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  • · Fachbeitrag · Vorsteuerabzug

    Nach 10-jähriger Wartezeit: BMF positioniert sich endlich zur rückwirkenden Rechnungskorrektur!

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    | Was lange währt, wird endlich gut: Nach zehn Jahren Rechtsunsicherheit und einem im Herbst 2018 publizierten Weisungsentwurf hat die Finanzverwaltung nun endlich „geliefert“: Mit BMF-Schreiben vom 18.9.20 nimmt sie umfänglich zur Zins- und vorsteuerwirksamen Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen Stellung. Klarstellungen gibt es auch zur Ergänzbarkeit lücken- oder fehlerhafter Rechnungen durch den Rechnungsempfänger. Eine epochale Veränderung mit Breitenwirkung, die endlich für Rechtssicherheit sorgt (BMF 18.9.20, III C 2 - S 7286-a/19/10001 :001). |

    1. Komplexe Ausgangsproblematik

    Bei dem in der Praxis häufig nur auf die Formel „strittige Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen“ reduzierten Fragenkomplex geht es nicht nur um die Modalitäten der Korrigierbarkeit und deren Wirkung bei nachträglichen Abrechnungskorrekturen des Rechnungsausstellers. Es geht vielmehr um drei unterschiedliche Themenkomplexe der jüngeren EuGH-Rechtsprechung:

     

    1.1 Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen

    Mit Urteil vom 15.7.10 (C-368/09 ‒ „Pannon Gep“) hatte der EuGH erstmals „angedeutet“, dass die aus deutscher Sicht undenkbare Rückwirkung von Rechnungsberichtigungen EG-rechtswidrig sein könnte und den Eindruck knapp drei Jahre später nochmals verstärkt (EuGH 8.5.13, C-271/12 ‒ „Petroma Transports“). Angesichts diverser Unklarheiten in diesen beiden ausländischen EuGH-Verfahren und der fortwährend gegenteiligen BFH-Rechtsprechung ignorierte die Finanzverwaltung diese Urteile jedoch trotz mahnender Literaturstimmen weiterhin. Erst als der EuGH auch in einem „deutschen Verfahren“ (Rs. „Senatex“ ‒ C-518/14) die Rückwirkung klar bejahte, formulierte auch der BFH zeitnah konkrete „Eckpunkte“ zur Rückwirkung (BFH 20.10.16, V R 64/14; V R 26/15; V R 54/14).

     

    1.2 „Empfängerseitige Ergänzbarkeit“ durch Eigenunterlagen?

    Mit Urteil vom 15.9.16 hatte der EuGH in einem portugiesischen Vorlageverfahren (C-516/14 ‒ „Barlis-06“) wieder nur „angedeutet“, dass es oftmals nicht zwingend einer Rechnungsberichtigung durch den Aussteller bedürfe. Im Einzelfall könne der Leistungsempfänger inhaltliche Lücken zu den Rechnungsangaben auch durch Vorlage ergänzender Unterlagen schließen. Jedenfalls dürfe das Finanzamt aus einer formell unzulänglichen Rechnung den Vorsteuerabzug zumindest dann nicht verweigern, wenn die Behörde aufgrund solcher Unterlagen über alle notwendigen Informationen zur Prüfung der materiellen Vorsteuerabzugsvoraussetzungen verfüge. Auch hierzu hatte der BFH lange nicht eindeutig Position bezogen (z. B. V R 18/17, Rn. 16; XI R 5/18, Rn. 28). Daher war bislang unklar, ob bei einer vom Ursprungsaussteller nur noch schwer beschaffbaren „Korrekturrechnung“ die inhaltlichen Lücken vom Leistungsempfänger bereinigt werden können.

     

    1.3 Vorsteuerabzug auch „gänzlich ohne“ Rechnung?

    In seiner Entscheidung vom 21.11.18 (C-664/16 ‒ „Vadan“; dort Rz. 42) hatte der EuGH in einem rumänischen Vorabentscheidungsersuchen „noch ein weiteres Fass aufgemacht“. Die klare Botschaft: Es könne EG-rechtswidrig sein, in jedem Fall strikt darauf zu bestehen, dass ein Vorsteuerabzug nur bei Vorlage einer Rechnung möglich sei. Das Bestehen auf diesen formellen Grundsätzen könne gegen die Gebote der Neutralität und Verhältnismäßigkeit verstoßen. Denn mit dem Rechnungsdokument solle ja letztlich nur fiskalisch nachprüfbar dokumentiert werden, dass die materiellen Vorsteuerabzugsvoraussetzungen vorliegen. Letztlich solle ja nur nachgewiesen sein, dass der Leistungsempfänger „für seine besteuerten Ausgangsumsätze“ eine Lieferung/Leistung bezogen hat, die auf der Vorstufe auch tatsächlich der Umsatzbesteuerung unterlag.

