03.01.2024 · IWW-Abrufnummer 238919
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 07.11.2023 – 13 K 570/22 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
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Tatbestand:
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Streitig ist, ob eine Billigkeitsleistung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) in Form einer Corona-Überbrückungshilfe u. a. für Angehörige der Freien Berufe, die infolge der Corona-Krise erhebliche Umsatzausfälle erlitten haben, i. H. von 3.000 Euro als steuerpflichtige Betriebseinnahme zu erfassen ist.
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Der Kläger wurde im Streitjahr (2020) einzeln zur Einkommensteuer veranlagt und erzielte als Freiberufler Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Mit Bescheid vom 25.08.2020 gewährte ihm die Bezirksregierung Düsseldorf 3.160,22 Euro als Billigkeitsleistung gemäß § 53 der Landeshaushaltsordnung (LHO) und auf der Grundlage der Richtlinien des Landes zur Gewährung von Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen (Überbrückungshilfe NRW) für den Zeitraum Juni bis August 2020. Bei dieser Überbrückungshilfe handelte es sich um Bundesmittel i. H. von 160,22 Euro und zusätzliche Landesmittel nach Nr. 4 Abs. 3 der Überbrückungshilfe NRW i. H. von 3.000 Euro. Nach den Nebenbestimmungen zu diesem Bescheid war der Kläger u. a. verpflichtet, der Bewilligungsstelle anzuzeigen, wenn die Geschäftstätigkeit vor dem 31.08.2020 dauerhaft eingestellt würde. Des Weiteren hatte der Kläger spätestens bis zum 31.12.2021 in einer Schlussabrechnung den tatsächlich entstandenen Umsatzrückgang im April und Mai 2020 und den tatsächlich erzielten Umsatz im jeweiligen Leistungsmonat im Vergleich zum Vergleichsmonat anzugeben.
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In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr gab der Kläger seinen Gewinn mit 38.354 Euro an und erläuterte dazu, er habe die Einkünfte aus selbständiger Arbeit um den Betrag von 3.000 Euro gemindert (monatlich 1.000 Euro für die Monate Juni bis April 2020), da dieser Betrag auf die „Überbrückungshilfe Plus“ für die private Lebensführung entfalle.
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Der Beklagte (Finanzamt ‒ FA ‒) legte im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung einen Gewinn von 41.354 Euro zugrunde, verbunden mit dem Hinweis, die Corona-Hilfen seien den Einnahmen in voller Höhe hinzugerechnet worden.
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Das sich anschließende Einspruchsverfahren blieb erfolglos.
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Mit seiner Klage führt der Kläger aus, die an ihn ausgezahlte Corona-Hilfe könne, soweit sie als Unternehmerlohn zu qualifizieren sei, nicht als Einkunftsart i. S. von § 2 Abs. 1 EStG erfasst werden, weil sie als Ersatz für die Grundsicherung gezahlt worden sei, die die Unternehmer bei Ausbleiben dieser Zahlung hätten in Anspruch nehmen müssen. Dies ergebe sich u. a. aus den Erläuterungen im Bewilligungsbescheid, wo die Regelungen der Überbrückungshilfe NRW für verbindlich erklärt worden seien. Ergänzend sei auf der Internetseite des Landes NRW ausgeführt worden, dass der Bund keinen Zuschuss zum entgangenen Unternehmerlohn leiste und stattdessen auf die Grundsicherung verweise und deshalb das Land die Überbrückungshilfe des Bundes um eine Pauschale für Lebenshaltungskosten von 1.000 Euro pro Monat für drei Monate für Solo-Selbständige und Personengesellschaften ergänze. Entsprechendes habe für die Überbrückungshilfe Plus gegolten, mit der ein Teil der Kosten des privaten Lebensunterhalts aus Landesmitteln hätte gedeckt werden können und die über die Monate Juni bis August 2020 hinaus bis zum Jahresende 2020 verlängert worden sei.
