22.09.2011 · IWW-Abrufnummer 114097
Finanzgericht Berlin-Brandenburg: Urteil vom 20.07.2011 – 1 K 2232/06
1. Heiratet die alleine mit einem Kind in einem Haushalt lebende Mutter und wohnt sie noch nicht mit dem Ehemann zusammen, so steht ihr im Jahr der Heirat der Enlastungsbetrag für Alleinerziehende zeitanteilig bis einschließlich des Monats der Heirat zu. Ab dem Folgemonat nach dem Heiratstermin ist eine zeitanteilige Gewährung des Entlastungsbetrags nicht mehr möglich; das gilt auch dann, wenn die Mutter für das Jahr der Eheschließung die besondere Veranlagung nach § 26c EStG beantragt hat.
2. § 24b EStG ist verfassungskonform.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat das Finanzgericht Berlin-Brandenburg – 1. Senat – ohne mündliche Verhandlung am 20. Juli 2011 durch die Vorsitzende Richterin am Finanzgericht … die Richterin am Finanzgericht … den Richter am Finanzgericht … sowie die ehrenamtlicher Richter … und …
für Recht erkannt:
Der Einkommensteuerbescheid 2004 vom 28.07.2005 wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 06.12.2006 dahingehend geändert, dass der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG in Höhe von 1 199,00 EUR gewährt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin zu 1/12 und dem Beklagten zu 11/12 auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Klägerin hat am …11.2004 geheiratet und ist am …2005 mit ihrem Ehemann und ihrem am …1990 geborenen Sohn in eine gemeinsame Wohnung in F. eingezogen. Im Streitjahr 2004 hat sie nach ihren Angaben zusammen mit ihrem Sohn in ihrer Wohnung in A. gelebt.
Für das Jahr 2004 hat die Klägerin von der Möglichkeit der besonderen Veranlagung nach § 26c Einkommensteuergesetz – EStG – Gebrauch gemacht. Sie beantragte in ihrer Einkommensteuererklärung außerdem den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG, dessen Berücksichtigung der Beklagte mit Einkommensteuerbescheid vom 28.07.2005 mit der Begründung ablehnte, dass die Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Der hiergegen gerichtete Einspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, dass der Entlastungsbetrag anteilig bis Oktober 2004 zu gewähren sei, da die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung erst mit der Hochzeit im November weggefallen seien, wurde mit Einspruchsentscheidung vom 06.12.2006 als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte führte unter anderem aus, dass Ehegatten, die im Streitjahr nicht dauernd getrennt lebten, nach § 24b Abs. 2 EStG vom Abzug des Entlastungsbetrags ausgeschlossen seien. Die Voraussetzungen von § 26 Abs. 1 EStG für die Anwendung des SplittingVerfahrens dürften nämlich im gesamten Veranlagungszeitraum nicht erfüllt sein, um dem Grunde nach den Abzug des Entlastungsbetrags zu ermöglichen. Eine anteilige Berücksichtigung des Entlastungsbetrags komme nur in Betracht, soweit die Voraussetzungen des § 24b Abs. 1 EStG nicht in jedem vollen Kalendermonat vorgelegen hätten. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die Gründe der Einspruchsentscheidung vom 06.12.2005 Bezug genommen (Bl. 5-8 Streitakte).
Im Rahmen des Klageverfahrens macht die Klägerin geltend, dass ihr der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende für das ganze Jahr zu gewähren sei. Nach § 26c EStG würden Ehegatten bei besonderer Veranlagung für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung so behandelt, als ob sie diese Ehe nicht geschlossen hätten. Somit sei festzustellen, dass sie, die Klägerin, für den Veranlagungszeitraum 2004 so zu stellen sei, als ob sie nicht geheiratet hätte. Daraus folge, dass ihr der Abzugsbetrag nach § 24b EStG zumindest zeitanteilig für den Zeitraum bis zur Eheschließung zustehen würde, sofern – was allerdings nicht der Fall gewesen sei – ein gemeinsamer Hausstand der Eheleute existiert hätte. Da sie tatsächlich erst am …2005 eine gemeinsame Wohnung mit ihrem Ehemann bezogen habe, stehe ihr der Entlastungsbetrag für das ganze Jahr zu.
