· Fachbeitrag · Organschaft
Die „kleine Organschaftsreform“ - Teil 1: Haftungsfalle Verlustübernahme und weitere Gefahren
von RA StB FAStR Dr. Wolfgang Walter, Stuttgart
| Nach wechselhaftem Gesetzgebungsverfahren wurde die „kleine Organschaftsreform“ am 25.2.13 endlich verkündet (BStBl I 13, 188). Die Änderungen waren in Angriff genommen worden, nachdem im Juni 2012 die im Koalitionsvertrag vereinbarte Reform der Organschaft hin zu einer Gruppenbesteuerung aus Furcht vor Steuerausfällen vertagt worden war. Im Folgenden werden die für die Beratungspraxis wichtigen Änderungen bei der „Verlustübernahme“ und die weiterhin schädliche fehlerhafte Mindestlaufzeit beim EAV dargestellt. Weitere „Knackpunkte“ der Organschaftsreform werden im nächsten Heft analysiert. |
1. Vereinbarung der Verlustübernahme
1.1 Regelungszusammenhang
Wahrscheinlich die häufigste Fehlerquelle bei der Gestaltung einer Organschaft ist die unzureichende Regelung der Verlustübernahme. Obwohl die Rechtsgrundlage in § 17 S. 2 Nr. 2 KStG nur als Ergänzung zu der allgemeinen Regelung in § 14 KStG konzipiert ist, handelt es sich um den Regelfall. Die allgemeine Regelung gilt vor allem für Aktiengesellschaften. Die meisten Organgesellschaften haben aber die Rechtsform der GmbH und werden somit rechtssystematisch erst über § 17 KStG in den Kreis der zulässigen Organgesellschaften aufgenommen. Die gesetzlich konzipierte Ausnahme ist also tatsächlich der Regelfall im deutschen Unternehmenssteuerrecht.
Die Verlustübernahme, zu der sich der Organträger verpflichten muss, ist das Pendant zur Gewinnabführung. Gewinnabführung und Verlustübernahme beruhen auf den zivilrechtlichen Regelungen des Gewinnabführungsvertrags (zutreffender: Ergebnisabführungsvertrag = EAV). Die Organgesellschaft versteuert ihr Ergebnis nicht mehr selbst, vielmehr an ihrer Stelle der Organträger; ausgenommen Ausgleichszahlungen (§ 16 KStG). Beim Organträger findet ein Ausgleich von Gewinnen und Verlusten im Organkreis statt. Interessant ist dies vor allem dann, wenn mehrere Tochtergesellschaften vorhanden sind, die unterschiedlich gut wirtschaften oder wenn z.B. noch Verlustvorträge beim Organträger vorhanden sind, die nun mit den Gewinnabführungen von Organgesellschaften genutzt werden können.
Mit einer Gewinnausschüttung hingegen, also ohne Organschaft, könnten wegen der weitgehenden Steuerfreistellung von Dividenden nach § 8b KStG Verluste der Muttergesellschaft nicht genutzt werden. Auch wenn man - betrachtet auf das ganze Leben eines Unternehmens - „nur“ Liquiditätsvorteile erkennen mag, ist die sofortige steuerliche Konsolidierung von Gewinnen und Verlusten im gleichen VZ nahezu immer der einzige Grund dafür, eine Organschaft zu begründen.
PRAXISHINWEIS | Die Verpflichtung zur Verlustübernahme wird dann billigend in Kauf genommen. Da sich daraus auch eine weitgehende Haftung des Organträgerunternehmens ergibt, muss der steuerliche Berater diesen Aspekt seinem Mandanten immer klar vor Augen halten. Gefahrgeneigte Tätigkeiten der Organgesellschaft oder Produkthaftungsrisiken bei der Organgesellschaft sprechen daher zivilrechtlich und betriebswirtschaftlich regelmäßig gegen eine Organschaft. Ein weiterer Aspekt mag insbesondere bei Fremdgeschäftsführung sein, dass der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft vom Ergebnis seines Handels entlastet wird. Für dessen Motivation mag dies kontraproduktiv sein, wird jedoch wegen der angestrebten Steuervorteile hintangestellt. |
Beachten Sie | Schon nach § 17 S. 2 Nr. 2 KStG a.F. war die Vereinbarung der Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG im EAV erforderlich. Bei dem eher seltenen Fall einer AG als Organgesellschaft braucht die Regelung nicht beachtet zu werden, da sich die Verpflichtung zum Verlustausgleich durch den Organträger bereits zwingend aus dem Aktiengesetz selbst ergibt. Wird gleichwohl eine entsprechende Klausel bei einer AG verwendet, hat sie nur bestätigenden Charakter. Selbst wenn eine solche unnötige Klausel bei einer AG nach bisheriger oder aktueller steuerlicher Regelung unzureichend sein sollte, ergeben sich daraus keine negativen steuerlichen Folgen.
