03.06.2019 · IWW-Abrufnummer 209165
Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 08.06.2018 – 2 K 46/17
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES FINANZGERICHT
Urteil vom 08. Juni 2018
In dem Rechtsstreit
wegen Einkommensteuer 2014
hat der 2. Senat des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts am 8. Juni 2018
für Recht erkannt:Der Einkommensteuerbescheid der Beigeladenen für 2014 vom 14. Februar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2017 wird geändert und für das Kind A ein Kinderfreibetrag von 3.458 € (bisher 4.368 €) und ein Betreuungsfreibetrag von 1.320 € (bisher 2.640 €) berücksichtigt und Kindergeld von 1.748 € (bisher 2.208 €) zugerechnet. Des Weiteren ist für das Kind B ein Betreuungsfreibetrag von 1.540 € (bisher 2.640 €) anzusetzen.
Die Berechnung der ESt der Beigeladenen für 2014 wird dem Finanzamt übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und das Finanzamt je zur Hälfte.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist -soweit der Klage stattgegeben wurde- wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Übertragung seiner hälftigen Kinderfreibeträge und seiner hälftigen Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag) auf die Beigeladene.
Die Beigeladene wurde einzeln zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Sie erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Mit der ESt-Erklärung für 2014 gab sie drei steuerlich zu berücksichtigende Kinder an:
Name Geburtsdatum Anspruch auf Kindergeld Zeitraum Berufsausbildung
A XX.XX.XXXX 2.208,00 € 01.01.-31.07.2014
Bundesfreiwilligendienst
01.08.-31.12.2014
Ausbildung
B XX.XX.XXXX 2.208,00 € 01.01.-31.12.2014 Schule
C XX.XX.XXXX 1.104,00 €
Die Beigeladene beantragte für A und B den vollen Kinderfreibetrag und den vollen BEA-Freibetrag, weil der andere Elternteil, der Kläger, seiner Unterhaltsverpflichtung nicht zu mindestens 75 % nachkomme oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig sei. Sie legte für A eine Bescheinigung über die Teilnahme am Bundesfreiwilligendienst vom 1. August 2013 bis zum 31. Juli 2014 vor. Eine Vergütung wurde darin nicht angegeben. Außerdem legte sie den Ausbildungsvertrag ab 1. August 2014 mit einer Vergütung in Höhe von 685,00 € brutto monatlich vor.
Mit Bescheid vom 24. Juli 2015 berücksichtigte das Finanzamt die Freibeträge für A und B wie folgt:
Name Kinderfreibetrag BEA-Freibetrag Summe zugerechnetes Kindergeld
A 2.184,00 € 1.320,00 € 3.504,00 € 1.104,00 €
B 2.184,00 € 1.320,00 € 3.504,00 € 1.104,00 €
C 2.184,00 € 2.640,00 € 4.824,00 € 1.104,00 €
Eine Übertragung der Kinderfreibeträge wurde nicht vorgenommen. Gegen diesen Bescheid legte die Beigeladene Einspruch ein und beantragte die Übertragung der hälftigen Kinderfreibeträge für A und B auf sie. Sie sei im Wesentlichen der Unterhaltspflicht alleine nachgekommen. Die Kinder würden bei ihr leben und nahezu den gesamten Barunterhalt von ihr erhalten. Der Kläger habe für A keine Leistungen erbracht und für B ab März 2014 monatlich 130,00 € gezahlt. Er sei mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig. Auf das Schreiben des Klägers vom 3. September 2015 an die Beigeladene wird Bezug genommen. Danach zahlte er für B den hälftigen Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 34,37 € monatlich, für Januar und Februar 2014 je 368,37 € und ab März monatlich 130,00 €. Für A hat er vom 1. Januar bis 31. Juli 2014 monatlich 50,00 € überwiesen. Nach Angabe der Beigeladenen gebe es keine Unterlagen wie gerichtliche Entscheidungen oder Vergleiche, aus denen sich die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers herleiten ließen. Die Höhe des „Taschengelds“ für den Bundesfreiwilligendienst von A wurde nicht nachgewiesen.
Das Finanzamt hat den Kläger zum Verfahren gemäß § 360 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) hinzugezogen. Der Kläger widersprach der Übertragung der Kinderfreibeträge für A und B. Da er den Barunterhalt für C allein trage, wäre dieses bei der Berechnung des Barunterhalts für A und B zu berücksichtigen.
Laut Datenabgleich des Finanzamts beträgt das Gehalt von A für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 2014 insgesamt brutto 1.925,00 € (keine Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung) und für die Zeit vom 1. August bis 31. Dezember 2014 insgesamt brutto 3.710,42 € (Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung insgesamt 748,58 €).
Mit Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2017 wurde dem Einspruch der Beigeladenen stattgegeben und die ESt 2014 entsprechend herabgesetzt. Nach § 32 Abs. 6 Satz 5 Einkommensteuergesetz (EStG) könne auf Antrag eines Elternteils der Kinderfreibetrag des anderen Elternteils auf ihn übertragen werden, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind im Wesentlichen nachkomme (zu mindestens 75 %) oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig sei. Maßgebend sei nicht der (abstrakte) Unterhaltsbedarf des Kindes, sondern die konkrete Höhe der Unterhaltsverpflichtung der Eltern, die sich in erster Linie aus gerichtlichen Entscheidungen, Verpflichtungserklärungen, Vergleichen oder anderweitig aus Verträgen ergebe. Da keine Unterhaltsvereinbarungen für das Streitjahr bestehen würden bzw. nicht vorgelegt worden seien, würden die Zahlen der Düsseldorfer Tabelle vom 1. Januar 2013 zu Grunde gelegt (R.32.13 der EStR). Dafür, dass der Hinzugezogene mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig gewesen sei, würden sich nach Aktenlage keine Anhaltspunkte ergeben. Für C berechne er selbst den Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle nach der 5. Stufe.
