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  • 01.06.2005 | Steuererklärung

    Steuerschummelei: Was ist möglich und wann ist der Bogen überspannt? – Teil I

    von Dipl.-Finw. Robert Kracht, Bonn

    Alle reden von Steuervereinfachungen. Die gesetzlichen Tendenzen deuten jedoch auf gegenteilige Absichten hin. Die Vorschriften werden immer unübersichtlicher. Bereits 70 v.H. der Steuerliteratur weltweit befasst sich mit dem deutschen Steuerrecht. Rund 40 verschiedene Steuerarten sind in 200 Gesetzen und unzähligen Verordnungen geregelt. Komplizierte oder nicht nachvollziehbare Vorschriften verstärken die Tendenz, dass Bürger ihre Steuerpflichten weniger ernst nehmen oder schlicht resignieren und Finanzbeamten neben der reinen Bearbeitung kaum noch Zeit für Prüfungen bleibt. Mogeleien aus Versehen, Nichtwissen oder Absicht nehmen zu und die Sachbearbeiter gehen solchen Angaben aus Zeitgründen nur stichprobenhaft oder in gravierenden Fällen nach. Wir haben Alltagssituationen im Umgang mit dem Finanzamt zusammengefasst und zeigen die möglichen Konsequenzen hierzu auf. Dabei sollte bewusst sein, dass in den meisten Fällen die Grenze der Fahrlässigkeit überschritten ist und eine vorsätzliche Steuerhinterziehung vorliegt. 

    Strafrechtliche Folgen

    Laut § 370 AO wird bestraft, wer dem Finanzamt gegenüber unrichtige oder unvollständige Angaben macht und hierdurch Steuern hinterzieht oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Bereits der Versuch ist strafbar. Fällt auf, dass Einnahmen zu niedrig oder Kosten zu hoch angesetzt werden, wird ein Strafverfahren eingeleitet, sofern die hinterzogene Steuer mehr als 500 EUR beträgt. Eine Eröffnung erfolgt dann meist erst bei Vergehen über 5.000 EUR. Auch Schummeleien, in Freundeskreisen meist als Kavaliersdelikt bezeichnet, fallen unter § 370 AO. Nur bei Unkenntnis oder falscher Einschätzung kann der Vorwurf entkräftet werden. Dies entfällt aber spätestens, wenn die Finanzbehörde nachfragt. Denn dann ist zumindest eine Korrektur der Steuererklärung nach § 153 AO angebracht. Darüber hinaus bleibt die Möglichkeit der Selbstanzeige.  

    Praxishinweis

    Steuerschummler, die das Amnestieangebot bis Ende März nicht genutzt haben, sollten sich auf eine härtere Gangart der Finanzbehörden einstellen. Wer künftig durch die verschärften Kontrollmöglichkeiten auffällt, kann kaum noch mit Milde rechnen. Strafverfahren werden häufiger eröffnet und Bußen sowie Nachzahlungen deutlich schärfere Konsequenzen für die „Ertappten“ bringen. Zwar haben die Beamten auch weiterhin wenig Zeit zur Prüfung von Bagatellen. Aber wenn sie fündig werden und Absicht vorliegt, ziehen auch geringe Schummeleien harte Konsequenzen nach sich. Bei den folgenden Tatbeständen zeigen wir auf, wo Sie mit verstärkten Prüfungen und Nachfragen rechnen müssen und was dem Sachbearbeiter oft schon bekannt sein dürfte. 

    Familien

     

    Tatbestand 

    Reaktion 

    Kinderfreibetrag 

    Nach § 32 Abs. 4 EStG wird ein volljähriges Kind steuerlich nur noch berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR erzielt. Eltern versuchen, in den Genuss von Kindergeld oder Freibeträgen zu kommen, indem sie Löhne oder Zinseinkünfte des Nachwuchses nicht angeben, um damit unter dem Grenzbetrag zu bleiben. 

    Geben die Kinder eine eigene Steuererklärung ab, um Lohnsteuer oder Zinsabschlag erstattet zu bekommen, sind die Einkünfte bekannt. Wegen identischem Namen oder Wohnort von Eltern und Kindern betreut die Familie oft derselbe Sachbearbeiter, ein Abgleich ist wahrscheinlich. Auch erfolgt ein reger Datenaustausch zwischen Sozial- und Finanzbehörden, so dass Bezüge transparent werden. Hat der Nachwuchs einen Freistellungsauftrag eingereicht, kommen die erzielten Kapitaleinnahmen über den Umweg des Bundesamts für Finanzen an die Finanzämter. Durch die neuen Maßnahmen – Jahresbescheinigung und Zugriff auf Bankdaten – erhöht sich der Informationsfluss weiter. 

