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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Zahnärzte: Fehler bei der Abrechnung von Verlangensleistungen vermeiden

    von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann und WP StB Hans-Joachim Kraatz, beide kmk Steuerberatungsgesellschaft mbH, Dortmund/Dresden

    | Die Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) bestimmt die Vergütung der zahnärztlichen Leistungen für Privatversicherte und regelt darüber hinaus die Abrechnungshöhe für den Anteil von Behandlungen, die von Kassenpatienten selbst übernommen werden müssen. Die bisherige GOZ 1988 wurde zum 1.1.12 umfassend überarbeitet; dabei wurde insbesondere die Abrechnung zahnmedizinisch nicht notwendiger Leistungen neu geregelt. Der Beitrag untersucht die umsatzsteuerlichen Auswirkungen der Neuregelung und zeigt, wie man durch eine Vergütungsvereinbarung mit dem Patienten auf der „sicheren Seite“ ist.d |

    1. Neuregelung der Zahnarztvergütungen

    Vergütungen darf der Zahnarzt nur für Leistungen berechnen, die nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst für eine zahnmedizinisch notwendige zahnärztliche Versorgung erforderlich sind. Leistungen, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen Versorgung hinausgehen, darf der Zahnarzt nur berechnen, wenn sie auf Verlangen des Zahlungspflichtigen erbracht worden sind (§ 1 Abs. 2 GOZ 2012). Letztere sog. Verlangensleistungen müssen in einem Heil- und Kostenplan schriftlich vereinbart werden. Der Heil- und Kostenplan muss erstellt werden, bevor die jeweiligen Leistungen erbracht worden sind; er muss die einzelnen Leistungen und Vergütungen enthalten sowie die Feststellung, dass es sich um Leistungen auf Verlangen handelt und eine Erstattung möglicherweise nicht gewährleistet ist (§ 2 Abs. 3 GOZ 2012).

     

    PRAXISHINWEIS | Während medizinisch nicht notwendige Zusatzleistungen bisher nach § 2 Abs. 3 GOZ 1988 nur auf Verlangen des Zahlungspflichtigen in einem Kosten und Heilplan schriftlich vereinbart werden mussten, ist dies nunmehr Pflicht!

     

    Da Verlangensleistungen in der zahnärztlichen Praxis - schon auf Grund der „Kostenentlastungsbestrebungen“ der Krankenkassen - einen immer größeren Raum einnehmen werden, müssen sowohl der steuerliche Berater als auch der Mandant (Zahnarzt) selbst dafür sorgen, dass die medizinisch notwendigen Leistungen sorgfältig von den Verlangensleistungen abgegrenzt werden.

     

    Beachten Sie | Kostenlose Informationen und rechtliche Details zur neuen Gebührenordnung - insbesondere eine kommentierte Fassung - lassen sich über die Homepage der Bundeszahnärztekammer abrufen: www.bzaek.de > Berufsstand > Gebührenordnung für Zahnärzte - GOZ

     

    PRAXISHINWEIS | Der Mandant (Zahnarzt) ist unbedingt dazu anzuhalten,

    • alle Leistungen, die nicht medizinisch indiziert sind, sowie
    • alle damit unmittelbar im Zusammenhang ausgeführten Leistungen

    gesondert aufzuzeichnen und in der Patientenrechnung gesondert auszuweisen.

     

    2. Umfang der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG

    Im Hinblick auf die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG gilt es zu unterscheiden:

     

    • Zahnarztleistungen sind als humanmedizinische Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie der Vorbeugung, Diagnose, Behandlung oder Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen. Die befreiten Leistungen müssen dem Schutz der Gesundheit des Betroffenen dienen (vgl. A 4.14.3 Abs. 1 i. v. m. A 4.14.1 Abs. 4 UStAE), also medizinisch indiziertsein.

     

    • Zahntechnische Leistungen oder Leistungen, die zahnmedizinisch nicht notwendig sind (insbesondere kosmetisch oder ästhetisch veranlasste Leistungen), sind nicht von der Umsatzsteuer befreit (vgl. A 4.14.3 Abs. 2 ff. i.v.m. A 4.14.1 Abs. 5 UStAE).

     

    Die derzeit wohl herrschende Meinung stellt die Gleichung auf - Verlangensleistung = medizinisch nicht indiziert = umsatzsteuerpflichtig - und macht es sich damit wohl zu einfach. Die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse mag zwar ein Indiz für die Umsatzsteuerfreiheit der zahnärztlichen Leistungen sein; allein aus der fehlenden Kostenübernahme ergibt sich noch nicht zwingend die Umsatzsteuerpflicht. 

     

    • Beispiel

    Eine professionelle Zahnreinigung (PZR) ist wissenschaftlich anerkannter Teil der zahnärztlichen Prophylaxe. Eine regelmäßige PZR dient dem Schutz der Zahngesundheit des Patienten und damit einem rein therapeutischen Ziel - und zwar unabhängig davon, wer die Kosten übernimmt. Hinzu kommt, dass Letzteres von Kasse zu Kasse unterschiedlich gehandhabt wird; so sind ab 2013 liquide Kassen vermehrt dazu übergegangen, die PZR zu übernehmen.

     

    Hinweis |Damit verbietet sich eine Generalisierung; Verlangensleistungen sind vielmehr nach einer Einzelbetrachtung umsatzsteuerlich einzuordnen.

