06.05.2020 · IWW-Abrufnummer 215503
Finanzgericht Münster: Urteil vom 09.01.2020 – 5 K 2420/19 U
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
Tenor:
Der Umsatzsteuerbescheid vom 07.06.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.07.2019 wird dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer um 34,01 € niedriger festgesetzt wird.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d
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Die Beteiligten streiten über die Höhe der Umsatzbesteuerung für die Privatnutzung eines PKW.
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Der Kläger ist Unternehmer. Er ist Gesellschafter-Geschäftsführer der Firma T GmbH (im Folgenden: die GmbH). Zwischen dem Kläger (Organträger) und der GmbH (Organgesellschaft) bestand im Streitjahr eine umsatzsteuerliche Organschaft.
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Am 28.09.2016 bestellte die GmbH ein Fahrzeug BMW 535d xDrive beim BMW Händler X GmbH & Co. KG, welches sie im Streitjahr 2017 durchgehend an den Kläger (auch) zur privaten Nutzung überließ.
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Der Kläger erklärte im Rahmen seiner am 15.10.2018 abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung als unentgeltliche Wertabgabe monatlich 1% von 91.770 € sowie zusätzlich 0,03% von 91.770 € pro km für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, so dass sich eine unentgeltliche Wertabgabe in Höhe von 16.285,92 € (Steuer hierauf: 3.094,32 €) im Jahr ergab.
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Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung bei der GmbH gelangte der Beklagte zu der Auffassung, dass der Bruttolistenpreis des BMW zu gering angesetzt worden sei. Nach dem Kalkulationsprogramm der Deutschen Automobil-Treuhand (DAT) betrage der Bruttolistenpreis 92.900 € statt 91.770 €, so dass sich ein Nettomehrumsatz in Höhe von 179,09 € netto und eine um 34,03 € höhere Umsatzsteuer (Bruttoerhöhung um 213,12 € auf 16.499,04 €) ergebe (wegen der Berechnung im Einzelnen siehe Tz. 3 des Berichts der Lohnsteueraußenprüfung, Bl. 10 der Umsatzsteuerakte).
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Aufgrund dieser Feststellungen erließ der Beklagte am 07.06.2019 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid 2017 gegenüber dem Kläger (Bl. 10 der Gerichtsakte), in dem er die Umsatzsteuer auf 184.709,25 € festsetzte. Dabei legte er unentgeltliche Wertabgaben zu 19% in Höhe von insgesamt 19.204 € netto der Besteuerung zugrunde.
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Hiergegen legte der Kläger am 18.06.2019 Einspruch ein. Zur Begründung führte der Kläger aus, dass der Bruttolistenpreis nach der Auftragsbestätigung der Firma X GmbH & Co. KG vom 16.05.2019 mit Bestelldatum vom 28.09.2016 in Höhe von 91.770 € anzusetzen sei.
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Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 09.07.2019 als unbegründet zurück (Bl. 7 ff. der Gerichtsakte). Die unentgeltliche Wertabgabe sei zutreffend auf der Basis des inländischen Listenpreises erfolgt. Die (geringe) Abweichung in der Auftragsbestätigung gegenüber dem Listenpreis beruhe möglicherweise darauf, dass der Hersteller oder der Händler wegen der Kombination von vier Ausstattungspaketen einen Nachlass bzw. Sonderrabatt gewährt habe.
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Mit seiner am 09.08.2019 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Maßgebend sei allein der konkrete Bruttolistenpreis des Fahrzeugs und zwar auch dann, wenn die konkrete Kombination von Zusatzausstattungsmerkmalen zu einem günstigeren Listenpreis führe, als dies möglicherweise bei der Addition von einzelnen Zusatzausstattungen der Fall wäre.
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Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
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den Umsatzsteuerbescheid 2017 vom 07.06.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.07.2019 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 34,01 € niedriger auf 184.675,24 € festgesetzt wird.
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Der Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist zur Begründung im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung.
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Mit Schreiben vom 02.10.2019 (Bl. 22 der Gerichtsakte) hat der Berichterstatter angefragt, ob der Beklagte bei der Anwendung der 1%-Regelung einen pauschalen Abschlag von 20% für die nicht mit Vorsteuern belasteten Kosten gemacht habe.
