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  • 08.01.2013 · IWW-Abrufnummer 130204

    Finanzgericht Sachsen: Urteil vom 23.03.2012 – 3 K 1388/10

    1. Die Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen hängt nicht davon ab, ob die handwerkliche Maßnahme der Erhaltung eines vorhandenen Gegenstands dient, oder einen neuen Gegenstand herstellt, indem sie etwas Neues schafft. Der Begriff der „Modernisierung” verlangt auch nicht, dass nach Abschluss einer Modernisierung eine fortschrittlichere handwerklichen Gestaltung als zuvor vorliegen müsste.
    2. Der nachträgliche Einbau eines Kachelofens sowie eines Edelstahlschornsteins in ein mit einer Gas-Zentralheizung ausgestattetes Einfamilienhaus stellt eine „Modernisierung” i. S. d. § 35a Abs. 3 EStG 2009 dar.


    Im Namen des Volkes
    URTEIL
    In dem Finanzrechtsstreit
    hat der 3. Senat durch Richter am Finanzgericht … gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1, § 6 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung als Einzelrichter … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 23. März 2012
    für Recht erkannt:
    I. Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 15. April 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 10. August 2010 werden insoweit abgeändert, als die tarifliche Einkommensteuer um 619 EUR vermindert wird.
    II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist in seinem Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vorher entsprechende Sicherheit leisten.
    III. Die Revision wird nicht zugelassen.
    Tatbestand
    Die Beteiligten streiten um die Frage, ob Aufwendungen für Handwerkerleistungen zum Einbau eines Kachelofens in ein Einfamilienhaus von der tariflichen Einkommensteuer abziehbar sind.
    Die Kläger sind Ehegatten, die im Streitjahr gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Sie bewohnten ein Einfamilienhaus, das mit einer Gas-Zentralheizung ausgerüstet war. Im Streitjahr 2009 ließen sie zusätzlich einen Kachelofen und einen Edelstahlschornstein in ihr Haus einbauen. Die hierfür von einem Schornsteinbauer und einem Kachelofenbauer gelegten Rechnungen vom 13. Oktober 2009 und vom 19. Oktober 2009 wiesen innerhalb des Gesamtbetrages jeweils isoliert Arbeitskosten von 2.697,73 EUR (vgl. Blatt 11 der Einkommensteuerakte) und 392,70 EUR (vgl. Blatt 12 der Einkommensteuerakte) einschließlich Umsatzsteuer aus. Die Kläger überwiesen den Handwerkern die berechneten Beträge (vgl. Blatt 9 – 11 der Einkommensteuerakte).
    Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 erklärten die Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und machten unter anderem den Abzug der in den genannten Rechnungen enthaltenen Arbeitskosten als Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen in Höhe von 619 EUR geltend (vgl. Blatt 20, 29 der Einkommensteuerakte).
    Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) setzte mit Bescheid vom 15. April 2010 die Einkommensteuer 2009 in Höhe von 19.146 EUR gegen die Kläger fest. Die begehrte Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen wurde nicht gewährt. Zur Erläuterung führte der Bescheid aus, dass Leistungen im Rahmen einer Neubaumaßnahme nicht berücksichtigt werden könnten (vgl. Blatt 4 der Einkommensteuerakte). Das hiergegen durchgeführte Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Durch Einspruchsentscheidung vom 10. August 2010 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen haben die Kläger Klage zum Sächsischen Finanzgericht erhoben.
    Nach Ansicht der Kläger war die Verweigerung des Abzugs der Handwerkerleistungen von der tariflichen Einkommensteuer rechtswidrig. Es sei nichts Neues geschaffen worden, nur die Heizung sei modernisiert worden. Dies sei als Erhaltungsaufwand zu bewerten. Die Finanzverwaltung lasse im Übrigen auch den Einbau einer Fußbodenheizung neben einer bereits vorhandenen Heizung zum Abzug zu (Verweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF – vom 15. Februar 2010, BStBl I 2010, 140 Anlage 1, Stichwort „Fußbodenheizung”). Nach der neueren Rechtsprechung des BFH komme es für die Abziehbarkeit von der tariflichen Einkommensteuer außerdem gar nicht mehr darauf an, dass nichts Neues geschaffen worden sei.
    Die Kläger beantragen,
    den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 15. April 2010 und die Einspruchsentscheidung vom 10. August 2010 insoweit abzuändern, als die tarifliche Einkommensteuer um 619 EUR vermindert wird.
