19.06.2012 · IWW-Abrufnummer 121842
Finanzgericht Münster: Urteil vom 27.04.2012 – 4 K 3589/09 E
Finanzgericht Münster
4 K 3589/09 E
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Fahrtenbuch auch dann ordnungsgemäß ist, wenn im laufenden Kalenderjahr mit seiner Führung begonnen wird.
Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger war im Streitjahr 2008 als kaufmännischer Angestellter bei der Firma C- Werke GmbH beschäftigt, die ihm ein Fahrzeug zur Verfügung stellte, das er auch für Privatfahrten nutzen durfte.
Der Kläger nutzte einen Audi A6 mit dem Kennzeichen XX-YY-1, für den er zunächst kein Fahrtenbuch führte. Ab dem 1.5.2008 führte er ein Fahrtenbuch. Die Eintragungen sind unstreitig formell ordnungsgemäß. Ab dem 31.10.2008 stellte die Arbeitgeberin dem Kläger ein anderes Fahrzeug, Mercedes Benz, Kennzeichen XX-YY-2 zur Verfügung, für das er ebenfalls ein Fahrtenbuch führte.
In ihrer Einkommensteuererklärung für 2008 gaben die Kläger den von der Arbeitgeberin bescheinigten Bruttoarbeitslohn in Höhe von xxx.xxx,- EUR als Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit an. In diesem Betrag ist der geldwerte Vorteil für die Privatnutzung der Kraftfahrzeuge enthalten, die für die Monate Januar bis April nach der sog. 1%-Methode und ab Mai nach der Fahrtenbuchmethode berechnet wurde. Nach der Arbeitgeberbescheinigung vom 30.4.2009 wurden folgende Beträge monatlich der Lohnsteuer unterworfen:
Januar bis April: 982,29 EUR
Mai bis Oktober: 457,31 EUR
November und Dezember: 600,00 EUR.
Mit Bescheid vom 18.5.2009 setzte der Beklagte die Einkommensteuer der Kläger für 2008 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf yy.yyy,- EUR fest. Dabei berücksichtigte er den Bruttoarbeitslohn in der erklärten Höhe.
Eine Lohnsteueraußenprüfung des Finanzamts I-Stadt bei der Arbeitgeberin des Klägers kam zu dem Ergebnis, dass die Versteuerung des Privatnutzungsanteils auch für die Monate Mai bis Oktober 2008 nach der 1%-Methode zu berechnen sei, da nach R 8.1 Abs. 9 der Lohnsteuerrichtlinien (LStR) das Verfahren bei demselben Kraftfahrzeug während des laufenden Kalenderjahres nicht gewechselt werden dürfe. Aufgrund der Prüfungsfeststellungen setzte der Beklagte die Steuer mit Bescheid vom 21.8.2009 auf yy.xxx,- EUR herauf. Dabei berücksichtigte er einen um 3.594,- EUR höheren Arbeitslohn als bisher.
Mit seinem hiergegen eingelegten Einspruch trug der Kläger vor, dass sich nach der Geburt seines dritten Kindes herausgestellt habe, dass das bisherige Dienstfahrzeug kaum noch privat nutzbar gewesen sei, weil eine Platzierung von drei Kindersitzen nicht möglich gewesen sei. Für Privatfahrten habe er fortan das Privatfahrzeug nutzen müssen und habe aus diesem Grund die Fahrtenbuchmethode ab dem 1.5.2008 gewählt. Die von der Lohnsteueraußenprüfung herangezogene Richtlinienregelung, diene dem Zweck, häufige unterjährige, prüfungserschwerende und missbrauchsbegründende Methodenwechsel zu verhindern. Eine Anwendung auf den einmaligen Methodenwechsel bei Veränderung der Lebensumstände sei dagegen familienfeindlich und bedeute eine Schlechterstellung einer jungen kinderreichen Familie. Der Kläger verwies auf das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz (Az. 5 K 2268/06), in dem die genannte Richtlinienbestimmung für nicht gesetzeskonform gehalten worden sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18.9.2009 wies der Beklagte den Einspruch gegenüber dem Kläger als unbegründet zurück. Grundsätzlich hätten mit dem Dienstwagen auch nach Geburt des dritten Kindes noch Privatfahrten durchgeführt werden können. Lediglich Fahrten mit allen drei Kindern gleichzeitig seien nicht möglich gewesen. Der Kläger hätte die Möglichkeit gehabt, bereits ab dem 1.1.2008 ein Fahrtenbuch zu führen und die Kosten zu ermitteln, zumal sei drittes Kind bereits am xx.11.2007 geboren worden sei.