Für eine GmbH gibt es hingegen keine zivilrechtliche Gesetzesvorschrift, die unmittelbar für einen EAV gilt. Deshalb verlangt § 17 KStG die ausdrückliche zivilrechtliche Vereinbarung der Verlustübernahme im EAV. Dass die Verpflichtung zum Verlustausgleich nach der Rechtsprechung des BGH schon lange ohne gesetzliche Regelung auch für die GmbH als Organgesellschaft entsprechend gilt, ließ der BFH nicht gelten. Er bestand in ständiger Rechtsprechung darauf, dass die Verlustübernahme bei einer GmbH nach § 17 KStG im EAV ausdrücklich vereinbart wurde (z.B. BFH 22.12.10, I B 83/10, DStR 11, 219).
Probleme gab es in der Praxis immer im Zusammenhang mit § 302 Abs. 3 und Abs. 4 AktG, wenn der Verweis auf diese für die Organschaft nebensächlichen Regelungen im EAV fehlte. Meist traten die Fehler auf, weil veraltete Vertragsmuster von früheren Fällen verwendet worden waren, die diese erst im Laufe der Jahre angefügten Absätze noch nicht mit einbezogen hatten.
PRAXISHINWEIS | Es gibt kaum einen Bereich der Steuergestaltungsberatung, in dem es zu mehr Haftungsfällen kommt, als den der Organschaft, wenn nicht auf ihre Aktualität überprüfte Vertragsmuster verwendet werden. Daran ändern letztlich auch die Neuregelungen nichts. Ähnlich viele Fehler gibt es zwar bei Testamenten. Doch dort werden die Fehler in der Regel erst bekannt, wenn der Auftraggeber schon gestorben ist und die Verjährungsfristen für die Fehlberatung bereits abgelaufen sind. |
Vorsicht | Eine unzureichende Regelung der Verlustübernahme bei einer GmbH als Organgesellschaft führt auch weiterhin zum Scheitern der Organschaft, innerhalb der fünfjährigen Mindestlaufzeit rückwirkend ab Beginn. Die noch anzusprechenden Möglichkeiten der rückwirkenden Heilung aufgrund der Neuregelung gelten hierfür gerade nicht, wenn die neuen Anforderungen nicht erfüllt sind.
Die Folge ist, dass die Organgesellschaft selbst körperschaft- und gewerbesteuerpflichtig ist, ihre Gewinne rückwirkend selbst versteuert oder ihre Verluste nur in ihren eigenen Verlustvortrag eingehen. Die steuerliche Konsolidierung von Gewinnen und Verlusten in einem gewünschten Organkreis kommt nicht zustande, obwohl der EAV und damit auch die zivilrechtliche Verlustausgleichspflicht Bestand haben. Zu den meist erheblichen Steuernachzahlungen kommt dann die Sollverzinsung hinzu, die in einer Niedrigzinsphase schon Strafcharakter hat und besonders belastend ist, wenn die Fehlerhaftigkeit des EAV erst nach Jahren in der Betriebsprüfung erkannt wird.
1.2 Neuregelung zur Verlustübernahme
Statt der nur entsprechenden Anwendung von § 302 AktG muss nach § 17 S. 1 Nr. 2 KStG n.F. nun „eine Verlustübernahme durch Verweis auf die Vorschriften des § 302 AktG in seiner jeweils gültigen Fassung vereinbart werden“. Bei einer Änderung des EAV - aus welchem Grund auch immer - muss der dynamische Verweis ebenfalls zwingend neu aufgenommen werden.
