16.07.2024 · IWW-Abrufnummer 242698
Finanzgericht Münster: Urteil vom 07.12.2022 – 6 K 2026/00 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Münster
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob die Kläger eine dauernde Last als Sonderausgaben bei der Ermittlung der Einkommensteuer für das Jahr 2017 abziehen können.2
Die Kläger sind Eheleute und werden im Streitjahr gemäß §§ 26, 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2017 beantragte die Klägerin den Abzug von X € als dauernde Last, die sich wie folgt ermittelte:
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Wohnrecht / freie Unterkunft Abzgl. 15 %
X € x 12 = X € ./. X €
Energiekosten (Strom / Heizung anteilig) X € x 12 = X €
Freie Verpflegung X € x 12 = X €
Barleistungen X € x 12 = X €
Rechtsanwaltsgebühren X €
Insgesamt X €
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Mit Vertrag vom 00.00.2001 des Notars H (UR-Nr. 1/2001) hatten die Eltern der Klägerin (die Beigeladen und ihr am 00.00.2010 verstorbener Ehemann) ihre landwirtschaftliche Besitzung (eingetragen im Grundbuch von G, Blatt 0001) an die Klägerin zum 00.00.2001 übertragen. In § 5 des Vertrages gewährte die Klägerin ihren Eltern ein dort näher aufgeführtes Altenteilsrecht auf Lebenszeit. Dieses Altenteilsrecht beinhaltet das Wohnrecht an den im Erdgeschoss des Hauses A-Straße 1 gelegenen Räumlichkeiten (§ 5 Abs. 2), einen lebenslänglichen Betreuungs- und Unterhaltsanspruch, der auch Barleistungen einschließt, angemessene Fahrdienste, Anspruch auf vollen Familienanschluss einschließlich der unentgeltlichen Beköstigung, jedoch keine Pflegeverpflichtung (§ 5 Abs. 3) sowie einen Anspruch auf bare Geldleistung i. H. v. monatlich X DM, der erstmals ab dem 01.01.2004 zu erfüllen sei (§ 5 Abs. 4). In § 5 Abs. 5 des Vertrages vom 00.00.2001 vereinbarten die Vertragsparteien, dass was am Ende eines Kalenderjahres von den Altenteilsleistungen nicht geltend gemacht worden sei, als von Anfang an verfallen gelte. In § 5 Abs. 6 vereinbarten die Vertragsparteien weiter, dass Übereinstimmung bestehe, dass die hier vereinbarten Altenteilsleistungen, insbesondere die bar zu erbringenden Leistungen, nach der Leistungsfähigkeit des Hofes und der Klägerin, dem Leistungsbedarf der Eltern der Klägerin und den derzeitigen allgemeinen Kaufkraftverhältnissen bemessen seien. Sollten sich gegenüber den zugrunde gelegten Bemessungsgrundlagen wesentliche und nachhaltige Veränderungen ergeben, so seien die Beteiligten unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu einer angemessenen Anpassung nach den Bestimmungen des § 323 der Zivilprozessordnung (ZPO) verpflichtet. Bezüglich des Barunterhaltes werde ausdrücklich vereinbart, dass ein etwaiger Mehrbedarf aufgrund der Unterbringung der Eltern der Klägerin in einer externen pflegerischen Einrichtung im Rahmen des § 323 ZPO keine Berücksichtigung finde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Vertrag vom 00.00.2001 Bezug genommen.
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Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin der Beigeladenen von Beginn an das Wohnrecht gewährte und die auf das Wohnrecht entfallenden Energiekosten übernahm. Die vereinbarten Barleistungen wurden jedoch seitens der Klägerin vom 01.01.2004 bis Ende 2012 nicht gezahlt. Nach mehreren gerichtlichen Streitigkeiten wurde die Klägerin ab dem Jahr 2013 zur Zahlung des Baraltenteils an die Beigeladene verurteilt. Dabei ergab sich u. a. aus dem Urteil des Landgerichts S vom 00.00.2016 (Az. 1 O 001/15), dass weder die Klägerin noch der Hof im Zeitpunkt des Abschlusses des Übertragungsvertrages leistungsfähig gewesen seien, aber dennoch auf dieser Grundlage ein Baraltenteil i. H. v. X DM vereinbart worden sei. Die Klägerin hatte im entsprechenden Verfahren vorgetragen, dass sich die Bemessung des Baraltenteils an einer geplanten Verpachtung von Wirtschaftsflächen an einen Investor mit einem Erbbauzins i. H. v. X € jährlich orientiert habe. Der Vertrag mit dem Investor sei letztendlich nicht zustande gekommen. Da jedoch in dem Übertragungsvertrag vom 00.00.2001 kein Bezug auf den Vertrag mit dem Investor genommen und das erste Angebot auch erst acht Wochen nach Unterzeichnung des Übertragungsvertrages abgegeben worden war, entschied das Landgericht S, dass die Klägerin den Barunterhalt in der vereinbarten Höhe seit dem 01.01.2013 an die Beigeladene zu zahlen habe.
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Der Beklagte erkannte den geltend gemachten Sonderausgabenabzug i. H. v. X € nicht an und setzte die Einkommensteuer des Jahres 2017 mit Bescheid vom 18.09.2019 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN) auf X € fest. Zur Begründung berief sich der Beklagte darauf, dass eine Anerkennung wegen der zwischenzeitlich nicht erfüllten Vertragsbedingungen ausscheide.
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Der gegen den vorgenannten Bescheid erhobene Einspruch blieb erfolglos und wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16.06.2020 als unbegründet zurück gewiesen.