     

    Der EuGH schränkte allerdings ein, der Leistungsempfänger könne nicht bereits auf Basis eines gerichtlich angeordneten Sachverständigengutachtens das mögliche Vorsteuervolumen beim Fehlen jeglicher Rechnungsdokumente „auf Schätzbasis“ geltend machen. Damit blieb letztlich unklar, ob der Existenz einer mit USt-Ausweis ausgestellten Rechnung „Grundlagenfunktion für das Vorsteuerabzugsrecht“ zukomme oder ob der Unternehmer künftig auch gänzlich ohne jegliche Rechnungsunterlagen den Vorsteuerabzug für sich reklamieren könne.

     

    Das nun vorliegende BMF-Schreiben vom 18.9.20 nimmt zu allen drei EuGH-Thesen umfänglich Stellung, sodass nun ansatzweise „Rechtssicherheit“ bestehen dürfte. Die nachfolgend zitierten Randnummern (Rn.) entsprechen denen im BMF-Schreiben vom 18.9.20.

    2. Allgemeingrundsätze im BMF-Schreiben

    2.1 Rechtsprechungsüberblick (Rn. 1)

    In einem zweiseitigen Vorspann gibt das Anwendungsschreiben einen Überblick über die aus Verwaltungssicht relevanten EuGH- und BFH-Entscheidungen zu Rechnungskorrektur- bzw. Rechnungsergänzung sowie zu Rückwirkungsfragen. Das BMF liefert dabei allerdings eine „fiskalisch gefärbte“ Interpretation der EuGH-Entscheidungen. So merkt er z. B. an, der EuGH habe in der Entscheidung „Biosafe“ (EuGH 12.4.18, C-8/17) bei einem nachträglich auf den Regelsteuersatz angehobenen USt-Ausweis einen Vorsteuerabzug erst für den Besteuerungszeitraum zugelassen, in dem die Korrekturrechnung übermittelt worden sei (und damit einer „Ex-tunc-Wirkung“ nachträglicher USt-Erhöhungen eine Absage erteilt). Abgesehen davon, dass aus EuGH-Entscheidungen nur mit Vorsicht Allgemeinthesen herausinterpretiert werden sollten, findet sich weder eine explizite Aussage zur „Ex-nunc oder Ex-tunc“ Wirkung in den Urteilsausführungen, noch war dies überhaupt Gegenstand der Vorlagefragen an den EuGH.

     

    2.2 Grundsätze zur Rechnungsrelevanz (Rn. 2‒8)

    Das BMF betont die unionsrechtliche Grundsatzunterscheidung zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung und dem der Ausübbarkeit des Vorsteuerabzugsrechts:

     

    • Die Entstehung des Vorsteuerabzugsrechts ist bereits mit Erfüllung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen anzunehmen. Es muss also ein der USt unterliegender Lieferungs- oder Leistungsbezug für Zwecke der besteuerten Umsätze des empfangenden Unternehmers erfolgt sein.

     

    • Ausgeübt werden kann der Vorsteuerabzug hingegen erst mit Zugang der Rechnung. Auch wenn der EuGH insoweit von einer formellen Voraussetzung spricht, hält das BMF unter Verweis auf Rn. 17 der BFH-Entscheidung V R 26/15 und mit Blick auf den „Gleichlauf“ der Steuerbelastung beim Leistenden und der Steuerentlastung beim Leistungsempfänger den (durch das FA prüfbaren) Besitz einer die USt-Belastung offen ausweisenden Rechnung für eine zugleich materielle Voraussetzung. Daher darf laut BMF auch die EuGH-Entscheidung „Vadan“ (C-664/16) nicht dahin gehend missverstanden werden, dass für den Vorsteuerabzug auf ein Rechnungsdokument künftig verzichtet werden könne (Rn. 5‒6). Folglich bleibe es in der deutschen Umsatzbesteuerung dabei, dass der Vorsteuerabzug erst im Besteuerungszeitraum des Zugangs einer ‒ die USt-Belastung offen ausweisenden ‒ Rechnung möglich sei (zu den Möglichkeiten des sog. Objektivnachweises auch ohne Rechnungsberichtigung s. u. 4.).