MERKE | Die Neuregelung gilt nach § 34 Abs. 10b S. 1 KStG für einen nach dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes (also ab 26.2.13) erstmals abgeschlossenen oder auch nur geänderten EAV. Da das Gesetz ausdrücklich nur den Abschluss des EAV (d.h. Unterzeichnung durch die gesetzlichen Vertreter) erwähnt, kommt es nicht darauf an, ob auch die Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlungen bereits gefasst waren und der EAV durch Eintragung im Handelsregister zivilrechtlich wirksam war oder nicht (anders in Satz 2). Unerheblich ist ferner, ob der EAV ein bereits laufendes Wirtschaftsjahr betrifft (Regelfall) oder ein künftiges. |
Keinesfalls darf nur der Text des § 302 AktG ganz oder teilweise wiedergegeben werden, wie dies bisher zum Teil üblich war, denn dadurch waren die Probleme gerade entstanden, wenn das AktG nach Abschluss des EAV geändert wurde. Dies war zuletzt in Bezug auf Abs. 4 des § 302 AktG in der Tat Ende 2004 geschehen, kann sich aber noch viele Jahre später auswirken, wenn ein veraltetes Vertragsmuster erneut verwendet wird.
Andererseits ist eine textliche Wiedergabe - obwohl umständlich - auch weiterhin zweifellos steuerlich unschädlich, wenn die Wiedergabe vollständig erfolgt und insbesondere der dynamische Verweis nun zusätzlich enthalten ist (Walter in Ernst & Young, § 17 KStG Rz. 13). Auch aus der Gesetzbegründung ergibt sich nichts anderes. Ein Widerspruch zwischen dem Verweis und dem wiederholenden Text muss vermieden werden. Es darf keine Formulierung gewählt werden, die den dynamischen Verweis relativiert oder auch nur teilweise einschränkt. Klar ist auch, dass eine zusätzliche textliche Wiedergabe hilfreich sein kann, um den Beteiligten den Vertragsinhalt zu verdeutlichen und verständliche Handlungsanweisungen zu geben.
GESTALTUNGSHINWEIS | Die Formulierung im EAV wird sich nun am einfachsten genau an den Wortlaut der Neuregelung anlehnen: „Für die Verlustübernahme gelten die Vorschriften des § 302 AktG in ihrer jeweils gültigen Fassung.“ Obwohl dann die Formulierung aus sich heraus weniger klar ist, werden die bisherigen Fehler so zuverlässiger vermieden. |
1.3 Keine Änderung bei bisher ausreichender Regelung der Verlustübernahme
Für bestehende Verträge sieht § 34 Abs. 10b S. 2 ff. KStG n.F. eine unübersichtliche Übergangsregelung vor:
- Altverträge (abgeschlossen bis 26.2.13), die - eher unüblich - bereits einen dynamischen Verweis auf § 302 AktG enthalten, machen überhaupt keine Probleme und brauchen nicht geändert zu werden. Doch Vorsicht: Die Formulierung „Im Übrigen gilt § 302 AktG in vollem Umfang entsprechend“, wie sie häufig verwendet wurde, stellt gerade keinen für Neuverträge oder geänderte Verträge erforderlichen dynamischen Verweis dar.
- Altverträge, die ohne dynamischen Verweis gleichwohl alle erforderlichen Regelungen zur Verlustübernahme nach bisher geltender Rechtslage enthalten, brauchen auch nichtgeändert zu werden (Walter, GmbHR 12, R 301). Insoweit hat sich im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens durch die Änderung im Finanzausschuss erfreulicherweise noch die erhoffte Korrektur ergeben. Die Gesetzesbegründung erwähnt dies ausdrücklich (BT-Drs. 17/11217, S. 11), allerdings mit dem zutreffenden, aber ungewöhnlichen Hinweis, dass eine unterbliebene Änderung des EAV zulasten des Steuerpflichtigen geht: „Außerhalb der Fälle des Neuabschlusses und der Änderung aus anderen Gründen enthält die Regelung keine Verpflichtung zur Anpassung von Gewinnabführungsverträgen. Unternehmen können daher auf eigenes Risiko auch die bisherigen Verweise auf § 302 AktG fortführen, wenn sie nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen wollen, den dynamischen Verweis bis zum 31.12.14 aufzunehmen.“
- Andernfalls hätten Tausende von Verträgen nur deshalb geändert werden müssen. Einige Anfang 2013 erschienenen Fachartikel geben insoweit noch nicht den letzten Stand der Reform wieder.