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Die Kläger haben am 16.07.2020 gegen die Entscheidung des Beklagten Klage beim Finanzgericht Münster erhoben. Zur Begründung führen sie an, dass in den Jahren 2007 und 2009 ein größerer Umbau auf der Hofstelle erfolgt sei: es sei ein Doppelhaus mit zwei Haushälften entstanden. Seit dem Abschluss der Bauarbeiten bewohnten zunächst die Eltern der Klägerin und die Kläger jeweils getrennt voneinander eine Doppelhaushälfte. Mit dieser Veränderung habe auch die Gewährung einer „freien Verpflegung“ geendet. Am 00.00.2010 sei der Vater der Klägerin und Ehemann der Beigeladenen verstorben. Das Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beigeladenen habe sich im Nachgang verschlechtert. Im Jahr 2013 habe die Beigeladene erstmals den Anspruch auf den Baraltenteil geltend gemacht. Nach gerichtlichen Auseinandersetzungen stehe fest, dass die Klägerin seit dem 01.01.2013 zur Zahlung des Barunterhaltes verpflichtet sei und der Verpflichtung seitdem und insbesondere auch im Streitjahr 2017 nachgekommen sei. Die Kläger seien zum 01.01.2015 aus ihrer Doppelhaushälfte ausgezogen. Die Beigeladene bewohne die andere Doppelhaushälfte. Sämtliche anfallenden Energiekosten würden die Kläger tragen. Die zuvor von den Klägern bewohnte Doppelhaushälfte hätten die Kläger im Streitjahr vermietet.
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Entgegen der Ansicht des Beklagten sei der Übertragungsvertrag vom 00.00.2001 rechtswirksam und mit Rechtsbindungswillen geschlossen. Die Klägerin habe zunächst bis auf den Baraltenteil alle übernommenen Pflichten vollumfänglich erfüllt. Die Nichtzahlung des Baraltenteils beruhe auf der gemäß § 5 Abs. 5 vertragskonformen fehlenden Geltendmachung durch die Eltern der Klägerin. Soweit die Klägerin bei erstmaliger Einforderung des Baraltenteils nicht gezahlt habe, habe dies darauf beruht, dass die Klägerin nicht ausreichend leistungsfähig gewesen sei. Die Klägerin habe sich insoweit auf den Vertrag vom 00.00.2001 bezogen. In den gerichtlichen Verfahren seien nur die gegenteiligen Auffassungen zu klären gewesen, ob der Barunterhalt gezahlt werden müsse oder nicht. Nach erfolgter Verurteilung zur Zahlung habe die Klägerin ab dem 01.01.2013 monatlich den erforderlichen Betrag gezahlt, was dazu führe, dass die Klägerin den Vertrag seit dem 01.01.2013 vollumfänglich erfülle und den Rechtsbindungswillen verdeutliche. Auch die Vertragsklausel, dass nicht geltend gemachte Ansprüche am Jahresende verfielen, spreche nicht gegen das Vorliegen eines Rechtsbindungswillens, da es sich dabei um eine übliche und letztendlich „friedenstiftende Regelung“ handele. Ferner stelle § 5 Abs. 5 des Vertrages es gerade nicht in das Belieben der beiden Vertragsparteien, Leistungen zu fordern oder nicht, denn wenn die Unterhaltsberechtigten die ihnen zustehenden Ansprüche jeweils bis zum 31.12. eines Jahres geltend machen, bestehe die Pflicht der Klägerin, diese zu befriedigen. Letztendlich komme die vertragliche Klausel einer „verkürzten Verjährungsfrist“ bzgl. der Geltendmachung durch die Unterhaltsberechtigten gleich.
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Ferner vertreten die Kläger unter Berufung auf das Urteil des Landgerichts (LG) S die Auffassung, dass die Vertragsparteien bei Abschluss des Vertrages die Altenteilsbarleistungen dahingehend eingeschätzt hätten, dass diese der Leistungsfähigkeit des Hofes und der Beteiligten entsprochen hätten. Damit sei die weitergehende Feststellung in den Urteilen des LG S und des Oberlandesgerichtes (OLG), ob der Hof oder die Klägerin jemals tatsächlich „leistungsfähig“ gewesen seien, irrelevant, da die Unterhaltsleistungen gerade in Ansehung bzw. unter Berücksichtigung der damaligen „Leistungsfähigkeiten“ festgeschrieben worden seien. Für den Fall, dass sich einzelne oder mehrere der lt. Vertrag zugrunde gelegten Bemessungsgrundlagen wesentlich und nachhaltig änderten, sei in § 5 Abs. 6 des Vertrages eine „angemessene Anpassung nach den Bestimmungen des § 323 ZPO“ vorgesehen worden. Entgegen der Auffassung des Beklagten entspreche die vorzitierte Regelung zur Abänderung des Altenteilsrechts damit nicht „insgesamt betrachtet (nur) einer Wertsicherungsklausel“, da über die allgemeinen Kaufkraftverhältnisse hinaus die Leistungsfähigkeit des Hofes und der Klägerin sowie der Leistungsbedarf der Eltern der Klägerin Grund bzw. Anlass für eine Abänderung der Altenteilsleistungen darstellen (könnten). Die Klägerin sei in den zivilgerichtlichen Verfahren nicht damit durchgedrungen, dass die Altenteilsleistungen aufgrund geringerer Leistungsfähigkeit herab zu setzen seien, da sich nach den gerichtlichen Entscheidungen die erforderlichen Voraussetzungen nicht verschlechtert hätten. Auch die gezahlten Barleistungen seien damit in voller Höhe und nicht nur mit einem Ertragsanteil als dauernde Lasten steuerlich anzuerkennen.