    Ausbildungsfreibetrag 

    924 EUR für den Sonderbedarf bei Berufsausbildung gibt es gem. § 33a Abs. 2 EStG nur noch bei auswärtiger Unterbringung. Um diesen Abzug geltend machen zu können, wird dem Finanzamt ein Wohnsitz bei Verwandten gemeldet, auch wenn das Kind zu Hause lebt. 

    In Anbetracht des in den vergangenen Jahren deutlich gesunkenen Freibetrags erfolgen nur noch dann Rückfragen, wenn die Angabe unschlüssig erscheint. Wurde der Betrag bereits im Vorjahr gewährt, wird die außergewöhnliche Belastung akzeptiert. 

    Spenden 

    Ausgaben für den guten Zweck werden in der Steuererklärung deklariert, obwohl sie überhaupt nicht getätigt worden sind. Dabei werden Beträge knapp unter 100 EUR angesetzt. Vereinzelt lassen sich Steuerzahler Überweisungsträger abstempeln, ohne sie anschließend einzulösen. 

    Spenden ohne Beleg werden meist bis zur Höhe von 100 EUR ohne Nachweis anerkannt. Dies ist nur möglich, wenn zumindest Betrag und Begünstigte einzeln aufgelistet sind. Einen Anspruch auf Anerkennung ohne Belege gibt es nicht. Oft erfolgt der Hinweis im Steuerbescheid, dass die Spenden im Folgejahr nur gegen Belege akzeptiert werden. Finanzämter erkennen die abgestempelte Durchschrift des Überweisungsbelegs nicht mehr als Spendennachweis an, da hieraus nicht ersichtlich ist, ob die Buchung tatsächlich durchgeführt wurde. Daher müssen Spender nun als Nachweis den Kontoauszug oder einen Bareinzahlungsbeleg der Bank vorlegen. 

    Renteneinkünfte 

    Bis Ende 2004 war nur ein geringer Ertragsanteil der Rente zu versteuern. Lagen jedoch weitere Einkünfte vor, war der Grundfreibetrag auch bei Ehepaaren schnell überschritten. Dennoch gaben viele Rentner oft aus Unwissenheit bereits seit Jahren keine Erklärung mehr ab. 

    Derzeit kommen diese Steuerfälle beim Finanzamt in der Regel nur auf den Tisch, wenn Rentner eine NV-Bescheinigung beantragen. Doch ab 2005 erfolgt nach  

    § 22a EStG für jede Zahlung eine Rentenbezugsmitteilung, so dass über diesen neuen Kontrollweg auch die Einkünfte früherer Jahre hinterfragt werden können. 

    Außergewöhnliche Belastungen 

    Aufwendungen für Brille, Zahnersatz oder Rezepte wirken sich nur aus, wenn sie in Summe pro Jahr die zumutbare Eigenbelastung nach § 33 Abs. 3 EStG übersteigen. Um diesen Grenzwert zu überschreiten, werden steuerlich nicht genutzte Belege innerhalb der Verwandtschaft verwendet oder Erstattungen der Krankenkasse nicht berücksichtigt. 

    Sofern die Belege nicht auf fremden Namen lauten, werden Kleinstbeträge meist abgehakt. Bei höheren Summen wird entwederdie ärztliche Verordnung oder der Zahlungsnachweis angefordert. In diesen Fällen wird auch die Bestätigung der Kasse über die Nichterstattung verlangt. 

    Zusammenveranlagung 

    Ehegatten können den Splittingtarif nutzen, wenn sie gem. § 26 EStG zumindest kurzfristig im Jahr nicht dauernd getrennt leben. Einige Paare beantragen auch nach der endgültigen Trennung die Zusammenveranlagung und verweisen auf einen Versöhnungsversuch. 

    Laut BFH-Urteil vom 13.12.85 (BStBl II 86, 486) ist dies zulässig, auch wenn das Paar im Scheidungsverfahren etwas anderes behauptet. Sofern es um hohe Erstattungen geht, werden Finanzbeamte die Umstände der Versöhnung hinterfragen. Wer dieses Argument in mehr als einem Jahr anbringt, muss schon stichhaltige und nachvollziehbare Nachweise vorlegen. 

    Schenkung 

    Großzügige Geschenke, ob als vorweggenommene Erbfolge oder aus anderen Motiven, werden oftmals nicht dem Finanzamt angezeigt. Das reicht vom wertvollen Schmuck über Kunstgegenstände und Münzsammlungen bis hin zu Geldbeträgen. 

