01.02.2007 | Mustereinspruch
Abwehrmaßnahmen gegen die Entfernungspauschale 2007
Entgegen der landläufigen Auffassung wurde die Entfernungspauschale nicht gekürzt, sondern vollständig auf ein neues Werkstorprinzip umgestellt. Hintergrund für diese gesetzliche Verrenkung sind verfassungsrechtliche Bedenken, berufsbezogene Aufwendungen nach Belieben zu mindern. Seit 2007 werden Fahrten zwischen Wohnung und Arbeits- oder Betriebsstätte als gemischte Aufwendungen eingestuft, die auch die Lebensführung betreffen und damit grundsätzlich über § 12 EStG nicht abzugsfähig sind. Mangels Erwerbsaufwendungen entfällt daher der Abzug als Werbungskosten und Betriebsausgaben bei allen Einkunftsarten. Begründet wird diese Einordnung mit der notwendigen Haushaltskonsolidierung. Verwiesen wird auf eine BVerfG-Entscheidung zur doppelten Haushaltsführung (4.12.02, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00), wonach der Gesetzgeber einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum hat. Lediglich zur Abgeltung erhöhter Aufwendungen ist die Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer wie Werbungskosten/Betriebsausgaben anzusetzen, bei Familienheimfahrten jedoch weiterhin für die Gesamtstrecke.
1. Musterklagen vor dem FG Niedersachsen und dem FG Mecklenburg-Vorpommern
Die neue „Wie-Regelung“ setzt steuersystematisch darauf, Wohnen von der Erwerbstätigkeit zu trennen. Nach dem im Steuerrecht geltenden Netto-prinzip darf der Fiskus aber nur den Anteil des Einkommens besteuern, der netto nach Abzug zwangsläufiger Aufwendungen übrig bleibt. Auch dies ergibt sich aus dem BVerfG-Beschluss aus 2002. Arbeiten beispielsweise Ehepaare an verschiedenen Orten, hilft der Umzug nicht generell zur Vermeidung der berufsbedingten Pendelfahrten. Wegen der möglicherweise verfassungswidrigen Besteuerung des Existenzminimums liegen bereits die ersten Klagen vor dem FG Niedersachsen und FG Mecklenburg-Vorpommern vor, weitere Musterklagen sind angekündigt und werden folgen.
2. Einspruch gegen die Ablehnung eines Lohnsteuerfreibetrags
Arbeitnehmer und Selbstständige können diese auch von Experten aufgeworfenen Zweifel derzeit nur im Rahmen der Vorauszahlungen oder beim Eintrag eines Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte vorbringen. Hierzu wird der Ansatz der Entfernungspauschale ab km 1 beantragt und die zu erwartende Ablehnung per Einspruch angefochten. Ansonsten warten Sie bis zum späteren Steuerbescheid 2007, der dann entsprechend offen gehalten wird. Über diesen Weg erledigen sich dann auch zuvor eingelegte Rechtsbehelfe automatisch. Sofern der schnelle Weg beschritten werden soll, ist der Einspruch (Abruf-Nr. 070118) gegen den VZ-Bescheid oder die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte ratsam. Auch im Ermäßigungsverfahren beträgt die Rechtsbehelfsfrist einen Monat, da einer abweichenden Feststellung gem. § 39a Abs. 4 EStG eine Belehrung beizufügen ist. In beiden Fällen sollten Selbstständige oder Arbeitnehmer beachten, dass sie die Streitpunkte selber durchfechten müssen. Ein Ruhen des Verfahrens kommt gem. § 363 Abs. 2 S. 2 AO erst in Betracht, wenn der erste Fall bei BFH oder BVerfG anhängig ist. Bis dahin haben sich die Einsprüche durch zwischenzeitlich ergangene Steuerbescheide allerdings wahrscheinlich von selbst erledigt.
3. Mustereinspruch
Hiermit lege ich gegen den Lohnsteuerermäßigungsantrag / Einkommensteuer-Vorauszahlungsbescheid ab 2007 vom xx.xx.200x
E I N S P R U C H ein.
B E G R Ü N D U N G Der von mir beantragte Ansatz der Entfernungspauschale auch hinsichtlich der ersten zwanzig Entfernungskilometer wurde im Rahmen der Lohnsteuerermäßigung 2007 / der Festsetzung der Vorauszahlungen abgelehnt. Daher beantrage ich nun im Rahmen des Rechtsbehelfs die Berücksichtigung weiterer Aufwendungen wie Werbungskosten / Betriebsausgaben in Höhe von
(jährliche Arbeitstage) x 20 Kilometer x 0,30 Euro.
Daher ist der Eintrag des Freibetrages im Rahmen der Lohnsteuerermäßigung 2007 / der Vorauszahlungsbescheid dahingehend abzuändern, dass entsprechend weitere Werbungskosten / Betriebsausgaben mindernd abgesetzt werden.
Die von Ihnen bereits berücksichtigten Aufwendungen wie Werbungskosten / Betriebsausgaben entsprechen zwar dem Betrag gemäß der gesetzlichen Regelung § 9 Abs. 2 EStG / § 4 Abs. 5a EStG. Die Neuregelung ist jedoch verfassungswidrig, da sie gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Besteuerung nach dem objektiven Nettoprinzip verstößt. Fahrtkosten für die Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte / Betriebsstätte sind Erwerbsaufwendungen und daher in voller Höhe mindernd zu berücksichtigen. Ein Nichtansatz verletzt Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz.
Hierzu verweise ich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur doppelten Haushaltsführung (vom 4.12.02, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BStBl II 03, 534), wonach für die verfassungsrechtlich gebotene Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit auch privat (mit)veranlasste Kosten zu berücksichtigen sind, wenn es sich – wie vorliegend bei den Pendelfahrten zur Arbeit –- um zwangsläufigen, pflichtbestimmten Aufwand handelt. Darüber hinaus ist es mehr als problematisch, Erwerbsaufwendungen nur in dem einzigen Punkt der Fahrtkosten zur Arbeit abzuschaffen, während in anderen Teilen des Steuerrechts daran festgehalten wird.
Materiell basiert die Neuregelung weiterhin auf der Grundentscheidung, die Kosten für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeit als Erwerbsaufwendungen anzuerkennen. Nur so lässt sich die Abzugsfähigkeit der Kosten für Fahrten ab dem 21. Kilometer erklären. Die Neuregelung enthält also keine Grundentscheidung gegen das Werkstorprinzip, sondern durchbricht dieses Prinzip aus fiskalischen Gründen. Das Ziel der Einnahmeerhöhung rechtfertigt aber eine Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips nicht. Aufgrund dieser massiven verfassungsrechtlichen Bedenken fordere ich Sie auf, die Entfernungspauschale wie beantragt anzusetzen. Die abschließende rechtliche Prüfung der Neuregelung kann dann dem nachfolgenden Steuerfestsetzungsverfahren für 2007 vorbehalten bleiben. |