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Ferner habe das Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes NRW in einem Schreiben vom 11.02.2021 in Zusammenhang mit dem Rückmeldeverfahren zur NRW Soforthilfe 2020 erläuternd zur Qualifizierung der Verwendung der Soforthilfe für Lebenshaltungskosten ausgeführt, die vom Bund bereitgestellten Mittel der Soforthilfe seien für betriebliche Sach- und Finanzaufwendungen gedacht und private Lebenshaltungskosten nach dem Willen des Bundes durch die Grundsicherung zu decken gewesen. Die Landesregierung NRW habe darüber hinaus eine eigene Sonderregelung getroffen, die es Solo-Selbständigen und Freiberuflern ermögliche, einmalig für die Monate März und April 2020 einen pauschalen Betrag von insgesamt 2.000 Euro als (fiktiven) Unternehmerlohn anzusetzen. Mit dieser Regelung habe NRW denjenigen Vertrauensschutz gewährt, die irrtümlich im März und April 2020 davon ausgegangen seien, dass die Soforthilfe ihre Lebenshaltungskosten abdecken werde und deshalb für diesen Zeitraum darauf verzichtet hätten, die Grundsicherung zu beantragen.
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Auf Grund dieser Regelungen müsse steuerrechtlich eine korrespondierende Einordnung erfolgen, so dass für den in dem Auszahlungsbetrag enthaltenen Unternehmerlohn die Besteuerungsgrundsätze der Grundsicherung, die gemäß § 3 Nr. 2 Buchst. d EStG steuerfrei und damit im Ergebnis steuerlich unbeachtlich sei, entsprechend Anwendung fänden.
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Der Kläger beantragt,
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unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2020 vom 20.05.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.02.2022 die Einkommensteuer für 2020 in der Weise festzusetzen, dass die Einkünfte aus selbständiger Arbeit um 3.000 Euro niedriger angesetzt werden,
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hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Das FA beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt das FA unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung vor, infolge des Bewilligungsbescheids vom 25.08.2020 habe der Kläger für den Zeitraum Juni bis August 2020 einen Betrag von 160,22 Euro Überbrückungshilfe NRW (Bundesmittel) und einen Betrag von 3.000 Euro Überbrückungshilfe-NRW 2020 (zusätzliche Landesmittel) für den entstandenen Umsatzausfall erhalten. Unter Punkt 4 des Bewilligungsbescheids sei dargelegt, dass die Überbrückungshilfe zweckgebunden sei und ausschließlich dazu diene, die durch „Corona“ bedingten erheblichen Umsatzausfälle auszugleichen und so zur Existenzsicherung beizutragen. In Punkt 12 der Nebenbestimmungen des Bewilligungsbescheids sei dem Kläger mitgeteilt worden, dass die Wirtschaftsförderungsleistung (fiktiver Unternehmerlohn) steuerbar und nach den allgemeinen steuerrechtlichen Regelungen im Rahmen der Gewinnermittlung zu berücksichtigen sei.
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Die Soforthilfen seien ertragsteuerlich als steuerpflichtige Betriebseinnahmen in der jeweiligen Gewinnermittlung zu erfassen. Dies gelte unabhängig davon, wofür sie letztendlich verwendet worden seien. Voraussetzung für die Gewährung der Soforthilfen seien betriebliche Indikatoren (z. B. Liquidität, Umsatz) gewesen, weshalb eine betriebliche Veranlassung anzunehmen sei. Eine Steuerbefreiung existiere nicht. Für die Steuerpflicht sei es unerheblich, ob die Soforthilfen ‒ unter Verzicht auf Sozialleistungen ‒ für die private Lebensführung verwendet worden seien.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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1. Zu Recht hat das FA die Corona-Überbrückungshilfe für die Monate Juni bis August 2020 in voller Höhe als steuerpflichtige Einnahmen bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit erfasst.
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a) Bei der in Rede stehenden Corona-Überbrückungshilfe i. H. von insgesamt 3.160,22 Euro handelt es sich auch insoweit um Betriebseinnahmen als das Land NRW damit pauschal 1.000 Euro monatlich für Lebenshaltungskosten an den Kläger gezahlt hat.
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aa) Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an § 8 Abs. 1 und § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach ständiger Rechtsprechung alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind (statt vieler: Urteil des Bundesfinanzhofs ‒ BFH ‒ vom 29.02.2020 VIII R 14/17, Bundessteuerblatt ‒ BStBl ‒ II 2021, 431, unter II.1.; BFH-Urteil vom 21.11.2018 VI R 54/16, BStBl II 2019, 311, unter II.1.). Eine Einnahme ist betrieblich veranlasst, wenn ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb gegeben ist. Es ist weder erforderlich, dass der Vermögenszuwachs im Betrieb erwirtschaftet wurde, noch, dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf die Einnahmen hat (BFH-Urteil vom 02.08.2016 VIII R 4/14, BStBl II 2017, 310, unter II.1.). Auch das „Behaltendürfen“ des Gezahlten ist nicht Merkmal des Zuflusses einer Betriebseinnahme (vgl. BFH-Urteil vom 13.10.1989 III R 30-31/85, BStBl II 1990, 287, unter II.2.b cc).