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Mit Schreiben vom 30.10.2019 hat der Beklagte hierauf geantwortet, dass ein solcher Abschlag im Streitfall nicht durchzuführen sei, da es sich im vorliegenden Fall um eine Überlassung des PKW an einen Arbeitnehmer handele und daher ein tauschähnlicher Umsatz und somit eine entgeltliche sonstige Leistung (und keine unentgeltliche Wertabgabe) vorliege.
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Der Beklagte (Bl. 26 der Gerichtsakte) und der Kläger (Bl. 27 der Gerichtsakte) haben jeweils mit Schreiben vom 13.11.2019 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat Erfolg.
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Der Umsatzsteuerbescheid 2017 vom 07.06.2019 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 09.07.2019 ist im angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.
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Der Beklagte hat die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der privaten PKW-Nutzung zu hoch angesetzt.
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1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die KfZ-Gestellung an den Geschäftsführer in den Fällen der umsatzsteuerlichen Organschaft als unentgeltliche Wertabgabe gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG zu beurteilen. Denn im Verhältnis zwischen der GmbH und dem Kläger liegt ein organschaftsinterner Leistungsaustausch vor, der wie ein rein innerbetrieblicher Vorgang behandelt wird und nicht der Umsatzsteuer unterliegt (FG Münster, Urt. vom 20.09.2012 ‒ 5 K 3605/08 U, EFG 2013, 88; BFH, Urt. vom 5.6.2014 ‒ XI R 36/12, BStBl. II 2015, 43; Doege, DStR 2014, 938, 939).
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Der Senat folgt der Auffassung des BMF, wonach in den Fällen, in denen der Unternehmer ertragsteuerlich die 1%-Regelung anwendet, er diesen Wert auch als Bemessungsgrundlage für die unentgeltliche Wertabgabe ansetzen kann (UStAE Abschn. 15.23 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Satz 1). Für die nicht mit Vorsteuern belasteten Ausgaben kann aus Vereinfachungsgründen jedoch ein pauschaler Abschlag von 20% vorgenommen werden (UStAE Abschn. 15.23 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Satz 4). Der so ermittelte Betrag ist ein Nettowert; die Umsatzsteuer ist mit dem allgemeinen Steuersatz hinzuzurechnen (UStAE Abschn. 15.23 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Satz 5).
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Diesen pauschalen Abschlag in Höhe von 20% hat der Beklagte auch auf den Hinweis des Berichterstatters nicht vorgenommen. Unter Berücksichtigung des Abschlages ergäbe sich eine Steuer auf die private PKW-Nutzung in Höhe von 2.507,85 € (Bemessungsgrundlage 80% von 16.499,04 € = 13.199,23 €) statt der festgesetzten Steuer in Höhe von 3.128,35 € (3.094,32 € + 34,03 €). Diese Steuerherabsetzung in Höhe von 620,50 € (3.128,35 € - 2.507,85 €) geht jedoch über das Klagebegehren des Klägers, an das der Senat gem. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO gebunden ist, hinaus. Denn insbesondere darf der Senat die Steuer danach nicht niedriger festsetzen, als der Kläger begehrt (Seer, in Tipke/Kruse, FGO, § 96 Rdn. 99: quantitative Bindung). Der Kläger hat seinen schriftlichen Antrag auch nicht auf den Hinweis des Berichterstatters hin angepasst.
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Der Senat weist ferner darauf hin, dass für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte des Gesellschafter-Geschäftsführers in den Fällen einer umsatzsteuerlichen Organschaft nach der Rechtsprechung des BFH ‒ noch darüber hinausgehend ‒ schon keine unentgeltliche Wertabgabe darstellt, da die Fahrten nicht privat, sondern unternehmerisch veranlasst sind (BFH, Urt. vom 05.06.2014 ‒ XI R 36/12, BStBl. II 2015, 43; a.A. FG Münster, Urt. vom 20.09.2012 ‒ 5 K 3605/08 U, EFG 2013, 88). Auch diese Frage kann jedoch wegen der Bindung des Senates an das Klagebegehren dahinstehen.
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2. Letztlich kann aber sogar dahinstehen, ob es sich im Streitfall um eine unentgeltliche Wertabgabe handelt.
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Denn auch dann, wenn man ‒ der Auffassung des Beklagten folgend ‒ davon ausginge, dass die KfZ-Gestellung als sonstige Leistung an den Arbeitnehmer (tauschähnlicher Umsatz gem. § 3 Abs. 12 Satz 2 UStG) anzusehen ist und die Grundsätze über die Besteuerung von Arbeitslohn Anwendung finden sollen, so wäre die Umsatzsteuer (ebenfalls über das quantitative Klagebegehren hinaus) zu hoch festgesetzt worden.