    3. Rechnungsberichtigung mit Rückwirkung

    Ausgangspunkt aller Diskussionen in diesem Bereich war die fragliche zins- und vorsteuerwirksame Rückwirkung einer später korrigierten Ursprungsrechnung „mittels Rechnungsberichtigung durch den Aussteller“. Diese Rechtsfrage ist durch die jüngste BFH-Rechtsprechung nun weitestgehend geklärt, was das BMF auch ausführlichst unterstreicht (Rn. 14‒27 u. 29‒32): Dabei geht es insbesondere um folgende Detailfragen:

     

    3.1 Rechnungsberichtigung (Rn. 14/15)

    Ist eine Rechnung entsprechend dem „Pflichtangaben-Katalog“ in § 14 Abs. 4 UStG bislang formal lückenhaft oder mit inhaltlichen Fehler behaftet, so ist diese zur Ermöglichung des empfängerseitigen Vorsteuerabzugs durch den ursprünglichen Rechnungsaussteller nach den „Spielregeln“ des § 31 Abs. 5 UStDV zu berichtigen. Dafür stehen diesem die beiden Varianten der „kompletten Neuausstellung“ oder der ‒ nur auf Richtigstellung/Ergänzung der Rechnungsangaben beschränkte ‒ „Korrekturanzeige“ zur Verfügung (bei systembedingten Massenfehlern auch per „Sammelkorrekturanzeige“: Abschn. 14c.1. Abs. 7 S. 5 UStAE gilt m. E. hier analog).

     

    Beachten Sie | In beiden Varianten bedarf es der konkreten Bezugnahme auf das zu korrigierende Ursprungsdokument (§ 31 Abs. 5 S. 2 UStDV; z. B. auf Rechnungsnummer/-datum). Wer letzteres bislang für eine unbedeutsame Formalie gehalten hatte, wurde durch den BFH (5.9.19, V R 38/17) eines Besseren belehrt, der in Rz. 18 eine „spezifische und eindeutige Bezugnahme“ fordert und andernfalls ‒ trotz unstreitig logischen Zusammenhangs ‒ die Rückwirkung verweigert. Der XI. Senat hat in seiner späteren Entscheidung vom 22.1.20 (XI R 10/17, Rz. 27) allerdings „abmildernd“ klargestellt, dass auch die Bezugnahme in einem der Korrekturrechnung beigefügten Begleitschreiben i. S. v. § 31 Abs. 5 S. 2 UStDV genügen könne.

     

    Zudem: Eine wirksame Rechnungsberichtigung kann auch bei einer „Fehlkorrektur“ vorliegen, wenn also eine zuvor zutreffende Rechnung im einvernehmlichen Irrtum der beiden Parteien „korrigiert“ wird und zudem der daraus resultierende USt-Differenzbetrag auch wieder zurückgezahlt wird. Die Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung beim Vorsteuerabzug gilt zudem unabhängig davon, ob die Berichtigung zum Vor- oder Nachteil des Leistungsempfängers wirkt (Rn. 15 u. 16; s. Verweis auf BFH 22.1.20, XI R 10/17)!

     

    3.2 „Rechnungsstorno“ als Sonderfall (Rz. 14)?

    Von mehreren Literaturstimmen war vertreten worden, eine der Rechnungsberichtigung vorangehende Stornierung der Ursprungsrechnung sei „rückwirkungsschädlich“, denn sie müsse als Löschung verstanden werden, sodass die „Ursprungsrechnung“ schlicht nicht mehr existent sei. Dieser Phantomdiskussion ‒ die im Ursprungsentwurf auch noch das BMF vertrat (!) ‒ hatte jüngst der BFH (22.1.20, XI R 10/17, Rz. 18) allerdings den Boden entzogen, was das BMF nun in Rn. 14 seiner neuen Weisung explizit übernimmt. Damit darf auch „mit zins- und vorsteuerwirksamer“ Rückwirkung im ersten Schritt die Ursprungsrechnung storniert und im zweiten Schritt eine vollständig neue Korrekturrechnung erstellt werden.

     

    3.3 Spätester Korrekturzeitpunkt (Rn. 14)

    Während der EuGH eine „zins- und vorsteuerwirksam rückwirkende“ Rechnungsberichtigung nur bis zur abschließenden Behördenentscheidung für möglich hielt, markierte für den V. Senat BFH erst der „Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG“ den spätestmöglichen Korrekturzeitpunkt. Insoweit verblüffte der XI. Senat (BFH 22.1.20, XI R 10/17, Rz. 28) jüngst mit seiner abweichenden Betonung, die Korrekturrechnung sei im Streitfall „zeitlich noch vor Erlass des vorsteuerrückfordernden Steuerbescheides ‒ und damit für die Rückwirkung noch rechtzeitig ‒ erfolgt, was einen ganz erheblichen Unterschied für Unternehmer und ihre steuerlichen Berater gemacht hätte. Doch trotz dieser „fiskalischen Steilvorlage“ entscheidet sich das BMF in Rz. 14 seines Anwendungsschreibens nun für die deutlich großzügigere Sichtweise des V. Senats ‒ was den Unternehmern in der Praxis einen um regelmäßig mindestens zwei Jahre längeren „Korrekturrechnungs-Beschaffungszeitraum“ lässt. Damit sind die bereits von der Beraterschaft befürchteten „Windhundrennen nach BP“ in der Praxis vom Tisch (schafft das FA den schnelleren BP-Abschluss per Bekanntgabe des Korrekturbescheids oder gelingt dem Leistungsempfänger wenige Tage vorher noch die rechtzeitige Beschaffung der Korrekturrechnung?).