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bb) Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze stellen die dem Kläger mit Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 25.08.2020 gewährten Landesmittel i. H. von 3.000 Euro Einnahmen bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit dar.
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Das Land NRW hatte im Rahmen der für den Zeitraum Juni bis August 2020 bewilligten Überbrückungshilfe (Überbrückungshilfe I) den aus Bundesmitteln finanzierten Teil durch eine aus Landesmitteln gespeiste sogenannte NRW Überbrückungshilfe Plus ergänzt. Diese sah für Solo-Selbständige, Freiberufler und im Unternehmen tätige Inhaber von Einzelunternehmen sowie Personengesellschaften eine Zahlung i. H. von 1.000 Euro pro Monat für maximal drei Monate (Juni, Juli und/oder August 2020) als Wirtschaftsförderungsleistung (fiktiver Unternehmerlohn) vor, sofern für diese Zeit keine Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) gezahlt wurde (Nr. 4 Abs. 3 und Nr. 5 Abs. 8 der Überbrückungshilfe NRW). Dies erfolgte vor dem Hintergrund, dass das Bundesprogramm der Überbrückungshilfe I bestimmte, dass Kosten des privaten Lebensunterhalts nicht abgedeckt waren. Da viele Unternehmensinhaber, Freiberufler und Solo-Selbständige die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld II nicht erfüllten, sollte ihnen durch die NRW Überbrückungshilfe Plus geholfen werden, sofern sie die Antragsvoraussetzungen für die Überbrückungshilfe des Bundes erfüllten (siehe www.wirtschaft.nrw/ueberbrueckungshilfe FAQ 1.1). Mit der Zahlung der NRW Überbrückungshilfe Plus konnten Ausgaben für die private Lebensführung beglichen werden. Voraussetzung für die Bewilligung dieser Überbrückungshilfe war nach Punkt 5 Abs. 8 der Überbrückungshilfe NRW, dass der Umsatzrückgang im Fördermonat mindestens 40 % im Vergleich zum Umsatz des Vergleichsmonats betrug. Andernfalls entfiel die Wirtschaftsförderung von pauschal 1.000 Euro anteilig für den jeweiligen Fördermonat.
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Dies vorausgeschickt stellen die Zahlungen der NRW-Überbrückungshilfe Plus für die Monate Juni bis August 2020 Betriebseinnahmen des Klägers dar. Zwischen den Leistungen und dem Betrieb des Klägers bestand ein wirtschaftlicher Zusammenhang. Die hier in Rede stehende Unterstützung gemäß Nr. 5 Abs. 8 der Überbrückungshilfe NRW wurde nur an Freiberufler und Unternehmer gezahlt, die ihre Tätigkeit während des Förderzeitraums im Haupterwerb von einer in NRW befindlichen Betriebsstätte oder einem in NRW befindlichen Sitz der Geschäftsführung aus ausführten (Nr. 3 Abs. 1 Buchst. a der Überbrückungshilfe NRW). Die Zahlung der NRW-Überbrückungshilfe Plus hing zudem von der Höhe des Umsatzes im Förderzeitraum im Vergleich zum Umsatz des Vergleichsmonats ab. Die Zuwendungen wurden vom Land NRW geleistet, um dem Empfänger die Möglichkeit zu geben, sich weiter der betrieblichen oder freiberuflichen Tätigkeit zu widmen (in diesem Sinne auch Heigl, Betriebsberater ‒ BB ‒ 2020, 2011, 2012; zu Betriebseinnahmen siehe auch Dellner, Neue Wirtschaftsbriefe ‒ NWB ‒ 2021, 1514, 1517). Diese betriebliche Veranlassung der Zahlungen der NRW Überbrückungshilfe Plus wird nicht dadurch aufgehoben, dass die gewährten Mittel zur Deckung von Privataufwendungen verwendet werden durften, denn die spätere Verwendung von zugeflossenem Geld hat keinen (rückwirkenden) Einfluss auf den wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Geldzahlung und Betrieb (a. A. Seifert, NWB 2020, 1744, 1745, wonach die Mittelverwendung ausschlaggebend für die Erfassung als Betriebseinnahme oder Privateinlage sei).
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b) Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Corona-Überbrückungshilfe, auch soweit sie zur Abdeckung seiner Lebenshaltungskosten geleistet wurde, nicht steuerfrei.
