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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Erbbaurecht im Betriebsvermögen: Bilanzielle und grunderwerbsteuerliche Folgen

    | Ein Erbbaurechtsvertrag kann durchaus eine interessante Alternative zu einem Grundstückskauf sein. Dies gilt nicht nur für den privaten, sondern auch für den betrieblichen Bereich. Der praktische Fall stellt die rechtlichen Grundsätze, die möglichen wirtschaftlichen Vorteile, die bilanziellen Besonderheiten sowie die grunderwerbsteuerlichen Konsequenzen vor. |

    1. Sachverhalt

    Die Müller GmbH aus Dortmund möchte ihr Betriebsgelände erweitern und hat daher Anton Weber für das derzeit nicht genutzte Nachbargrundstück ein Kaufangebot über 2 Mio. EUR unterbreitet. Anton Weber möchte jedoch nicht verkaufen und bietet der GmbH einen Erbbaurechtsvertrag über 50 Jahre mit einem monatlichen Erbbauzins von 10 TEUR an.

     

     

    Der Geschäftsführer der Müller GmbH möchte nun von seinem Steuerberater wissen, welche wirtschaftlichen und bilanziellen Auswirkungen der Erbbaurechtsvertrag haben würde und ob er durch die Gestaltung ggf. sogar die 6,5%ige Grunderwerbsteuer sparen könnte.

    2. Rechtliche Würdigung

    Das Erbbaurecht ist ein grundstücksgleiches (dingliches) Recht, das der Müller GmbH die Möglichkeit bietet, auf dem Grund und Boden des Anton Weber ein Bauwerk zu errichten. Das belastete Grundstück verbleibt ungeachtet dessen im Eigentum von Anton Weber. Das Erbbaurecht wird im Grundbuch eingetragen und könnte von der Müller GmbH losgelöst vom Grundstück veräußert werden.

     

    Für die Einräumung des Erbbaurechts müsste die Müller GmbH den vereinbarten Erbbauzins von jährlich 120 TEUR (10 TEUR × 12) zahlen. Wenn es zu keiner Vertragsverlängerung kommt, erlischt das Erbbaurecht mit Ablauf der vertraglich vereinbarten Zeit, also nach 50 Jahren. Mit Ablauf des Vertrags wird Anton Weber Eigentümer der von der Müller GmbH errichteten Gebäude. Anton Weber muss die GmbH aber hierfür entschädigen (§ 27 Abs. 1 ErbbauRG). Häufig bemisst sich die Entschädigung am Verkehrswert, den die Gebäude bei Ablauf des Vertrags haben.

     

    PRAXISHINWEIS | Deutlich vor Ablauf der Laufzeit sollte die Müller GmbH prüfen, ob eine Vertragsverlängerung sinnvoll ist. Vermutlich dürften Anton Weber bzw. seine Erben kein Interesse haben, die betrieblichen Gebäude zu übernehmen.

     

    3. Wirtschaftliche Erwägungen

    Ein Erbbaurechtsvertrag kann für beide Seiten wirtschaftlich sinnvoll sein. So würde Anton Weber weiterhin von der langfristigen Wertentwicklung seines Grundstücks profitieren. Die Müller GmbH müsste im Vergleich zum Kauf kurzfristig weniger Liquidität einsetzen und kann die freien Mittel in ihr operatives Geschäft investieren.

     

    Das vorliegende Angebot ist jedoch kritisch zu sehen. Denn der Erbbauzins beträgt 6 % (120 TEUR × 100 ÷ 2.000 TEUR), was über den in der Praxis üblichen 3 bis 5 % des Verkehrswerts liegt. Auch der Vergleich der Gesamtzahlungen (6 Mio. EUR) mit den Zahlungen beim Immobilienkauf (2 Mio. EUR + Zinsen) zeigt, dass der geforderte Erbbauzins „überteuert“ sein dürfte.

     

    PRAXISHINWEIS | Neben der nominellen Höhe des Erbbauzinses ist es für die wirtschaftliche Beurteilung wichtig, ob der Vertrag eine Indexierung enthält. Werden die Erbbauzinsen z. B. an die allgemeine Entwicklung der Lebenshaltungskosten gekoppelt, kann dies über die Gesamtlaufzeit zu einer deutlichen Erhöhung der Kosten führen. Darüber hinaus sollte sich die Müller GmbH im Klaren sein, dass sie bei einem Erbbaurechtsvertrag ‒ anders als beim Immobilienkauf ‒ nicht von der Wertentwicklung profitiert. Dies kann gerade vor dem Hintergrund der steigenden Grundstückspreise ein gewichtiges Argument gegen einen Erbbaurechtsvertrag sein.