     

    3.4 Mindestanforderungen an eine Ursprungsrechnung und deren Rückwirkungscharakter (Rn. 16)

    Der EuGH war in der Rs. „Senatex“ zwar nach den formalen Mindeststandards einer „rückwirkungsfähigen Ursprungsrechnung“ gefragt worden, hatte dies jedoch gänzlich unbeantwortet gelassen. Der V. Senat (vgl. V R 26/15, Rz. 19) ‒ und ihm jüngst beipflichtend auch der XI. Senat (22.1.20, XI R 10/17, Rz. 17) ‒ hatten konstatiert, auf einen „Ursprungszeitpunkt“ könne eine spätere Korrekturrechnung nur dann zurückwirken, wenn das Ursprungsdokument zwar „korrekturbedürftig“, aber „zumindest bereits als „Rechnungs-Torso“ zu werten sein könne, wofür zumindest fünf zentrale Rechnungselemente in der Ursprungsrechnung vorhanden sein müssten: Demnach seien Angaben zu

    • 1. dem leistenden Unternehmer,
    • 2. dem Leistungsempfänger,
    • 3. zur Leistungsbeschreibung,
    • 4. zum Entgelt-Nettobetrag,
    • 5. zum offen ausgewiesenen USt-Betrag,

     

    unverzichtbar, weil ansonsten bereits begrifflich nicht mehr von einer Ursprungs-„Rechnung“ gesprochen werden und folglich die Korrekturrechnung auch nicht darauf zurückwirken könne. Dies übernimmt in Rn. 16 nun auch das BMF „1:1“ und ergänzt, diese fünf Angaben müssten in der Ursprungsrechnung „noch nicht perfekt“, sondern dürften noch „lückenhaft oder ungenau“ sein. Rückwirkungsschädlich würden inhaltliche Mängel in den „fünf Essentials“ jedoch dann, wenn sich eine der fünf Angaben in einem solch hohen Maße als „unbestimmt, unvollständig oder offensichtlich unzutreffend“ darstelle, dass sie einer „gänzlich fehlenden Angabe gleichstehe“. Was das für die künftige Besteuerungspraxis konkret heißen soll, wird in den Rn. 17‒27 umfänglich dargelegt.

     

    3.4.1 Leistender Unternehmer/Leistungsempfänger (Rn. 17‒19)

    Der zutreffenden Konkretisierung der beiden Beteiligten am Leistungsaustausch kommt im Abrechnungspapier i. S. v. § 14 UStG zentrale Bedeutung zu. Enthalten die Angaben zum leistenden Unternehmer/Leistungsempfänger lediglich Ungenauigkeiten (z. B. falscher Rechtsformzusatz bei der Firma), die dessen eindeutige Identifizierbarkeit auch unter Berücksichtigung des § 31 Abs. 2 UStDV durch das FA im ersten Schritt nicht rechtssicher zulassen, so ist die Rechnung zwar berichtigungsbedürftig, aber auch rückwirkungsfähig. Eine Rückwirkungsfähigkeit liegt jedoch dann nicht mehr vor, wenn die Lückenhaftigkeit der Personenangaben faktisch gänzlich fehlenden Angaben gleichsteht oder schlicht eine gänzlich falsche Person in der Rechnung als Leistender/Leistungsempfänger aufgeführt ist.

     

    Beachten Sie | Bei einem gänzlich falschen Leistenden oder Leistungsempfänger (z. B. nur einer der Ehegatten statt der Ehegattengemeinschaft / nur der Gesellschafter statt der leistungsaustauschbeteiligten Gesellschaft) liegt mit dem zugleich auf der Rechnung vermerkten offenen USt-Ausweis auch eine USt-Schuldnerschaft i. S. v. § 14c Abs. 2 UStG vor. In diesen Fällen greift die hier behandelte Rückwirkungs-Rechtsprechung angesichts der bereits gesetzlich geregelten Korrekturvorgaben (vgl. § 14c UStG) nicht.

