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  • · Nachricht · Arbeitnehmer

    Regelmäßige Arbeitsstätte in der Probezeit und bei befristeter Beschäftigung

    | Der in einer dauerhaften, ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers beschäftigte Arbeitnehmer ist nicht allein deshalb auswärts tätig, weil er eine Probezeit vereinbart hat, unbedingt versetzungsbereit oder befristet beschäftigt ist ( BFH 6.11.14, VI R 21/14 ). |

     

    Zum Hintergrund

    Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei einem auf zwölf Monate befristeten Arbeitsverhältnis, von denen die ersten sechs Monate auf die Probezeit entfallen, eine Auswärtstätigkeit vorliegt.

     

    Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 2011 als Werkzeugmechaniker am Betriebssitz seines Arbeitgebers nichtselbständig tätig. Das Arbeitsverhältnis war auf ein Jahr befristet. Die Probezeit betrug sechs Monate. Nach Ablauf der Befristung wurde das Arbeitsverhältnis nicht fortgesetzt. In seiner Steuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger als Werbungskosten für die Probezeit Verpflegungsmehraufwendungen und Fahrtkosten nach Dienstreisegrundsätzen geltend. Er sei zwar am Betriebssitz seines Arbeitgebers tätig gewesen. Gleichwohl habe er über keine regelmäßige Arbeitsstätte verfügt, sondern sei auswärts tätig gewesen. Bei einem Probearbeitsverhältnis, das zudem auf ein Jahr befristet gewesen sei, läge stets eine Auswärtstätigkeit vor. Denn in einem solchen Fall sei der Arbeitnehmer der betrieblichen Einrichtung des Arbeitgebers nicht dauerhaft zugeordnet. Auch könne ihm nicht zugemutet werden, während der Probezeit seinen Wohnsitz an den Tätigkeitsort zu verlegen. Das FA sah das jedoch anders; und FG und BFH gaben ihm Recht.

     

    Entscheidungsgründe

    Das FG hat zu Recht entschieden, dass Aufwendungen des Klägers für Fahrten zwischen seiner Wohnung und seiner Tätigkeitsstätte am Betriebssitz seines Arbeitgebers nur im Rahmen der Entfernungspauschale als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden können und Mehraufwendungen für Verpflegung ebenfalls nicht einkünftemindernd anzusetzen sind.

     

    1. Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen und gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe des dafür tatsächlich entstandenen Aufwands als Werbungskosten zu berücksichtigen. Erwerbsaufwendungen in diesem Sinne sind auch die Kosten des Arbeitnehmers für seine Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte. Allerdings dürfen diese Kosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung nur nach Maßgabe einer Entfernungspauschale als Werbungskosten in Abzug gebracht werden.

     

    a) Eine regelmäßige Arbeitsstätte kann nur eine ortsfeste, dauerhafte betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers sein, der der Arbeitnehmer zugeordnet ist und die er nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder (dauerhaft) aufsucht. Regelmäßig handelt es sich dabei um den Betrieb des Arbeitgebers oder einen Zweigbetrieb, nicht aber um die Tätigkeitsstätte in einer betrieblichen Einrichtung des Kunden des Arbeitgebers (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom 20. März 2014 VI R 74/13, BFHE 245, 56, BStBl II 2014, 854, m.w.N.).

     

    b) Ist der Arbeitnehmer nicht an einer solchen dauerhaften betrieblichen Einrichtung tätig, liegt regelmäßig eine Auswärtstätigkeit vor, weil der Arbeitnehmer entweder vorübergehend von seiner Wohnung und dem ortsgebundenen Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt tätig wird oder weil er schon über keinen dauerhaft angelegten ortsgebundenen Bezugspunkt für seine berufliche Tätigkeit verfügt, sondern nur an ständig wechselnden Tätigkeitsstätten oder auf einem Fahrzeug eingesetzt wird (z.B. Senatsurteile vom 26. Februar 2014 VI R 54/13, BFH/NV 2014, 1199, und VI R 68/12, BFH/NV 2014, 1029; jeweils m.w.N.). Folge einer solchen Auswärtstätigkeit ist, dass die Kosten für beruflich veranlasste Fahrten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG uneingeschränkt zum Abzug zuzulassen sind. Denn ein Arbeitnehmer, der auswärts tätig ist, hat typischerweise nicht die Möglichkeit, seine Wegekosten gering zu halten (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom 10. April 2014 VI R 11/13, BFHE 245, 218, BStBl II 2014, 804, m.w.N.).

