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  • · Fachbeitrag · Bundesfinanzhof

    Neues zur Umsatzsteuerpflicht beim mehrstufigen Vertrieb von Fondsanteilen

    von RA Dr. Martin Schraufl, LL.M. (New York University), München

    Der BFH hat jüngst seine Rechtsprechung zur Umsatzsteuerpflicht beim mehrstufigen Fondsvertrieb konkretisiert. Leistungen eines Hauptvermittlers, der selbstständige Abschlussvermittler anwirbt, sollen danach keine umsatzsteuerfreie Tätigkeit i.S.d. § 4 Nr. 8 lit. e oder lit. f UStG sein, selbst wenn er - neben weiteren vertriebsunterstützenden Aktivitäten - die von den Abschlussvermittlern eingereichten Vertragsunterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität hin überprüft. Damit beurteilt der BFH diese Frage (noch) strenger als die Finanzverwaltung (BFH 14.5.14, XI R 13/11).

     

    Sachverhalt

    Durch einen Vertriebsvertrag verpflichtete sich die Klägerin, eine deutsche AG, gegenüber einer im Ausland ansässigen Schwestergesellschaft, in Deutschland Fondsanteile US-amerikanischer Fondsgesellschaften zu vertreiben. Zur Erfüllung ihrer Leistungspflicht bediente sich die Klägerin selbstständiger Vermittler (z.B. Makler, Maklerpools) als Subunternehmer. Die Vermittler wurden von der Klägerin geschult, über die zu vermittelnden Produkte informiert und durch Werbemaßnahmen unterstützt.

     

    Zusätzlich hatte die Klägerin alle von den Vermittlern eingereichten Kaufanträge auf Vollständigkeit und Plausibilität hin zu überprüfen. Sofern Kaufanträge von den betreffenden Fondsgesellschaften abgelehnt wurden, oblag es ihr, den jeweiligen Vermittler unverzüglich zu informieren. Die Klägerin erhielt dafür eine einmalige Abschlussprovision sowie eine laufende Marketing- und Bestandspflegeprovision. Von diesen Einnahmen gab sie Provisionen an die für sie tätigen Vermittler weiter.

     

    Anmerkungen

    Nach Ansicht des BFH wies die Tätigkeit der Klägerin selbst nicht die typischen Elemente einer Vermittlungsleistung auf. Die Klägerin habe lediglich die mit dem vermittelten Vertrag verbundene Sacharbeit übernommen. Zwar kann eine Vermittlungsleistung auch im Rahmen einer Arbeitsteilung in Einzelleistungen zerfallen, doch setzt die Umsatzsteuerbefreiung dann voraus, dass auf jeder einzelnen Stufe ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes erbracht wird, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Vermittlung erfüllt (so auch EuGH, Rs. 453/05, Ludwig, UR 07, 617). Im vorliegenden Fall sah der BFH das als nicht gegeben an, da die Klägerin ausschließlich vertriebsunterstützende Tätigkeiten ausgeführt habe, die originär den Fondsgesellschaften als Produktlieferanten oblagen.

     

    Der BFH geht mit diesem Urteil über seine bisherige Rechtsprechung zur Umsatzsteuerbefreiung in Strukturvertrieben in zweierlei Hinsicht hinaus bzw. konkretisiert diese:

     

    • Bereits in 2008 entschied der BFH (Az. V R 44/07), dass die Betreuung, Schulung und Überwachung nachgeordneter selbstständiger Vermittler nur dann umsatzsteuerbefreit sein kann, wenn gleichzeitig (zumindest theoretisch) die Möglichkeit besteht, durch die Prüfung eines jeden Vertragsangebots mittelbar auf eine der Vertragsparteien einzuwirken. Diese Rechtsprechung wird bislang auch von der Finanzverwaltung angewendet (A 4.8.1 S. 8-10 UStAE). In Anbetracht dessen war es zumindest nicht ausgeschlossen, dass die Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung im Streitfall erfüllt sind, da die Klägerin alle von den Vermittlern eingereichten Kaufanträge auf Vollständigkeit und Plausibilität zu überprüfen hatte. Dem BFH reicht das als Einwirkungsmöglichkeit jedoch (nun) nicht mehr aus.

     

    • Doch es geht noch weiter: Im Streitfall zeichnete sich die Rolle der Klägerin dadurch aus, dass sie das vertragliche Bindeglied zwischen den selbstständigen Subunternehmern und den Fondsgesellschaften war. Der BFH scheint hier seine 2008 getätigten Aussagen, die er zu einer Struktur getroffen hat, in der der Kläger neben der eigentlichen Vermittlungskette stand (d.h. auch der selbstständige Vermittler ein direktes Vertragsverhältnis zum Auftraggeber hatte), unterschiedslos anwenden zu wollen.

     

    Wichtig | Der BFH lässt unberücksichtigt, dass im Rahmen von Unterbeauftragungen dem auslagernden Unternehmen regelmäßig die Tätigkeit des Subunternehmers zuzurechnen ist. Im Ergebnis erhöht diese Ansicht das umsatzsteuerliche Risiko einer arbeitsteiligen Vertriebsstruktur signifikant. Das gilt selbst dann, wenn die insgesamt vom Hauptvermittler mithilfe seines Subunternehmers erbrachte Leistung die Kriterien der Steuerbefreiung erfüllt. Eine Verletzung der Freiheit des Organisationsmodells (vgl. hierzu auch EuGH, Rs. 453/05, Ludwig, UR 07, 617, Rz. 34 ff.), die gerade auch die arbeitsteilige Erbringung von umsatzsteuerfreien Vermittlungsleistungen ermöglichen soll, sieht der BFH hierin nicht.

     

    PRAXISHINWEISE |  

    Es bleibt abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf dieses Urteil reagieren wird. In jedem Fall sollte bereits jetzt aktiv untersucht werden, ob bestehende Vertriebsstrukturen angepasst werden müssen. Sollte die Problematik von der Finanzverwaltung in Betriebsprüfungen thematisiert werden, müssten Unterschiede zum hier vom BFH entschiedenen Fall vorgetragen werden. Dabei ist auf die vertraglichen Einzelheiten, insbesondere im Hinblick auf die Einwirkungsmöglichkeiten bei konkreten Geschäftsabschlüssen zu achten. Je umfangreicher diese ausgestaltet waren, desto eher darf man auf eine Umsatzsteuerbefreiung hoffen.

     

    Auf jeden Fall sollten künftig konkrete Einwirkungsmöglichkeiten des (Haupt-)Vermittlers auf den zu vermittelnden Vertrag bzw. auf die Vertragsparteien (Fondsgesellschaft und Anleger) vereinbart werden. Es sollte sich zweifelsfrei ergeben, dass in erster Linie eine eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird und sich die Leistung des (Haupt-)Vermittlers von der des Produktlieferanten unterscheidet.

     

    Beachten Sie | Auch wenn der konkrete Fall nur den Fondsvertrieb betraf, kann aus der bisherigen BFH-Rechtsprechung (vgl. etwa Az. V R 44/07) geschlossen werden, dass die Grundsätze des Urteils auf die Vermittlung von Versicherungen und anderen Finanzprodukten übertragen werden können.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2014 | Seite 303 | ID 42901367