· Fachbeitrag · Unternehmensverträge
Die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags: Fehler können „teuer“ werden
von Dr. Helmar Fichtelmann, Ansbach
| Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge spielen in der Praxis eine äußerst wichtige Rolle. Die Aufhebung solcher Verträge ist an strenge Vorgaben geknüpft. So ist eine vorzeitige Kündigung z. B. nur aus einem wichtigen Grund zu rechtfertigen; und ein zivilrechtlich anerkannter Kündigungsgrund muss ertragsteuerlich noch längst nicht als „wichtiger Grund“ durchgehen. Auch die Nachwirkungen einer solchen Beendigung sind nicht zu unterschätzen. Zum Glück hat der BGH jüngst zur Problematik der Nachhaftung in heftig umstrittenen Fragen für mehr Rechtssicherheit gesorgt. |
1. Gründe für die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags
Beherrschungsvertrag ist ein Vertrag, durch den eine AG oder KGaA die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellt. Mit dem Gewinnabführungsvertrag verpflichtet sich die Gesellschaft, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen abzuführen (§ 291 Abs. 1 S. 1 AktG). Für eine GmbH als Untergesellschaft werden die Vorschriften des Aktienrechts analog angewendet, da es für die GmbH kein eigenes Konzernrecht gibt (vgl. BGH 10.7.06, II ZR 238/04 für die Verlustübernahme nach § 302 AktG).
Der Beherrschungsvertrag räumt dem herrschenden Unternehmen eine weitreichende Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft ein. Problematisch wird es in der Praxis immer dann, wenn sich das beherrschte Unternehmen aus dieser Umklammerung lösen will. Den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft steht beispielsweise kein Anspruch auf Fortsetzung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags und auf Verlustübernahme zu (BGH 7.10.14, II ZR 361/13, GmbHR 15, 24). Die Rechte der Gläubiger werden u. a. dadurch gewahrt, dass ihnen bei Beendigung des Gewinnabführungsvertrags ein Recht auf Sicherheitsleistung für ihre Forderungen eingeräumt wird. Der Vertrag kann u. a. aus folgenden Gründen beendet werden:
1.1 Zeitablauf bzw. Eintritt einer auflösenden Bedingung
Der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag endet ohne weitere Rechtshandlung durch Ablauf eines fest vereinbarten Zeitraums oder bei Eintritt einer im Vertrag vereinbarten auflösenden Bedingung.
1.2 Beendigung durch Aufhebung des Unternehmensvertrags
Die Aufhebung ist eine Vereinbarung zwischen Organträger und Organgesellschaft. Die Aufhebung kann nur zum Ende des Geschäftsjahrs oder des sonstigen vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums erfolgen (BGH 16.6.15, II ZR 384/13, GmbHR 15, 985). Formell ist für die Aufhebung Schriftform erforderlich (§ 296 Abs. 1 S. 2 AktG). Einer Zustimmung der Hauptversammlung bedarf es nicht, da es sich um eine Geschäftsführungsmaßnahme handelt.
Beachten Sie | Sieht der Vertrag Leistungen an außenstehende Aktionäre vor, kann er nur aufgehoben werden, wenn diese durch Sonderbeschluss zustimmen.
1.3 Hinzutreten außenstehender Aktionäre
Für außenstehende Aktionäre ist im Gewinnabführungsvertrag ein angemessener Ausgleich durch eine auf die Anteile am Grundkapital bezogene wiederkehrende Geldleistung vorzusehen (§ 204 Abs. 1 S. 1 AktG). Besteht nur ein Beherrschungsvertrag und ist die Gesellschaft nicht auch zur Abführung ihres gesamten Gewinns verpflichtet, muss der Beherrschungsvertrag außenstehenden Aktionären einen bestimmten jährlichen Gewinnanteil garantieren (§ 304 Abs. 1 S. 2 AktG). Der Gewinnanspruch gegen die abhängige Gesellschaft bleibt in beiden Fällen bestehen, kann aber durch die Einflussnahme der herrschenden Gesellschaft beeinträchtigt werden.