Ausgehend von einem Nettoeinkommen des Klägers unter 1.500,00 € (entsprechend dem Schreiben vom 4. März 2014) sei damit für Kinder zwischen 12 und 17 Kindesunterhalt in Höhe von 426,00 € und ab 18 Jahren von 488,00 € zu zahlen. Das jeweilige Kindergeld sei anzurechnen. Ebenso sei die Ausbildungsvergütung eines Kindes, vermindert um einen ausbildungsbedingten Mehrbedarf von 90,00 €, bei jedem Elternteil zur Hälfte auf den Unterhalt anzurechnen. Da nicht nachgewiesen worden sei, in welcher Höhe A ein Taschengeld für den Bundesfreiwilligendienst erhalten habe, werde der Höchstbetrag, der gezahlt werden dürfe, von 372,00 € zu Grunde gelegt. Angerechnet würden daher für A:
1-7/2014 8-12/2014
Taschengeld 372,00 € Ausbildungsvergütung 685,00 €
Mehrbedarf -90,00 € Mehrbedarf -90,00 €
282,00 € 595,00 €
je Elternteil 141,00 € je Elternteil 297,50 €
Es würden sich folgende Unterhaltsansprüche der Kinder bzw. Zahlungen des Klägers ergeben:
A 1-7/2014 8-12/2014
Unterhalt 488,00 € 488,00 €
Anrechnung -141,00 € -297,50 €
zu zahlen 347,00 € 190,50 €
Überweisung 50,00 €
1/2 Kindergeld 92,00 €
gezahlt 142,00 € 142,00 € 142,00 €
in % 40,9 % 74,5 %
Damit sei der Kläger seiner Unterhaltsverpflichtung nicht im Wesentlichen nachgekommen. Die Beigeladene erhalte für 2014 für A für zwölf Monate den vollen Kinderfreibetrag.
Für B sei aufgrund der widersprüchlichen Angaben von Überweisungen für Januar und Februar von 368,37 € und ab März in Höhe von 130,00 € ausgegangen worden:
B 1+2/2014 ab 3/2014
zu zahlen 426,00 € 488,00 €
Überweisung 368,37 € 130,00 €
1/2 Kindergeld 92,00 € 92,00 €
gezahlt 460,37 € 222,00 €
in % 108,1 % 45,49 %
Damit sei der Kläger seiner Unterhaltsverpflichtung nur für Januar und Februar im Wesentlichen nachgekommen. Die Beigeladene erhalte antragsgemäß für 2014 für B für zehn Monate den vollen und für zwei Monate den halben Kinderfreibetrag. Ab Volljährigkeit sei der Betreuungsfreibetrag an die Gewährung des Kinderfreibetrages gekoppelt.
Es wurden folgende Freibeträge für die Beigeladene angesetzt:
Name Kinderfreibetrag BEA-Freibetrag Summe zugerechnetes Kindergeld
A 4.368,00 € 2.640,00 € 7.008,00 € 2.208,00 €
B 2.184,00 € (12/12) 2.640,00 € 6.644,00 € 2.024,00 €
1.820,00 € (10/12)
Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Klage ein, beantragte die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2017, und trägt vor, dass er als Hinzugezogener Klagebefugnis habe (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 29. April 2009, X R 16/06). Er habe mehr als den auf ihn entfallenden Unterhaltsanteil geleistet. Die Beklagte verkenne, dass für volljährige Kinder grundsätzlich anteiliger Barunterhalt von beiden Eltern nach der folgenden Berechnungsformel zu leisten sei: bereinigtes Nettoeinkommen abzüglich Selbstbehalt: beide bereinigte Nettoeinkommen - beide Selbstbehalte x Bedarf Kind = Haftungsanteil. Die diesbezüglichen Berechnungen vom 4. März 2014 habe er der Beklagten mitgeteilt.
Stattdessen habe die Beklagte die Berechnungen nach dem Muster für minderjährige Kinder vorgenommen. § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG räume dem einen Elternteil das Recht auf Übertragung des Kinderfreibetrages ein, wenn der andere „seiner Unterhaltspflicht“ nicht nachkomme. Abgestellt werde somit auf die konkrete Unterhaltspflicht, wie sie sich nach der für die Fallgruppe üblichen Berechnung ergebe.
Zudem habe die Beklagte in ihren Berechnungen nicht berücksichtigt, dass für das dritte Kind C, der Barunterhalt in 2014 alleine durch ihn erbracht worden sei und dieser Unterhalt eines minderjährigen Kindes für die Berechnung des anteiligen Barunterhalts für volljährige Kinder zuvor in Abzug zu bringen sei (Urteil des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 21. Januar 2009, XII ZR 54/06).
Für das Kind A sei mit Beginn ihrer betrieblichen Ausbildung kein Barunterhalt mehr zu zahlen gewesen, da sie unter Berücksichtigung des Kindergeldes und der Ausbildungsvergütung keinen weiteren regelmäßigen Barunterhaltsbedarf gehabt habe. Sachleistungen (gelegentliches Ausleihen des Autos etc.) seien von ihm bei Bedarf weiter erbracht worden. Der hälftige private Krankenkassenbeitrag sei durch die mit Ausbildungsbeginn bestehende gesetzliche Krankenversicherung entfallen.
Für das Kind B habe er den auf ihn entfallenden Barunterhaltsanteil sogar aufgerundet. Auch hier seien daneben regelmäßig auch Sachleistungen bei Bedarf und andere Betreuungsleistungen erbracht worden. Auch sei weiter der hälftige private Krankenkassenbeitrag durch ihn geleistet worden.
Mit Schreiben vom 16. Februar 2018 trägt der Kläger ergänzend zu den Kinderfreibeträgen vor, dass mit Ausnahme der Lehrzeit von A alle drei Kinder im Jahr 2014 unterhaltsbedürftig und beide Eltern unterhaltspflichtig gewesen seien. Der Kläger habe den Barunterhalt während der Minderjährigkeit der Kinder allein und seit ihrer Volljährigkeit anteilig geleistet. Die Unterhaltsleistungen des Klägers seien dabei immer mindestens in der auf ihn entfallenden Höhe erfolgt.