     

    3.4.2 Leistungsbeschreibung (Rn. 20)

    Hier gilt Ähnliches wie bei den Leistungsbeteiligten: Um rückwirkungsfähig zu sein, müssen die Angaben jedenfalls so konkret sein, dass sie den Typus der erbrachten Lieferung/Leistung einerseits und damit auch deren empfängerseitigen „unternehmerischen Bezug für die besteuerten Umsätze“ zumindest dem Grunde nach erkennen lassen (vgl. Abschnitt 15.2a Abs. 4 UStAE). Führt die Leistungsbeschreibung dagegen eine Leistungsart auf, die überhaupt nicht erbracht wurde (z. B. Schlosserarbeiten am betrieblichen Werktor, obwohl tatsächlich das Balkongeländer am Privathaus repariert wurde), so liegt ein nicht rückwirkungsfähiger Inhaltsfehler vor, der nur nach Maßgabe des § 14c Abs. 2 UStG korrigiert werden kann (vgl. Abschn. 14c.2 Abs. 2 Nr. 3 UStAE).

     

    Beachten Sie | Im Gegensatz dazu kann eine nur ungenaue Angabe der Leistungsbeschreibung als rückwirkungsfähige Mindestangabe genügen ‒ z. B. eine unkonkrete Gattungsangabe wie „Bauarbeiten“. Ist der Beschreibungsinhalt dagegen gänzlich unbestimmt, so geht der BFH von einem schädlichen „faktisch fehlenden“ Rechnungsmerkmal aus (z. B. Leistungsbeschreibung: „Produktverkäufe“: BFH 12.3.20, V R 48/17, Rz. 24). Diese Sichtweise übernimmt das BMF in Rn. 20 und verweist ergänzend darauf, dass die Ausführungen in Abschnitt 15.2a Abs. 6 bzw. 15.11 Abs. 3 S. 6 UStAE (Pflicht zur empfängerseitigen Rechnungsprüfung für Vorsteuerabzugszwecke/Umgang mit Rechnungsmängeln) davon unberührt bleiben.

     

    3.4.3 Nettoentgelt (Rn. 21)

    Nach § 14 Abs. 4 Nr. 7 UStG ist das „nach Steuersätzen/Steuerbefreiungen“ getrennt aufgeschlüsselte (Netto-)Entgelt in der Rechnung anzugeben. Das BMF geht darüber hinaus ‒ zumindest für die Frage einer rückwirkungsfähigen Ursprungsrechnung ‒ davon aus, dass eine „Angabe des Entgelts“ sogar dann vorliegt, wenn sich das Entgelt angesichts der ausgewiesenen Brutto- und Umsatzsteuerbeträge durch schlichte Subtraktion errechnen lässt ‒ und das wohlgemerkt nicht nur bei Kleinbetragsrechnungen (vgl. § 33 Nr. 4 UStDV)!

     

    3.4.4 Gesondert ausgewiesene USt (Rn. 22)

    Der offene USt-Ausweis ist die unverzichtbare Grundlage einer vorsteuerabzugsfähigen Rechnung; daher geht das BMF davon aus, dass hier ‒ anders als beim Entgelt ‒ eine „rein rechnerische Ermittlungsmöglichkeit“ den USt-Ausweis nicht ersetzen kann und damit folglich keine „rückwirkungsfähig korrigierbare Ursprungsrechnung“ vorliegt. Für Kleinbetragsrechnungen kann dies angesichts der Sonderregelung in § 33 Nr. 4 UStDV allerdings nicht gelten (so auch Rn. 16). Fehlt demnach der USt-Ausweis in der Rechnung oder wurde er zu niedrig und damit falsch ausgewiesen, so können nach der BMF-Logik spätere Rechnungsberichtigungen in Bezug auf den nachträglichen Erhöhungsbetrag keine Rückwirkung entfalten (ausführlich Rn. 25‒27). In diesem Sinne hat „just in time“ jüngst das FG Münster (Urteil 29.09.20 (15 K 2680/18 U Rn. 35 ff.) entschieden, die Aussage in einem Mietvertrag „Nettomiete zuzüglich der gesetzlichen MwSt“ sei kein rückwirkend korrigierbarer USt-Ausweis in diesem Sinne.