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In Bezug auf die Höhe der geltend gemachten Sonderausgaben werde der Abzug nunmehr wie folgt beantragt:
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Wohnrecht / freie Unterkunft Abzgl. 15 % X € x 12 = X € ./. X €
Energiekosten (Strom / Heizung anteilig) X € x 12 = X €
Barleistungen X € x 12 = X €
= insgesamt X €
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Im Hinblick auf die Wohnrechtskosten sei im konkreten Fall eine von den vom Beklagten zitierten Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF-Schreiben) abweichende Betrachtung erforderlich, da sich der Gegenstand des Wohnrechts durch den „größeren Umbau“ in zwei Doppelhaushälften, dessen Kosten allein die Kläger getragen hätten, geändert habe. Das geschuldete Wohnrecht werde nicht mehr aus dem der Klägerin übertragenen Vermögen (Erdgeschoß A-Straße 1) erbracht, sondern durch die von der Klägerin zur Verfügung gestellte Doppelhaushälfte. Dies gehe bei weitem über die ursprünglich geschuldete Leistung hinaus, was den steuerlichen Ansatz der Kosten für das Wohnrecht rechtfertige. Hinsichtlich der Höhe der Kosten des Wohnrechts habe der bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung zuständige steuerliche Berater nach den Vorgaben der Sachbezugsverordnung X € monatlich für freie Unterkunft angesetzt und diese um 15 % gemindert, da er wohl irrtümlich davon ausgegangen sei, dass die Beigelade noch im Haushalt der Klägerin aufgenommen gewesen sei. Der 15 %-ige Abschlag müsse nunmehr entfallen, wenn nicht ggfs. sogar ein Betrag von X €/m² bei einer überlassenen Wohnfläche von X m² anzusetzen sei, mithin Kosten für das Wohnrecht i. H. v. X €/Monat bzw. im Streitjahr X € zu berücksichtigen wären.
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Hinsichtlich der geschätzten Energiekosten von X €/Monat sei nunmehr eine „(fiktive) Nebenkosten-Abrechnung“ erstellt worden. Mit Ausnahme der Position „Heizkosten“ seien sämtliche in der Nebenkosten-Abrechnung enthaltenen Beträge belegbar. Da die Doppelhaushälfte der Beigeladenen nicht über einen separaten Heizungszähler verfüge, sei der in der Nebenkosten-Abrechnung angesetzte Wert mit X € ermittelt worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Bevollmächtigten vom 08.02.2022 Bezug genommen. Die ermittelten Betriebskosten beliefen sich damit auf X € im Jahr 2017 und überstiegen noch die für das Jahr 2017 i. H. v. X € bisher geschätzten Kosten.
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Die Kläger beantragen,
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den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.06.2020 dahingehend zu ändern, dass weitere Sonderausgaben i. H. v. X € bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigt werden,
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hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Aufwendungen weder dem Grunde noch der Höhe nach anzuerkennen seien. Für eine steuerliche Anerkennung des Übertragungsvertrages fehle es an einem Rechtsbindungswillen, da die Klägerin über viele Jahre (2004 ‒ 2010) die Barverpflichtung nicht erfüllt habe. Dieses Verhalten lasse aus Sicht des Beklagten darauf schließen, dass die Klägerin sich nicht mehr an den Vertrag gebunden fühle. Soweit die Klägerin geltend mache, dass sie nicht leistungsfähig sei, weil der Vertrag mit dem Investor nicht zustande gekommen sei, widerspreche dies dem Übertragungsvertrag, da in diesem kein Bezug auf das Risiko des Abschlusses des Vertrages mit dem Investor genommen worden sei. Der fehlende Rechtsbindungswille während vieler Jahre lasse den Übertragungsvertrag als Ganzes nicht unberührt. Auch die gerichtlich verurteilte Rückkehr zum vertragsgemäßen Verhalten führe nicht zur Anerkennung der Sonderausgaben. Anderenfalls stünde es im Belieben der Parteien eines Übertragungsvertrages zu entscheiden, in welchem Umfang sie den Vertrag als bindend anerkennen und erfüllen wollen. Auch der Vortrag der Klägerin, dass das Verhalten in Bezug auf die Verfallklausel vertragskonform sei, führe nicht zu einer anderen steuerlichen Auffassung. Denn gerade hier werde deutlich, dass es im Belieben der Parteien stehe, was gezahlt werden solle und was nicht.
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Darüber hinaus ist der Beklagte der Auffassung, dass zum Zeitpunkt der Übertragung weder der landwirtschaftliche Betrieb noch die Klägerin leistungsfähig waren und der Betrieb als existenzsichernde Wirtschaftseinheit ohne ausreichende Erträge einzustufen sei. Danach könnten die Kosten für das Wohnrecht unter Bezugnahme ein BMF-Schreiben vom 16.09.2004 nicht abgezogen werden, da der Nutzungswert der Wohnung nicht versteuert werde. Die Energiekosten wären bei Nachweis der Aufwendungen zwar grundsätzlich abzugsfähig. Ohne konkreten Nachweis könne jedoch lediglich der Sachbezugswert i. H. v. X € berücksichtigt werden. Die Barleistungen wären unter Verweis auf ein BMF-Schreiben vom 26.08.2002 nur mit dem Ertragsanteil anzuerkennen. Die Bezugnahme auf § 323 ZPO im Vertrag führe nicht zur Annahme abänderbarer Leistungen, da die Vereinbarung insgesamt betrachtet eher einer Wertsicherungsklausel entspreche. Das lasse sich aus Sicht des Beklagten daraus ableiten, dass im Übertragungsvertrag unter § 5 Abs. 6 auch vereinbart sei, dass eine Abänderung nicht aus dem Mehrbedarf abgeleitet werden dürfte, der sich infolge der Unterbringung der Berechtigten in einer externen pflegerischen Einrichtung ergebe. Gleiches ergebe sich aus der Vereinbarung über den ersatzlosen Entfall bei dauerhafter Verhinderung (vgl. § 5 Abs. 8 des Vertrages). Die Barleistungen wären daher ‒ wenn überhaupt ‒ nur mit einem Ertragsanteil i. H. v. 22 % (mithin einem Betrag i. H. v. X €) im Streitjahr berücksichtigungsfähig.
