18.05.2012 · IWW-Abrufnummer 121539
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 19.01.2012 – 1 K 250/11
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
1 K 250/11
Tenor
Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 14. Oktober 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2011 wird dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer auf …,-- € herabgesetzt wird.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Einzahlungen auf ein Zeitwertkonto als Arbeitslohn nach §§ 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) zu berücksichtigen sind.
Die steuerlich beratene Klägerin ist beherrschende Gesellschafterin und - aufgrund des Anstellungsvertrages vom 20. Dezember 2006 - angestellte Geschäftsführerin der Firma X GmbH (Arbeitgeberin).
Im Jahre 2008 vereinbarte sie mit ihrer Arbeitgeberin die Ansammlung von Wertguthaben auf einem Zeitwertkonto. Darüber hinaus wurde am 21. Dezember 2009 eine Zeitwertkontengarantie vereinbart, wonach die Arbeitgeberin für alle Einzahlungen ab 1. Januar 2009 die Rückzahlung in voller Höhe bei planmäßiger Inanspruchnahme garantiert. Zu den Einzelheiten der Vereinbarungen wird auf den Anstellungsvertrag (Bl. 49 ff. der Einkommensteuerakte), den Vertrag vom 1. August 2008 (Bl. 37 ff. der Einkommensteuerakte) und die Vertragsergänzung vom 21. Dezember 2009 (Bl. 45 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Im Rahmen einer Anrufungsauskunft der Arbeitgeberin nach § 42e EStG prüfte der Beklagte (das Finanzamt - FA-) den Vertrag und bestätigte am 17. November 2008 unter Verweis auf zwei Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 5. August 2002 (IV C 4-S 2222-295/02) und 17. November 2004 (IV C 4-S 2222-177/04, IV C 5-S 2333-269/04), dass durch die Ansammlung von Wertguthaben auf Zeitwertkonten kein Zufluss von Arbeitslohn vorliege. Nach Ergehen eines geänderten BMF-Schreibens am 17. Juni 2009 (IV C 5-S 2332/07/0004, Bundessteuerblatt - BStBl - I 2009, 1286) vertrat das FA im Rahmen eines erneuten Auskunftsersuchens der Arbeitgeberin jedoch mit Schreiben vom 24. August 2010 die Auffassung, dass die Gutschrift eines künftig fällig werdenden Arbeitslohns auf dem Zeitwertkonto bereits zum Zufluss von Arbeitslohn führe, wobei aus Vertrauensschutzgründen eine Besteuerung erst für Zuführungen nach dem 31. Januar 2009 erfolge.
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung vom ... August 2010 erklärte die Klägerin Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von …,-- €. Gleichzeitig gab sie an, ab Februar 2009 seien Zuführungen auf ein Zeitwertkonto in Höhe von …,-- € vorgenommen worden, die sie - entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 17. Juni 2009 - nicht als Zufluss von Arbeitslohn ansehe. Hierbei handele es sich um Teile des laufenden Arbeitslohns in Höhe von je …,-- € für 11 Monate (entspricht …,-- €) sowie um die im August 2009 ausgezahlte Tantieme für 2008 in Höhe von …,-- €.
Das FA erließ am 14. Oktober 2010 den Einkommensteuerbescheid 2009, in dem die Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von …,-- €
( = erklärte Einkünfte + Zuführungen auf Zeitkonto ) angesetzt und Einkommensteuer in Höhe von …,-- € festgesetzt wurde. In der Anlage zum Bescheid teilte das FA mit, die Behandlung von Zeitwertkonten sei mit BMF-Schreiben vom 17. Juni 2009 ab dem 1. Januar 2009 neu geregelt worden. Danach führe bei Arbeitnehmern, die zugleich als Organ einer Körperschaft bestellt seien (z.B. GmbH-Geschäftsführern), bereits die Gutschrift des künftig fälligen Arbeitslohns auf einem Zeitwertkonto zum Zufluss von Arbeitslohn. Aus Vertrauensschutzgründen seien jedoch alle Zuführungen bis zum 31. Januar 2009 erst bei Auszahlung zu besteuern. Im Streitfall sei daher der erklärte Bruttoarbeitslohn in Höhe von …,-- € um die Gutschriften in Höhe von …,-- € zu erhöhen. Die Neureglung sei den steuerberatenden Berufen bereits im September 2008 als Entwurf und im Januar 2009 als Vorabinformation mitgeteilt worden.