Zu den Betreuungsfreibeträgen trägt er vor, dass die Söhne B und C auch während sie noch minderjährig gewesen seien, nicht überwiegend, aber zu einem erheblichen Anteil von ihm mitbetreut worden seien. Beispielsweise sei bereits in den Jahren vor 2014 die Beigeladene keinen Einladungen zu Elternabenden an den Schulen gefolgt. Solche Termine seien nur durch den Kläger wahrgenommen worden. Auch Taschengeldzahlungen, Zahlungen von Zeugnisgeld, Fahrübungen für den Führerschein, das begleitete Fahren mit 17 seien Betreuungshandlungen, die zwar nicht alle allein durch den Kläger, aber teilweise allein oder zumindest wesentlich durch den Kläger erfolgt seien.
Bei rechtlichen Schwierigkeiten sei es ohnehin ausnahmslos der Kläger, an den sich die Kinder gewandt hätten. Einer Übertragung des Betreuungsfreibetrages auf die Beigeladene werde deshalb widersprochen, § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG.
den Einkommensteuerbescheid für 2014 der Beigeladenen vom 14. Februar 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2017 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch Beschluss vom 18. April 2017 wurde D zum Verfahren notwendig beigeladen (§ 60 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung -FGO-). Sie trägt vor, dass der Bestimmung des § 32 EStG nicht zu entnehmen sei, dass die Berücksichtigung von Freibeträgen voraussetze, dass das Kind „unterhaltsbedürftig“ sei. Also könne eine ggfs. mangelnde Unterhaltsbedürftigkeit auch kein Kriterium bei der Übertragung des hälftigen Freibetrages sein. Volljährige Kinder würden auch für die Weitergewährung von Kindergeld ausschließlich nach Maßgabe des Ausbildungsstatus berücksichtigt, die insoweit erhaltene Ausbildungsvergütung sei für den Kindergeldanspruch unschädlich. A habe sich seit dem 1. August 2014 im ersten Lehrjahr befunden, damit sei grundsätzlich der Kindergeldanspruch gegeben. Anspruchsberechtigte seien nach dem Gesetz die Eltern, die durch das Kindergeld (den Kinderfreibetrag) dabei unterstützt werden sollen, den Lebensunterhalt ihrer Kinder sicherzustellen. Im Rahmen der ESt-Erklärung der Eltern würden das Kindergeld und der Kinderfreibetrag derart gegenüber gestellt, dass für die steuerpflichtigen Eltern das finanziell günstigere Modell berücksichtigt werde. Da für sie aufgrund ihres Einkommens der Freibetrag günstiger gewesen sei, sei dieser zum Zuge gekommen. Wie das Kindergeld, diene der Freibetrag als Ausgleichs- oder Entschädigungsleistung des Staates für die Versteuerung des Einkommens des Steuerpflichtigen und damit des Existenzminimums der Kinder. Sowohl der Kinderfreibetrag als auch das Kindergeld seien als Steuerungsmaßnahme der Familienförderung anzusehen. Da A während der Ausbildung noch bei ihr zu Hause gelebt habe, habe sie A entsprechend Unterhalt geleistet. Dabei sei nur ein kleiner Teil der entstandenen Ausgaben (Wohnung, Kleidung, Ernährung) durch den Freibetrag abgedeckt gewesen, denn die Kosten für ein volljähriges Kind und dessen Bedarf würden um ein Vielfaches den Freibetrag (das Kindergeld) übersteigen. Dies um so mehr, als sie A ihr Auto während der gesamten Lehrzeit zur Verfügung gestellt habe. A habe nicht auf öffentliche Verkehrsmittel ausweichen können, da sie mit diesem nur unter unverhältnismäßigen Zeitaufwand ihre Ausbildungsstätte (ca. 20 km vom Wohnort entfernt) hätte erreichen können. Es sei nicht sachgerecht, dem Vater eines volljährigen Kindes, das in der Ausbildung sei, den hälftigen Freibetrag zu belassen. Wenn ein Elternteil nicht leiste, so dürfe er doch auf Kosten seiner Kinder sich keinen Vorteil verschaffen, nur weil das Kind eine Ausbildungsvergütung erhalte.
Die Beigeladene trägt mit Schriftsatz vom 19. März 2018 zu der Übertragung von Betreuungsfreibeträgen ergänzend Folgendes vor: Während die Kinderfreibeträge das Existenzminimum abdecken, seien die Bedarfsbeträge für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung im Grunde steuerliche Pauschalen, die tatsächlich angefallene Aufwendungen abgelten sollten und ihrem Zweck nach einen bewussten Verzicht auf Einzelnachweise beinhalten würden. Die von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung, dass „ab Volljährigkeit der Betreuungsfreibetrag an die Gewährung des Kinderfreibetrages gekoppelt ist“, sei etwas irreführend, da die „Kopplung“ auch schon vor Volljährigkeit bestehe, Freibeträge und Bedarfsbeträge würden grundsätzlich zusammengehören. Der aus Existenzminimum und Zusatzbeträgen zusammengesetzte Kinderfreibetrag entspreche den Beträgen, die als zivilrechtlicher Kindesunterhalt anerkannt seien (Kanzler, FR 2001, 921, 936 f.). Wenn also das rechtliche Existenzminimum zu gering bemessen wäre, würde der zusätzlich für alle Kinder gewährte Gesamtbetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung eine ausreichende Entlastung bewirken (Kanzler, FR 2001, 921, 931). Mit der Berücksichtigung des Erziehungs- und Ausbildungsbedarfs werde im Übrigen ja auch der einheitliche (Sozialhilfe- und Unterhaltsrecht würden altersspezifische und gebietsweise Staffelungen vorsehen) Kinderfreibetrag gerechtfertigt (Bundesverfassungsgericht -BVerfG- vom 29. Mai 1990, 1 BvL 20/84 u.a., BStBl II 1990, 653 und vom 14. Juni 1994, 1 BvR 1022/88, BStBl II 1994, 909 mit Anmerkung Kanzler, FR 1994, 609).