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Die Einordnung des übertragenen Betriebs als existenzsichernde Wirtschaftseinheit ohne ausreichende Erträge (Tz. 6 des BMF-Schreibens vom 26.08.2002) richte sich darüber hinaus nach der tatsächlichen Leistungsfähigkeit und nicht nach einer vertraglich angenommenen. Nach den Angaben der Kläger und auch nach den Feststellungen des LG S im Urteil vom 00.00.2016 (01 O 001/15) sei die Leistungsfähigkeit des Betriebes unstreitig nicht gegeben gewesen.
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Hinsichtlich des § 5 Abs. 6 des Vertrages vertritt der Beklagte die Auffassung, dass die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine Abziehbarkeit als dauernde Last grundsätzlich verneine, wenn zwar eine Bezugnahme auf § 323 ZPO vorliege, aber eine Abänderbarkeit der Leistungen für den Fall der Heimunterbringung bzw. Pflegebedürftigkeit des Übergebers ausgeschlossen werde. Bezüglich der Berücksichtigung der Kosten des Wohnrechts werde auf Tz. 45 des BMF-Schreibens vom 16.09.2004 und Tz. 34 des BMF-Schreibens vom 26.08.2002 Bezug genommen, nach denen kein Abzug möglich sei.
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Hinsichtlich der geltend gemachten Energiekosten weist der Beklagte darauf hin, dass eine Ermittlung der auf die Doppelhaushälfte der Beigeladenen entfallenden Energiekosten sich am wahrscheinlichsten aus der für die vermietete Doppelhaushälfte erklärten Werbungskosten ergeben würde. Die Kläger sind dieser Auffassung entgegen getreten und verweisen diesbezüglich darauf, dass keine Vergleichbarkeit gegeben sei, da die Beigeladene ihre Doppelhaushälfte alleine bewohne, die vermietete Doppelhaushälfte jedoch von einer Mutter mit drei Kindern bewohnt werde. Ferner sei die Mieterin berufstätig und die Kinder schulpflichtig, so dass die Mieter tagsüber weitestgehend abwesend seien wohingegen die Beigeladene ganztätig in der Wohnung ein Temperatur-Level von 25 ‒ 26°C trotz Lüftens halte.
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Die Mutter der Klägerin, Frau A, ist mit Beschluss vom 03.11.2022 auf Antrag des Beklagten gemäß § 174 Abs. 5 AO zum Verfahren beigeladen worden. Sie hat weder einen Antrag in der Sache gestellt noch weiter zum Verfahren vorgetragen.
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Das Gericht hat die Akte des Verfahrens 01 O 001/15 beim Landgericht S beigezogen.
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Der Senat hat über die Klage in der Sitzung vom 07.12.2022 mündlich verhandelt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
A. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ‒ FGO‒). Der Beklagte hat zu Recht den Abzug von Sonderausgaben im Streitjahr abgelehnt.
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I. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG in der bis 2007 geltenden Fassung -a.F.-). Dabei ist § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a. F. für alle Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit bis zum Ende des Jahres 2007 vereinbarten Vermögensübertragungen (wie im Streitfall aus dem Jahre 2001) anzuwenden (vgl. Krüger, in Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, § 10 Rn. 111).
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II. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F. sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben, Sonderausgaben. Werden wiederkehrende Leistungen --wie im Streitfall-- in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zugesagt (private Versorgungsrenten), stellen diese weder Veräußerungsentgelt des Übergebers noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, sondern sind spezialgesetzlich den Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F.) und den wiederkehrenden Bezügen (§ 22 Nr. 1 Satz 1 EStG) zugeordnet (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 19.01.2005 - X R 23/04, BFHE 209, 91, BStBl II 2005, 434, unter II.1., m.w.N.). Auch die Anwendung des für Unterhaltsleistungen geltenden Abzugsverbots des § 12 Nr. 1 und 2 EStG ist durch das Recht der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen spezialgesetzlich ausgeschlossen, weil die steuerrechtliche Zurechnung der Versorgungsleistungen zu den Sonderausgaben und den wiederkehrenden Bezügen auf dem Umstand beruht, dass sich der Vermögensübergeber in Gestalt der Versorgungsleistungen typischerweise Erträge seines Vermögens vorbehält, die nunmehr allerdings vom Vermögensübernehmer erwirtschaftet werden müssen (vgl. zusammenfassend BFH-Beschluss vom 10.11.1999 - X R 46/97, BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188, unter III.6.a). Versorgungsleistungen sind nach der gesetzlichen Systematik (Einleitungssatz des § 10 Abs. 1 EStG) stets privat veranlasst. Der Bezugsberechtigte erhält Unterhaltsleistungen (vgl. § 22 Nr. 1a EStG), die im Anwendungsbereich der privaten Versorgungsrente (§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG a.F.) steuerlich begünstigt sind.