Tritt ein außenstehender Aktionär hinzu, gilt Folgendes: Wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag keine außenstehenden Aktionäre hatte, endet der Vertrag spätestens zum Ende des Geschäftsjahrs, in dem ein außenstehender Aktionär beteiligt ist (§ 307 AktG). Dies gilt nicht, wenn bei Vorhandensein außenstehender Aktionäre ein weiterer außenstehender Aktionär hinzutritt.
1.4 Kündigung des Unternehmensvertrags
1.4.1 Ordentliche Kündigung
Die ordentliche Kündigung ist gesetzlich nicht geregelt, wird aber in § 297 AktG vorausgesetzt und kann jedenfalls vertraglich vereinbart werden. Ob ein Kündigungsrecht auch ohne Vereinbarung besteht, ist umstritten (vgl. Nachweise bei Ulrich, GmbHR 04, 1000, 1011). In der Vereinbarung können auch Gründe festgelegt werden, die zu einer Kündigung berechtigen.
1.4.2 Außerordentliche Kündigung
1.4.2.1 Die gesellschaftsrechtliche Beurteilung
Nach § 297 Abs. 1 S. 1 AktG kann ein Unternehmensvertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden (Zulässigkeit einer unterjährigen Kündigung, vgl. BGH 16.6.15, II ZR 384/13, GmbHR 15, 985). Die außerordentliche Kündigung muss schriftlich erfolgen (§ 297 Abs. 3 AktG). § 297 enthält keine ausdrückliche Definition des wichtigen Grundes.
MERKE | Eine fristlose Kündigung dürfte immer dann zulässig sein, wenn die Fortsetzung des Vertrags einer oder beiden Vertragspartei(en) nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann, z. B. bei einer schwerwiegenden Vertragsverletzung (BGH 5.4.93, II ZR 238/91, GmbHR 93, 446). Eine solche wird regelmäßig vorliegen, wenn die herrschende Gesellschaft ihrer Pflicht zur Abdeckung der erlittenen Verluste der abhängigen Gesellschaft nicht oder nur stark verzögert nachkommt. |
Im Unternehmensvertrag können wichtige Gründe festgelegt werden. Das kann auch eine Anteilsveräußerung sein (OLG Hamburg 30.12.98, 11 U 35/97; vgl. auch BFH 13.11.13, I R 45/12, GmbHR 14, 499; offen gelassen von BGH 16.6.15, II ZR 384/13, GmbHR 15, 985).
1.4.2.2 Die abweichende Beurteilung durch den BFH
Für die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Gewinnabführungsvertrags für das Steuerrecht ist die zivilrechtliche Beurteilung nicht maßgebend. Bestimmend ist nach Auffassung des BFH (13.11.13, I R 45/12, GmbHR 13, 912) allein das Steuerrecht, da es in § 14 KStG an einer Bezugnahme auf das Zivilrecht fehlt.
Ohne Auswirkung bleibt die zivilrechtlich wirksame außerordentliche Kündigung m. E. aber nicht. Denn ein zivilrechtlich nicht mehr bestehender Gewinnabführungsvertrag lässt die Voraussetzung des Bestehens eines Gewinnabführungsvertrags i. S. des § 291 AktG für das Steuerrecht wegfallen. Ein steuerlicher Gewinnabführungsvertrag existiert dann nicht mehr.
MERKE | Ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung, die steuerlich den Gewinnabführungsvertrag mit sofortiger Wirkung beendet, wird im Allgemeinen vorliegen, wenn der einen Partei die Fortsetzung des Vertrags aufgrund des Verhaltens der anderen Vertragspartei nach Treu und Glauben nicht mehr zugemutet werden kann. Insoweit unterscheidet sich die steuerliche Beurteilung kaum von der zivilrechtlichen. |
Ein wichtiger Grund kann auch vorliegen, wenn die wirtschaftliche Existenz eines Vertragspartners wegen unvorhersehbarer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse bei Fortbestehen des Vertrags gefährdet wäre (vgl. FG Brandenburg 19.10.11, 12 K 12078/08, GmbHR 12, 413). Nach R 60 Abs. 6 S. 2 KStR kann ein wichtiger Grund insbesondere „in der Veräußerung oder Einbringung der Organbeteiligung durch den Organträger, der Verschmelzung, Spaltung oder Liquidation des Organträgers oder der Organgesellschaft“ gesehen werden. Diese Beurteilung wird im Schrifttum allgemein geteilt.