Während den minderjährigen Kindern nur Betreuung und Erziehung zugewandt würde, würden an deren Stelle ein gesteigertes sächliches Existenzminimum und der höhere Ausbildungsbedarf volljähriger Kinder treten. Die Gesetzesbegründung: „Der Einbeziehung auch des Ausbildungsbedarfs liegt die Überlegung zu Grunde, dass die einzelnen Bedarfe im Laufe des Berücksichtigungszeitraums eines Kindes (bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres) jeweils unterschiedlichen Raum einnehmen. So überwiegt am Anfang typischerweise der Betreuungsbedarf, der mit zunehmendem Alter immer mehr durch den Erziehungsbedarf und später durch den Ausbildungsbedarf verdrängt wird.“ (BT-Drucksache 14/6160, 11). Wenn diese, aus Gründen der Praktikabilität zulässige Typisierung, die der Rechtsprechung des BVerfG auch bisher schon als Argument gegen die Forderung nach einer altersgerechten Abstufung der Kinderfreibeträge diene, so gehe zwingend bei Übertragung des Freibetrages der Betreuungsfreibetrag mit. Von dem Grundsatz, dass Kinderfreibeträge und Betreuungsbeträge zusammen gehörten, mache das Gesetz in § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG eine Ausnahme für die minderjährigen Kinder, wenn die Eltern getrennt leben und das Kind nur bei einem Elternteil gemeldet sei (meldebedingte Übertragung). Diese Regelung untermauere die Argumentation, dass die Bedarfsbeträge für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung steuerliche Pauschalen darstellen würden, die tatsächlich angefallene Aufwendungen abgelten sollten. Das Kind erzeuge ja diese Aufwendungen dort, wo es wohne. Diese Vermutung könne der andere Elternteil dann durch konkrete Nachweise widerlegen, § 32 Abs. 6 Satz 9 EStG, indem er z.B. die Kinderbetreuungskosten trage. Die meldebedingte Übertragung hänge nicht davon ab, dass der andere Elternteil seine Unterhaltspflicht verletze oder der Übertragung zugestimmt habe.
§ 32 Abs. 6 Satz 8 EStG sei nichts anderes als ein gesonderter Übertragungstatbestand, den man dann benötige, wenn beide Eltern leistungsfähig seien, d.h. im Regelfall also der Vater Unterhalt für das minderjährige Kind zahle (halber Kinderfreibetrag bei ihm), aber das Kind nicht bei ihm wohne (halber Kinderfreibetrag bei der Mutter und ganzer Betreuungsfreibetrag). Dieser gesonderte Übertragungstatbestand, der schlicht ohne weitere Anforderungen an den melderechtlichen Status anknüpfe, gelte nicht für die Volljährigen, aber den Umkehrschluss, eine Übertragung der Betreuungsfreibeträge sei bei Volljährigkeit gesetzlich nicht vorgesehen, könne man daraus nicht ableiten. Vielmehr gelte für die Volljährigen bei Übertragung der Freibeträge -auch des Betreuungsfreibetrages- § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG: Der grundsätzlich dem anderen zustehende Freibetrag werde übertragen, wenn dieser Elternteil nicht leistungsfähig sei. Auch für die Minderjährigen bräuchte man bei Leistungsunfähigkeit des einen Elternteils (z.B. Vater könne keinen Unterhalt zahlen) im Übrigen den meldebedingten Übertragungstatbestand des § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG nicht.
Nur ergänzend werde darauf hingewiesen, dass mit der Einführung des BEA-Freibetrages der vormalige Ausbildungsfreibetrag für nicht auswärtig untergebrachte Volljährige (ca. 1.227,00 €) ersatzlos gestrichen und der Ausbildungsfreibetrag für auswärts untergebrachte Volljährige von ca. 2.147,00 € auf 924,00 € gesenkt worden sei.
Da die Leistungsunfähigkeit des Klägers im Veranlagungszeitraum 2014 unstrittig sei, habe das Finanzamt den Übertragungstatbestand des § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG zu Gunsten der Beigeladenen in Bezug auf den Betreuungs- und Ausbildungsbedarf korrekt angewandt und für A und B jeweils 2.640,00 € berücksichtigt.
Zur Übertragung bei fehlender Unterhaltsbedürftigkeit trägt die Beigeladene weiter vor, dass aufgrund des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 die Prüfung der Einkünfte und Bezüge der Kinder bei der ersten Berufsausbildung/eines Erststudium ab 1. Januar 2012 entfallen sei. Aus der Gesetzesbegründung sei erkennbar, dass ab 2012 Kinder so viel Einkommen haben könnten, dass sie wirtschaftlich auf eigenen Beinen stünden, ohne dass der Kindergeldanspruch gefährdet werde. Die Einkommensgrenze von 8.004,00 € im Kalenderjahr sei abgeschafft. Stattdessen werde ein volljähriges Kind grundsätzlich bis zum Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums kindergeldrechtlich berücksichtigt. Der derzeitige Familienleistungsausgleich sehe, in Verrechnung mit dem Kindergeld, einen Kinderfreibetrag und einen BEA-Freibetrag vor und berücksichtige die Kinder generell, ohne dass es auf das Einkommen der Kinder ankomme. Wenn nun für die Übertragung von Freibeträgen „Unterhaltsbedürftigkeit“ vorausgesetzt werde, komme dieses einem Wiedereinführen der Einkommensrelevanz des Kindes gleich. Volljährige Kinder, die eine Ausbildung absolvieren, würden schlechter gestellt, wenn sie nur einen leistungsfähigen Elternteil hätten, da der andere hälftige Freibetrag, der dem leistungsunfähigen Elternteil verbleibe, dem System „verloren“ gehe. Das könne doch nicht sein. Der Gesetzgeber hätte solche einen Ausschlusstatbestand explizit geschaffen, so wie er auch die Übertragung von Freibeträgen für Zeiträume ausgeschlossen habe, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt würden. Umkehrschluss: Da für Volljährige kein Ausschlusstatbestand für die Übertragung geschaffen sei, sei diese Übertragung der Freibeträge auf den leistungsfähigen Elternteil auch vorzunehmen (§ 32 Abs. 6 Satz 6 EStG). Entsprechend sei auch der Anspruch auf Kindergeld zuzurechnen.