Aus der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens wie für Unverheiratete folge, dass der Abzugsbetrag gemäß § 24b EStG gewährt werden könne. Sinn der seit 1986 (wieder) eingeführten besonderen Veranlagung sei es, die steuerlichen Belastungen von Alleinerziehenden, die auch durch die mögliche Zusammenveranlagung nicht ausgeglichen würden, zu berücksichtigen. § 26c EStG diene der Vermeidung dieser mit der (erneuten) Eheschließung verbundenen Nachteile. Der Entlastungsbetrag werde Alleinstehenden anstelle des ab 2004 weggefallenen Haushaltsfreibetrags gewährt. Aus der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens folge nach Seeger in Schmidt, 28. Auflage 2009 (§ 26c EStG, Rz. 5), dass der Haushaltsfreibetrag bzw. der Abzugsbetrag gemäß § 26b EStG gewährt werden könne. Diese Auffassung werde auch von Loschelder in Schmidt § 24b EStG, Rz. 18 vertreten. Im vorliegenden Fall würde die Klägerin gegenüber anderen Alleinerziehenden ungerechtfertigt benachteiligt werden. Zumindest müsse der Freibetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b Abs. 3 EStG zeitanteilig berücksichtigt werden, da die Klägerin bis zur Eheschließung allein stehend im Sinne des Gesetzes gewesen sei.
Der Sachverhalt unterscheide sich insoweit von dem vom Bundesverfassungsgericht – BVerfG – und vom Bundesfinanzhof – BFH – zu entscheidenden Fall (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 22.05.2009 2 BvR 310/07, HFR 2009, 1027, im Anschluss an das BFH-Urteil vom 19.10.2006 III R 4/05, BFHE 215, 217, BStBl II 2007, 637), in dem sich Eheleute gegenüber unverheirateten Paaren benachteiligt gefühlt und den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende beantragt hätten, obwohl sie verheiratet gewesen seien und mit ihren Kindern gemeinsam in einem Haushalt gelebt hätten. Dass sie, die Klägerin, demgegenüber als allein stehend zu behandeln sei, folge aus dem Umstand, dass sie von ihrem Recht Gebrauch gemacht habe, die besondere Veranlagung nach § 26c EStG zu wählen.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 28.07.2005 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 06.12.2006 dergestalt abzuändern, dass der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende in Höhe von 1 308,00 EUR zum Abzug zugelassen wird,
hilfsweise,
die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Klägerin stehe für 2004 kein Entlastungsbetrag für Alleinerziehende gemäß § 24b EStG zu, da sie im Jahr 2004 geheiratet habe und somit die Voraussetzungen für die Anwendung des Splitting-Verfahrens grundsätzlich erfülle. Ein Entlastungsbetrag stünde ihr nur zu, wenn sie nicht die Voraussetzungen für eine Ehegatten-Veranlagung erfüllte. § 24b Abs. 2 EStG stelle darauf ab, dass nicht die Voraussetzungen für die Zusammenveranlagung (Bestehen einer Ehe nach bürgerlichem Recht/nicht dauernd getrennt lebend/beide unbeschränkt steuerpflichtig) erfüllt seien.
Dass die Klägerin im Jahr der Eheschließung die besondere Veranlagung nach § 26c EStG gewählt habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Im Rahmen der besonderen Veranlagung würden Ehegatten zwar grundsätzlich wie Alleinstehende behandelt (§ 26c EStG). Allerdings sehe das Gesetz beim Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, der an die Stelle des Haushaltsfreibetrags getreten sei, keine entsprechende Regelung für das Jahr der Eheschließung vor. Vielmehr gehe der Entlastungsbetrag dem Alleinerziehenden für das ganze Jahr, also gewissermaßen rückwirkend, verloren, wenn er im Laufe des Jahres heirate und die Voraussetzung für eine Ehegattenveranlagung erfüllt seien (§ 24b Abs. 2 EStG). Somit sei bei Wahl der besonderen Veranlagung nach § 26c EStG aufgrund der Eheschließung während des Jahres der Abzug des Entlastungsbetrags nach diesen Grundsätzen ausgeschlossen (vgl. BMF-Schreiben vom 29.10.2004, BStBl I 2004, 1042 Tz. 2). Eine zeitanteilige Berücksichtigung komme nicht in Betracht.