    3. Einheitlichkeit der Verlangensleistungen

    Ist danach eine Verlangensleistung selbst steuerpflichtig, unterliegen auch alle damit im Zusammenhang stehenden Leistungen, z.B. Narkoseleistungen, der Umsatzsteuerpflicht (A 3.10 UStAE). Das gilt auch, wenn die Leistungen durch einen anderen Arzt als selbstständige Leistung ausgeführt werden, z.B. Anästhesie durch selbstständigen Narkosearzt im Zusammenhang mit einer medizinisch nicht notwendigen Zahnarztleistung.

     

    4. Unterschiedliche Steuersätze

    Zahntechnische Leistungen und die Lieferung oder Wiederherstellung von Zahnprothesen unterliegen dem ermäßigten Steuersatz von derzeit 7 % (§ 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG). Alle anderen nicht medizinisch indizierten zahnärztlichen Leistungen sind mit dem Regelsteuersatz von derzeit 19 % belegt.

    5. Konkrete Vergütungsvereinbarung

    Die mit dem Patienten zu treffende Vergütungsvereinbarung könnte wie folgt aussehen:

     

    HINWEIS | Nachstehendes Muster für die mit dem Patienten zu treffende Vergütungsvereinbarung basiert auf einem Vorschlag der Zahnärztekammer Westfalen - Lippe (www.zahnaerzte-wl.de > ZÄK WL) und erweitert diesen unter Berücksichtigung der umsatzsteuerlichen Überlegungen.

     

     

    Muster /  Vergütungsvereinbarung gem. § 2 Abs. 3 GOZ

    Zwischen _______________________________________

    (Patient/Zahlungspflichtiger)

     

    und _______________________________________

    (Zahnarzt)

     

    werden nach eingehender Beratung auf Wunsch des Patienten und auf Verlangen des Patienten/Zahlungspflichtigen, entsprechend den vertraglichen Bestimmungen der Gebührenordnung für Zahnärzte (§ 2 Abs. 3 = Leistung auf Verlangen), folgende zahnärztliche Behandlungsmaßnahmen und deren Vergütung vereinbart:

     

    Zahn
    Leistung
    Anzahl
    Betrag in EUR

    + Materialkosten

    + Laborkosten

                              

    = Summe (netto)

    + Umsatzsteuer

    (7 % / 19 %)

                              

                              

    = Vergütung

     

     

    Der Patient/Zahlungspflichtige wurde darauf hingewiesen, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Der Patient/Zahlungspflichtige bestätigt, eine Ausfertigung dieser Vereinbarung erhalten zu haben.

     

    __________________

    Ort, Datum

    _______________________________________________________________

    Unterschrift Patient / Zahlungspflichtiger Unterschrift Zahnarzt/Zahnärztin

     

     

    MERKE |  

    (1) Die Kosten für Material und Fremdlabor gehen zunächst netto in die Kostenaufstellung ein und werden dann mit der zutreffenden USt (7 %/19 %) belegt.

    (2) Für Leistungen mit unterschiedlichen Steuersätzen sollten jeweils separate Vergütungsvereinbarungen getroffen werden.

     

    6. Anwendung der Kleinunternehmerregelung

    Soweit der Zahnarzt nur in geringem Umfang medizinisch nicht indizierte Verlangensleistungen erbringt, muss geprüft werden, ob die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UStG) zur Anwendung kommen kann. Da die steuerbefreiten zahnärztlichen Leistungen nicht in den Gesamtumsatz mit einzubeziehen sind, kann auf die Erhebung der Umsatzsteuer verzichtet werden, wenn die steuerpflichtigen Umsätze im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 17.500 EUR betragen haben und voraussichtlich im laufenden Kalenderjahr nicht mehr als 50.000 EUR betragen werden.

     

    PRAXISHINWEIS |  

    • 1. Da die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen gegenüber den Patienten und damit gegenüber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Personen erbracht werden, wird die Anwendung der Kleinunternehmerregelung für den Zahnarzt wohl immer von Vorteil sein.

     

    • 2. Bei der Prüfung der Aufgriffsgrenzen ist zu beachten, dass diese auf das Gesamtunternehmen des Zahnarztes anzuwenden sind, sodass hier auch in anderen Unternehmensbereichen ausgeführte Leistungen - wie z.B. steuerpflichtige Vermietungen - zu berücksichtigen sind.

     

    • 3. Hierbei ist darauf zu achten, dass die Praxis ggf. noch weitere umsatzsteuerpflichtige Umsätze aus
      • - einem Prophylaxe-Shop
      • - dem Verkauf von sonstigen Zahnpflegemitteln
      • - den Leistungen eines Eigenlabors
      • - der Erstellung von Gutachten etc. haben kann.
     

    7. Fazit

    Auch wenn sich durch die GOZ 2012 keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Umsatzsteuer ergeben, sind doch mittelbare Folgen zu beachten. Durch die neuen Vorschriften über die schriftliche und detaillierte Vereinbarung der Verlangensleistungen ergibt sich eine größere Transparenz der nämlichen Leistungen, da für die Betriebs- und Sonderprüfungen auch solche schriftlichen Vereinbarungen zwischen Arzt und Patient einsehbar sind. Mit anderen Worten führen die neuen Vorschriften zu einfacheren Prüfungen für die Finanzverwaltung! Die umsatzsteuerpflichtigen Leistungen ergeben sich jetzt unmittelbar aus der Liquidation des Zahnarztes.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Erste Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte vom 5.12.11, kurz „GOZ 2012“: BGBl I 11, 2661
    Quelle: Ausgabe 08 / 2013 | Seite 278 | ID 39537290