Hiergegen legte die Klägerin am 20. Oktober 2010 Einspruch ein, mit dem sie unter anderem weiterhin geltend machte, die Zuflüsse auf das Zeitwertkonto seien im Streitjahr nicht als Arbeitslohn zu berücksichtigen.
Mit seiner Entscheidung vom 5. Januar 2011 setzte das FA die Einkommensteuer 2009 aus anderen - im Klageverfahren nicht mehr streitigen - Gründen auf …,-- € herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es aus, der Arbeitgeberin sei zwar mit Anrufungsauskunft vom 17. November 2008 bestätigt worden, dass die Einzahlungen auf das Zeitwertkonto noch keinen Zufluss von Arbeitslohn darstellten, diese Auskunft habe aber durch die Neuregelung der Behandlung von Zeitwertkonten ihre Gültigkeit verloren.
Mit ihrer Klage vom 2. Februar 2011 verfolgt die Klägerin ihr Rechtschutzbegehren weiter. Sie ist der Ansicht, durch die nachträgliche Vereinbarung einer Zeitwertkontengarantie mit ihrer Arbeitgeberin im Dezember 2009 entspreche die Zeitwertkontenvereinbarung den Vorgaben der Übergangsregelung des BMF-Erlasses vom 17. Juni 2009 (IV C 5-S 2332/07/0004) und sei bereits deswegen anzuerkennen. Dem stehe auch nicht das Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 24. März 2011 (8 K 3696/10 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2011, 1712) entgegen, in dem das FG bei einem möglichen Totalverlust der Kapitalanlage von einer privaten Vermögensverwaltung ausgegangen sei. Da die Kapitalanlage im Streitfall überwiegend aus festverzinslichen Rentenpapieren bestehe, sei ein Totalverlust nicht zu befürchten.
Darüber hinaus berufe sie sich im Hinblick auf das vorausgegangene Handeln des FA auf Vertrauensschutz. So sei durch die Anrufungsauskunft vom 17. November 2008 die Zulässigkeit der Zeitwertkontenvereinbarung bestätigt worden. Auch die Einzahlungen in 2008 und im Januar 2009 habe das FA nicht als Zufluss gewertet. Durch die Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 17. Juni 2009 habe sich nicht die Rechtslage, sondern nur die Verwaltungsauffassung geändert. Zur Begründung berufe sich die Verwaltung lediglich darauf, dass Zeitwertkonten mit dem Aufgabenbild des Organs einer Körperschaft nicht (mehr) vereinbar seien. So werde vertreten, dass bei diesen Gestaltungen zwischen Körperschaften und ihren Organen der Steuerspareffekt immer im Vordergrund stehe (vgl. Harder-Buschner, Neue Wirtschaftsbriefe - NWB - 2009, 2137). Eine solche Ausgrenzung bei der Anerkennung von Zeitwertkonten sei willk ürlich und entspreche nicht der gesetzlichen Regelung.
Die Klägerin beantragt,
die Einkommensteuer 2009 unter Berücksichtigung des um …,-- € ( = Zuführung auf Zeitwertkonto ) reduzierten Bruttoarbeitslohn festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Die Beteiligten haben mit Schriftsatz vom 7. März 2011 (Klägerin) und vom 9. März 2011 (FA) auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet. Die einschlägigen Verwaltungsvorgänge des FA (1 Band Einkommensteuerakte) waren beigezogen und Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid vom 14. Oktober 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. Januar 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Einzahlungen auf das Zeitwertkonto der Klägerin sind gemäß §§ 8 Abs. 1, 11 Abs. 1 EStG nicht im Streitjahr als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu erfassen.