     

    Eine bemerkenswerte Ausnahme von diesem Grundsatz der verneinten Rückwirkung bei nachträglicher Erhöhung des USt-Ausweises verfügt das BMF allerdings in Rn. 23: Geht der Unternehmer nämlich rechtsirrtümlich von einem Steuerschuldnerschaftsübergang i. S. v. § 13b Abs. 2 u. 5 UStG aus (m. E. müssten Fälle der irrtümlichen Anwendung von § 13b Abs. 1 UStG identisch zu beurteilen sein) und erstellt „folgerichtig“ nur eine Nettorechnung mit „Steuerschuldnerschaftshinweis“, so sollen insofern spätere Korrekturrechnungen auch hinsichtlich eines nachträglichen USt-Ausweises „rückwirkungsfähig korrigierbar“ bleiben. Dem könnte die innere Logik zugrunde liegen, dass in diesen Fällen ja nicht die USt-Entstehung dem Grunde / des Steuersatzes / der Höhe nach falsch beurteilt wurde, sondern nur die Frage, wer von den beiden Leistungsaustauschbeteiligten diese USt-Schuld an den Fiskus abzuführen hat (so auch jüngst FG Niedersachsen 17.09.20, 11 K 324/19, Rev V R 33/20).

     

    Beachten Sie | Folgt man dieser Logik, sollte bei einem irrtümlich angenommenen Dreiecksgeschäft und dem damit irrtümlich angenommenen Besteuerungsübergang für den Umsatz des „Mittleren“ auf den Letztabnehmer in Deutschland als Bestimmungsland (§ 25b Abs. 2 UStG) die gleiche Rechtsfolge gelten; eine solche Analogieweisung fehlt allerdings im BMF-Schreiben.

     

    3.5 Sonderproblem „nachträglich erhöhter USt-Ausweis“ (Rn. 24‒27)

    Während bei den meisten der „fünf essenziellen Rechnungselemente“ eine inhaltliche Unrichtigkeit der Rückwirkung einer späteren Rechnungskorrektur nach BMF-Ansicht grds. nicht entgegensteht, gilt bezüglich des nachträglichen Aufstockungsbetrags eines bislang zu niedrigen bemessenen USt-Ausweises etwas anderes (keine „Vorsteuer-Rückwirkung“/Rn. 29 Abs. 2). Das BMF unterscheidet dabei den bislang gänzlich unterlassenen und den bislang zu niedrigen USt-Ausweis (Rn. 25‒27):

     

    3.5.1 Bislang kein USt-Ausweis (Rn. 25‒26)

    Fehlt in der Rechnung bislang jeglicher USt-Ausweis, so kann eine spätere Rechnungsberichtigung diesen „fehlenden Ausweis“ nicht mit Zins- und Vorsteuerrückwirkung berichtigen. Denkbar ist dieser Sachverhalt insbesondere in folgenden Fällen einer Abrechnung ohne USt wegen irrtümlich

    • angenommener USt-Freiheit der Leistungen,
    • angenommenem Auslandsbesteuerungsort (im Inland nicht USt-bar),
    • angenommener „Geschäftsveräußerung (GiG),
    • angenommenem „Innenumsatz“ bei fehlbeurteilter USt-Organschaft.

     

    Die spätere Korrekturrechnung mit ihrem erstmaligen USt-Ausweis eröffnet dem Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug laut BMF folglich erst im Besteuerungszeitraum des Zugangs der Korrekturrechnung.

     

    Über die Richtigkeit dieser Einschätzung zum „zeitverzögerten Vorsteuerabzug“ lässt sich trefflich streiten; das BMF zitiert zur Begründung lediglich EuGH-Entscheidungen, in deren Urteilsausführungen diese These aber weder ausdrücklich noch argumentativ enthalten ist. Zu finden ist eine m. E. aber plausible Begründung für diese Sichtweise jedoch in den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache „Biosafe“ (C-8/17) vom 30.11.17 (www.iww.de/s4307) in den Rz. 43‒48:

     

    Denn Zweck des Vorsteuerabzugs im Allphasen-Netto-USt-System ist es, den Leistungsempfänger bei seiner „Bruttozahlung“ durch fiskalische Rückerstattung des enthaltenen USt-Betrags als Vorsteuer wieder auf eine Nettobelastung zurückzuführen. Enthielt der ursprüngliche Rechnungsbetrag ‒ und damit die Zahlung des Leistungsempfängers ‒ aber noch gar keine USt, so bedarf es dieser „Entlastungswirkung des Vorsteuerabzugs“ erst im Zeitpunkt der späteren Nachberechnung des irrtümlich bislang nicht fakturierten USt-Betrags. Demnach würde in diesen Fällen ein nachträglich rückwirkender Vorsteuerabzug eine systemwidrige Überbegünstigung herbeiführen.