Beachten Sie | In diese scheinbar so gefestigte Ansicht ist Bewegung gekommen durch ein Urteil des FG Niedersachsen (10.5.13, 6 K 140/10, GmbHR 13, 912). Das FG sieht den Verkauf der Beteiligung an einer Organgesellschaft innerhalb des Konzerns entgegen der Anweisung in den KStR nicht als wichtigen Grund für eine Kündigung an. Was innerhalb eines Konzerns gilt, muss aber erst recht gelten, wenn die Übertragung an fremde Dritte erfolgt.
Die Argumentation des Gerichts: Ein wichtiger Grund müsse ähnlich gewichtig sein wie die Gründe, die zivilrechtlich eine einseitige fristlose Lösung bei Dauerschuldverhältnissen gegen den Willen des Vertragspartners rechtfertigen. Diese Voraussetzung erfülle der Verkauf der Anteile nicht. Der Verkauf der Organgesellschaft innerhalb des Konzerns als wichtiger Grund würde zudem die Mindestdauer des Gewinnabführungsvertrags in das Belieben der beteiligten Gesellschaften stellen (ablehnend Altroter-Herzberg, GmbHR 13, 921).
Folgt man der Entscheidung, könnte ein durchaus sinnvoller Umbau im Konzern durchaus erschwert werden. Insgesamt wird man das Urteil jedoch billigen können. Gerade Umwandlungen im Konzern können langfristig geplant werden. Es kann nicht sein, dass ein Gewinnabführungsvertrag Gegenstand einer überstürzten Regelung wird, die man dann selbst durch einen zu schaffenden wichtigen Grund im Wege einer außerordentlichen Kündigung ohne steuerliche Nachteile aus der Welt schaffen kann.
PRAXISHINWEIS | Falls die Entscheidung vor dem BGH Gnade finden sollte, würde dem „wichtigen Grund“ in seiner wirklichen Bedeutung Geltung verschafft. Die Grundsätze der Entscheidung des FG Niedersachsen sind anwendbar auf alle Fälle, die in A 60 Abs. 3 KStR dargestellt sind. |
2. Besonderheiten des steuerlichen Gewinnabführungsvertrags
2.1 Die besonderen Voraussetzungen im Einzelnen
Der steuerliche Gewinnabführungsvertrag weicht in einigen Punkten von dem gesellschaftsrechtlichen Gewinnabführungsvertrag ab und hat deshalb in den §§ 14 bis 16 KStG eine eigene Regelung gefunden, die in § 17 KStG auf andere Kapitalgesellschaften ausgedehnt wird. Von besonderer Bedeutung ist, dass der Vertrag für mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden muss (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 KStG). Eine vorzeitige Beendigung des Gewinnabführungsvertrags durch Kündigung ist unschädlich, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt (§ 14 Abs. 1 Nr. 3 S. 2 KStG).
2.1.1 Es muss ein Gewinnabführungsvertrag i. S. des § 291 AktG vorliegen
Ob ein solcher vorliegt, beurteilt sich ausschließlich nach den Vorschriften des AktG. Dem Steuerrecht steht kein eigenes Prüfungsrecht zu, z. B. hinsichtlich der rechtswirksamen Kündigung durch einen Vertragsteil (vgl. BFH 13.11.13, I R 45/12, GmbHR 14, 499).
