft nicht aufrechterhalten wollte, beantragte er beim Amtsgericht, die Gemeinschaft
im Wege der Teilungsversteigerung aufzulösen. Im Rahmen dieses Verfahrens fanden die geschiedenen Ehegatten eine Vergleichslösung.
Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz, dass die Anwalts- und Gerichtskosten für das Vergleichsverfahren nicht
als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden könnten. Dabei wies der IX. Senat des BFH darauf hin, dass aus der
Entscheidung des VI. BFH-Senats vom 12. 5. 2011 (VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) nicht folge, dass sämtliche Kosten von Verfahren,
bei dem ein Gericht zu beteiligen sei, als außergewöhnliche Belastungen zu qualifizieren seien. Für den VI. BFH-Senat ergebe
sich die Unausweichlichkeit von Prozesskosten daraus, dass der Steuerpflichtige, um sein Recht durchzusetzen, im Verfassungsstaat
des Grundgesetzes den Rechtsweg beschreiten müsse. Daher könne auch unter Anwendung dieser Rechtsprechung die Allgemeinheit
nicht durch die Abziehbarkeit von Gerichts- und Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen an einer verfrühten, unabgestimmten
und damit vermeidbaren Inanspruchnahme von Gerichten beteiligt werden. Ob er der o.g. Rechtsauffassung des VI. Senats grundsätzlich
folge, ließ der IX BFH-Senat mangels Entscheidungserheblichkeit offen.
Der Streitfall unterscheidet sich nach Auffassung des Senats von dem vom IX. BFH-Senat entschiedenen Sachverhalt insoweit
erheblich, als der Kläger das familiengerichtliche Verfahren nicht in Gang gesetzt hat. Er hat sich im Rahmen des von der
Kindesmutter anhängig gemachten Gerichtsverfahren gegen (überhöhte) Unterhaltsansprüche verteidigt. Es kann daher im Hinblick
auf die Position des Klägers und familiengerichtlichen Antragsgegners nicht davon gesprochen werden, dass er die Allgemeinheit
an für ihn vermeidbaren Kosten beteiligt. Dies muss zumindest dann gelten, wenn der Unterhaltsverpflichtete, wie im Streitfall,
seinen laufenden Unterhaltsverpflichtungen nachkommt. Im Übrigen ist zu beachten, dass es nach dem BFH-Urteil vom 12. 5 2011
(VI R 42/10, BStBl II 2011, 1015) nunmehr gerade nicht mehr darauf ankommen soll, ob die Kosten unausweichlich waren. Denn
anders als zuvor sieht der BFH die Kosten eines Zivilprozesses nicht mehr als Folge eines freiwillig eingegangenen Kostenrisikos
an, sondern unter Hinweis auf das staatliche Gewaltmonopol als notwendige Ausgaben zur Durchsetzung oder Abwehr von streitigen
Ansprüchen. Grundsätzlich ist jede zivilrechtliche Streitigkeit auch einer außergerichtlichen Lösung zugänglich. In der Masse
der zivilrechtlichen Verfahren bestünde letztendlich immer die Möglichkeit, ohne die Beteiligung von Gerichten eine außergerichtliche
Einigung herbeizuführen (siehe Leitner, EFG 2013, 452; Rosenke, EFG 2013, 454).
Auch aus der Entscheidung des FG Hamburg vom 24. 9. 2012 (1 K 195/11, EFG 2013, 41) und dem Nichtanwendungserlass des BMF
vom 20.12.2011 (BStBl I 2011, 1286) ergeben sich keine Gesichtspunkte, die eine anderweitige Beurteilung rechtfertigen.
Das FG Hamburg (Urteil vom 24. 9. 2012 1 K 195/11, EFG 2013, 41), hat die Anerkennung von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche
Belastungen trotz der geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung versagt. Es hatte dabei einen Fall zu beurteilen, in dem
der Steuerpflichtige einen Anspruch freiwillig – mit dem Ziel seiner Durchsetzung (auch) mit gerichtlicher Hilfe – vom früheren
Berechtigten erworben hatte. Der vorliegende Sachverhalt ist völlig anders gelagert. Der Kläger konnte sich dem gerichtlichen
Abänderungsantrag der Kindesmutter gerade nicht entziehen.
Die Finanzverwaltung weist in ihrem Nichtanwendungserlass (BMF-Schreiben vom 20.2.2011 IV C 4 – S 2284/07/0031 :002, 2011/1025909,
BStBl I 2011, 1286) darauf hin, dass keine Instrumente für eine eindeutige, zuverlässige und rechtssichere Einschätzung der
Erfolgsaussichten eines Zivilprozesses bzw. der Motive der Verfahrensbeteiligten zur Verfügung stünden. Im Hinblick auf eine
mögliche gesetzliche Neuregelung der steuerlichen Berücksichtigung von Zivilprozesskosten, die auch die rückwirkende Anknüpfung
an die bisher geltende Rechtslage einschließe, könnten daher grundsätzlich Prozesskosten auch für eine Übergangszeit nicht
als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Eine Gesetzesänderung mit Rückwirkung für den Veranlagungszeitraum 2011 wurde bisher vom Gesetzgeber nicht erlassen. Eine
rückwirkende Änderung ist insbesondere auch im Amtshilferichtlinien-Umsetzungsgesetzes nicht enthalten, das am 29.6.2013 im
Bundesgesetzblatt Teil I verkündet wurde (BGBl I 2013, 1809). Die in § 33 Abs. 2 EStG eingeführte Neuregelung sieht zwar vor,
dass Prozesskosten vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen sind, wenn es sich nicht um Aufwendungen handelt,
ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in
dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können. Nach der einschlägigen Anwendungsvorschrift in § 52 Abs. 1 EStG gilt
diese Änderung aber erstmals ab dem Veranlagungszeitraum 2013.
Die von der Finanzverwaltung aufgeworfene Problematik im Hinblick auf die Einschätzung der Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung
des Klägers ergibt sich im Streitfall im Übrigen nicht. Dass die Verteidigung des Klägers zumindest teilweise erfolgreich
war, zeigt sich unproblematisch im Hinblick auf die vergleichsweise Regelung unter Aufhebung der Verfahrens- und Vergleichskosten.
Das Gericht hat die Steuerfestsetzung wie erkannt gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO auf den Beklagten übertragen. Dieser wird
unter Berücksichtigung der bereits anerkannten außergewöhnlichen Belastungen in Höhe von 20 EUR und der zumutbaren Belastung
i.S. des § 33 Abs. 3 EStG die Steuer zu berechnen haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
im Hinblick auf unterschiedliche Entscheidungen zum Abzug von Prozesskosten zugelassen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 S.
1 ZPO.