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1. Ein Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrag kann der Besteuerung zugrunde gelegt werden, wenn die (Mindest-)Voraussetzungen, die die Qualifikation des Vertrags als Versorgungsvertrag erst ermöglichen (Umfang des übertragenen Vermögens, Art und Höhe der Versorgungsleistung sowie Art und Weise der Zahlung), klar und eindeutig vereinbart sind. Die Vereinbarungen müssen zu Beginn des Rechtsverhältnisses und bei Änderung des Verhältnisses für die Zukunft getroffen werden (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2005 ‒ X R 23/04, BFHE 209, 91, BStBl II 2005, 434, unter II.2.a). Ob und in welchem Umfang die Parteien des Versorgungsvertrags ihren Vertragspflichten nachkommen wollen, steht ihnen nicht frei; die Leistungen müssen wie vereinbart erbracht werden (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2005 ‒ X R 23/04 ‒, BFHE 209, 91, BStBl II 2005, 434). Allerdings liegt es in der Rechtsnatur des Versorgungsvertrags, dass die Vertragspartner z.B. auf geänderte Bedarfslagen angemessen reagieren (vgl. BFH-Urteil vom 15.07.1992 - X R 165/90, BFHE 168, 561, BStBl II 1992, 1020, unter 2.e). Lassen sich Abweichungen von den vertraglichen Vereinbarungen feststellen, so ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu prüfen, ob es den Parteien am erforderlichen Rechtsbindungswillen fehlt und ob sie ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen wollen. So wie andere Verträge im Wege des Fremdvergleichs auf ihre Ernstlichkeit überprüft werden, sind Versorgungsverträge, denen beide Parteien --durch äußerliche Merkmale erkennbar-- rechtliche Bindungswirkung beimessen, von solchen "Verträgen" abzugrenzen, die die Parteien selbst nicht ernst nehmen und von denen sie nur Gebrauch machen, wenn es ihnen opportun erscheint (vgl. BFH-Beschluss vom 16.01.2007 - X B 5/06, BFH/NV 2007, 720, unter 1.c aa). Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn der Vollzug der Vereinbarung durch willkürliche Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen, darüber hinaus aber auch durch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags, die nicht durch Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt sind, gekennzeichnet ist (vgl. BFH-Urteile vom 03.03.2004 ‒ X R 14/01, BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826 und vom 19.01.2005 ‒ X R 23/04, BFHE 209, 91, 93, BStBl II 2005, 434).
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Hat sich der Vermögensübernehmer nach dem Vermögensübergabevertrag zu mehreren Versorgungsleistungen verpflichtet, die zum Mindestbestand von Versorgungsverträgen gehören sowie als typusprägend anzusehen und als jeweils gleichgewichtig zu beurteilen sind, muss der Rechtsbindungswille hinsichtlich aller geschuldeten Versorgungsleistungen gegeben sein (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2005 ‒ X R 23/04, BFHE 209, 91, BStBl II 2005, 434). Anders stünde es im Belieben der Vertragsparteien eines Vermögensübergabevertrags, in welchem Umfang sie den Vertrag als bindend anerkennen und erfüllen.
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2. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze und im Rahmen der Gesamtwürdigung aller Umstände des vorliegenden Sachverhalts ist der Senat aufgrund der von den vertraglichen Vereinbarungen tatsächlich abweichenden Durchführung davon überzeugt, dass es den Parteien des Übertragungsvertrages, der Klägerin und ihren Eltern, am steuerrechtlich erforderlichen Rechtsbindungswillen gefehlt hat. Die von der Klägerin tatsächlich über einen langen Zeitraum ausbleibenden bzw. später verweigerten Zahlungen des Baraltenteils stellen eine Abweichung zum Vereinbarten dar, die nicht durch die Änderungen der Verhältnisse gerechtfertigt ist.
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a. Bei Abweichungen vom Vereinbarten ist stets zu prüfen, ob die Aussetzung und anschließende Wiederaufnahme der Zahlungen, aber auch Schwankungen in der Höhe des Zahlbetrags durch eine Änderung der Verhältnisse gerechtfertigt oder willkürlich sind. Diese Prüfung setzt voraus bzw. wird jedenfalls erleichtert, wenn die Vertragsparteien die Aussetzung oder Änderung der Höhe der Versorgungsleistungen schriftlich niederlegen und begründen (Änderung des Versorgungsbedürfnisses/Änderung des Nettoertrags).
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Vorliegend vermag der erkennende Senat derartige steuerlich relevante geänderte Verhältnisse im vorgenannten Sinne jedoch nicht festzustellen. Vielmehr ergibt sich aus dem Urteil des LG S, dass sich die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegenüber den Verhältnissen in der Folgezeit nicht geändert haben. Der Hof war zu keiner Zeit leistungsfähig. Insofern vermag die Klägerin mit ihrem Vortrag, es sei von Beginn an vereinbart worden, dass Barleistungen nur im Falle der Verpachtung des Hofgeländes zu zahlen seien, nicht durchdringen. Denn einerseits wurde die Relevanz der Verpachtung nicht festgehalten, sondern allgemein auf eine geänderte Leistungsfähigkeit abgestellt, die sich im zeitlichen Verlauf aber gerade nicht geändert hat. Anderseits steht dieser Vortrag im Widerspruch dazu, dass die Mutter die Baraltenteilsleistungen gegenüber der Klägerin auf dem Zivilrechtsweg geltend gemacht hat, ohne dass eine Verpachtung stattgefunden hat. Der Umstand, dass die Kläger auch ohne Verpachtung des Hofgeländes von den Zivilgerichten zur Zahlung der Baraltenteilsleistungen an ihre Mutter verurteilt wurde, spricht ebenfalls dagegen, dass die Vertragsparteien abweichend vom Vertragswortlaut vereinbart haben, dass der Barunterhalt nur im Falle einer Verpachtung des Hofgeländes zu zahlen sei. In gleicher Weise kann auch keine steuerlich relevante einvernehmliche Vereinbarung dergestalt festgestellt werden, dass die Baraltenteilsleistungen abweichend von § 4 Abs. 5 des Altenteilervertrages ab Monat 2004 zunächst nicht zu zahlen waren. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin ihrer Verpflichtung zur monatlichen Zahlung eigenmächtig oder mit ausdrücklicher bzw. stillschweigender Billigung ihrer Eltern nicht nachgekommen ist. Denn in jedem Fall liegt insofern eine Abweichung von der vertraglichen Vereinbarung vor, die, selbst wenn sie zwischen den Vertragsparteien einvernehmlich erfolgt sein sollte, steuerlich nur anerkannt werden könnte, wenn sie auf einer Änderung der Verhältnisse beruht hätte. Dies kann jedoch --wie ausgeführt, insbesondere im Hinblick auf die Relevanz der Verpachtung des Hofgeländes-- nicht festgestellt werden.