Beide Kläger haben am 6.10.2009 Klage erhoben. Ergänzend zu ihren Ausführungen im Einspruchsverfahren tragen sie zur Begründung vor, dass sich aus dem Gesetz gerade kein Erfordernis ergebe, dass die gewählte Methode für ein ganzes Kalenderjahr angewendet werden müsse. Der Gesetzeswortlaut gehe in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit der Formulierung "... ist für jeden Kalendermonat mit 1% des Listenpreises ... anzusetzen ..." gerade von einer Monats- und nicht von einer Jahresbetrachtung aus. R 8.1 Abs. 9 LStR entspreche nicht der Gesetzeslage. Ein Methodenwechsel zum 1.1.2008 sei für den Kläger nicht möglich gewesen, da er erst im laufenden Jahr die eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs erkannt habe. Der Missbrauchsvermeidungsgedanke, der dem Erfordernis einer einheitlichen Methode für das gesamte Kalenderjahr zugrunde liege, greife im Streitfall nicht ein.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den geänderten Einkommensteuerbescheid vom 21.8.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.9.2009 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor, dass aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung nicht jeder Lebenssachverhalt steuerlich berücksichtigt werden könne.
In der Sache hat am 26.1.2012 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter stattgefunden. Auf das Sitzungsprotokoll wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 5.2.2012 tragen die Kläger vor, dass die im Erörterungstermin angesprochenen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10.4.2008 (VI R 38/06) und vom 26.11.2009 (VIII B 190/09) keine Aussagen dahingehend enthielten, dass ein unterjähriger Methodenwechsel unzulässig sei.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne m ündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, FGO).
Die Klage ist unzulässig, soweit sie die Klägerin betrifft. Im Übrigen ist sie zulässig, aber unbegründet.
Hinsichtlich der Klägerin (Ehefrau) fehlt es an der Durchführung eines außergerichtlichen Vorverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO). Am Einspruchsverfahren war nur der Kläger beteiligt, der ausschließlich im eigenen Namen gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch eingelegt hat.
Der geänderte Einkommensteuerbescheid vom 21.8.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.9.2009 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Beklagte hat den Arbeitslohn des Klägers hinsichtlich der privaten Nutzung des Fahrzeugs Audi A6 für die Monate Mai bis Oktober 2008 zutreffend nach der sog. 1%-Methode berechnet.
Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist die private Nutzung eines betrieblichen Kraftfahrzeugs zu privaten Fahrten für jeden Kalendermonat mit 1 Prozent des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattung einschließlich Umsatzsteuer anzusetzen. Abweichend hiervon kann der Wert mit dem auf die private Nutzung entfallenden Teil der gesamten Kraftfahrzeugaufwendungen angesetzt werden, wenn die durch das Kraftfahrzeug ins-gesamt entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten Fahrten und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen werden (§ 8 Abs. 2 Satz 4 EStG).
Der Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch muss nach ständiger Rechtsprechung des BFH zeitnah und in geschlossener Form geführt werden. Die zu erfassenden Fahrten einschließlich des an ihrem Ende erreichten Gesamtkilometerstandes müssen im Fahrtenbuch vollständig und in ihrem fortlaufenden Zusammenhang wiedergegeben werden (z.B. BFH-Urteile vom 16.11.2005 VI R 64/04, BStBl II 2006, 410 und vom 10.4.2008 VI R 38/06, BStBl II 2008, 768). Diese Voraussetzungen erfüllt das vom Kläger ab dem 1.5.2008 geführte Fahrtenbuch, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist.
Die Frage, für welchen Zeitraum ein Fahrtenbuch geführt werden muss, damit es als ordnungsgemäß angesehen werden kann, ist gesetzlich ebenfalls nicht geregelt. Nach Auffassung der Finanzverwaltung darf bei demselben Kfz das Verfahren während des Kalenderjahres nicht gewechselt werden (R 8.1 Abs. 9 Nr. 3 Satz 2 LStR 2012). Diese Verwaltungsvorschrift ist – wie die Kläger zutreffend ausführen – für das Gericht nicht bindend.
Soweit die Kommentarliteratur diese Frage aufgreift, wird entweder die Auffassung vertreten, nach der das Fahrtenbuch wenigstens über den gesamten Veranlagungszeitraum (Schober in Herrmann/Heuer/Raupach, § 6 EStG Rn. 1203p und Birk/Kister in Herrmann/Heuer/Raupach § 8 EStG Rn. 103) oder sogar für den gesamten Nutzungszeitraum des Kraftfahrzeugs geführt werden müsse, um die Pauschalregelung auszuschließen (so Krüger in Schmidt, EStG, 31. Auflage 2012, § 8 Rn. 47 und Blümich/Glenk, EStG, § 8 Rn. 120). Die Auffassung der Kläger, dass die Methode zur Ermittlung des Privatnutzungsanteils (unter gewissen Voraussetzungen) auch während des Kalenderjahres gewechselt werden dürfe, wird in der Literatur – soweit ersichtlich – nicht vertreten. Das von den Klägern angeführte Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 30.5.2008 (5 K 2268/06, EFG 2009, 457) enthält keine Aussage zu der hier streitigen Frage.