     

    Demnach dürfte die verweigerte Vorsteuerrückwirkung des BMF in diesen Fällen zutreffend sein, enthält aber im Detail m. E. noch einen partiellen Rechtsfehler:

     

    • Beispiel

    Der niederländische Unternehmer NL liefert in sein auf dem Werksgelände des deutschen Kunden DE befindliches Konsignationslager am 1.11.16 Ware im Nettowert von 100.000 EUR. Am 28.11.16 entnimmt DE dort diese Ware für seine Produktion (vertragsgemäß geht mit der Entnahme das Eigentum auf DE über und löst die entsprechende Zahlungspflicht aus). NL und DE gehen einvernehmlich irrtümlich (beachte: die „EU-Konsignationslagerregelung“/§ 6b UStG gilt erst ab 2020) von einer USt-freien ig. Lieferung des NL an DE im November 2019 aus, sodass NL dem DE eine Rechnung über 100.000 EUR ohne USt-Ausweis erstellt und DE bei seinem FA einen entsprechenden ig. Erwerb erklärt. Im Zuge einer im Herbst 2020 für 2016 begonnenen Außenprüfung kommt das FA zu dem Ergebnis, NL habe insofern eine Inlandslieferung zu versteuern, da die Lieferung erst mit Entnahme am 28.11.16 und damit bereits auf deutschem Territorium erfolgt sei. NL erteilt DE daraufhin am 1.10.20 eine Korrekturrechnung über 100.000 zzgl. 19.000 EUR USt; DE begleicht die 19.000 EUR erst am 5.1.21.

     

    NL schuldet gegenüber dem FA für 2016 im ersten Schritt aus dem vereinbarten und vereinnahmten Bruttobetrag über 100.000 EUR den mit 19 % herausgerechneten USt-Betrag von 15.966,39 EUR (vgl. BFH 16.11.16, V R 1/16). Erhöhen sich im Nachhinein Zahlungsbetrag und damit auch das Nettoentgelt (nach Aufklärung des Besteuerungsirrtums) von 84.033,61 EUR auf dann 100.000 EUR netto, so vollzieht sich die Steuererhöhung auf USt- wie Vorsteuerseite für den Differenzbetrag gemäß § 17 Abs. 1 UStG erst im Besteuerungszeitraum der tatsächlichen Zahlung (BFH 18.9.08, V R 56/06). Den USt-Erhöhungsbetrag von 3.033,61 EUR auf dann 19.000 EUR schuldet NL folglich nicht bereits bei Nachberechnung (10/2020), sondern erst im Besteuerungszeitraum des Zahlungszuflusses, also im Januar 2021.

     

    Das vorstehend für die USt-Entstehung Gesagte gilt ‒ da Entgelts-Änderungen i. S. von § 17 Abs. 1 UStG nach der BFH-Rechtsprechung spiegelbildlich und zeitsynchron bei beiden Leistungsbeteiligten für USt- wie VorSt-Zwecke wirken ‒ auch für DE. Das heißt, DE kann m. E. hinsichtlich des erstmaligen USt-Ausweises in der Rechnung im Besteuerungszeitraum des Rechnungszugangs (10/2020) im ersten Schritt nur einen Vorsteuerbetrag über 15.966,39 EUR und den aus der Entgelterhöhung i. S. v. § 17 Abs. 1 UStG stammenden Restbetrag über 3.033,61 EUR (m. E. anders als das BMF großzügiger verfügt) erst mit Begleichung der 19.000 EUR im Januar 2021 geltend machen.

     

    An der Weisung des BMF (Rn. 29 Abs. 2) kann sich der Leistungsempfänger ‒ entgegen meiner oben vertretenen Lösung ‒ natürlich verbindlich orientieren und damit ‒ entgegen der o. a. partiell auf § 17 Abs. 1 UStG gestützten Lösung ‒ den Vorsteuerabzug von 19.000 EUR vollumfänglich bereits mit Rechnungszugang geltend machen (was bei jahreswechselübergreifenden Sachverhalten eine Rolle spielen kann; vgl. BFH 13.2.14, V R 8/13).

     

    3.5.2 Bislang zu niedriger USt-Ausweis (Rn. 27)

    War in der Rechnung bislang ein zu niedriger USt-Ausweis (7 % statt 19 %) enthalten, so kann eine spätere Korrekturrechnung mit nachträglich angehobenem USt-Ausweis keine Rückwirkung entfalten (zur Argumentation, s. o.). Nach Rn. 29 Abs. 2 kann auch hier „aus dem Erhöhungsbetrag“ erst im Besteuerungszeitraum des Korrekturrechnungszugangs der Vorsteuerabzug geltend gemacht werden. M. E. müsste zwar auch in diesen Fällen erneut zwischen dem im ursprünglichen Bruttobetrag enthaltenen (nun zutreffend errechneten) Vorsteuerbetrag und dem in der Nachzahlung enthaltenen Rest-Vorsteuerbetrag differenziert werden. Der Leistungsempfänger kann sich jedoch hinsichtlich seines Vorsteuerabzugs auf die günstigere BMF-Weisung berufen.