1. Gemäß § 8 Abs. 1 EStG sind Einnahmen alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Überschusseinkunftsart im Sinne des § 2 Abs, 1 Satz 1 Nr. 4 bis 7 EStG zufließen. Bezogen sind die Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG).
a) Zugeflossen sind Einnahmen, sobald der Steuerpflichtige über sie wirtschaftlich verfügen kann (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BStBl II 1984, 480). Der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls. Bei Geldbeträgen ist dies in der Regel dadurch der Fall, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden. Jedoch kann auch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten einen Zufluss bewirken, wenn in der Gutschrift nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldbuchverpflichtung zu sehen ist, sondern darüber hinaus zum Ausdruck kommt, dass der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verfügung steht (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 VI R 47/08, BFH/NV 2010, 1094 m.w.N., vgl. auch Urteil des FG Münster vom 24. März 2011 8 K 3696/10 E, EFG 2011, 1712 mit zahlreichen Nachweisen).
Darüber hinaus hat die Rechtsprechung Besonderheiten hinsichtlich des Zuflusses von Einnahmen für den Alleingesellschafter oder den beherrschenden Gesellschafter einer GmbH angenommen. Da es ein beherrschender Gesellschafter kraft seiner Stellung in der GmbH in der Hand habe, sich fällige Beträge auszahlen zu lassen, flössen ihm die Beträge, die ihm die (liquide) GmbH schulde, bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit zu (BFH-Urteile vom 11. Februar 1965 IV 213/64 U, BStBl III 1965, 407 und vom 21. Oktober 1981 I R 230/78, BStBl II 1982, 139), ohne dass es hierbei einer Gutschrift auf einem Verrechnungskonto bedürfe (BFH-Urteile vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BStBl II 1984, 480 und vom 14. Juni 1985 VI R 127/81, BStBl II 1986, 62).
Ein Zufluss im Sinne des § 11 Abs.1 Satz 1 EStG kann schließlich durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll. In der Schuldumschaffung (Novation) liegt eine Verf ügung des Gläubigers über seine bisherige Forderung, die einkommensteuerrechtlich so anzusehen ist, als ob der Schuldner die Altschuld begleicht und zugleich eine Neuverpflichtung für die Rückzahlung desselben Betrags eingeht. Ist beispielsweise der Arbeitnehmer bereit, dem Arbeitgeber den geschuldeten Arbeitslohn als verzinsliches Darlehen zur Verfügung zu stellen, wird der Umweg vermieden, dass sich der Arbeitnehmer zunächst den Forderungsbetrag auszahlen lässt und ihn anschließend als Darlehen wieder dem Arbeitgeber aushändigt. Der Vorgang wird durch die Auswechslung des Rechtsgrundes abgekürzt, ohne dass es zu einer Geldbewegung kommt (BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BStBl II 1984, 480). Die Gutschriften zugunsten des Arbeitnehmers aufgrund einer Novation sind jedoch nur dann zugeflossen, wenn der Arbeitnehmer über die gutgeschriebenen Beträge wirtschaftlich tatsächlich verfügen kann (BFH-Urteil vom 14. Mai 1982 VI R 124/77, BStBl II 1982, 469).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die Wertgutschriften auf dem Zeitwertkonto der Klägerin keinen Zufluss von Arbeitslohn darstellen.
So wurden der Klägerin die streitgegenständlichen Beträge weder bar ausgezahlt noch einem ihren Konten bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben. Auch aus der Bilanzierung der Verbindlichkeiten durch die Arbeitgeberin ergibt sich im Streitfall kein Zufluss, da die Klägerin als Arbeitnehmerin nicht - wie beispielsweise bei einer Scheckhingabe - in der Lage war, den Leistungserfolg ohne weiteres Zutun ihrer Arbeitgeberin herbeizuführen. Dies wäre lediglich dann der Fall, wenn der für die Zahlung vorgesehene Betrag von dem Vermögen der Arbeitgeberin so separiert worden wäre, dass die Klägerin als Gläubigerin den Betrag ohne weiteres hätte abholen, abrufen oder verrechnen können. Eine solche Separation wird regelmäßig dadurch vollzogen, dass der Schuldner den Betrag auf einem für den Gläubiger gesondert geführten Konto (z.B. Geschäftsfreundekonto, Verrechnungskonto, Kontokorrentkonto usw.) gutschreibt (vgl. BFH-Urteil vom 14. Februar 1984 VIII R 221/80, BStBl II 1984, 480).