Die Ausführungen zu dem erst ab 2005 mit dem Ehemann bestehenden gemeinsamen Haushalt seien nicht mehr entscheidungserheblich, da der Abzug des Entlastungsbetrags bereits wegen § 26 Abs. 1 EStG zu versagen gewesen sei. § 24b EStG schließe allgemein alle Ehegatten, welche die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erfüllten, vom Abzug des Entlastungsbetrags aus. So finde § 26c EStG schließlich auch nur Anwendung, wenn die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorliegen würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze und den Akteninhalt Bezug genommen.
Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung ein Band der vom Beklagten geführten Rechtsbehelfsakten zur Steuernummer … vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet, da der Klägerin der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende anteilig in Höhe von 1 199,00 EUR, d.h. für 11 Monate, zu gewähren ist.
Allein stehende Steuerpflichtige können gemäß § 24b Abs. 1 EStG einen Entlastungsbetrag in Höhe von 1 308,00 EUR im Kalenderjahr von der Summe der Einkünfte abziehen, wenn zu ihrem Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 oder Kindergeld zusteht. Allein stehend im Sinne des Absatzes 1 sind danach Steuerpflichtige, die nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens (§ 26 Abs. 1) erfüllen oder verwitwet sind und keine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden (§ 24b Abs. 2 EStG). Dabei ermäßigt sich der Entlastungsbetrag für jeden vollen Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vorgelegen haben, gemäß § 24b Abs. 3 EStG um ein Zwölftel.
Ausgehend von der gesetzlichen Regelung wird der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nur „allein stehenden” Steuerpflichtigen gewährt. Nach der Gesetzesbegründung zu § 24b EStG machen die regelmäßig höheren Lebensführungskosten von echten Alleinerziehenden, die einen gemeinsamen Haushalt nur mit ihren Kindern führen, gegenüber anderen Erziehenden die Einführung eines Entlastungsbetrages für Alleinerziehende in Höhe von 1 308,00 EUR pro Kalenderjahr erforderlich (BT-Drucksache 15/1751, Seite 6 zu Artikel 8 Nr. 5a). Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des Entlastungsbetrags den bis zum Veranlagungszeitraum 2003 geltenden Haushaltsfreibetrag ersetzen, um den höheren Bedarf von Alleinerziehenden, denen kein Splitting zusteht, weiterhin steuerlich zu berücksichtigen (Heuermann in Blümich, 110. Auflage, EStG § 24b Rz. 3).
Wer als allein stehend zu gelten hat, wird in § 24b Abs. 2 EStG näher umschrieben. Der BFH hat hierzu mit Urteil vom 19.10.2006 (III R 4/05, BFHE 215,217, BStBl II 2007, 637) entschieden, dass die Nichtbegünstigung zusammenlebender Eltern durch Versagung des Entlastungsbetrags für Alleinerziehende keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. Allerdings hat der BFH in dieser Entscheidung Zweifel geäußert, ob § 24b EStG insoweit der Verfassung entspricht, als Personen, welche die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens erfüllen (§ 26 Abs. 1 EStG), stets vom Entlastungsbetrag ausgeschlossen sind. Er hat dies damit begründet, dass sich auch solche Personen in einer Situation befinden könnten, in der das Kind wegen besonderer Umstände nur von einem Ehegatten betreut und erzogen werden könne. Dies könne zutreffen, wenn eine Haushaltsgemeinschaft mit dem Ehegatten in einem Teil des Jahres fehle – z.B. bei dauernder Trennung der Eheleute zu Beginn des Jahres oder bei Heirat und Begründung einer Haushaltsgemeinschaft des betreuenden Elternteils mit einem Dritten gegen Ende des Jahres –, oder wenn die miteinander verheirateten Eltern zwar im Sinne des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht dauernd getrennt lebten, tatsächlich aber allein stünden – z.B. wegen Unterbringung eines Ehegatten in einem Krankenhaus oder einer Haftanstalt, wegen doppelter Haushaltsführung aus beruflichem Anlass oder Auslandsaufenthalts des anderen Elternteils bei unbeschränkter Steuerpflicht oder in Fällen der Pflegebedürftigkeit, Erkrankung oder schweren Behinderung eines Ehegatten. Die Möglichkeit einer Veranlagung nach dem Splittingtarif, die zudem nicht in jedem Fall vorteilhaft sei, dürfe insoweit nicht als Kompensation des Entlastungsbetrags in Betracht kommen (BFH-Urteil vom 19.10.2006 III R 4/05, BFHE 215,217, BStBl II 2007, 637, Rdnr. 20).
