· Fachbeitrag · Der praktische Fall
Falsch angewendeter USt-Satz bei Saunaleistungen: Hilft hier der Vertrauensschutz?
| Seit dem 1.7.15 unterliegen Saunaleistungen dem Regelsteuersatz. Zuvor wurde von einem ermäßigt besteuerten Umsatz als Heilbad ausgegangen (§ 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG). Wie ist nun zu verfahren, wenn in einer USt-Sonderprüfung festgestellt wird, dass über den 1.7.15 hinaus weiter mit 7 % fakturiert wurde und ein erheblicher USt-Betrag nachgefordert wird? Gibt es hier Möglichkeiten? |
1. Sachverhalt
Der bis dato nicht steuerlich beratene Max Meise ist seit Anfang 2015 Betreiber einer Freizeit-Saunalandschaft. Die Erlöse fakturiert er mit 7 % USt. Die Veranlagungen der Jahre 2015 bis 2019 stehen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Steuererklärungen wurden jeweils im Folgejahr abgegeben.
Bei einer im April 2021 durchgeführten USt-Sonderprüfung (Prüfungsanordnung ist in 2021 ergangen) ist dem Prüfer aufgefallen, dass die Umsätze ab dem 1.7.15 zu Unrecht mit dem ermäßigten Steuersatz (7 %) fakturiert worden sind. Da der Regelsteuersatz von 19 % anzuwenden ist, beansprucht das FA eine USt-Nachzahlung i. H. von 27.300 EUR.
Hiergegen argumentiert Meise, dass er von anderen Sauna-Betreibern erfahren habe, dass diese ihre Umsätze ebenfalls mit 7 % versteuern. Zudem habe er Ende 2015 mit dem Finanzamt telefoniert und ebenfalls die Aussage erhalten, dass die Umsätze mit 7 % USt zu fakturieren sind. Hierbei handelte es sich jedoch um keine verbindliche Auskunft.
Frage: Kann sich Max Meise gegen eine Nachforderung von USt mit Erfolg wehren?
2. Lösung
Nach einer kurzen umsatzsteuerlichen Würdigung wird die Frage beantwortet, ob sich Max Meise ggf. auf einen Vertrauensschutz berufen kann.
2.1 Besteuerung von Saunaleistungen
Nach einer Entscheidung des BFH (12.5.05, V R 54/02) ist nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG nur die medizinisch indizierte Verabreichung von Saunabädern begünstigt. Zunächst hatte das BMF hierauf mit einem Nichtanwendungserlass reagiert. Diesen hob das BMF (28.10.14, IV D 2 - S 7243/07/10002-02) dann aber auf, sodass Saunaleistungen mit Wirkung ab dem 1.7.15 dem allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen sind.
Beachten Sie | Seit dem 1.7.15 sind Saunaleistungen also mit dem Regelsteuersatz zu besteuern, während die unmittelbar mit dem Betrieb eines Schwimmbads verbundenen Umsätze nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG ermäßigt zu besteuern sind. Werden in einem Schwimmbad oder einer ähnlichen Einrichtung neben der Gelegenheit zum Schwimmen weitere Leistungen (wie z. B. Nutzung von Sauna oder Solarium) angeboten, hat das BMF (18.12.19, III C 2 - S 7243/19/10001 :002) für die Aufteilung eines einheitlichen Gesamtentgelts auf die dem ermäßigten Steuersatz bzw. dem Regelsteuersatz unterliegenden Leistungen Abgrenzungsgrundsätze verfügt.
2.2 Festsetzungsverjährung
Max Meise hat seine Steuererklärungen jeweils im Folgejahr abgegeben, sodass die Festsetzungsfrist für 2015 mit Ablauf des Jahres 2016 beginnt und mit Ablauf des Jahres 2020 endet (§ 170 Abs. 2 Nr. 1, § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO). Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn die Festsetzungsfrist abläuft (§ 164 Abs. 4 AO).
Zwischenfazit: Da für den VZ 2015 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist (USt-Sonderprüfung im April 2021), kann das FA folglich „nur“ noch die Jahre 2016 bis 2019 ändern.
2.3 Vertrauensschutz und verbindliche Auskunft
Fraglich ist, ob sich Max Meise ggf. auf den Vertrauensschutz des § 176 AO berufen kann. § 176 AO verbietet unter bestimmten Voraussetzungen, Rechtslageänderungen zu berücksichtigen, nämlich wenn
- das BVerfG die Nichtigkeit eines Gesetzes feststellt, auf dem die bisherige Steuerfestsetzung beruht (§ 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO),
- ein oberster Gerichtshof des Bundes eine Rechtsnorm, auf der die bisherige Steuerfestsetzung beruht, wegen Verfassungswidrigkeit nicht anwendet (§ 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO),
- ein oberster Gerichtshof des Bundes seine Rechtsprechung ändert (§ 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO) oder
- ein oberster Gerichtshof des Bundes eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung, einer obersten Bundes- oder Landesbehörde für mit dem geltenden Recht unvereinbar bezeichnet (§ 176 Abs. 2 AO).
Da ein solcher Fall hier nicht vorliegt, kann sich Max Meise nicht auf § 176 AO berufen.
Auch eine verbindliche Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) wurde nicht erteilt. Die Verpflichtung zu Anregungen gem. § 89 Abs. 1 AO führt zu keiner allgemeinen Beratungspflicht. Sollte das FA allerdings dennoch einen Rat erteilen, muss dieser wegen des erhöhten Vertrauens in die Beratungskompetenz richtig sein; anderenfalls kann eine Amtspflichtverletzung in Betracht kommen.
Beachten Sie | Amtshaftungsansprüche (Art 34 GG i. V. mit § 839 BGB) sind allerdings allenfalls dann denkbar, wenn die Falschauskunft nachweisbar ist und zudem hinreichend klar war, dass die Auskunft einen verbindlichen Charakter (außerhalb einer verbindlichen Auskunft) haben sollte. Da Letzteres aber in der Regel nicht der Fall ist, wird Max Meise die USt für die Jahre 2016 bis 2019 nachentrichten müssen (ggf. kommt hier eine ratierliche Zahlung in Betracht).