     

    3.6 Keine Rückwirkung bei „zu hohem“ USt-Ausweis (Rn. 31)

    Enthielt die Ursprungsrechnung einen überhöhten USt-Ausweis i. S. v. § 14c Abs. 1 UStG (z. B. irrtümlich 19 % statt 7 %), so stellt sich die Rechtslage gänzlich anders dar. Denn in einem solchen Fall ist dem Leistungsempfänger der Vorsteuerabzug nur im Umfang des (niedrigeren) zutreffenden USt-Betrags möglich (vgl. Abschn. 15.2. Abs. 1 S. 2 UStAE). Hier stellt sich also gar nicht die Frage eines rückwirkend höheren Vorsteuerabzugs, sondern allenfalls die Frage einer per Rechnungsberichtigung rückwirkenden Umsatzsteuerminderung für den Leistenden.

     

    MERKE | Eine r„rückwirkende Rechnungsberichtigung“ eines bislang gem. § 14c Abs. 1 UStG überhöht ausgewiesenen USt-Betrags ist jedoch gar nicht möglich: Denn zum einen hat der BFH zu § 14c Abs. 1 UStG eine Rückwirkung der Korrektur eines überhöhten Steuerausweises in seinem Urteil vom 12.10.16 (XI R 43/14) explizit abgelehnt und eine solche „Ex-nunc-Wirkung“ findet sich zum anderen auch bereits im Gesetz durch den Hinweis auf die entsprechende Anwendung von § 17 Abs. 1 UStG in § 14c Abs. 1 S. 2 UStG.

     

    Im Ergebnis gilt dies auch beim „unberechtigten“ (überhöhten) Steuerausweis i. S. von § 14c Abs. 2 UStG, für den die Rechtsprechung gleichfalls eine Rückwirkung ablehnt (z. B. BFH 8.11.16, VII R 34/15 Rz. 14). Zu beachten ist allerdings, dass die Finanzverwaltung gerade zu § 14c Abs. 2 UStG eine Rückwirkung dann faktisch zulässt, wenn ein „Steuerschaden“ durch den Umstand nicht entstanden ist, dass der Leistungsempfänger aus der fraglichen Rechnung nie einen Vorsteuerabzug vorgenommen hatte (vgl. Abschn. 14c.2. Abs. 5 S. 6 UStAE). Ob diese großzügige Sichtweise auch vom BFH geteilt wird, dürfte allerdings fraglich sein (vgl. BFH 16.9.15, XI R 47/13, Rz. 47).

     

    3.7 Kein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, Rn. 32)

    Die Einstufung einer nachträglichen Rechnungskorrektur als „rückwirkendes Ereignis“ i. S. v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO hätte eine „Doppelfolge“ zur Konsequenz: Zum einen würde dies für entsprechende Ereignisse zu einer punktuellen Durchbrechung der Festsetzungsfrist nach § 175 Abs. 1 S. 2 UStG führen. Zum anderen ergäbe sich daraus ein „anlaufverzögerter“ Zinslauf i. S. von § 233a Abs. 2a AO. Im vorliegenden BMF-Schreiben verneint die Finanzverwaltung in Rn. 32 aber eine Einordnung als Ereignis i. S. v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO explizit; im JStG 2020 ist in diesem Sinne auch eine entsprechende Klarstellung in § 14 Abs. 4 S. 4 UStG geplant.

     

    Zur Folge hat dies zum einen, dass nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist spätere Rechnungskorrekturen ‒ die nach den o. a. Grundsätzen vorsteuerwirksam rückwirkend im „alten Jahr anzusiedeln“ wären ‒ keine Rechtswirkung mehr entfalten könnten. Denn ein „unternehmerisches Wahlrecht“ zugunsten einer bejahten oder verneinten Rückwirkung hat der BFH abgelehnt (22.1.20, XI R 10/17). Zum anderen begünstigt es solche Fälle, bei denen der Unternehmer im ersten Schritt den Vorsteuerabzug angesichts der für ihn erkennbaren Rechnungsmängel nicht geltend macht und erst einige Jahre später an die Korrekturrechnung gelangt ‒ die ihm dann eine hohe rückwirkende Verzinsung des Ursprungsvorsteuerabzugs (ohne zinslaufverkürzende Anlaufhemmung i. S. § 233a Abs. 2a AO) beschert.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Der Beitrag wird in der nächsten Ausgabe fortgesetzt. Teil II können Sie sich aber bereits jetzt unter der Abruf-Nr. 47005536 aufrufen.
    Quelle: Ausgabe 12 / 2020 | Seite 446 | ID 47001213