2.1.2 Abschluss für die Dauer von mindestens fünf Jahren
Bei dem 5-Jahreszeitraum handelt es sich um Zeitjahre, nicht um Wirtschaftsjahre (BFH 12.1.12, I R 3/10, BStBl II 11, 727; R 60 Abs. 2 S. 1 KStR). Wird eine vorzeitige Kündigung zugelassen, kann dies steuerlich dazu führen, dass eine nicht ernsthaft vereinbarte Mindestlaufzeit angenommen wird. Der Gewinnabführungsvertrag wäre dann nicht anzuerkennen. Hingegen bleibt es ohne nachteilige steuerliche Folgen, wenn ein außerordentliches Kündigungsrecht vereinbart wird, denn dieses besteht von Gesetzes wegen ohnehin.
PRAXISHINWEIS | Die Umstellung des Wirtschaftsjahrs der Organgesellschaft ist unschädlich, wenn dadurch die 5-Jahresfrist nicht beeinträchtigt wird (BFH 12.1.12, I R 3/10). Wird die 5-Jahresfrist hingegen verkürzt, ist die Umstellung schädlich. |
Die 5-Jahresfrist beginnt mit dem Anfang des Kalenderjahres, für das die Rechtsfolgen des § 14 Abs. 1 S. 1 KStG erstmals eintreten (R 60 Abs. 2 S. 2 KStR). Der Gewinnabführungsvertrag wird wirksam mit der Eintragung in das Handelsregister des Sitzes der Organgesellschaft (§ 294 Abs. 2 AktG), sofern es sich bei dieser nicht um eine eingegliederte Gesellschaft i. S. des §§ 319 bis 327 handelt (dann bereits mit Abschluss des Vertrags, § 324 Abs. 2 S. 2 AktG).
|
Die V-GmbH & Co. KG ist als Holdinggesellschaft tätig und hat u. a. mit der LM-GmbH einen Gewinnabführungsvertrag wirksam abgeschlossen. Die Organgesellschaft ist keine eingegliederte Gesellschaft i. S. der §§ 319 bis 327 AktG. Die Organgesellschaft hat das Kalenderjahr als Wirtschaftsjahr. Der Vertrag wurde am 5.10.10 abgeschlossen und am 7.12. des gleichen Jahres in das Handelsregister am Sitz der Organgesellschaft eingetragen. Er soll erstmals für das Jahr 2010 gelten. 2013 stellt die Organgesellschaft ihr Wirtschaftsjahr mit Zustimmung des Finanzamts auf den Zeitraum 1.4. bis 31.3. um. Zum 31.3.14 wird der Gewinnabführungsvertrag einvernehmlich aufgehoben. Ein wichtiger Grund liegt hierfür nicht vor.
Das für den Gewinnabführungsvertrag maßgebende Wirtschaftsjahr (Kalenderjahr) beginnt am 1.1.10. Der Gewinnabführungsvertrag würde am 31.12.14 enden. Der Gewinnabführungsvertrag besteht zwar fünf Wirtschaftsjahre, aber keine fünf Kalenderjahre. Bei vorzeitiger Aufhebung des Vertrags wären die Voraussetzungen somit keine vollen fünf Zeitjahre erfüllt. Der Gewinnabführungsvertrag ist dann von Anfang an unwirksam. |
2.2 Beendigung des Gewinnabführungsvertrags wegen Nichtdurchführung
Voraussetzung für einen steuerlich wirksamen Gewinnabführungsvertrag ist u. a. die Durchführung während der gesamten Geltungsdauer. Er ist so durchzuführen, wie er schriftlich vereinbart ist (§ 301 S. 1 AktG). Maßgebend ist der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelte handelsrechtliche Gewinn, der durch Vereinbarung der Vertragsparteien im Rahmen dieser Grundsätze abgeändert werden kann (z. B. bei Ausübung von Wahlrechten). Unabhängig vom Vereinbarten kann die Organgesellschaft als Gewinn höchstens den ohne die Gewinnabführung entstehenden Jahresüberschuss abführen, vermindert um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr und um den Betrag, der nach § 300 AktG in die gesetzliche Rücklage einzustellen ist (§ 301 S. 1 AktG). Während der Dauer des Vertrags in andere Gewinnrücklagen eingestellte Beträge können entnommen und als Gewinn abgeführt werden (§ 301 S. 2 AktG).