- Auch ein vor dem 1.1.06 abgeschlossener EAV, der noch keinen Bezug auf § 302 Abs. 4 AktG enthält, braucht aus diesem Grund nicht geändert zu werden, da durch BMF-Schreiben (BMF 16.12.05, IV B 7 - S 2770 - 30/05, BStBl I 06, 12) im Sinne einer Übergangsregelung im Billigkeitswege klargestellt worden war, dass ein solcher EAV als den steuerlichen Anforderungen entsprechend behandelt wird (ähnlich Graw, Ubg 13, 373, 375).
- Selbst ein bisher in einem Altvertrag fehlender ausdrücklicher Verweis auf § 302 AktG ist unschädlich, wenn inhaltlich dessen Regelung vollständig nur textlich wiedergegeben ist (ebenso Scheifele/Hörner, DStR 13, 553, 555 f.). Eine Anpassung des bisher tauglichen EAV nur zur Ergänzung um einen dynamischen Verweis ist daher auch hier nicht erforderlich. Teilweise dahingehende Empfehlungen in der Fachliteratur sind überzogen und möglicherweise auch unter Honorargesichtspunkten zu sehen.
1.4 Komplizierte Übergangsregelung zur Anpassung bei Altfällen
Nach § 34 Abs. 10b S. 2 KStG n.F. ist immer eine tatsächliche Verlustübernahme erforderlich, um überhaupt in den Genuss der heilenden Übergangsregelung zu kommen. Das ist bei Verlusten problemlos zu erfüllen, da dies im Sinne der tatsächlichen Durchführung des EAV für die Wirksamkeit einer Organschaft immer vorausgesetzt ist. Unstimmig ist die Regelung allerdings, soweit keine Verluste vorliegen, sondern Gewinne. Doch wird man die Regelung so zu verstehen haben, dass eine Heilung des EAV nicht gehindert ist (Stangl/Brühl, DB 13, 538, 541). Alles andere wäre widersinnig, da in Gewinnfällen ein Verlust bereits rechtstatsächlich nicht abgeführt werden kann.
MERKE | Die Übergangsregelung ermöglicht es, für die VZ, die vor dem 31.12.14 enden (so die wohl aufgrund eines Redaktionsversehens Gesetz gewordene Formulierung), den EAV zu ändern und mit einem dynamischen Verweis auf § 302 AktG zu ergänzen. Bei mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Wirtschaftsjahren können also frühere, noch offene VZ und nachträglich auch noch der VZ 2013 bis Ende 2014 geheilt werden, nach dem Wortlaut dieser Regelung hingegen nicht das Wirtschaftsjahr 2014. |
Für die Änderung besteht eine Frist bis zum 31.12.14.Erforderlich ist allerdings die wirksame Vereinbarung im EAV. Im Gegensatz zur Anwendungsregelung für den Neuabschluss ist es insoweit erforderlich, dass zusätzlich zur privatschriftlichen Änderung des EAV mit Unterzeichnung durch die gesetzlichen Vertreter auch die Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlungen schon gefasst sind (mit notarieller Beurkundung in der Regel nur bei der Organgesellschaft) und die Änderung (bis zum letzten Arbeitstag des Jahres 2014) bereits im Handelsregister eingetragen ist.
Dass das am 31.12.14 endende Wirtschaftsjahr auch noch im Jahr 2014 geheilt werden kann, ergibt sich m.E. über die zunächst Gesetz gewordene Anwendungsregelung hinaus bereits aus der allgemeinen Vorgabe, dass ein EAV im Laufe des ersten geplanten Organschaftsjahres abgeschlossen werden kann und bis zu dessen Ende durch Eintragung im Handelsregister rechtswirksam werden muss (§ 14 Abs. 1 S. 2 KStG) und diese Regelung auch allgemein für Vertragsänderungen innerhalb jedes anderen Organschaftsjahres gilt (Walter, a.a.O., § 14 KStG Rz. 638, 726; ebenso Stangl/Brühl, Der Konzern 2013, 77, 95, keine „VZ 2014-Lücke“). Wenn die Vorjahre abweichend vom allgemeinen Grundsatz, dass innerhalb der organschaftlichen Mindestlaufzeit eine Organschaft rückwirkend scheitert, aufgrund der Übergangsregelung nun rückwirkend geheilt werden können, handelt es sich bei dem Wirtschaftsjahr 2014 für die Problematik der Heilung isoliert betrachtet um ein organschaftliches Erstjahr. Insoweit gelten dann die allgemeinen steuerlichen Regeln über den Abschluss und die Änderungen eines EAV.