Die Einzahlungen auf das Zeitwertkonto der Klägerin stellen jedoch keine derartige Separation dar, da die Klägerin auf dieses Konto nicht frei zugreifen kann, sondern das Guthaben auf den Konto vertraglich dazu bestimmt ist, der Klägerin in Zeiten der Arbeitsfreistellung den ausfallenden Arbeitslohn zu ersetzen (sogenanntes Zeitwertkontenmodell; zur „arbeitnehmerfinanzierten betriebliche Altersversorgung" durch aufgeschobene Vergütung vgl. auch BFH-Urteil vom 29. Juli 2010 VI R 39/09, BFH/NV 2010, 2296, siehe auch § 7b Sozialgesetzbuch IV „Wertguthabenvereinbarung“). Dies gilt auch, wenn das Zeitwertkonto - wie im Streitfall - in Geld geführt wird (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 15. April 2008 10 K 3840/04 AO, EFG 2008, 1290) und unabhängig von der Wahl eines bestimmten Insolvenzsicherungsmodells (Urteil des FG Münster vom 24. März 2011 8 K 3696/10 E, EFG 2011, 1712 mit Verweis auf BMF-Schreiben vom 17. Juni 2009 und Skorczyk/Klups/Jacobsen, Betriebsberater - BB - Special 4, Heft 15, 2007, 2).
c) Entgegen der Auffassung der Verwaltung folgt aus der Stellung der Klägerin als beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführerin der Arbeitgeberin nichts anderes. Denn unabhängig von der arbeits- oder sozialrechtlichen Einordnung erzielt die Klägerin - so zwischen den Beteiligten unstreitig - als beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführerin der Arbeitgeberin Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Sinne des § 19 EStG, deren Zufluss sich nach § 11 EStG richtet (vgl. § 1 Lohnsteuerdurchführungsverordnung - LStDV -; BFH-Urteil vom 23. April 2009 VI R 81/06, BFH/NV 2009, 1311). So ist im Anstellungsvertrag ausdrücklich geregelt, dass die Klägerin ein festes Grundgehalt bekommt, dreißig Tage Urlaub sowie Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall beanspruchen kann. Die Zahlung einer gewinnabhängigen Tantieme sowie die fehlenden Regelungen über Arbeitszeit und - ort, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen könnten, sind dagegen bei Angestellten ab einer bestimmten Position nicht ungewöhnlich und fallen daher nicht ins Gewicht (so auch Urteil des FG Hamburg vom 10. November 2006 1 K 15/06, EFG 2007, 766).
Das grundsätzliche Verbot der Überstundenvergütungen für Gesellschafter-Geschäftsführer, das darauf beruht, dass eine Geschäftsführerin - die sich in anderer Form als ein „normaler“ Arbeitnehmer mit der Gesellschaft identifiziert - keine festen Arbeitszeiten hat und sich Überstunden sowie Sonn- und Feiertagsarbeit nicht gesondert vergüten lässt (BFH-Urteil vom 27. März 2001 I R 40/00, BStBl II 2001, 655 m.w.N. ), steht dem nicht entgegen, wenn - wie im Streitfall - auf dem Zeitwertkonto kein Arbeitszeitguthaben, sondern Arbeitsentgelt angesammelt wird (vgl. Ziegenhagen/Schmidt, Der Betrieb - DB - 2006, 181).
Darüber hinaus führt die Stellung der Klägerin als beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführerin der Arbeitgeberin nicht zur Zuflussfiktion von Arbeitslohn im Zeitpunkt der Fälligkeit, da durch die vorab geschlossene und - da die Klägerin als Geschäftsführerin von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit war - zivilrechtlich wirksame Vereinbarung über die Ansammlung von Wertguthaben auf einem Zeitwertkonto, die zur Einzahlung bestimmten Beträge nicht als Arbeitslohn zur Auszahlung fällig geworden sind.
d) Der Senat konnte auch nicht feststellen, dass es sich im Streitfall um eine Novation handelt. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin auf ihren Anspruch auf Arbeitslohn endgültig verzichtet hätte, um ein „anderes” Recht - im Streitfall auf Rückzahlung eines Darlehensbetrages - zu erwerben. Dazu müsste das Depot, über das das Zeitwertguthaben abgesichert wird, der Klägerin zuzurechnen sein (vgl. hierzu Urteil des FG Münster vom 24. März 2011 8 K 3696/10 E, EFG 2011, 1712).