    Das FA beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Seines Erachtens wäre die Abziehbarkeit nur gegeben gewesen, wenn der eingebaute Ofen und der Kamin einen alten Ofen mit Kamin ersetzt hätten. Der Einbau einer zusätzlichen Heizungsanlage führe indes zu einer für den begehrten Abzug schädlichen Nutz- und Wohnflächenerweiterung. Diese Substanzvermehrung stelle eine schädliche Neubaumaßnahme dar und schließe eine Anwendbarkeit des § 35a Abs. 3 EStG aus. In der mündlichen Verhandlung wies die Vertreterin des FA zusätzlich darauf hin, dass die Annahme einer Modernisierungsmaßnahme auch deshalb ausscheiden müsse, da die mit dem Kachelofen bezweckte Wärmegewinnung durch Verbrennung von Holz gegenüber der bisherigen Wärmeerzeugung nicht als fortschrittlich angesehen werden könne.
    Mit Beschluss vom 10. Februar 2012 hat der Senat dem Berichterstatter das Verfahren zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.
    Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die Niederschrift über die mündliche Verhandlung und die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Die Steuerakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
    Entscheidungsgründe
    Die zulässige Klage ist begründet. Die angefochtenen Verwaltungsakte sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Die beantragte Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen nach § 35a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) war den Klägern zu gewähren.
    1. § 35a Abs. 3 EStG erlaubt den Abzug von Aufwendungen von der tariflichen Einkommensteuer, die der Steuerpflichtige für die Inanspruchnahme von Handwerkerleistungen für Renovierungs-, Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen, mit Ausnahme der nach dem CO²-Gebäudesanierungsprogramm der KfW Förderbank geförderten Maßnahmen, getätigt hat. Abziehbar sind hiervon 20 Prozent, höchstens jedoch 1.200 EUR.
    Vorliegend ist alleine die Frage streitig, ob die Aufwendungen der Kläger für den Einbau eines Kachelofens und eines Edelstahlschornsteins eine Renovierungs-, Erhaltungs- oder Modernisierungsmaßnahme darstellen.
    Vor dem Hintergrund des durch den Gesetzgeber verfolgten Zwecks der Vorschrift des § 35a Abs. 3 EStG, zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung alle handwerklichen Tätigkeiten in einem vorhandenen Haushalt steuerlich zu fördern, kommt es nicht darauf an, ob die handwerkliche Maßnahme der Erhaltung eines vorhandenen Gegenstands dient, oder einen neuen Gegenstand herstellt, indem sie etwas Neues schafft (vgl. BFH, Urteil vom 13. Juli 2011 – VI R 61/10 –, BFH/NV 2012, 296 m.w.N. auf den Stand der Auseinandersetzung in der Literatur; vgl. auch den Gesetzesentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 24. Februar 2006, BT-Drs. 16/643 S. 6, 10). Die in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Intention des Gesetzgebers legt ein solches weites Verständnis der Abzugsberechtigung nahe.
    Auch der Wortlaut der Norm steht einer solchen, eher weiten Auslegung nicht entgegen. So können unter – nicht legal definierten – Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen auch solche Ergebnisse handwerklicher Tätigkeit gefasst werden, die etwas Neues, bisher noch nicht Dagewesenes darstellen. Die in der Praxis häufig auftretenden Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungskosten legen es zudem nahe, diese Dogmatik nicht ohne zwingenden Grund in die Auslegung des § 35a Abs. 3 EStG zu importieren (vgl. P. Fischer, in: jurisPR-SteuerR 9/2012 Anm. 3 unter C). Die praktische Anwendbarkeit der Regelung vermag mit der vorliegend, in Gefolge der zitierten Rechtsprechung des BFH, gewählten Auslegung erleichtert und die Streitanfälligkeit der Norm vermindert zu werden.
    Das Gericht sieht entgegen der Ansicht des Beklagten auch keine Notwendigkeit, den Begriff der Modernisierung so auszulegen, dass damit die Verfolgung einer fortschrittlicheren handwerklichen Gestaltung als zuvor gegeben zu verlangen wäre. Denn zum einen ist die Schaffung von etwas Neuem nach dem oben Gesagten gerade nicht für die Abzugsfähigkeit erforderlich. Zum anderen ist die Beantwortung der Frage, wann eine Gestaltung fortschrittlicher als eine andere ist, häufig dem – wechselhaften – Zeitgeist unterworfen und im Bereich ästhetischer Gestaltungen und der Kunst kaum zu leisten. Der Wortlaut der Regelung zwingt nicht zu einem solchen Erfordernis. Der Zweck der Norm und das Anliegen eine leichte, praxisgerechte Handhabbarkeit der Norm zu erreichen, sprechen dagegen.
    2. Der vorliegend eingebaute Kachelofen und das Kaminrohr sind Ergebnis handwerklicher Leistungen im Haus der Kläger, die die Wärmegewinnung dort modernisieren. 20 Prozent der im Streitjahr insoweit erbrachten Arbeitsleistungen ergeben unstreitig die mit der Klage begehrten 619 EUR. Der Beklagte hat deshalb einen weiteren Abzug von der tariflichen Einkommensteuer vorzunehmen und einen geänderten Bescheid zu erlassen (vgl. § 100 Abs. 2 FGO).
    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Sicherheitsleistung aus § 151 Abs. 3, Abs. 1 FGO, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

    VorschriftenEStG 2009 § 35a Abs. 3