MERKE | Bei einer Änderung ergibt sich somit eine gespaltene Rechtsgrundlage, für einen VZ bis 2013 aus § 34 Abs. 10b S. 2 KStG und für das mit dem Kalenderjahr 2014 übereinstimmende Wirtschaftsjahr aus § 14 Abs. 1 S. 2 KStG. Allerdings wurde die unstimmige Neuregelung bereits erkannt und noch in das Gesetzgebungsverfahren zum AIFM-StAnpG eingebracht (BT-Drs. 17/13522, Art. 12). Wenn die Korrektur trotz Anrufung des Vermittlungsausschusses noch gelingt, bedarf es des Rückgriffs auf die allgemeinen Grundsätze für am 31.12.14 endende Wirtschaftsjahre nicht. Für abweichende Wirtschaftsjahre sind weitere Besonderheiten zu beachten (Walter, a.a.O., § 17 KStG Rz. 17). |
1.5 Rückwirkende Heilung der Organschaft als Folge der Übergangsregelung
Folge einer fristgerechten Anpassung des EAV nach der Übergangsregelung ist, dass ein fehlerhafter EAV (bisher ohne ausreichende Regelung der Verlustübernahme) steuerlich rückwirkend geheilt wird. Die Organschaft scheitert nicht. Alle nach bisherigem Verständnis verunglückten Verweise in einem EAV auf § 302 AktG werden geheilt.
Wichtig | Die Heilung erfasst rückwirkend alle noch nicht bestandskräftigen VZ, unabhängig davon, wie weit der ursprüngliche Verstoß zurückliegt (Olbing, AG 2013, 348). Dies ergibt sich indirekt daraus, dass § 34 Abs. 10b KStG als Spezialregelung zu § 34 Abs. 1 KStG, der die erstmalige Geltung für den VZ 2012 vorsieht, keine Einschränkung der Rückwirkung enthält.
PRAXISHINWEIS | Während der Gesetzesentstehung war es darauf angekommen, die entsprechenden Fälle offen zu halten und den Eintritt der Bestandskraft von Bescheiden oder der Rechtskraft von Urteilen zu verhindern. Doch auch ab Geltung der Neuregelung tritt die rückwirkende Heilung bei laufenden Einspruchs- oder Klageverfahren m.E. nicht automatisch ein, wenn das Finanzamt oder das Gericht die Neuregelung noch nicht berücksichtigt haben, weil etwa die Änderung des EAV noch nicht vorgenommen worden ist. Vielmehr muss vor Eintritt der Bestands- oder Rechtskraft ein Änderungsantrag beim Finanzamt gestellt werden, da das Finanzamt auch während eines Klageverfahrens jederzeit einen Änderungsbescheid nach § 132 S. 1 AO erlassen kann. Das Verfahren kann auch nach § 363 Abs. 2 S. 1 AO ruhen, bis der EAV geändert oder das Jahr 2014 abgelaufen ist, da der Fall einer begünstigenden rückwirkenden Gesetzesänderung zu einer Ermessensreduzierung des Finanzamts auf Null führt. |
Beachten Sie | In Steuererklärungen für die VZ 2012 bis 2014 muss ggf. darauf hingewiesen werden, dass der EAV noch geändert werden soll und eine Veranlagung vorläufig nach § 165 AO erfolgen soll. Wird eine Veranlagung ohne Berücksichtigung der Organschaft und nicht nach § 165 AO vorläufig vorgenommen, ist Einspruch einzulegen und ebenfalls das Ruhen des Verfahrens zu beantragen.
Ferner erweitert § 34 Abs. 10b S. 3 KStG die Amnestiewirkung noch für alle Organschaften, die vor dem 1.1.15 enden, d.h., dass das letzte (Rumpf-)Wirtschaftsjahr des Organschaftszeitraums spätestens mit dem 31.12.14 enden muss. Für diese Fälle braucht der EAV nicht mehr um einen dynamischen Verweis ergänzt zu werden; der fehlerhafte EAV bleibt für die Wirksamkeit der Organschaft unschädlich. Verfahrensrechtlich gelten die vorstehenden Hinweise entsprechend.