Beachten Sie | Die handelsrechtliche Obergrenze des abzuführenden Gewinns ist auch steuerlich maßgebend (§ 17 S. 2 Nr. 1 KStG; Schenk in: Bürgers/Körber, AktG, § 301 Rn. 12). Die Untergrenze ergibt sich aus § 14 Abs. 1 S. 1 KStG. Steuerliche Mehrgewinne (die nicht abzuführen sind) sind in eine Gewinnrücklage nach § 272 Abs. 3 HGB einzustellen, soweit sich bilanzielle Auswirkungen überhaupt ergeben (z. B. außerbilanzielle Zurechnung von vGA).
Gründe für die Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags (sie können vom Organträger oder von der Organgesellschaft zu verantworten sein):
- Nichtabführung des vereinbarten ganzen Gewinns (z. B. durch wesentliche Falschberechnung des abzuführenden Gewinns)
- Verspätetes Abführen des vereinbarten Gewinns. Um dem vorzubeugen, sollte ein fester Termin im Vertrag festgelegt werden (z. B. innerhalb von vier Wochen nach Feststellung der Bilanz der Organgesellschaft, spätestens bis zum …).
- Nichtabdeckung von Fehlbeträgen, die während der Vertragsdauer bei der Organgesellschaft entstanden sind. Der verspätete Verlustausgleich kann der Nichtübernahme gleichstehen. Eine Regelung im Vertrag schafft Klarheit.
- Die Leistung von Ausgleichszahlungen (§ 304 Abs. 1 S. 1 AktG) an außenstehende Aktionäre unterbleibt oder erfolgt erst wesentlich später. Bestehen allerdings Streitigkeiten über die Höhe des Ausgleichs, reicht bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung m. E. eine angemessene Zahlung.
- Verzicht des Organträgers auf die Gewinnabführung bzw. Verzicht der Organgesellschaft auf die Verlustübernahme
- Einen solchen Fall behandelt ein aktuelles Urteil des FG Münster (20.8.14, 10 K 2192/13, GmbHR 14, 1326). Die Gründe für ein solches Vorgehen können verschieden sein. Soweit damit der gesamte Gewinnabführungsvertrag erfasst wird, wird man darin die Aufhebung des Vertrags zu sehen haben.
PRAXISHINWEIS | Nach Auffassung des FG ist der schon entstandene Gewinnanspruch beim Organträger zu erfassen. Der Verzicht hierauf ist als verdeckte Einlage auf die Beteiligung an der Organgesellschaft zu behandeln. |
3. Ausschluss der Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags
In den folgenden Fällen tritt keine automatische Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags ein:
3.1 Rechtliche Veränderung bei einer Vertragspartei
- Veräußerung oder Einbringung der Organgesellschaft durch den Organträger,
- Verschmelzung, Spaltung oder Liquidation des Organträgers oder der Organgesellschaft oder
- Änderung der Rechtsform, soweit nicht die Organgesellschaft in eine Personengesellschaft umgewandelt wird, die nicht Organgesellschaft sein kann. In diesem speziellen Fall wird man eine Beendigung des Gewinnabführungsvertrags mit Rechtskraft der Umwandlung annehmen müssen.
In den genannten Fällen gehen die KStR (R 60 Abs. 6 S. 2) davon aus, dass eine Kündigung aus wichtigem Grund gerechtfertigt sein kann. Es wird dabei unterstellt, dass die aufgezeigten Vorgänge keine automatische Beendigung herbeiführen. Grundsätzlich tritt Gesamtrechtsnachfolge ein. Bei einer Verschmelzung geht z. B. das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers einschließlich der Verbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG über (vgl. Schäffler in: Maulbetsch/Klump/Rose, UmwG, § 20 Rn. 3). Für andere Arten der Umwandlung gelten vergleichbare Regelungen (z. B. für die Spaltung nach § 123 Abs. 1 Nr. 1 UmwG: „… ohne Abwicklung …“).
Ausnahme: Wird die Organgesellschaft auf den Organträger verschmolzen, gehen deren Verpflichtungen nicht auf den Organträger über, sondern erlöschen mit Wirksamwerden der Verschmelzung durch Konfusion: Der Organträger kann nicht gleichzeitig Verpflichteter und Berechtigter sein (vgl. Schäffler, a.a.O., § 20 Rn. 46).