Volljährige Kinder in der Ausbildung hätten weit mehr Bedarf, als mit der Ausbildungsvergütung abgedeckt werden könnte, auch wenn das selbstredend bei heutigen Mieten, Lebenshaltungskosten und der für A zu schaffenden Mobilität ohne weiteres auf der Hand liege. Die Schwierigkeiten, die sich ohne Zweifel in der Anwendung des § 32 EStG zeigen, würden damit zusammenhängen, dass die vorliegende Fallkonstellation nicht der „statistischen Normfamilie“ aus der Gesetzesbegründung entspreche. Im Ergebnis aber solle § 32 EStG der Familienförderung dienen und das setze eine konsequente und durchgängige Anwendung des Übertragungstatbestands bei Leistungsunfähigkeit eines Elternteils voraus.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
I. Die Klage ist zulässig.
Der Kläger war im Einspruchsverfahren hinzugezogen worden, daher war er klagebefugt und die Beigeladene notwendig beizuladen (BFH-Beschluss vom 11. Mai 2005 VI R 38/02, BStBl II 2005, 776).
II. Die Klage ist teilweise begründet.
Der Kläger, der durch den zugunsten der Beigeladenen geänderten ESt-Bescheid für 2014 vom 14. Februar 2017 und die Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2017 als Drittbetroffener unmittelbar selbst belastet ist, kann insoweit die Änderung des vorgenannten ESt-Bescheides der Beigeladenen beanspruchen, als zu deren Gunsten für A der hälftige Kinderfreibetrag von 910,00 € für August bis Dezember 2014 und der hälftige BEA-Freibetrag von 1.320,00 € sowie für B der hälftige BEA-Freibetrag von 1.100,00 € berücksichtigt wurde. Insoweit ist der Kläger durch die geänderte ESt-Festsetzung zugunsten der Beigeladenen in seinen Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Da A durch die Ausbildungsvergütung und das Kindergeld ab dem 1. August 2014 nicht mehr unterhaltsbedürftig war, kommt eine Übertragung des hälftigen Kinderfreibetrages ab August 2014 nicht mehr in Betracht. Im Übrigen war der Kläger unstreitig nicht leistungsfähig, so dass die Übertragungen der hälftigen Kinderfreibeträge für A von 2.184,00 € und B für März bis Dezember 2014 von 1.820,00 € zu Recht erfolgten. Des Weiteren können die hälftigen BEA-Freibeträge für B und A nach deren Volljährigkeit nicht mehr übertragen werden. Eine hälftige Übertragung von BEA-Freibeträgen für die minderjährigen Kinder (C Januar bis Dezember 2014 und B Januar bis Februar 2014) war nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens der Beigeladenen; im Übrigen würde ein Widerspruch des Klägers mangels nachgewiesener Betreuungskosten oder wesentlicher Betreuung nicht durchgreifen.
Nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung wird bei der Veranlagung zur ESt für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 2.184 € für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1.320 € für BEA des Kindes vom Einkommen abgezogen.
Die Freibeträge für Kinder bilden neben dem Kindergeld die wesentlichen Komponenten des Familienleistungsausgleichs. Das Gesetz unterscheidet zwei verschiedene Arten von Freibeträgen, den Kinderfreibetrag, der das sächliche Existenzminimum abdecken soll und BEA-Freibetrag, der Bedarfslagen jenseits des Existenzminimums ausgleichen soll.
Das Gesetz ermöglicht in § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG auf Antrag eines Elternteils, den Kinderfreibetrag des anderen Elternteil auf ihn zu übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Die Vorschrift betrifft nicht den BEA-Freibetrag, dessen Übertragung in § 32 Abs. 6 Sätze 8, 9 geregelt ist. Der BEA-Freibetrag folgt nicht zwangsläufig dem Kinderfreibetrag (Selder in Blümich, EStG, 140. Aufl. 2018, § 32 Rn. 128).
1. Kinderfreibeträge
Nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG (in der Fassung ab 2012) wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist. Die Übertragung bedarf keiner Zustimmung des anderen Elternteils (Seiler in Kirchhof, EStG, 16. Aufl. 2017, § 32 EStG Rn. 28; H/H/R, § 32 Rn. 170).
a) Die Unterhaltspflicht im Sinne dieser Vorschrift bestimmt sich nach bürgerlichem Recht (K/S/M, § 32 Rn. A 111-117.10). Für den Unterhalt, der den gesamten Lebensbedarf umfasst (§ 1610 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -BGB-), haften Eltern als gleich nahe Verwandte ihren Kindern anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB; z.B. BFH-Urteil vom 24. März 2006 III R 57/00, BFH/NV 2006, 1815). Eine Übertragung ist hingegen ausgeschlossen, wenn der andere Elternteil seiner Unterhaltspflicht nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit nachkommt, selbst wenn sein Beitrag zum Unterhaltsbedarf verhältnismäßig geringfügig ist (BFH-Urteil vom 12. April 2000 VI R 148/97, BFH/NV 2000, 1194). Seiner Barunterhaltsverpflichtung kommt ein Elternteil im Wesentlichen nach, wenn er sie mindestens zu 75 % erfüllt (BFH-Urteil vom 12. April 2000 VI R 148/97, BFH/NV 2000, 1194). Soweit die Barunterhaltsverpflichtung nicht durch gerichtliche Entscheidung, Verpflichtungserklärung, Vergleich oder anderweitig durch Vertrag festgelegt ist, ist in der Regel auf die Unterhaltstabellen der OLG, insbes. die „Düsseldorfer Tabelle“ abzustellen. Maßgeblich ist die relative Erfüllung der konkreten Unterhaltspflicht.