    Schenkungsteuer verjährt nicht, sofern das Finanzamt keine Kenntnis über den Vorgang erlangt, § 170 Abs. 5 AO. Bei Kapitalvermögen wird ein Besitzerwechsel künftig eher bekannt. So werden die fehlenden Einnahmen beim Übergebenden und die neuen Einkünfte beim Beschenkten hinterfragt. Hilfreich sind den Finanzbeamten die neuen Kontrollmaßnahmen. Sachwerte hingegen tauchen in keiner Steuererklärung auf, hier wird eine Zuwendung eher zufällig bekannt. Oftmals werden solche Schenkungen erst nach Jahren über den Erbfall transparent, wenn sich die Nachkommen über den Wert von Vorabzuwendungen streiten. 

    Bankschließfach 

    Tafelpapiere lagern im Safe, um sie im Todesfall ohne Entdeckung auf die Erben übertragen zu können. 

    Gem. § 1 Abs. 3 ErbStDV melden Kreditinstitute nach dem Tod lediglich das Vorhandensein eines Bankschließfachs, nicht jedoch den Inhalt. Daher sind die Finanzämter auf die Angaben der Nachkommen angewiesen.  

     

    Anleger

     

    Tatbestand 

    Reaktion 

    Auslandseinkünfte 

    Die aus jenseits der Grenze deponiertem Vermögen erzielten Kapitalerträge werden bereits seit Jahren nicht in der Steuererklärung angegeben. Gleiches gilt für die im heimischen Depot angefallenen Auslandsdividenden, da diese weder in den Jahressteuerbescheinigungen auftauchen noch mit Kapitalertragsteuer belastet werden. 

    Bislang fielen diese steuerpflichtigen Einkünfte eher durch Einzelmaßnahmen wie Grenzkontrollen oder über Bankrazzien auf. Die ab Mitte 2005 geltende EU-Zinsrichtlinie sorgt für Kontrollmitteilungen aus 22 EU-Staaten, sofern die Anleger ihr Depot nicht auf ausschließlich von der Vorschrift ausgenommene Produkte umstellen.  

     

    Liegt künftig eine solche Meldung vor, werden Mittelherkunft sowie Ertragslage rückwirkend erforscht. Und dieser Zeitraum kann lang werden, da in solchen Fällen nahezu immer ein Hinterziehungstatbestand vorliegt. Auslandsdividenden beim heimischen Konto erscheinen bereits für 2004 auf der neuen Jahresbescheinigung der Banken. Ist diese Auflistung umfangreich, wird der Sachbearbeiter nach den Ausschüttungen früherer Jahre fragen. Bis April 2005 galt die Amnestiemöglichkeit. Wer anschließend mit unversteuerten Auslandseinkünften entdeckt wird, muss mit drastischen Strafen und mangelnder Rücksichtnahme rechnen.  

    Übertrag auf Kinder 

    Werden Zins- oder Dividenden-einkünfte auf den Nachwuchs verlagert, zahlt das Kind hierfür keine Steuer, wenn sein zu versteuerndes Einkommen unter Grund- und Sparerfreifreibetrag von zusammen 9.085 EUR liegt. Bei den Eltern bleiben diese Kapitaleinkünfte anschließend ohne Belastung, zusätzlich vermindert sich die Progression für das übrige Einkommen. In einigen Fällen übertragen Eltern die Gelder nur zum Schein, um sie bei Bedarf wieder zu verwenden. 

    Nach der Schenkung muss erkennbar sein, dass auf Dauer ein Besitzerwechsel stattgefunden hat. Das gelingt, indem ein Depot auf den Namen des Kindes eingerichtet wird. Anschließend dürfen die Eltern das Vermögen für Minderjährige lediglich verwalten, aber nicht darüber verfügen. Holen es sich die Eltern später zurück, wird dem Finanzamt klar, dass die Gelder die elterliche Sphäre nie endgültig verlassen haben. Die Zurechnung der Erträge auf die Kinder wird für alle noch nicht verjährten Jahre rückgängig gemacht und führt zu kräftigen Nachzahlungen bei Vater und Mutter inklusive Steuerzinsen. Solche Schenkungen werden künftig öfters geprüft. Da für den Nachwuchs in der Regel eine NV-Bescheinigung beantragt wird, werden Finanzbeamte die Jahresbescheinigung der Vorjahre anfordern. Geht hieraus ein Mittelabfluss hervor, ist dieser zu erläutern. 

    Private Veräußerungsgeschäfte 

    Ob ein Bürger binnen Jahresfrist steuerpflichtige Wertpapiergewinne erzielt hat, blieb dem Finanzamt in der Vergangenheit nicht nur meist unbekannt, es forschte auch nicht weiter nach. Diesen vom Bundesverfassungsgericht bemängelten Zustand nutzen eine Vielzahl von Anlegern und deklarieren ihre Börsengeschäfte nicht auf der Anlage SO. 