Auch unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ergeben sich für den Senat keine verfassungsrechtlichen Zweifel an der Regelung des § 24b EStG. So hat das BVerfG mit Nichtannahmebeschluss vom 22.05.2009 (2 BvR 310/07, HFR 2009, 1027) im Anschluss an die Entscheidung des BFH vom 19.10.2006 (III R 4/05, BFHE 215, 217, BStBl II 2007, 637) in der Gewährung des Entlastungsbetrags nach § 24b EStG nur für Alleinerziehende unter gleichzeitigem Ausschluss von Steuerpflichtigen, die die Voraussetzungen für eine Ehegattenveranlagung erfüllen, keine Verletzung von Grundrechten gesehen. Das BVerfG ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die § 24b EStG zugrunde liegende Entlastungsentscheidung des Gesetzgebers, der die Entlastung allein den „echten” Alleinerziehenden gewähren wollte, verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist. Es hat dem Gesetzgeber auch einen Einschätzungsspielraum hinsichtlich der Höhe des Entlastungsbetrags sowie der Fallgruppen, die von dessen Gewährung ausgeschlossen werden, zugebilligt. So hat es auch darauf hingewiesen, dass es innerhalb der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers liege, nicht für jede mögliche Fallgruppe Sonderregelungen vorzusehen. Auch der BFH hat mit Urteil vom 25.10.2007 (III R 104/06, BFH/NV 2008, 545), das den Fall der Haushaltsgemeinschaft mit einem volljährigen Sohn betraf, darauf hingewiesen, dass in § 24b EStG eine verfassungsrechtlich nicht gebotene Begünstigung und damit eine Sozialzwecknorm zu sehen sei, nachdem der Gesetzgeber den Abzug des elterlichen Betreuungsaufwands durch Schaffung eines Freibetrags für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf gemäß § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG sowie durch Vorschriften über einen darüber hinausgehenden Abzug von Kinderbetreuungskosten neu geregelt habe. Der Gesetzgeber habe deshalb eine weitgehende Gestaltungsfreiheit.
Es liegt nach Auffassung des Senats daher noch innerhalb der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers, dass er für die vom BFH genannten Sonderfälle und damit auch für den vorliegenden Fall der Eheschließung einer allein erziehenden Mutter gegen Ende des Veranlagungszeitraums verbunden mit der Wahl der besonderen Veranlagung keine Sonderregelung vorgesehen hat (vgl. auch die Anmerkung von Dürr zur Entscheidung des BVerfG vom 22.05.2009, jurisPR-SteuerR 38/2009 Anm. 3, der darauf hinweist, dass für die Praxis damit davon auszugehen sei, dass nunmehr auch in den vom BFH als problematisch angesehenen Sonderfällen Rechtsbehelfe keine Erfolgsaussicht hätten).