Mit der Änderung von § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011 (BGBl I 2011, 2131) trägt der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass nach damaliger Rechtslage eine Übertragung des Kinderfreibetrags des einen Elternteils nicht in Betracht kam, wenn dieser Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig gegenüber dem Kind war (vgl. BTDrucks 17/6146, S. 14; zu der diesbezüglichen Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 25. Juli 1997 VI R 107/96, BStBl II 1998, 329; vom 27. Oktober 2004 VIII R 11/04, BFH/NV 2005, 343 und BFH-Beschluss vom 8. Dezember 2009 III B 227/08, BFH/NV 2010, 639). Die Neufassung des Satzes 6 soll in diesen Fällen die Übertragung des Kinderfreibetrags ermöglichen, um den Elternteil, der gezwungenermaßen allein für den Unterhalt des Kindes aufkommt, auch allein zu entlasten (BTDrucks 17/6146, S. 14; BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 III R 18/15, BFHE 254, 314, BStBl II 2016, 893; Selder in Blümich, EStG, § 32 Rn. 137; Loschelder in Schmidt, EStG, § 32 Rn. 85). Steht die mangelnde Leistungsfähigkeit eines Elternteils gemäß § 1603 BGB fest, kann dieser die Übertragung nicht durch freiwillige Leistungen verhindern (Loschelder in Schmidt, EStG, § 32 Rn. 85; BMF in BStBl I 2013, 845 Rz. 4), denn es handelt sich um gleichwertige Tatbestandsalternativen (BFH-Urteil vom 15. Juni 2016 III R 18/15, BFHE 254, 314, BStBl II 2016, 893).
b) Weitere Voraussetzung ist, dass das Kind unterhaltsbedürftig ist. Die Unterhaltspflicht im Sinne dieser Vorschrift bestimmt sich nach bürgerlichem Recht. Nach § 1602 BGB sind Kinder unterhaltsberechtigt, wenn sie außerstande sind, sich selbst zu unterhalten (BFH-Urteil vom 24. März 2006 III R 57/00, BFH/NV 2006, 1815; Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 32 Anm. 184 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; Jachmann in Kirchhof/Söhn, EStG, § 32 Rn. D 21; Stache in Bordewin/Brandt, EStG, § 32 Rn. 189; Pust in Littmann/Pust, EStG, § 32 Rn. 866; Loschelder in Schmidt, EStG, 36. Aufl., § 32 Rn. 85). Eine Übertragung scheidet daher aus, wenn das Kind wegen eigenen Einkommens oder Vermögens nicht unterhaltsbedürftig ist (Debus in Frotscher, EStG, 197. Lfg. 2/2017, § 32 Rn. 130).
c) Unter Anwendung dieser Grundsätze erfolgte eine Übertragung der hälftigen Kinderfreibeträge auf die Beigeladene für B für die Monate März 2014 bis Dezember 2014 und für A für die Monate Januar 2014 bis Juli 2014 zu Recht. Lediglich für A für die Monate August bis Dezember 2014 kommt eine Übertragung nicht in Betracht, da A durch die Ausbildungsvergütung und das Kindergeld nicht mehr unterhaltsbedürftig ist.
(1) Nach Angaben des Klägers und der Beigeladenen bestehen keine zivilrechtlichen Vereinbarungen, vielmehr berechnen sie den Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle und gehen unstreitig davon aus, dass der Kläger nicht leistungsfähig und daher für die volljährigen Kinder B und A nicht (bar-) unterhaltspflichtig ist. Danach ist die Übertragung des hälftigen Kinderfreibetrages für B für die Monate März bis Dezember 2014 und für A für die Monate Januar bis Juli 2014 zu Recht erfolgt. Die freiwilligen Zahlungen des Klägers können nicht berücksichtigt werden.
(2) Ab August 2014 besteht keine Unterhaltsverpflichtung des Klägers und der Beigeladenen gegenüber A mehr. Durch die Ausbildungsvergütung ab August 2014 von monatlich brutto 685,00 € standen für den Unterhalt von A unter Berücksichtigung der Kürzung um den ausbildungsbedingten Mehrbedarf von 90,00 € monatlich 595,00 € zur Verfügung. Das Kindergeld ist gemäß § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB in voller Höhe zur Deckung des Barbedarfes des Kindes zu verwenden (siehe auch Düsseldorfer Tabelle V Anmerkung 10). Der Unterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1. Januar 2013 / volljährige Kinder im Haushalt eines Elternteils = 4. Altersstufe - V Anmerkung 7) beträgt 562,00 € abzüglich Kindergeld von 184,00 € = 378,00 € und ist folglich abgedeckt.
Auch wenn von den gemeldeten Nettobeträgen laut Datenabgleich von 3.710,42 € - Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung von insgesamt 748,58 € = 2.961,84 € und einem monatlichen Nettoeinkommen von 592,37 € unter Berücksichtigung von monatlichen Fahrtkosten von 120,00 € (durchschnittlich 20 Arbeitstage x 20 km x 0,30 €) statt 90,00 € (pauschal) = 472,37 € ausgegangen wird, war der Unterhaltsbedarf der Düsseldorfer Tabelle von 562,00 € abzüglich Kindergeld von 184,00 € = 378,00 € abgedeckt. Damit bestand für A ab August 2014 keine Unterhaltsbedürftigkeit und folglich für den Kläger und die Beigeladene keine Unterhaltspflicht mehr. Eine Übertragung des hälftigen Kinderfreibetrages scheidet daher aus.
2. BEA-Freibeträge
Die Übertragung der hälftigen BEA-Freibeträge auf die Beigeladene, soweit die Kinder A und B volljährig waren, war rechtwidrig, weil kein Übertragungstatbestand zu Gunsten der Beigeladenen bestand (a). Eine hälftige Übertragung von BEA-Freibeträgen für die minderjährigen Kinder (C Januar bis Dezember 2014 und B Januar bis Februar 2014) war nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens der Beigeladenen; im Übrigen würde ein Widerspruch des Klägers mangels nachgewiesener Betreuungskosten oder wesentlicher Betreuung nicht durchgreifen (b).
a) Nach § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung wird nur bei minderjährigen Kindern der Freibetrag für BEA übertragen.
Die Übertragung des Freibetrags für volljährige Kinder ist gesetzlich nicht möglich (vgl. FG Münster, Urteil vom 20. September 2013 4 K 4588/11 E, EFG 2013, 1917; Jachmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rdnr. D 31; Loschelder in Schmidt, EStG, 36. Aufl. 2017, § 32 Rn. 94; Grönke-Reimann in Hermann/Heuer/Raupach, EStG, § 32 Rdnr. 189), so dass es auch dann, wenn einer der Elternteile diesbezüglich keine Unterhaltsaufwendungen trägt, bei einer hälftigen Zuordnung des Freibetrags für den BEA bleibt.
Zwar mag es aus Gründen der Wahrung des subjektiven Nettoprinzips durchaus erwägenswert sein, die Übertragung des Kinderfreibetrags, der das sächliche Existenzminimum des Kindes abdeckt, sowie die des Freibetrags für BEA an identische gesetzliche Voraussetzungen zu knüpfen.