Die oben dargestellte Aufzählung der Fälle der Nichtbeendigung des Gewinnabführungsvertrags ist nicht abschließend.
3.2 Der Gewinnabführungsvertrag in der Insolvenz
Da der Organträger die Verluste der Organgesellschaft übernehmen muss, kann die Organgesellschaft nicht insolvent werden, wenn der Organträger seiner Verpflichtung nachkommt. Die Insolvenz der Organgesellschaft wird daher im Regelfall die vorherige Insolvenz des Organträgers voraussetzen (sog. Simultaninsolvenz).
|
Die Organgesellschaft X macht laufend Verluste. Die ständigen Verluste sind Ausfluss der Konzernstrategie. Was als vorteilhaftes Gestaltungsmittel zur Verlustnutzung gedacht war, wird jetzt zum Problem. Organträger und Organgesellschaft sind nach langer Krise insolvent und der Organträger kann seine Pflicht zur Verlustübernahme nicht mehr erfüllen. Ein Recht auf ordentliche Kündigung ist ausdrücklich im Gewinnabführungsvertrag vereinbart worden und die Voraussetzungen hierfür sind gegeben. Was ist zu tun? |
Kündigen könnte der Insolvenzverwalter der Organgesellschaft, da die Nichtübernahme der Verluste nach Treu und Glauben nicht länger zugemutet werden kann. Die Frage ist, ob er kündigen muss bzw. soll. Der Gewinnabführungsvertrag mit der Pflicht zum Verlustausgleich wird von der Insolvenz sowohl des Organträgers als auch der Organgesellschaft nicht tangiert. Er besteht also fort (zu dieser umstrittenen Frage wird auf die Ausführungen des Verfassers in GmHR 10, 576, 580 verwiesen; von einer weiteren Erörterung wird daher abgesehen). Das führt uns zu der Frage, ob die Organgesellschaft einen Anspruch auf Verlustausgleich gegen den Organträger geltend machen kann.
Zunächst ist zu klären, ob es sich um eine Insolvenzforderung oder eventuell um eine Masseforderung handelt. Eine Insolvenzforderung liegt vor, wenn der persönliche Gläubiger einen zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch gegen den Schuldner hat (§ 38 InsO). Diese Voraussetzung erfüllt m. E. ein Anspruch aus dem Gewinnabführungsvertrag. Es handelt sich um eine nachrangige Insolvenzforderung i. S. des § 39 InsO. Insbesondere liegt keine nachrangige Insolvenzforderung nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO vor. Denn die Leistungen aus einem Gewinnabführungsvertrag sind keine Forderungen aus Rechtshandlungen, die Darlehen i. S. der Nr. 5 entsprechen. Ausnahmsweise kann dies anders sein, wenn Forderungen aus einem Gewinnabführungsvertrag wie eine langfristige Finanzierung behandelt werden (z. B. durch Stundung, vgl. Kleindiek in: HK-InsO, § 39 Rn. 35).
Beachten Sie | Zur Annahme einer Masseforderung (§ 209 InsO) liegen keine Anhaltspunkte vor. Denn die Weitergeltung ist nicht auf eine Handlung des Insolvenzverwalters zurückzuführen.
Ein Interesse an der Kündigung hätte aber auch der Insolvenzverwalter des Organträgers, um der weiteren Verpflichtung zur Verlustübernahme zu entgehen. Liegt ein wichtiger Grund vor? Das ist m. E. zu bejahen, weil sich die wirtschaftlichen Verhältnisse grundlegend geändert haben.
4. Folgen der Beendigung des Gewinnabführungsvertrags
Wir müssen drei Varianten unterscheiden:
- 1. Die Beendigung tritt während der 5-Jahresfrist ein.