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b. Die Funktion des anzustellenden Fremdvergleichs in Fällen der Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen unterscheidet sich von derjenigen des Fremdvergleichs bei sonstigen Vertragsverhältnissen zwischen Angehörigen: Bei Letzteren geht es um die Frage, ob eine Vereinbarung in dem einkommensteuerrechtlich vorausgesetzten sachlichen Zusammenhang mit der Erzielung von Einkünften (§ 2 Abs. 1, § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) oder mit dem nach § 12 EStG unbeachtlichen privaten Bereich steht (vgl. BFH-Urteil vom 28.06.2002 - IX R 68/99, BFHE 199, 380, BStBl II 2002, 699). Diese Zuordnungsentscheidung entfällt bei der Anerkennung einer dauernden Last, da diese nach der gesetzlichen Systematik ohnehin stets privat veranlasst ist. Hier sollen durch den Fremdvergleich Versorgungsverträge, denen beide Parteien --durch äußere Merkmale erkennbar-- rechtliche Bindungswirkung beimessen, von Vereinbarungen abgegrenzt werden, die zwar der äußeren Form nach als bindend erscheinen, für die Parteien selbst jedoch den Charakter der Beliebigkeit haben und von denen sie nur Gebrauch machen, wenn es ihnen opportun erscheint (vgl. BFH-Urteil vom 03.03.2004 ‒ X R 14/01, BFHE 205, 261, BStBl II 2004, 826). Entscheidend ist deshalb, ob die Vertragsparteien mit dem erforderlichen Rechtsbindungswillen handeln.
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Im Streitfall hat die Klägerin in den Jahren 2004 bis 2010 unstreitig keine Baraltenteilszahlungen geleistet. Der Übertragungsvertrag vom 00.00.2001 trifft in § 5 Abs. 4 diesbezüglich die eindeutige Regelung, dass zum Betreuungs- und Unterhaltsanspruch ein Anspruch auf eine bare Geldleistung (Baraltenteil) i. H. v. monatlich X DM gehört. Der Barzahlungsanspruch ist laut Vertrag durch Überweisung auf ein von den Eltern der Klägerin zu benennendes Konto jeweils bis zum 05. eines jeden Monats zu erfüllen. Eine Bedingung etwa in Form einer erforderlichen Geltendmachung des Anspruchs ist nicht im Vertrag niedergelegt. Mithin ist der Anspruch auf den Erhalt von X DM zu jedem 05. eines Monats in der Zeit vom 05.00.2004 an entstanden. Sowohl die Klägerin als auch die Eltern haben diese Regelung jedoch in den Jahren 2004 bis 2010 nicht beachtet und somit eine Hauptpflicht des Vertrages nicht wie tatsächlich vereinbart durchgeführt.
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Entgegen der Auffassung der Kläger spricht die Regelung in § 5 Abs. 5 des Übertragungsvertrages nicht für, sondern gegen einen Rechtbindungswillen der Vertragsparteien. Denn diese Vertragsklausel stellt es letztendlich in das Belieben der Berechtigten, bestimmte Leistungen (neben dem Barunterhalt auch die übrigen in § 5 Abs. 3 des Übertragungsvertrags vereinbarten Betreuungs- und Unterhaltsleistungen wie voller Familienanschluss, unentgeltliche Beköstigung, Fahrdienste etc.) zu fordern oder eben nicht zu fordern. Ferner lässt die Argumentation der Kläger insofern außer Acht, dass der Anspruch in jedem Monat zum jeweils 05. bereits entstanden ist. Die Klausel des § 5 Abs. 5 des Übertragungsvertrages mag insofern zu einer ‒ wie von den Klägern so bezeichneten ‒ verkürzten Verjährungsfrist führen. Letztendlich haben sowohl die Klägerin als auch ihre Eltern durch die Nichtzahlung und Nichtgeltendmachung des Baraltenteils die Anspruchsentstehung nicht umgesetzt.
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Zwar hat der BFH im Hinblick auf den Rechtsbindungswillen bei Vermögensübergabe- und Versorgungsverträgen bereits in seinem Vorlagebeschluss an den Großen Senat des BFH vom 10.11.1999 - X R 46/97 (BFHE 189, 497, BStBl II 2000, 188, unter II.) die Auffassung vertreten, lediglich die Unregelmäßigkeit der Zahlungen hindere für sich allein die Anerkennung einer dauernden Last nicht. Ferner hat der BFH entschieden, dass auch wenn in einer finanziell schwierigen Situation des übergebenen Unternehmens einzelne Versorgungsleistungen ausgesetzt werden, nicht der Schluss gerechtfertigt sei, die Parteien würden dem Versorgungsvertrag keine rechtliche Bindungswirkung mehr beimessen. Solange in solchen Fällen der Übernehmer seine --sich aus dem Sinn und Zweck des Versorgungsvertrags ergebende-- Hauptpflicht, nämlich die Sicherung des finanziellen Unterhalts des Vermögensübergebers, erfülle, seien die geleisteten Rentenzahlungen als Sonderausgaben abziehbar (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.2010 ‒ X R 13/09, BFHE 231, 116, BStBl II 2011, 641).