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Wird der lohnsteuerrechtliche Wert der entgeltlichen Fahrzeugüberlassung nach der 1% Regelung ermittelt, so kann von diesem Wert auch bei der Umsatzbesteuerung ausgegangen werden (UStAE Abschn. 15.23 Abs. 11 Satz 2 Nr. 1 Satz 1). Zwar darf in diesen Fällen ‒ worauf der Beklagte insoweit zu Recht hinweist ‒ anders als in den Fällen der unentgeltlichen Wertabgaben kein pauschaler Abschlag von 20% für nicht mit Vorsteuern belastete Ausgaben gemacht werden (UStAE Abschn. 15.23 Abs. 11 Satz 2 Nr. 1 Satz 5). Insoweit sind auch die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einzubeziehen.
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Allerdings ist aus dem so ermittelten lohnsteuerrechtlichen Wert die Umsatzsteuer herauszurechnen (UStAE Abschn. 15.23 Abs. 11 Satz 2 Nr. 1 Satz 4).
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Dies führt im Streitfall zu einer Umsatzsteuer für die sonstige Leistung an den Arbeitnehmer (vgl. Beispiel 1 zu UStAE Abschn. 15.23) in Höhe von 2.634,30 € (Umsatzsteuer herausgerechnet aus lohnsteuerrechtlichem Wert in Höhe von 16.499,04 €) und damit zu einer gegenüber der bisherigen Umsatzsteuerfestsetzung für die PKW-Nutzung in Höhe von 3.128,35 € (3.094,32 € + 34,03 €) um 494,05 € (3.128,35 € - 2.634,30 €) niedrigeren Festsetzung. Auch diese Festsetzung ginge deutlich über das quantitative Klagebegehren ‒ Steuerherabsetzung um 34,01 € ‒ hinaus.
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3. Die eigentliche Streitfrage, ob als Bemessungsgrundlage der vom Autohaus bescheinigte Preis zu berücksichtigen ist, kann im Streitfall dahinstehen, da der Senat der Klage bereits aus anderen Gründen (siehe die Ausführungen unter Ziff. 1 und 2) vollumfänglich stattgegeben hat.
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Der Senat weist jedoch darauf hin, dass die Klage aus diesem Grund keinen Erfolg gehabt hätte. Denn der Senat ist der Auffassung, dass der Bruttolistenpreis nach der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) maßgeblich ist. Rabatte, die wegen der Wahl mehrerer Ausstattungspakete gewährt werden, müssen nach Auffassung des Senates unberücksichtigt bleiben (BFH, Urt. vom 13.12.2012 ‒ VI R 51/11, BStBl. II 2013, 385; Schmidt/Kulosa, EStG, 38. Aufl. 2019, § 6 Rdn. 518). Hierfür spricht, dass die vom Gesetzgeber zugrunde gelegte Bemessungsgrundlage des Bruttolistenpreises nicht bezweckt, die tatsächlichen Neuanschaffungskosten des Fahrzeugs und erst recht nicht dessen gegenwärtigen Wert im Zeitpunkt der Überlassung möglichst realitätsgerecht abzubilden. Der Bruttolistenpreis erweist sich vielmehr als generalisierende Bemessungsgrundlage, die aus typisierten Neuanschaffungskosten den Nutzungsvorteil insgesamt zu gewinnen sucht, der indessen ungleich mehr umfasst als die Nutzung des Fahrzeugs selbst. Denn der tatsächliche Vorteil entspricht dem Betrag, der von einem Arbeitnehmer für eine vergleichbare Nutzung aufgewandt werden müsste und den er durch die Überlassung des Fahrzeugs durch den Arbeitgeber erspart (BFH, Urt. vom 13.12.2012 ‒ VI R 51/11, BStBl. II 2013, 385). Ist der Steuerpflichtige mit dieser typisierenden Berechnung nicht einverstanden, so kann er die Bemessungsgrundlage abweichend von der 1%-Regelung ertragssteuerlich nach den Gesamtausgaben des Fahrzeugs und mittels Fahrtenbuchs bestimmen (vgl. UStAE Abschn. 15.23 Abs. 11 Satz 2 Nr. 2).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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