- 2. Beendigung des Gewinnabführungsvertrags während der 5-Jahresfrist durch Kündigung aus wichtigem Grund
- 3. Beendigung erfolgt nach Ablauf der 5-Jahresfrist
4.1 Beendigung während der 5-Jahresfrist
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Beendigung innerhalb der 5-Jahresfrist dazu führt, dass die Besteuerung für die gesamte Laufzeit nach dem KStG durchzuführen ist (vgl. R 60 Abs. 8 S. 2 KStR). Die Organgesellschaft hat die von ihr erwirtschafteten Gewinne selbst zu versteuern, während der Organträger die Gewinne der Organgesellschaft nicht mehr zu erfassen hat.
PRAXISHINWEIS | Auch wenn die Veranlagungen nicht vorläufig (§ 165 AO) oder unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) durchgeführt wurden, ist deren Änderung m. E. möglich. Denn der (rückwirkende) Wegfall des Gewinnabführungsvertrags stellt ein Ereignis dar, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat (rückwirkendes Ereignis nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO). Denn der veränderte Sachverhalt ist nun anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen (BFH 19.7.93, GrS 2/92, BStB II 93, 897). |
Wie sieht nun die Veranlagung der Organgesellschaft aus?
Da die steuerliche Beurteilung die Wirksamkeit des Gewinnabführungsvertrags nicht tangiert, hat die Organgesellschaft gegen den Organträger keinen Anspruch auf Rückzahlung der abgeführten Gewinne. Steuerlich gesehen werden die abgeführten Gewinne zu Betriebsausgaben der Organgesellschaft. Das bedeutet auch, dass der Organträger diese als Betriebseinnahmen zu behandeln hat. Aufs Ganze gesehen bedeutet das, dass sich der „neue“ Gewinn“ der Organgesellschaft von der vorherigen Veranlagung nicht unterscheidet. Denn eine Gewinnerhöhung der Organgesellschaft um die abgeführten Gewinne tritt nicht ein. Der fehlende zivilrechtliche Anspruch verhindert eine Aktivierung bei der Organgesellschaft.
Auch beim Organträger ergeben sich keine Änderungen. Die abgeführten Gewinne erhöhen als Betriebseinnahmen seinen Gewinn - es bleibt alles beim Alten.
4.2 Beendigung des Gewinnabführungsvertrags durch Kündigung aus wichtigem Grund während der 5-Jahresfrist
Die Beendigung durch außerordentliche Kündigung lässt den Gewinnabführungsvertrag für die Jahre unberührt, für die er durchgeführt worden ist (R 60 Abs. 6 S. 1 KStR).
|
Der 2011 für einen Zeitraum von fünf Jahren abgeschlossene Gewinnabführungsvertrag wird im vierten Jahr zulässigerweise aus wichtigem Grund gekündigt. Er wurde bisher auch durchgeführt.
Für die ersten drei Jahre bleibt es bei der Anerkennung des Gewinnabführungsvertrags. Ab dem vierten Jahr besteht kein Gewinnabführungsvertrag mehr. Bisheriger Organträger und bisherige Organgesellschaft sind mit ihrem jeweiligen Einkommen zur KSt zu veranlagen (zum Merkmal „wichtiger Grund“ bei vorzeitiger Vertragsbeendigung siehe BFH 13.11.13, I R 45/12, BStBl II 14, 486). |
4.3 Beendigung des Gewinnabführungsvertrags nach Ablauf von fünf Jahren
Der für fünf aufeinanderfolgende Jahre durchgeführte Gewinnabführungsvertrag bleibt wirksam, auch wenn der Gewinnabführungsvertrag von Anfang an für mehr als fünf Jahre abgeschlossen worden ist.
|
Der Gewinnabführungsvertrag besteht für die Jahre 2009 bis 2013. Im Jahr 2014 wird der Vertrag ohne wichtigen Grund gekündigt und nicht mehr durchgeführt.