Im Streitfall erfüllt die Klägerin ab dem Zeitpunkt der Eheschließung am …11.2004 die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens (§ 26 Abs. 1 EStG) – mit der Folge, dass ihr der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende jedenfalls für den Zeitraum nach der Eheschließung, d.h. erstmals für den Monat Dezember als dem ersten vollen Monat, in dem die Voraussetzungen für die Anwendung des § 24b Abs. 1 EStG nicht vorgelegen haben, nicht gewährt werden kann. Zwar eröffnet § 26 Abs. 1 EStG wiederum die Möglichkeit, dass Ehegatten für den Veranlagungszeitraum der Eheschließung stattdessen die besondere Veranlagung nach § 26c EStG wählen können. Tun sie dies, werden sie gemäß § 26c Abs. 1 EStG so behandelt, als ob sie diese Ehe nicht geschlossen hätten. Das bedeutet, dass das zu versteuernde Einkommen wie für Unverheiratete zu ermitteln ist. Auch wenn hieraus in der Literatur zum Teil gefolgert wird, dass der Entlastungsbetrag nach § 24b EStG gewährt werden könne (Schmidt/Seeger, EStG, 30. Auflage 2011, § 26c Rz. 6, und Schmidt/Loschelder, § 24b Rz. 18; vgl. auch Heuermann in Blümich, 110. Auflage, EStG, § 26c Rz. 15 zur Frage des Vorrangs des § 26c EStG), ist zu berücksichtigen, dass der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende in § 24b Abs. 2 EStG ausdrücklich daran anknüpft, dass der Steuerpflichtige nicht die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens erfüllt – d.h. der Entlastungsbetrag ist in diesem Fall nach dem Gesetzeswortlaut auch nicht zu gewähren, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens vorgelegen haben, aber nicht das Splittingverfahren, sondern die besondere Veranlagung gewählt wird. Im Hinblick auf die in § 24b Abs. 3 EStG enthaltene Regelung ist der Entlastungsbetrag nach Auffassung des Senats in diesen Fällen allerdings nicht rückwirkend für das gesamte Jahr zu versagen, sondern nur anteilig für den Zeitraum nach Eintritt der Voraussetzungen die Anwendung des Splittingverfahrens.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass ihr der Entlastungsbetrag in voller Höhe gewährt werden müsse, kann dem nach dem Gesetzeswortlaut daher nicht gefolgt werden. Die Klägerin erfüllt eindeutig die „Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingverfahrens” nach § 26 Abs. 1 EStG und hat allein aus diesem Grund für den Zeitraum der Eheschließung auch die Möglichkeit, stattdessen die besondere Veranlagung nach § 26c EStG zu wählen. Damit entfällt aber grundsätzlich auch der Entlastungsbetrag nach § 24b EStG, sofern kein Vorrang des § 26c EStG angenommen wird.
Den Interessen der alleinerziehenden Steuerpflichtigen wird in diesen Fällen dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende nach dem Monatsprinzip gewährt wird (§ 24b Abs. 3 EStG) und daher erst ab dem Monat der Eheschließung entfällt (vgl. Pflüger in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Kommentar, § 26c EStG Rdnr. 30 und 50). Für den Streitfall bedeutet dies, dass der Klägerin der Entlastungsbetrag anteilig bis einschließlich November 2004, d.h. in Höhe von 11/12 = 1199,00 EUR, anteilig zu gewähren ist. Dabei ist der Klägerin im Hinblick auf die (nur) zeitanteilige Gewährung des Entlastungsbetrags entgegen zu halten, dass sich ihre Situation mit dem Eintritt der Voraussetzungen für die Anwendung des Splittingtarifs auch geändert hat. Auch wenn ein gemeinsamer Haushalt mit dem Ehegatten erst ab dem Folgejahr, d.h. ab Januar 2005, begründet worden ist, so ergeben sich aus der Versagung des Entlastungsbetrags insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Bei der Gewährung des Entlastungsbetrags handelt es sich um eine typisierende Regelung, welche nicht sämtlichen individuellen Fallgestaltungen Rechnung tragen kann. Soweit die gesetzliche Regelung die höheren Kosten echter Alleinerziehender für die eigene Lebens- bzw. Haushaltsführung abgelten soll, so ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass ab dem Zeitpunkt der Eheschließung typischerweise Synergieeffekte aufgrund einer gemeinsamen Haushaltsführung mit einer anderen Person eintreten – mag im Einzelfall der Umzug in eine gemeinsame Wohnung auch erst kurze Zeit später erfolgen.
Die Revision ist zugelassen worden, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 151 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung – ZPO –.