Allerdings fordert der steuerliche Abzug des im Jahr 1999 durch das Familienförderungsgesetz (BGBl I 1999, 2552) eingeführten Freibetrags für BEA nicht den Nachweis, dass der jeweilige Elternteil tatsächlich dementsprechenden Aufwand getragen hat (BT-Drs. 14/1513, Seite 14; Jachmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff -KSM-, EStG, § 32 Rdnr. A 43 m.w.N.). Deshalb ist die Grundentscheidung des Gesetzgebers, beiden Elternteilen unabhängig von der Erfüllung der Unterhaltspflichten eine (weitere) steuerliche Entlastung für den BEA zukommen zu lassen, nach Ansicht des erkennenden Gerichts folgerichtig und mit dem subjektiven Nettoprinzip vereinbar. Zudem bewegt sich der Gesetzgeber auch noch im Rahmen zulässiger Typisierung, wenn er bei der -ausnahmsweise möglichen- Übertragung des Freibetrags für BEA für Minderjährige an die melderechtliche Erfassung des Kindes anknüpft und hiermit unterstellt, dass der in diesem Lebensabschnitt vordergründig bestehende Betreuungs- und Erziehungsbedarf grundsätzlich von dem Elternteil geleistet wird, in dessen Haushalt das Kind gemeldet ist.
Im Hinblick darauf, dass die Freibetragsgewährung keine tatsächlichen Unterhaltsaufwendungen voraussetzt, kann dagegen im Rahmen typisierender Betrachtung bei volljährigen Kindern, bei denen der Ausbildungsbedarf in den Vordergrund tritt, eine Übertragung auf den Elternteil, in dessen Wohnung das (volljährige) Kind gemeldet ist, nicht erfolgen. Denn die Bezugnahme auf den melderechtlichen Status lässt -anders als bei Betreuungs- und Erziehungsleistungen- vom Grundsatz her keine Schlüsse darauf zu, welcher Elternteil den Ausbildungsbedarf des Kindes deckt (vgl. FG Münster, Urteil vom 20. September 2013 4 K 4588/11 E, EFG 2013, 1917; Jachmann in K/S/M, EStG, § 32 Rn. D 31 m.w.N.). Auch nach den EStR 2014 R 32.13 Abs. 4 Sätze 4 und 6 ist eine Übertragung in dem Kalenderjahr, indem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, nur für den Teil des Jahres möglich, in dem das Kind noch minderjährig ist.
Folglich kam eine Übertragung des hälftigen BEA-Freibetrages für A für das gesamte Jahr 2014 und für B für die Monate März 2014 bis Dezember 2014 nicht in Betracht.
b) Zum einen war die Übertragung der hälftigen BEA-Freibeträge für die minderjährigen Kinder (C Januar bis Dezember 2014 und B Januar bis Februar 2014) nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens der Beigeladenen. Zum anderen würde ein Widerspruch des Klägers mangels dargelegter und auch nicht nachgewiesener Betreuungskosten oder regelmäßiger und wesentlicher Betreuung nicht durchgreifen.
aa) Der Kläger hat die Aufhebung der Einspruchsentscheidung beantragt. Durch Einspruchsentscheidung vom 14. Februar 2017 wurde dem Einspruch der Beigeladenen stattgegeben und für A der hälftige Kinderfreibetrag von 2.184 € und der hälftige BEA-Freibetrag von 1.320 € sowie für B der hälftige Kinderfreibetrag ab März 2014 von 1.820 € und der hälftige BEA-Freibetrag von 1.320 € übertragen. Nur diese Änderungen können vom hinzugezogenen Kläger angefochten werden.
bb) Nach § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG wird bei minderjährigen Kindern der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende BEA-Freibetrag auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen. Nach Satz 9 dieser Vorschrift scheidet eine Übertragung nach Satz 8 aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut. Nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG wird für jedes zu berücksichtigende Kind ein BEA-Freibetrag von 1.320 € vom Einkommen abgezogen. Der Gesetzgeber typisiert im Rahmen des Familienleistungsausgleichs den Bedarf, der unabhängig von tatsächlich entstandenen Aufwendungen steuerlich berücksichtigt wird (BT-Drs. 14/6160 S. 13). Er geht dabei davon aus, dass der Bedarf jenseits des sächlichen Existenzminimums sich unterschiedlich zusammensetzt und z. B. bei kleinen Kindern mehr als Betreuungs- und Erziehungsbedarf in Erscheinung tritt, während in späteren Lebensjahren die Ausbildung im Vordergrund steht. Der Freibetrag ist für jedes zu berücksichtigende Kind abzuziehen, unabhängig davon, ob ein dadurch auszugleichender Bedarf überhaupt im Ansatz entstehen kann (Selder in Blümich, EStG, 140. Aufl. 2018, § 32 Rn. 134).
Aufwendungen für Dienstleistungen zur Kindesbetreuung i. S. v. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG sind alle Aufwendungen für die Betreuung, Erziehung oder Ausbildung. Auch Aufwendungen für die Unterbringung am Wochenende, gemeinsame Urlaube u. ä. sind daher zu berücksichtigen. Das Gesetz verlangt nicht, dass der Elternteil, der der Übertragung widerspricht, in einem wesentlichen Umfang derartige Kosten getragen hat; ebenso wie bei der Kinderbetreuung ist jedoch eine nur unwesentliche nicht ausreichend (BFH-Urteil vom 8. November 2017 III R 2/16, BStBl II 2018, 266). Nach dem BMF-Schreiben vom 28. Juni 2013 (BStBl I 2013, 845 Tz. 9) genügen kurzzeitige, anlassbezogene Kontakte nicht. Auch der Elternteil kann widersprechen, der keine wesentlichen Kinderbetreuungskosten trägt, der aber in einem nicht nur unwesentlichen Umfang betreut. Das Gesetz übernimmt die vom BVerfG vorgenommene Gleichsetzung von Aufwand, der sich in einer monetären Belastung ausdrückt, und unentgeltlich, in eigener Person erbrachter Betreuungsleistung (BFH-Urteil vom 8. November 2017 III R 2/16, BStBl II 2018, 266). Regelmäßiger Umgang an Wochenenden und in den Ferien reicht aus (EStR 32.13 Abs. 4 S. 3; Selder in Blümich, EStG, 140. Aufl. 2018, § 32 Rn. 152).