Für die Jahre 2009 bis 2013 wird der Gewinnabführungsvertrag steuerlich anerkannt. Ab 2014 ist der Gewinnabführungsvertrag entfallen. |
5. Nachwirkungen der Beendigung des Gewinnabführungsvertrags
Gemäß § 303 Abs. 1 S. 1 AktG ist den Gläubigern des anderen Vertragsteils Sicherheit zu leisten für Forderungen, die vor der Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Vertrags in das Handelsregister nach § 10 HGB begründet worden sind. Voraussetzung ist lediglich, dass sie sich binnen sechs Monaten nach der Bekanntmachung der Eintragung zu diesem Zweck bei ihm melden. Die Gläubiger sind in der Bekanntmachung auf dieses Recht hinzuweisen. Eine zeitliche Begrenzung für die Geltendmachung enthält § 303 AktG - anders als § 327 Abs. 4 AktG - nicht.
Bei Verbindlichkeiten, die bis zur Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung des Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags zwar begründet worden sind, aber erst danach fällig werden, ist Folgendes zu beachten:
Laut BGH ist der Anspruch der Gläubiger der abhängigen Gesellschaft auf Sicherheitsleistung entsprechend der Nachhaftungsregelung in §§ 26, 160 HGB und § 327 Abs. 4 AktG auf Ansprüche begrenzt, die vor Ablauf von fünf Jahren nach der Bekanntgabe fällig werden (BGH 7.10.14, II ZR 361/13, GmbHR 15, 24). Zur Begründung führt der BGH in seiner Entscheidung, in der es um eine GmbH als abhängige Gesellschaft ging, aus:
Im Vertragskonzern mit einer GmbH als abhängiger Gesellschaft sei der Rechtsgedanke des § 302 AktG entsprechend anwendbar (BGH 7.10.14, II ZR 364/13, GmbHR 15, 24, st. Rechtsprechung). Das gelte auch für die Besicherung nach § 303 AktG (vgl. BGH 11.11.91, II ZR 287/90, GmbHR 92, 34, ständige Rechtsprechung).
Mit der Entscheidung des BGH vom 7.10.14 wird ein heftiger Streit im Schrifttum zugunsten der Anwendung der Nachhaftungsregelung entschieden. Ausgangspunkt der Erwägung des BGH ist die Erkenntnis, dass die Gläubiger einer vertraglich konzernierten Gesellschaft keinen Anspruch auf Fortbestehen des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags und der Verlustausgleichsverpflichtung nach § 302 AktG haben. Eine zeitlich weitreichende Haftung lässt sich nach Ansicht des BGH mit dem Zweck des Anspruchs auf Sicherheitsleistung nicht vereinbaren.
MERKE | Der Anspruch auf Sicherheitsleistung nach § 303 AktG soll laut Gericht der Gefahr begegnen, dass die abhängige Gesellschaft, deren eigenständige Lebensfähigkeit wegen der vorherigen Ausrichtung auf das Konzerninteresse zweifelhaft erscheine, ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlen kann, nachdem die Verpflichtung der Obergesellschaft zur Verlustdeckung durch die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags entfallen ist (vgl. hierzu BGH 16.9.85, II ZR 275/84, GmbHR 86, 78).
Diese mit der früheren Konzernierung verbundene Gefahr vermindere sich im Laufe der Zeit nach Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags. Es handele sich, da für den GmbH-Konzern eine Regelung fehle, um eine unbeabsichtigte Regelungslücke, die zu einer lang dauernden oder gar endlosen Inanspruchnahme des früher herrschenden Unternehmens führen könne. Dies habe der Gesetzgeber übersehen. Diese Lücke sei entsprechend der Nachhaftungsregelung der §§ 26, 160 HGB, § 327 Abs. 4 AktG zu schließen. |
Die Folge ist eine Begrenzung der Sicherheitsleistung auf Ansprüche, die innerhalb von fünf Jahren ab der Bekanntmachung der Eintragung der Beendigung fällig werden. Eine analoge Anwendung der 10-Jahresfrist des § 133 Abs. 3 S. 2 UmwG wird vom BGH ausdrücklich abgelehnt.
FAZIT | Die Entscheidung des BGH vom 7.10.14 bringt Klarheit in einer wichtigen Frage und leistet damit einen erheblichen Beitrag zur Rechtssicherheit. Dem BGH ist in vollem Umfang zu folgen. |