    Für 1997/98 wird auf Spekulationsgeschäfte keine Steuer mehr erhoben, auch nicht bei Hinterziehung. Ob dies für die Folgejahre gilt, ist noch strittig. Zumindest ab 2004 ist das beanstandete Erhebungsdefizit nicht mehr vorhanden, inländische Banken listen jedes getätigte Börsengeschäft einzeln auf. Anhand der Jahresbescheinigung geraten Anleger in Erklärungsnot, die in den Vorjahren nicht entsprechende Geschäfte angegeben haben. Das Argument Unwissenheit hilft hier nicht weiter, da solche Spekulationserträge seit 2000 separat anzugeben waren. Steuerpflichtige Geschäfte bei Auslandsbanken unterliegen nicht der Zinsrichtlinie, daher besteht jenseits der Grenze weiterhin ein Erhebungsdefizit deutscher Finanzbehörden. 

    Spekulationsverluste 

    Den Börsenrat, Gewinne laufen zu lassen und Verluste zu realisieren, nutzen Börsianer, um steuerliche Minusposten anzusammeln oder die positiven Erträge unter die Freigrenze von 512 EUR fallen zu lassen. Dieses legale Verhalten wird dann auf die Spitze getrieben, indem Wertpapiere kurz vor Ablauf der Spekulationsfrist oder zum Jahresende verkauft und anschließend sofort wieder erworben werden. 

    Das aus wirtschaftlicher Sicht unsinnige Verhalten stellt Gestaltungsmissbrauch dar (FG Hamburg vom 6.10.04, VI R 27/01), die Verluste werden nicht anerkannt. Finanzbeamten fällt dieses Vorgehen nunmehr über die in der Jahresbescheinigung gelisteten Geschäfte auf. Hier wird dokumentiert, wenn das gleiche Wertpapier innerhalb kurzer Zeit verkauft und wieder erwoben wird.  

    Tafelgeschäfte 

    Die Zahl der Wertpapiere, die als effektive Stücke ausgegeben werden, verringert sich laufend. Dennoch schlummern in Bankschließfächern noch reihenweise Tafelpapiere, etwa thesaurierende Fonds. Der Verkauf oder die Einlösung der Zinskupons erfolgt jenseits der Grenze, die Einnahmen tauchen nicht in der Steuererklärung auf. 

    Der Einlösende wird auch im Ausland nach den Vorschriften der Geldwäsche erfasst, die Erträge unterliegen ab Juli der Zinsrichtlinie. Enttarnung droht durch Grenzkontrollen des Zolls. 

    Zinsabschlag 

    Im Inland werden Freistellungsaufträge bei mehreren Banken in Summe über den Höchstbeträgen eingereicht. Steuerzahler mit hoher Progression zahlen zwar den Zinsabschlag, geben die Einnahmen aber anschließend nicht in der Steuererklärung an. 

    Kreditinstitute melden dem BfF gem. § 45d EStG Kapitaleinnahmen, die abgabenfrei ausbezahlt werden. Somit fällt auf, wer mehr als die erlaubten 1.421 EUR steuerfrei stellen lässt. Auf diese Daten können Finanz- und Sozialbehörden zugreifen. Erträge mit Zinsabschlag umfasst diese Meldung zwar nicht, doch diese Summen tauchen ab 2004 in der Jahresbescheinigung auf. Bei Verdacht können Finanzbeamte ab April auch eine Kontensuche über den Datenpool der Banken (§§ 24c KWG, 93b Abs. 2 AO) starten und für diese Verbindungen eine Jahresbescheinigung anfordern. Liegen die Einnahmen deutlich über den Vorjahren, ist die Differenz zu erläutern. 

    Hauptversammlung 

    Aktionäre lassen sich für die alljährliche Zusammenkunft zwar eine Eintrittskarte zusenden, reisen dann aber nicht hin. Die Fahrtkosten werden jedoch geltend gemacht. 

    Da gleichzeitig Dividenden erklärt werden, erscheint der Ansatz von Werbungskosten schlüssig. Nur bei starker Diskrepanz zwischen der Höhe der Einnahmen und den Ausgaben sowie bei Auslandsreisen werden in der Regel Nachweise angefordert. Dabei ist es steuerlich zulässig, dass die Kosten die erhaltenen Dividenden übersteigen. 

     

    Hinweis

    Der weiterführende Teil II des Beitrages wird in der Folgeausgabe MBP 7/05 veröffentlicht.