Unter Anwendung dieser Grundsätze würde der Widerspruch des Klägers gegen die Übertragung der hälftigen Betreuungsfreibeträge für die Zeit der Minderjährigkeit nicht durchgreifen.
(1) Das Merkmal der regelmäßigen Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang i.S. des § 32 Abs. 6 Satz 9 Alternative 2 EStG ist im Gesetz nicht näher erläutert. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist ein nicht nur gelegentlicher Umgang mit dem Kind maßgebend, der erkennen lasse, dass der Elternteil die Betreuung mit einer gewissen Nachhaltigkeit wahrnehme, d.h. fortdauernd und immer wieder in Kontakt zu dem Kind stehe. Bei nur kurzzeitigem, anlassbezogenem Kontakt (z.B. zum Geburtstag, zu Weihnachten und zu Ostern) liege eine Betreuung in unwesentlichem Umfang vor. Von einem nicht unwesentlichen Umfang der Betreuung eines Kindes sei typischerweise auszugehen, wenn eine gerichtliche oder außergerichtliche Vereinbarung über einen regelmäßigen Umgang an Wochenenden und in den Ferien vorgelegt werde (vgl. BMF-Schreiben vom 28. Juni 2013, BStBl I 2013, 845, Rz 9). Dieser Standpunkt wird im Fachschrifttum weitgehend geteilt (vgl. z.B. Grönke-Reimann in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 32 EStG Rz 192; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32 Rz 946; Blümich/Selder, § 32 EStG Rz 152). In Anlehnung an § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG ("wesentlicher Unterhaltsbeitrag") soll hierbei ein Betreuungsanteil von ungefähr 25 % oder durchschnittlich zwei von sieben Tagen in der Woche genügen (vgl. Schmidt/Loschelder, EStG, 36. Aufl., § 32 Rz 92); ausreichend sei jedenfalls regelmäßig die Wahrnehmung des Umgangsrechts (vgl. HHR/Grönke-Reimann, § 32 EStG Rz 192) oder eine darüber hinausgehende Betreuung (BFH-Urteil vom 8. November 2017 III R 2/16, BFH/NV 2018, 558).
Nach Auffassung des BFH kann das Merkmal einer regelmäßigen Betreuung insbesondere dann als erfüllt angesehen werden, wenn sich ein minderjähriges Kind entsprechend eines -üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten- weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge bei dem Elternteil, bei dem es nicht gemeldet ist, aufhält (BFH-Urteil vom 8. November 2017 III R 2/16, BFH/NV 2018, 558). Ob dieser Elternteil sein minderjähriges Kind auch in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut, erfordert eine Gesamtschau unter Würdigung aller objektiven Umstände des Einzelfalls. Die Beurteilung kann hierbei von einer Vielzahl nach Lage des Falles naturgemäß auch unterschiedlich zu gewichtenden Faktoren abhängen. Diese sind insbesondere die Häufigkeit und Länge der Kontakte zwischen dem widersprechenden Elternteil und dem Kind, die ihrerseits durch das Alter des Kindes und die Distanz zwischen den Wohnorten des Elternpaares beeinflusst werden. Aus Gründen der Vereinfachung hat der BFH dabei grundsätzlich keine Bedenken, bei einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10 % im Regelfall das Merkmal einer Betreuung in einem "nicht unwesentlichen Umfang" als erfüllt anzusehen, wobei weitere Indizien in diesem Fall im Übrigen regelmäßig vernachlässigt werden können (BFH-Urteil vom 8. November 2017 III R 2/16, BFH/NV 2018, 558).
Beim Kläger sind folgende Freibeträge anzusetzen:
Name Kinderfreibetrag Betreuungsfreibetrag Summe zuzurechnendes Kindergeld
A 910,00 € (5/12) 1.320,00 € 2.230,00 € 460,00 €
B 364,00 € (2/12) wie bisher 1.100,00 € 1.464,00 € 184,00 €
wie bisher
Die Berechnung der ESt der Beigeladenen für 2014 wird dem Finanzamt unter Ansatz der folgenden Freibeträge und des zuzurechnenden Kindergeldes übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
Name Kinderfreibetrag Betreuungsfreibetrag Summe zuzurechnendes Kindergeld
A 2.548,00 € (7/12)
910,00 € (5/12) 1.320,00 € 4.778,00 € 1.288,00 € und
460,00 €
B 1/2 2.184,00 € (12/12) 1.540,00 € 5.544,00 € 1.104,00 € und
1/2 1.820,00 € (10/12) 920,00 €
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 139 Abs. 4 FGO erstattungsfähig, da sie keinen eigenen Sachantrag gestellt hat (BFH-Beschluss vom 25. Januar 2006 IV R 14/04, BStBl II 2006, 418).
Die Entscheidung der Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung beruht auf §§ 79a Abs. 3 und Abs. 4, 90 Abs. 2 FGO.
Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO); ebenso erfordert die Fortbildung des Rechts insoweit keine höchstrichterliche Entscheidung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Zwar weicht die Entscheidung des Gerichts von der Anweisung der Finanzverwaltung in R 32.13 Abs. 4 „Anmerkung 1)“ EStR bzw. dem BMF-Schrieben vom 28. Juni 2013 (BStBl I 2013, 845 Rn. 5) ab, wonach die Übertragung des Kinderfreibetrags stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf führen soll. Allerdings widerspricht diese - nicht näher von der Verwaltung begründete - Ansicht gegen den eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs. Abs. 6 Sätze 6 und 8 EStG. Zudem wurde bereits höchstrichterlich entschieden, dass die Voraussetzungen für die Übertragung des Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG nicht zwingend gleichlautend mit denen der Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf gemäß § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG sein müssten (BFH-Urteil vom 18. Mai 2006 III R 71/04, BStBl II 2008, 352).
RechtsgebietEStGVorschriften§ 32 Abs. 6 S. 6 u. 8 EStG