Im Streitfall ist der Senat jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass das Recht der Klägerin, über die Anlageform des Zeitwertkontos zu entscheiden und am Gewinn des Depots zu partizipieren, ohne einen eventuellen Verlust tragen zu müssen, nicht ausreicht, um ihr die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Konto und damit auch über ihren Arbeitslohn zuzurechnen. So kann die Klägerin nach der vertraglichen Vereinbarung eine Auszahlung des Guthabens nur bei Eintreten des Verwendungszweckes (Verkürzung der Lebensarbeitszeit, Inanspruchnahme eines Sabatticals, Umwandlung in eine betriebliche Altervorsorge) oder einer existenzbedrohenden Notlage verlangen. Der Auffassung, diese Gestaltung - die im Übrigen den Vorgaben des BMF-Schreibens vom 17. Juni 2009 (BStBl I 2009, 1286) entspricht - führe dazu, dass der Arbeitnehmer quasi jederzeit und mit einer fast beliebigen Begründung das Guthaben abrufen könne, da der Arbeitgeber keinerlei Eigeninteresse habe, die Auszahlung an den Arbeitnehmer zu verweigern (vgl. Urteil des FG Münster vom 24. März 2011 8 K 3696/10 E, EFG 2011, 1712), vermag der Senat nicht zu folgen. Selbst wenn die Arbeitgeberin von der Klägerin beherrscht wird, handelt es sich doch um klare vertragliche Vereinbarungen zwischen der Klägerin als Arbeitnehmerin einerseits und der GmbH als Arbeitgeberin andererseits, die weder als Rechtsmissbrauch im Sinne der §§ 138, 242 BGB noch als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nach § 42 der Abgabenordnung (AO) einzustufen sind.
Nachdem die Klägerin und ihre Arbeitgeberin im Dezember 2009 eine Wertsicherungsklausel für alle Einzahlungen ab dem 1. Januar 2009 vereinbart haben, trägt die Klägerin auch nicht das wirtschaftliche Risiko eines Verlustes auf dem Zeitwertkonto. Nach der Auffassung des Senates ist diese Wertsicherungsklausel für das Streitjahr anzuerkennen. Soweit die Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) bei beherrschenden Gesellschaftern eine von vornherein klar und eindeutig getroffene Vereinbarung verlangt, kann dies auf die Streitfrage des Zuflusses bzw. Nichtzuflusses von Arbeitslohn und seiner Lohnversteuerung nicht ohne weiteres übertragen werden (Urteil des Thüringer FG vom 18. Februar 2009 III 1027/05, EFG 2010, 1785 m.w.N.). Insbesondere in Rahmen der Feststellung einer Novation hatte der Senat vielmehr die tatsächliche Handhabe des Depots zu berücksichtigen.
e) Unerheblich ist dagegen, ob der Arbeitgeberin der Klägerin eine in ihrem Sinne positive Anrufungsauskunft im Sinne des § 42e EStG erteilt worden ist. Das Gericht entscheidet allein den vorliegenden Sachverhalt und kann keine Aussagen zu anderen bereits erhaltenen Auskünften treffen. Eine Bindungswirkung der Verwaltung besteht jedenfalls nach § 42e EStG nur hinsichtlich der abzuführenden Lohnsteuer der Arbeitgeberin (ständige Rechtsprechung, zuletzt BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 VI R 64/09, BFH/NV 2011, 753 m.w.N.).
2. Darüber hinaus sind auch die Einzahlungen auf das Arbeitszeitkonto der Klägerin nicht - auch nicht teilweise - als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 bs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu berücksichtigen. Denn unabhängig von der Frage, ob die Zahlungen auf ein Zeitwertkonto gegebenenfalls teilweise eine verdecke Gewinnausschüttung darstellen und insoweit umzuqualifizieren wären (vgl. hierzu Ziegenhagen/Schmidt DB 2006, 181), was vom FA nicht vorgetragen wurde und wofür sich aus den vorliegenden Akten auch keine Anhaltspunkte ergeben, richtet sich auch insoweit der Zufluss nach § 11 Abs. 1 EStG (vgl. aber BMF-Schreiben vom 17. Juni 2009, BStBl I 2009, 1286, Punkt A. IV. 2. Buchst. b und c).
II. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten erfolgt gemäß § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10 und 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
IV. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsache und zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO zugelassen.