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aa) Der Kläger ist der Meinung, dass die NRW Überbrückungshilfe Plus von monatlich 1.000 Euro für die Monate Juni bis August 2020 steuerfrei sei, weil sie als Pauschale für Lebenshaltungskosten gewährt worden sei. Für eine Zahlung zur Abdeckung von Lebenshaltungskosten seien die „Besteuerungsgrundlagen“ der Grundsicherung, die gemäß § 3 Nr. 2 Buchst. d EStG steuerfrei sei, entsprechend anzuwenden. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
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Nach § 3 Nr. 2 Buchst. d EStG sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur Eingliederung in Arbeit nach dem SGB II steuerfrei. Damit war im Streitjahr das sogenannte Arbeitslosengeld II (§§ 19 ff. SGB II) gemeint, das als „Grundsicherung für Arbeitssuchende“ eingeführt worden war (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 Nr. 2 EStG Rz. 6).
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Die NRW Überbrückungshilfe Plus i. H. von 1.000 Euro pro Monat für maximal drei Monate im Zeitraum Juni bis August 2020 wurde aus Mitteln des Landes Solo-Selbständigen, Freiberuflern und im Unternehmen tätigen Inhabern von Einzelunternehmen mit höchstens 50 Mitarbeitern gewährt (Nr. 4 Abs. 3 i. V. m. Nr. 5 Abs. 8 der Überbrückungshilfe NRW 2020), weil viele Personen dieses antragsberechtigten Kreises wegen der Höhe ihrer Einkünfte oder ihres Vermögens keinen Anspruch auf den Bezug von Arbeitslosengeld II hatten (siehe www.wirtschaft.nrw/ueberbrueckungshilfe FAQ 1.1).
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Eine entsprechende Anwendung der Steuerbefreiung von Leistungen des Arbeitslosengeldes II auf Bezüge aus öffentlichen Mitteln für Personen, die ‒ wie der Kläger ‒ nicht arbeitsuchend sind, sondern Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen, kommt nicht in Betracht. Die Steuerbefreiungen in § 3 EStG enthalten Ausnahmeregelungen zum Grundsatz, dass steuerbare Einnahmen auch steuerpflichtig sind. Auf Grund dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses verbietet sich eine Ausdehnung der Steuerbefreiung für den Bezug von Arbeitslosengeld II auf die NRW Überbrückungshilfe Plus. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als der Kläger ‒ unabhängig von der Überbrückungshilfe NRW 2020 von 3.000 Euro ‒ Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. H. von 38.354 Euro erzielte und schon auf Grund der Höhe dieser Einkünfte keinen Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld II gehabt hätte. Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der im Streitjahr geltenden Fassung erhielten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II in Höhe bestimmter Bedarfe, soweit diese nicht durch das zu berücksichtigende Einkommen (und Vermögen) gedeckt waren. Der Regelbedarf für Alleinstehende lag im Streitjahr bei 432 Euro monatlich. Dieser Bedarf war durch die Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit mit einem Vielfachen abgedeckt.
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bb) Die in Rede stehenden Leistungen sind auch nicht nach § 3 Nr. 11 EStG steuerfrei.
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Gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG sind u. a. Bezüge steuerfrei, die aus öffentlichen Mitteln wegen Hilfsbedürftigkeit bewilligt werden.
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(1) Öffentliche Mittel sind solche, die aus einem öffentlichen Haushalt stammen, d. h. dass über die Mittel nur nach Maßgabe der haushaltsrechtlichen Vorschriften des öffentlichen Rechts verfügt werden kann und ihre Verwendung im Einzelnen der gesetzlich geregelten Kontrolle unterliegt (BFH-Urteil vom 19.04.2021 VI R 8/19, BStBl II 2021, 909, unter II.3.a aa).
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Bei der an den Kläger für die Monate Juni bis August 2020 gezahlten NRW Überbrückungshilfe Plus i. H. von 3.000 Euro handelt es sich um Bezüge aus öffentlichen Mitteln, da sie gemäß § 53 LHO und auf der Grundlage der Überbrückungshilfe NRW für kleine und mittelständische Unternehmen als Billigkeitsleistung gewährt wurde. Sie wurde ferner durch Bescheid der Bezirksregierung Düsseldorf vom 25.08.2020 gegenüber dem Kläger bewilligt.
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(2) Allerdings wurden die Mittel nicht wegen einer Hilfsbedürftigkeit des Klägers bewilligt.