§ 34 Abs. 10b S. 4 KStG schließlich stellt klar, dass die Änderung des EAV, um nach Satz 2 einen dynamischen Verweis auf § 302 AktG aufzunehmen, nicht als Neuabschluss gilt und damit keine neue fünfjährige Mindestlaufzeit des EAV in Gang setzt. Nötig war diese Regelung nicht, da bereits bisher anerkannt war, dass die Änderung eines EAV keine neue Mindestlaufzeit in Gang setzt. Insoweit war in der Fachliteratur die „übervorsichtige“ Frage aufgeworfen worden, ob auch eine im Grunde unnötige Änderung eines EAV, der ohne dynamischen Verweis allen Anforderungen des bisherigen Rechts genügte, ebenfalls nicht als Neuabschluss gilt. Dies hat das BMF inzwischen mit Schreiben vom 29.5.13 an den Bundesverband der Deutschen Industrie als Auffassung der obersten Finanzbehörden der Länder bestätigt (vgl. GmbHR 13, 728; R 201).
FAZIT | Die Übergangsregelung zur rückwirkenden Heilung eines EAV und damit zur Rettung einer Organschaft stellt einen ganz seltenen Vorgang im deutschen Steuerrecht dar. Damit sollte die wesentliche Fehlerquelle für eine Organschaft beseitigt werden können. Bei neuen Verträgen muss von Vornherein ein dynamischer Verweis enthalten sein. Damit kann die Rechtspraxis gut auskommen. |
2. Fehlerhafte Mindestlaufzeit des EAV weiterhin schädlich
Bei einem EAV, in dem das Ende der Mindestlaufzeit auf den 30.12. statt auf den 31.12. des fünften Jahres festgelegt worden war, hatte der BFH jüngst an seiner strengen Auffassung zu der nur eingeschränkt zulässigen Auslegung eines EAV festgehalten (BFH 23.1.13, I R 1/12, GmbHR 13, 602 m. Anm. Walter). Die Organschaft war gescheitert. Dabei handelte es sich ganz offensichtlich um einen typischen Schreibfehler. Erst bei einer Betriebsprüfung im sechsten Jahr nach Abschluss des EAV wurde der fehlende Tag bemerkt und der EAV berichtigt.
Da es sich bei einem EAV um einen gesellschaftsrechtlichen Organisationsvertrag handelt, können Unklarheiten laut BFH nur durch objektive Auslegung der Vertragsurkunde selbst geklärt werden. Das Wollen der Vertragsparteien spielt entgegen einem klaren und unmissverständlichen Wortlaut keine Rolle, wenn sich dafür nicht ausreichende Anhaltspunkte im Vertrag selbst finden. Ähnliche Fehler bei der Mindestlaufzeit kommen vor, wenn man sich beim Abzählen von fünf Jahren verrechnet, was in der Tat vorkommt. Während der Mindestlaufzeit ist es genauso schädlich, wenn ein Rumpfgeschäftsjahr eingelegt wird, und dies von der Formulierung der Mindestlaufzeit im EAV nicht abgedeckt ist.
Im Fall des BFH handelte es sich um einen der nicht allzu seltenen Fälle, in denen der EAV bei Beurkundung des Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafterversammlung der Organgesellschaft mit vorgelesen und damit selbst beurkundet worden war. Die Tatsache, dass der unnötigerweise beurkundete EAV durch einen notariellen Nachtragsvermerk berichtigt worden war, ließ der BFH nicht gelten, da er die Urkunde nicht für offensichtlich unrichtig hielt.
FAZIT | Auch wenn das Urteil nicht überzeugt, da es nicht berücksichtigt, dass ein EAV nur auf volle Geschäftsjahre abgeschlossen werden kann und ein fehlender Tag daher offensichtlich ist (vgl. Walter, GmbHR 13, 605), hat die Rechtspraxis zu beachten, dass derartige Fehler nach derzeitigem Rechtsstand nachträglich nicht mehr geheilt werden können. Nur wenn vor Ablauf des ersten geplanten Organschaftsjahres der Fehler bemerkt, der EAV geändert und noch vor Jahresende im Handelsregister eingetragen ist, kann eine Organschaft wie geplant beginnen. Daran hat sich durch die „kleine Organschaftsreform“ nichts geändert. |