· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Darf der Betriebsprüfer auf Grundlage eines Zeitreihenvergleichs schätzen?
| Bei Hinzuschätzungen stützen sich Betriebsprüfer oft auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs. Wie die Prüfer hier vorgehen und in welchen Fällen diese Schätzungsmethode unzulässig ist, zeigt der praktische Fall. |
1. Sachverhalt
A betreibt eine kleine Gaststätte in München-Fröttmaning. An den Heimspieltagen des FC Bayern München (Bundesliga, Pokal und Champions League) gewährt A seinen Gästen folgende Preisnachlässe:
- 20 % Rabatt auf Speisen und Getränke während des Spiels und
- bei Siegen 30 % Rabatt auf Getränke auf Speisen für drei Stunden nach dem Schlusspfiff.
Bei einem befreundeten Gastronom fand unlängst eine Betriebsprüfung statt, in der das FA erhebliche Hinzuschätzungen auf Basis eines Zeitreihenvergleichs vorgenommen hat. Da auch bei A in Kürze eine Betriebsprüfung ansteht, fragt er seinen Steuerberater, was es mit dem Zeitreihenvergleich auf sich hat und ob er auch mit Hinzuschätzungen rechnen muss.
2. Lösung
Nach einem kurzen Überblick über die grundsätzliche Funktionsweise wird anschließend erläutert, in welchen Fällen der Zeitreihenvergleich nicht anzuwenden ist.
2.1 Herangehensweise beim Zeitreihenvergleich
Zunächst ist festzuhalten, dass beim Zeitreihenvergleich zahlreiche Varianten denkbar sind. Die Standardherangehensweise der Finanzverwaltung (so der BFH 25.3.15, X R 20/13) ist dadurch gekennzeichnet, dass für jede Woche eines Kalenderjahrs sowohl der Wareneinsatz (bereinigt um Sachentnahmen etc.) als auch die Einnahmen ermittelt werden. Aus dem Vergleich dieser beiden Größen ergibt sich für jede Woche ein Rohgewinnaufschlagsatz.
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Beachten Sie | Die Betriebsprüfer ermitteln sodann für je zehn aufeinanderfolgende Wochen Mittelwerte. Den höchsten Mittelwert wenden sie für das gesamte Jahr auf den erklärten Wareneinsatz an.
2.2 Anwendbarkeit des Zeitreihenvergleichs
Hinsichtlich der Anwendung des Zeitreihenvergleichs hat der BFH (25.3.15, X R 20/13) der Finanzverwaltung Grenzen gesetzt bzw. den Zeitreihenvergleich nur unter bestimmten Voraussetzungen als zulässig erachtet.
So darf der Zeitreihenvergleich nur angewendet werden, wenn das Verhältnis zwischen Erlösen und Wareneinkäufen über das ganze Jahr hinweg weitgehend konstant ist. Bei dem zu beurteilenden Sachverhalt liegt es auf der Hand, dass der Rohgewinnaufschlagsatz an (erfolgreichen) „englischen Wochen“ deutlich niedriger sein wird, als während der Sommerpause. Bei der Standardherangehensweise (vgl. oben) würde der Zeitreihenvergleich hier zu falschen Ergebnissen führen und wäre somit ungeeignet.
Ferner kann der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit bei einer formell ordnungsgemäßen Buchführung grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs geführt werden.
MERKE | In diesem Zusammenhang hat der BFH (a. a. O.) Folgendes herausgestellt: Wird ein programmierbares Kassensystem eingesetzt, stellt das Fehlen der hierfür aufbewahrungspflichtigen Unterlagen (Betriebsanleitung, Programmierprotokolle) einen formellen Mangel dar, der grundsätzlich schon für sich genommen zu einer Hinzuschätzung berechtigt. |
Ist die Buchführung zwar formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Mängel nicht konkret nachgewiesen, sind andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen in anderer Weise berücksichtigen, vorrangig anzuwenden. Stehen keine geeigneteren Schätzungsmethoden zur Verfügung, dürfen die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs auch nicht unbesehen übernommen werden, sondern können allenfalls einen Anhaltspunkt für eine Hinzuschätzung bilden.
Nur wenn die formelle und materielle Unrichtigkeit der Buchführung bereits wegen anderer Erkenntnisse feststeht, können die Ergebnisse eines technisch korrekt durchgeführten Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden. Dies gilt aber mit der Einschränkung, dass sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die zu genaueren Ergebnissen führt.
FAZIT | Ist die Buchführung des A formell ordnungsgemäß, scheidet der Zeitreihenvergleich als alleiniger Nachweis für materielle Mängel grundsätzlich aus. Da die Rohgewinnaufschlagsätze des A infolge des Rabattmodells deutlich schwanken dürften, hätte A zudem gute Argumente, um die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs bei Anwendung der Standardmethode zu widerlegen. |