Das Finanzgericht Köln hat im Urteil vom 27.4.2006 (10 K 4600/04, EFG 2006, 1664) eine Überprüfung eines Fahrtenbuchs bezogen auf das Kalenderjahr oder bis zu einem Fahrzeugwechsel vorgenommen. Mit der auf einzelne Monate abstellenden Pauschalregelung wolle das Gesetz nur erreichen, dass der geldwerte Vorteil jeden Monat und nicht nur einmal im Jahr versteuert wird und nicht zum Ausdruck bringen, dass jeden Monat von der 1%-Regelung zur Fahrtenbuchregelung und umgekehrt gewechselt werden könnte. Dies ergebe sich aus dem mit der Regelung verfolgten Vereinfachungs- und Typisierungsgedanken. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn ein Fahrtenbuch nur dann verworfen werden könnte, wenn für jeden Monat seine Nichtordnungsmäßigkeit festgestellt würde. Dies würde auch eine aufwendige Zuordnung der Kosten zu den einzelnen Monaten erfordern. Auf dieser Grundlage hat das Gericht Fahrtenbücher für einzelne Jahre, die nur eine geringe Anzahl von Mängeln aufwiesen, als ordnungsgemäß anerkannt, für andere Jahre, in denen mehrere Mängel vorlagen, dagegen nicht.
Der BFH hat diese Entscheidung mit Urteil vom 10.4.2008 (VI R 38/06, BStBl II 2008, 768) bestätigt, ohne auf die hier streitige Problematik näher einzugehen. Unter Zugrundelegung einer monatsweisen Betrachtung hätte er jedoch das Urteil aufheben müssen. Auch in seinem Beschluss vom 26.11.2009 (VIII B 190/09, BFH/NV 2010, 331) stellt der BFH auf eine jahresweise Betrachtung ab, indem er ausführt, dass Steuerpflichtige die Methode, nach der der Privatnutzungsanteil ermittelt wird, in jedem Jahr neu wählen können.
Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass ein Fahrtenbuch für einen Zeitraum von einem ganzen Kalenderjahr geführt werden muss, um als ordnungsmäßiges Fahrtenbuch anerkannt werden zu können. Neben den vom Finanzgericht Köln angeführten Praktikabilitätserwägungen, die für eine solche jahresbezogene Betrachtung sprechen, ist auch zu berücksichtigen, dass ein Fahrtenbuch für einen repräsentativen Zeitraum geführt werden muss (vgl. BFH-Beschluss vom 26.6.2007 VIII B 33/06, BFH/NV 2007, 2093). Wird ein Fahrtenbuch nur für einen Teil des Kalenderjahres geführt, besteht insoweit eine Manipulationsgefahr dahingehend, dass bestimmte Zeiträume mit höherem Privatnutzungsanteil – insbesondere Urlaubszeiten – nicht erfasst werden und somit ein verzerrtes Ergebnis entsteht. Ein gesamtes Kalenderjahr stellt vor diesem Hintergrund einen geeigneten Zeitraum dar und entspricht auch dem Veranlagungszeitraum.
Wegen der mit der 1%-Regelung verfolgten Pauschalierung und Vereinfachung sollen die persönlichen Lebensumstände des Steuerpflichtigen gerade nicht in jedem Einzelfall aufgeklärt werden müssen. Daher kann es im Streitfall nicht darauf ankommen, ob der Audi A6 für die Kläger im streitigen Zeitraum für Familienfahrten geeignet war oder nicht. Die Frage, für welchen Zeitraum ein Fahrtenbuch geführt werden muss, kann nur für alle Steuerpflichtigen einheitlich beantwortet werden. Aus Gründen der Praktikabilität muss dies unabhängig von einer im Einzelfall bestehenden Manipulationsabsicht gelten. Für Ausnahmeregelungen im Einzelfall bietet das Gesetz keine hinreichende Grundlage.
Dass das Gesetz in § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, auf den § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG verwies, den Begriff "Kalendermonat" verwendet, steht dieser Auffassung nicht entgegen. Die Formulierung bezieht sich lediglich auf die Höhe des Wertansatzes bei Anwendung der Pauschalregelung, nicht aber auf die Frage der Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuchs. Durch diese Regelung wird sichergestellt, dass die Wertermittlung nach der Anzahl der Monate der Fahrzeugnutzung und nicht - unabhängig von der Nutzungsdauer – in Höhe von 12% pro Kalenderjahr erfolgt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist wegen besonderer Bedeutung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 FGO).