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(a) Hilfsbedürftig sind nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, zunächst die Personen, die nach § 53 der Abgabenordnung (AO) als bedürftig angesehen werden, d. h. solche Personen, die infolge ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands (§ 53 Nr. 1 AO) oder ihrer wirtschaftlichen Lage (§ 53 Nr. 2 AO) der Hilfe bedürfen (BFH in BStBl II 2021, 909, unter II.3.a bb). Wirtschaftlich hilfsbedürftig sind in Anlehnung an § 53 Nr. 2 AO dabei nur solche Personen, deren Bezüge das Vierfache (bei Alleinstehenden das Fünffache) des Regelsatzes der Sozialhilfe (§ 28 SGB XII) nicht übersteigen (BFH in BStBl II 2021, 909, unter II.3.a bb, m. w. N.).
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Darüber hinaus hat der BFH entschieden, dass einmalige Zuwendungen auch bei Personen mit höheren Einkünften steuerfrei sind, wenn sie der Behebung einer akuten Notlage dienen (vgl. BFH-Urteil vom 13.08.1971 VI R 171/68, BStBl II 1972, 57, dort abgelehnt für Zuschüsse zu Krankenversicherungsbeiträgen). So werden etwa die im öffentlichen Dienst gewährten Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen eingeordnet (z. B. BFH-Urteil vom 18.05.2004 VI R 128/99, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH 2005, 22, m. w. N.). Die Hilfsbedürftigkeit der Beihilfeempfänger wird hierbei typisierend nicht aus ihrer wirtschaftlichen Situation, sondern aus dem Anlass der Beihilfeleistung abgeleitet (vgl. BFH in BStBl II 2021, 909, unter II.3.a bb, m. w. N., dort abgelehnt für beamtenrechtliches pauschales Sterbegeld).
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(b) Der Kläger, der im vorliegenden Rechtsstreit selbst keine Hilfsbedürftigkeit i. S. von § 3 Nr. 11 Satz 1 EStG für das Streitjahr geltend macht, ist auch nach Auffassung des Senats nicht hilfsbedürftig i. S. dieser Vorschrift.
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Er war im Streitjahr nicht infolge seines körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands auf die Hilfe anderer angewiesen und auch nicht infolge seiner wirtschaftlichen Lage. Seine Bezüge überstiegen mit 3.196 Euro monatlich (38.354 Euro Jahresgewinn geteilt durch zwölf Monate) das Fünffache des Regelsatzes der Sozialhilfe i. H. von 2.160 Euro (5 x 432 Euro) deutlich.
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Der Kläger befand sich auch nicht auf Grund der Corona-Pandemie und den damit bei ihm im Streitjahr eingetretenen Umsatzrückgängen in einer akuten Notlage, die durch die NRW-Überbrückungshilfe Plus hätte abgewendet werden sollen. Eine typisierend unterstellte Hilfsbedürftigkeit kann in Bezug auf den Anspruch auf die pauschale Wirtschaftsförderungsleistung (fiktiver Unternehmerlohn) i. H. von monatlich 1.000 Euro für die Monate Juni bis August 2020 nach Nr. 4 Abs. 3 i. V. m. Nr. 5 Abs. 8 Überbrückungshilfe NRW nicht angenommen werden (a. A. Heigl, BB 2020, 2011, 2013). Diese dem Kläger gewährte pauschale „Corona-Überbrückungshilfe“ orientierte sich nicht, wie z. B. die Zahlung von (Krankheits-)Beihilfen, an der wegen des anlassbezogenen tatsächlichen Aufwands typisierend vermuteten Hilfsbedürftigkeit des Empfängers (vgl. dazu BFH in BStBl II 2021, 909, unter II.3.b bb (2)), sondern an der Höhe des Umsatzrückgangs (mindestens 40 %) gegenüber dem Vergleichsmonat (Nr. 5 Abs. 8 Überbrückungshilfe NRW) sowie der haupterwerblichen Ausübung einer selbständigen Tätigkeit von einer in NRW befindlichen Betriebsstätte oder einem in NRW befindlichen Sitz der Geschäftsführung (Nr. 3 Abs. 1 Buchst. a Überbrückungshilfe-NRW).
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
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3. Die Revisionzulassung beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO. Die Frage, ob eine „Corona-Überbrückungshilfe“, mit der Ausgaben der privaten Lebensführung beglichen werden können, als steuerpflichtige Betriebseinnahme dem steuerlichen Gewinn zuzurechnen ist, wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet und ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.