05.12.2008 | Herstellungskosten versus Abschreibungen
Nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungs- kosten – Praxistipps für Vermietungseinkünfte
von RA/StB/vBP Gregor-Bernward Sprißler, Recklinghausen
Nach der Errichtung einer Immobilie stellt sich oft die Frage, wie die später anfallenden Kosten zu behandeln sind: Idealerweise als sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen oder doch nur im Wege der Abschreibung über die Nutzungsdauer? Der folgende Beitrag stellt die gesetzlichen Regelungen dar, zeigt aber auch Gestaltungsmöglichkeiten und Wahlrechte auf.
1. Vereinfachungsregel – Erhaltungsaufwand bis 4.000 EUR
Bei der Durchführung von Baumaßnahmen ist zu unterscheiden, ob es sich um Erhaltungsaufwendungen oder um Anschaffungs-/Herstellungskosten handelt. Zum Begriff und zum Umfang der Anschaffungs-/Herstellungskosten wird an dieser Stelle auf § 255 HGB verwiesen.
Nachträgliche Anschaffungs- und Herstellungskosten liegen vor, wenn sie nach der ursprünglichen Errichtung oder dem Kauf und nicht in sachlichem Zusammenhang damit angefallen sind. Sie werden angenommen bei einer Vergrößerung der Wohnfläche/Nutzfläche oder des umbauten Raumes oder bei einer wesentlichen Verbesserung im Sinne von § 255 HGB (vgl. insbesondere das BMF-Schreiben vom 18.7.03, BStBl I 03, 386).
Im Bereich der Vermietungseinkünfte kann nach Auffassung der Finanzverwaltung ein nachträglicher Herstellungsaufwand ausnahmsweise als sofort abzugsfähig behandelt werden, wenn der Aufwand für die einzelnen, später entstandenen Baumaßnahmen nicht mehr als 4.000 EUR netto beträgt (Vereinfachungsregel in R 21.1 Abs. 2 S. 2 EStR). Allerdings ist in R 21.1 Abs. 2 S. 3 EStR ausdrücklich geregelt, dass diese Vereinfachungsregel nicht für solche Kosten gilt, die der endgültigen Fertigstellung dienen.
Beispiel
Eine im Dachgeschoss belegende Wohnung wird im November 07 um bisher als Abstellraum genutzte Räumlichkeiten erweitert. Der Aufwand beträgt inkl. Umsatzsteuer 4.500 EUR. Die Rechnung geht am 10.12.07 ein. Der Steuerpflichtige zahlt den Betrag am 4.1.08.
Der Sache nach liegen Herstellungskosten vor. Der Aufwand beträgt netto 3.781,51 EUR und liegt unter der Vereinfachungsgrenze. Im Jahr der Zahlung (2008) kann der Steuerpflichtige diesen Betrag sofort als Werbungskosten geltend machen. Würde der Steuerpflichtige auf die Ausübung des Wahlrechts verzichten, könnte der Aufwand bereits im Jahr 2007 für das gesamte Jahr im Wege der Abschreibung geltend gemacht werden (vgl. 2.3). |
Praxishinweis: Diese Regelungen fristen ein Schattendasein, obwohl hiermit Gestaltungsmöglichkeiten zum Vorteil der Steuerpflichtigen verbunden sind. Voraussetzung ist, dass es sich der Sache nach um nachträgliche Herstellungskosten handelt.
2. Abschreibungen bei nachträglichen Herstellungskosten
Wird ein Gebäude nachträglich z.B. mit einem Anbau versehen oder liegen sonstige Herstellungskosten vor, kann – abgesehen von der zuvor beschriebenen Vereinfachungsregel – der Aufwand nur über die Abschreibung geltend gemacht werden.
2.1 Grundsatz
Wenn durch die nachträglichen Herstellungskosten
- kein anderes Wirtschaftsgut entsteht und
- die Abschreibung nach § 7 Abs. 4 S. 1 EStG
- (2 v.H., wenn das Gebäude nach dem 31.12.24 fertiggestellt worden ist;
- 2,5 v.H., wenn das Gebäude vor dem 1.1.25 fertiggestellt worden ist) oder
- nach § 7 Abs. 5 EStG (Neubauten) erfolgt, sind die nachträglichen Kosten zu der bisherigen Bemessungsgrundlage zu addieren.
Die richtige Behandlung soll an folgendem Beispiel aufgezeigt werden.
Beispiel
1957 wurde ein vermietetes Mehrfamilienhaus für 97.791 DM errichtet. In 2008 wird das Dachgeschoss ausgebaut. Der Aufwand hierfür beträgt 50.000 EUR. Wie errechnet sich die Abschreibung ab 2008?
Nachträgliche Herstellungskosten müssen zu der alten AfA-Bemessungsgrundlage hinzugerechnet und mit dem ursprünglichen AfA-Satz abgeschrieben werden (§ 7 Abs. 4 Nr. 2a EStG). Dies gilt auch dann, wenn das Gebäude vor Fertigstellung der nachträglichen Herstellungsmaßnahmen voll abgeschrieben war.
Davon zu unterscheiden ist das Abschreibungsvolumen, das natürlich nur 50.000 EUR (Betrag der nachträglichen Herstellungskosten) ausmacht, da die ursprünglichen Herstellungskosten bereits abgeschrieben sind.
Durch die höhere Abschreibung von 2.000 EUR beträgt der Abschreibungszeitraum nur 25 Jahre, anstelle – wie eigentlich erwartet – 50 Jahre. |
Praxishinweis: Sofern die nachträglichen Herstellungskosten zur alten Bemessungsgrundlage hinzugerechnet und mit dem ursprünglichen Abschreibungssatz abgeschrieben werden, ist es unverzichtbar, Unterlagen über die ursprünglichen Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten aufzubewahren. Dies gilt auch bzw. gerade wenn sie unentgeltlich im Wege der vorweggenommenen Erbfolge oder teilentgeltlich übertragen wurden.
2.2 Besonderheit
Werden nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten für Wirtschaftsgüter aufgewendet, die nach § 7 Abs. 4 S. 2 EStG abgeschrieben werden (Nutzungsdauer beträgt in den Fällen des § 7 Abs. 4 S.1 EStG weniger als 50 bzw. weniger als 40 Jahre), bemisst sich die Abschreibung vom Jahr der Entstehung der nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten an nach dem Restbuchwert zuzüglich der nachträglichen Herstellungskosten. Die Restnutzungsdauer ist im Zeitpunkt der Beendigung der nachträglichen Herstellungskosten neu zu schätzen, wobei es aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet wird, wenn weiterhin nach dem bisher angewandten Prozentsatz abgeschrieben wird (R 7.4 Abs. 9 S. 2 EStR).
2.3 AfA im Fertigstellungsjahr
Durch R 7.4 Abs. 9 S. 3 EStR hat die Finanzverwaltung eine weitere Vereinfachungsregel eingeführt. Danach kann bei nachträglichen Herstellungskosten so getan werden, als ob die Baumaßnahme bereits zu Beginn des Jahres beendet worden wäre. Es steht die volle Jahresabschreibung zur Verfügung.
Beispiel
Die Herstellungskosten eines Mehrfamilienhauses betragen im Jahr 2000 ursprünglich 250.000 EUR. Im November 2007 (Zeitpunkt der Fertigstellung) werden nachträgliche Herstellungskosten aufgewandt in Höhe von 70.000 EUR. Wie ermittelt sich die Abschreibung für das Jahr 2007?
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