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Jedoch findet dieser Grundsatz seine Grenze in der willkürlichen Abweichung von den jeweils vertraglich vereinbarten Rechten und Pflichten. Zeigt das gravierende vertragswidrige Verhalten auch nur einer Vertragspartei während eines längeren Zeitraums den fehlenden Rechtsbindungswillen der Parteien, erkennt der BFH an, dass dieses Verhalten den Übergabevertrag als Ganzes nicht unberührt lässt (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.2010 ‒ X R 13/09, BFHE 231, 116, BStBl II 2011, 641). Ein solches Verhalten lasse darauf schließen, dass sich der Übernehmer nicht mehr an den Versorgungsvertrag gebunden fühlte (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.2010 ‒ X R 13/09, BFHE 231, 116, BStBl II 2011, 641). Ein am Versorgungsvertrag festhaltender Vermögensübernehmer würde danach die Versorgungszahlungen nicht über einen so langen Zeitraum (im vom BFH entschiedenen Fall betrug die Dauer der Aussetzung der monatlichen Zahlungen insgesamt 17 Monate) vollkommen aussetzen und so die Versorgung desjenigen gefährden, der ihm Vermögen --wirtschaftlich betrachtet-- jedenfalls teilweise unentgeltlich übertragen hat. Würde man die Zahlungen steuerlich berücksichtigen, stünde es im Belieben der Vertragsparteien eines Vermögensübergabevertrags, in welchem Umfang sie den Vertrag als bindend anerkennen und erfüllen wollen (BFH-Urteil vom 15.09. 2010 ‒ X R 13/09, BFHE 231, 116, BStBl II 2011, 641).
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Vorliegend haben beide Vertragsparteien in der Zeit von 2004 bis 2010 sowohl weder den Baraltenteil gefordert noch erfüllt sowie nach dem von der Klägerin geschilderten Umbau in die zwei Doppelhaushälften die freie Beköstigung gewährt. Insoweit haben die Vertragsparteien es sich ins Belieben gestellt, wie und ob die eigentlich als verpflichtet vereinbarten Leistungen zu erbringen sind.
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c. Selbst wenn aber man mit den Klägern davon ausginge, dass die Vertragsklausel des § 5 Abs. 5 des Übertragungsvertrages grundsätzlich nicht gegen einen Rechtsbindungswillen der Vertragsparteien spräche, hat die Klägerin mit ihrer Weigerung auf die Geltendmachung des Baraltenteils durch die Beigeladene ihren Rechtsbindungswillen aufgegeben. Spätestens mit der Weigerung der Zahlung bis hin zur gerichtlichen Verurteilung der Klägerin durch die Zivilgerichte zur Zahlung des Baraltenteils ab 2013 hat sie ausdrücklich und unmissverständlich gegenüber der Beigeladenen klargestellt, dass sie nicht bereit ist, die vertraglich vereinbarte Verpflichtung zur Zahlung des Barunterhaltes zu erfüllen. Die Weigerung der Zahlung auf außergerichtliche Geltendmachung bis hin zum Erlass eines zur Zahlung verpflichtenden Urteils ist ein sehr starkes Indiz für das Fehlen eines Rechtsbindungswillens im vorgenannten steuerrechtlichen Sinne. Dabei sind die Motive der Klägerin für die Nichtzahlung des Baraltenteils nicht maßgeblich für die Beurteilung des Rechtsbindungswillens.
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3. Die aufgrund der Verurteilung in den Vorjahren im Streitjahr 2017 nunmehr monatlich geleisteten Baraltenteilszahlungen stellen auch nach Rückkehr zum vertragsgemäßen Verhalten keine Sonderausgaben dar.
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a. Der BFH hat in seinem Urteil vom 15.09.2010 - X R 13/09 (BFHE 231, 116, BStBl II 2011, 641) explizit ausgeführt, dass eine Rückkehr zum vertragsgerechten Verhalten nach einer Phase einer schwerwiegenden Abweichung vom Vereinbarten nicht zu einem Sonderausgabenabzug führt. Der BFH entschied, dass das gravierende vertragswidrige Verhalten während eines längeren Zeitraums (im Streitfall des BFH lediglich 17 Monate) den fehlenden Rechtsbindungswillen der Parteien zeige und den Übergabevertrag als Ganzes deshalb nicht unberührt lasse. Erfülle der Übernehmer in späteren Jahren die vereinbarten Versorgungsleistungen vertragsgemäß, seien deshalb auch diese Aufwendungen nicht als Sonderausgaben abziehbar. Andererseits habe der Vermögensübergeber, der über einen längeren Zeitraum vertragswidrig keine Versorgungsleistungen erhalten habe, auch bei Wiederaufnahme der Zahlungen keine sonstigen Einkünfte zu versteuern.
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b. Ausgehend von den vorgenannten Rechtsgrundsätzen, denen sich der Senat anschließt, können die von der Klägerin im Streitjahr 2017 geleisteten Baraltenteilzahlungen nicht als Sonderausgaben berücksichtigt werden.
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4. Der wie unter 3. dargestellte fehlende Rechtsbindungswille führt dazu, dass auch die im Streitjahr und in den Vorjahren erbrachten übrigen Leistungen des Übertragungsvertrages (Gewährung des Wohnrechts sowie Übernahme von Energiekosten) nicht als Sonderausgaben abzugsfähig sind.
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a. Hat sich der Vermögensübernehmer nach dem Vermögensübergabevertrag zu mehreren Versorgungsleistungen verpflichtet, die zum Mindestbestand von Versorgungsverträgen gehören sowie als typusprägend anzusehen und als jeweils gleichgewichtig zu beurteilen sind, muss der Rechtsbindungswille hinsichtlich aller geschuldeten Versorgungsleistungen gegeben sein (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2005 ‒ X R 23/04, BFHE 209, 91, BStBl II 2005, 434).