     

    4. Bilanzielle Behandlung

    Das Erbbaurecht ist ein selbstständiger Vermögensgegenstand bzw. ein selbstständiges Wirtschaftsgut, welches sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz zu aktivieren ist. Die Müller GmbH müsste das Erbbaurecht somit als grundstücksgleiches Recht im Sachanlagevermögen ausweisen.

     

    Beachten Sie | Nur in Ausnahmefällen ist der Erbbauberechtigte als wirtschaftlicher Eigentümer des Grundstücks anzusehen und somit auch zur Bilanzierung des Grundstücks verpflichtet. Hierfür ist es erforderlich, dass der Verkauf des Grundstücks zwischen den Beteiligten endgültig beschlossen ist und lediglich der Vollzug dieser Absicht noch von bestimmten Gegebenheiten abhängt (BFH 2.5.84, VIII R 276/81).

     

    Das Erbbaurechtsverhältnis selbst ist ein der Pacht angenähertes entgeltliches Nutzungsverhältnis. Als Anschaffungskosten sind die einmaligen Aufwendungen gegenüber Dritten zu erfassen (z. B. Notar- und Maklergebühren). Die zu zahlenden Erbbauzinsen sind keine Anschaffungskosten des Erbbaurechts. Es handelt sich um Betriebsausgaben, die bei einer Vorauszahlung aktiv abzugrenzen sind.

     

    Die Anschaffungskosten sind über die Laufzeit des Erbbaurechts planmäßig abzuschreiben. Liegen die Voraussetzungen vor, kommt auch eine außerplanmäßige Abschreibung in Betracht (vgl. Beck’scher Bilanz-Kommentar, § 253 HGB, Rz. 405).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Erbbauzinsen sind gewerbesteuerlich als Miet- und Pachtentgelte zu klassifizieren und daher im Rahmen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen zu erfassen (§ 8 Nr. 1 Buchst. e GewStG).

     

    5. Grunderwerbsteuerliche Auswirkungen

    Die Grunderwerbsteuer knüpft generell an das Verpflichtungsgeschäft an, also in der Regel an den Grundstückskaufvertrag. Allerdings unterliegt auch ein Vertrag, der den Anspruch auf Bestellung eines Erbbaurechts begründet, der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 GrEStG (FinMin Baden-Württemberg 16.9.15, 3 - S 4500/93, Ziffer 2.1.1).

     

    Nach § 8 Abs. 1 GrEStG bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach dem Wert der Gegenleistung. Das ist in der Regel der Kaufpreis. Als Gegenleistung im Rahmen der Bestellung eines Erbbaurechts zählen der Wert der Erbbauzinsverpflichtung und andere zusätzlich verabredete Leistungen (z. B. Einmalzahlungen). Die Erbbauzinsverpflichtung ist mit ihrem Kapitalwert gemäß § 13 Abs. 1 BewG i. V. mit der Anlage 9a zu bewerten. Der in Nordrhein-Westfalen relevante Grunderwerbsteuersatz beträgt 6,5 %.

     

    Somit würde die Ermittlung der Grunderwerbsteuer für die Bestellung des Erbbaurechts in drei Schritten erfolgen:

     

    • Berechnung der Grunderwerbsteuer in drei Schritten

    1. Ermittlung des Jahreswerts

    Erbbauzins × 12 = Jahreswert

    10.000 EUR × 12 = 120.000 EUR

    2. Ermittlung der Gegenleistung

    Vervielfältiger gem. Anlage 9a BewG für 50 Jahre: 17,397

    Jahreswert × Vervielfältiger = Gegenleistung

    120.000 EUR × 17,397 = 2.087.640 EUR

    3. Ermittlung der Grunderwerbsteuer

    Gegenleistung × Grunderwerbsteuersatz = Grunderwerbsteuer

    2.087.640 EUR × 6,5 % = 135.696 EUR

    FAZIT | Erbbaurechte stellen eine interessante Gestaltungsmöglichkeit dar ‒ und zwar insbesondere dann, wenn keine ausreichende Liquidität vorhanden ist oder primär in das operative Geschäft investiert werden soll. Im vorgestellten praktischen Fall erscheint der angebotene Erbbauzins von 6 % im Vergleich zum Kaufangebot jedoch als zu hoch. Soll ein Erbbaurechtsvertrag abgeschlossen werden, sollte die Müller GmbH nachverhandeln.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2018 | Seite 66 | ID 45089798