     

    2. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht darauf erkannt, dass der Kläger im Streitjahr nicht auswärts, sondern am Betriebssitz --einer dauerhaften betrieblichen Einrichtung-- seines Arbeitgebers und damit in einer regelmäßigen Arbeitsstätte i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG tätig war. Denn der Kläger hat diese Einrichtung während seines Arbeitsverhältnisses nicht nur gelegentlich, sondern mit einer gewissen Nachhaltigkeit, d.h. fortdauernd und immer wieder (dauerhaft) aufgesucht. Der Umstand, dass der Kläger seine Tätigkeit dort nur auf ein Jahr befristet ausgeübt hat und zudem die ersten sechs Monate seines Beschäftigungsverhältnisses mit einer Probezeit belegt waren, steht der Dauerhaftigkeit der Zuordnung nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers nicht entgegen. Denn ein in einer dauerhaften, ortsfesten betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers tätiger Arbeitnehmer ist nicht allein deshalb auswärts, also vorübergehend von seiner Wohnung und dem ortsgebundenen Mittelpunkt seiner dauerhaft angelegten beruflichen Tätigkeit entfernt tätig, weil er eine Probezeit vereinbart hat, unbedingt versetzungsbereit oder befristet beschäftigt ist (vgl. Senatsurteil vom 15. Mai 2013, VI R 18/12, BFHE 241, 374, BStBl II 2013, 838; Geserich, Finanz-Rundschau 2012, 783, 785 f.; a.A. Schmidt/Loschelder, EStG, 33. Aufl., § 9 Rz 116 betreffend Probearbeitsverhältnisse). Er sucht vielmehr auch in diesen Fällen die Tätigkeitsstätte nicht nur gelegentlich, sondern --wenn auch nur für die Dauer seines befristeten Beschäftigungsverhältnisses oder in der Probezeit-- fortdauernd und immer wieder auf.

     

    Der Einwand des Klägers, in solchen Fällen fehle es an der für eine regelmäßige Arbeitsstätte erforderlichen „Planungssicherheit“, trifft zwar in der Sache zu, vermag sein Tun aber nicht aus dem Regeltypus einer „Innendiensttätigkeit“ (Leistungsort im Betrieb oder einer Betriebsstätte des Arbeitgebers) herauszulösen. Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass die Vorhersehbarkeit wechselnder Tätigkeitsstätten und die „Möglichkeit“, Wegekosten zu mindern, nicht Tatbestandsmerkmale der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG geregelten Entfernungspauschale sind. Der Umstand, dass sich der Arbeitnehmer in unterschiedlicher Weise auf die immer gleichen Wege einstellen und so auf eine Minderung der Wegekosten etwa durch die Bildung von Fahrgemeinschaften, die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel und gegebenenfalls sogar durch die entsprechende Wohnsitznahme hinwirken kann, beschreibt lediglich generalisierend und typisierend den Regelfall, nach der sich die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG als sachgerechte und folgerichtige Ausnahme vom objektiven Nettoprinzip erweist (vgl. Senatsurteil vom 17. Juni 2010 VI R 35/08, BFHE 230, 147, BStBl II 2010, 852, m.w.N.). Individuelle Zufälligkeiten und Besonderheiten in der tatsächlichen Ausgestaltung eines Arbeitsverhältnisses --insbesondere dessen zeitliche Befristung-- bleiben hierbei unberücksichtigt (vgl. Senatsurteil in BFHE 241, 374, BStBl II 2013, 838, m.w.N.). Demnach sind die streitigen Wegekosten lediglich im Rahmen der Entfernungspauschale und Mehraufwendungen für Verpflegung gemäß § 9 Abs. 5 Satz 1 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Sätze 1 und 2 EStG nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

     

    3. Aus den Senatsentscheidungen in BFHE 242, 358, BStBl II 2014, 68 und in BFH/NV 2014, 308 sowie vom 24. September 2013 VI R 51/12 (BFHE 243, 215, BStBl II 2014, 342) ergibt sich nichts anderes. Zwar hat der Senat dort entschieden, dass ein Arbeitnehmer, der für ein oder zwei Jahre (wiederholt) befristet seiner Berufstätigkeit an einer anderen betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers nachgeht, und ein Beamter, der von seinem Arbeitgeber für drei Jahre an eine andere als seine bisherige Tätigkeitsstätte abgeordnet oder versetzt wird, an den neuen Tätigkeitsorten keine regelmäßigen Arbeitsstätten begründen. Für das Auffinden einer regelmäßigen Arbeitsstätte bei einem befristeten oder Probearbeitsverhältnis lassen sich hieraus jedoch keine Erkenntnisse gewinnen. Insbesondere rechtfertigen diese Entscheidungen den Schluss des Klägers nicht, dass bei (bis zu drei Jahren) befristeten Arbeitsverhältnissen oder in der Probezeit stets keine regelmäßige Arbeitsstätte i.S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG vorliege. Denn in den genannten Verfahren stand in Streit, ob der Arbeitnehmer lediglich --unter Beibehaltung seiner bisherigen regelmäßigen Arbeitsstätte-- „vorübergehend“ in einer anderen betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers tätig wurde oder von Anbeginn dauerhaft an den neuen Beschäftigungsort entsandt worden ist und dort eine (neue) regelmäßige Arbeitsstätte begründet hat. Ein solcher Sachverhalt liegt jedoch im Streitfall ersichtlich nicht vor.

     

    Quelle: BFH-online Pressemitteilung vom 21.1.15

    Quelle: ID 43178438