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b. Die Gewährung eines monatlichen Barbetrages im Rahmen eines Übertragungsvertrages ist ebenso typusprägend wie die vereinbarten Sachleistungen, insbesondere die Wohnrechtsgestellung (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2005 ‒ X R 23/04, BFHE 209, 91, BStBl II 2005, 434). Die beiden Arten von Versorgungsleistungen sind damit gleichgewichtig und gleichwertig. Eine Differenzierung dergestalt, dass die Sachleistungen den elementaren Lebensbedürfnissen dienen, während Barzahlungen vom Altenteiler nicht benötigt und deshalb nicht verlangt werden, ist nicht gerechtfertigt (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2005 ‒ X R 23/04, BFHE 209, 91, BStBl II 2005, 434). Denn bei der Beurteilung der geschuldeten Leistungen als Versorgungsleistungen kommt dem konkreten Versorgungsbedürfnis des Vermögensübergebers keine Bedeutung zu; es kommt mithin nicht darauf an, ob bestimmte Leistungen für dessen Lebensbedürfnisse als elementar angesehen werden, andere dagegen nicht. Bare und unbare Altenteilsleistungen sind gleichgewichtig. Das schließt es aus, hinsichtlich des Rechtsbindungswillens zwischen baren und unbaren Versorgungsleistungen zu unterscheiden.
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c. Die geschuldeten Versorgungsleistungen bilden eine Einheit und müssen deshalb einheitlich beurteilt werden. Der Altenteilsvertrag ist zivilrechtlich ein Inbegriff von Rechten verschiedener Art --Sach-, Natural-, Dienst- und Geldleistungen (vgl. BFH-Urteil vom 25.08.1999 - X R 38/95, BFHE 190, 302, BStBl II 2000, 21)--, die durch die gemeinsame Zweckbestimmung, den Berechtigten (ganz oder teilweise) zu versorgen, zu einer Einheit verbunden sind (vgl. BFH-Entscheidungen vom 25.04.1990 - X R 38/86, BFHE 160, 33, BStBl II 1990, 625, unter III.1.a aa, und vom 11.03.1992 - X R 141/88, BFHE 166, 564, BStBl II 1992, 499, unter 5.). Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung sind die einzelnen geschuldeten Versorgungsleistungen keiner jeweils eigenen Beurteilung und im Verhältnis zueinander keiner abstufenden Wertung zugänglich (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2005 ‒ X R 23/04, BFH 209, 91, BStBl II 2005, 434).
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d. Die Barleistungen zu erfüllen, steht somit genauso wenig im Belieben des Vermögensübernehmers wie die Erfüllung der Sachleistungsverpflichtungen. Würde der typusprägende Inbegriff in der Weise aufgelöst, dass einzelne gleichgewichtige Elemente als nachrangig eingestuft würden, so könnte der für die Abziehbarkeit erforderliche Rechtsbindungswille, der sich auf beide Arten der geschuldeten Versorgungsleistungen erstrecken muss, nicht festgestellt werden.
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e. Die Klägerin und ihre Eltern haben im Übertragungsvertrag vom 00.00.2001 das Altenteilsrecht auf Lebenszeit im § 5 konkret bestimmt. Zunächst wurde ein Wohnrecht auf Lebenszeit eingeräumt (Abs. 2). Dazu gehörte die ordnungsgemäße Instandhaltung sowie die Versorgung mit Strom, Wasser und Heizung sowie freies Zugangs- und Umgangsrecht im landwirtschaftlichen Betrieb. Gemäß Abs. 3 gehörte zum Inhalt des Altenteilsrechts ferner ein „lebenslänglicher Betreuungs- und Unterhaltsanspruch, der auch Barleistungen einschließt“. Dieser Betreuungs- und Unterhaltsanspruch umfasste Hilfs-, Dienst- und Betreuungsleistungen im persönlichen und hauswirtschaftlichen Bereich, angemessene Fahrdienste, vollen Familienanschluss einschließlich unentgeltlicher Beköstigung. In Abs. 4 des § 5 legten die Klägerin und ihre Eltern konkret fest, dass ferner der Anspruch auf eine bare Geldleistung (Baraltenteil) i. H. v. X DM monatlich gehöre. Mit dem Baraltenteil stellten die Eltern sicher, bei Übertragung der landwirtschaftlichen Besitzung auch in Zukunft neben den lebensnotwendigen Bedürfnissen wie Wohnen und Essen angemessen versorgt zu sein.
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Der insoweit fehlende Rechtsbindungswille bei der Durchführung des Vertrages insbesondere zur Zahlung des Baraltenteils hat zur Folge, dass sämtliche im Streitjahr gewährten Leistungen von der Klägerin an die Beigeladene keine Berücksichtigung als Sonderausgaben finden können. Dem steht nicht entgegen, dass die Beigeladene gegenüber der Klägerin zivilrechtlich einen Anspruch auf die im Übertragungsvertrag vom 00.00.2001 vereinbarten Altenteilsleistungen, insbesondere auch den vereinbarten Barunterhalt hat und dass die Ansprüche im Streitjahr seitens der Klägerin auch erfüllt wurden. Denn die steuerliche Abzugsfähigkeit der Aufwendungen als Sonderausgaben hängt --wie dargestellt-- von weiteren Voraussetzungen, insbesondere vom Vorliegen eines Rechtsbindungswillens im steuerrechtlichen Sinne bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ab, sodass auch ein zivilrechtlich wirksamer und tatsächlich erfüllter Altenteilsvertrag steuerlich nicht anerkennungsfähig sein kann.
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III. Da die Aufwendungen bereits dem Grunde nach nicht als Sonderausgaben in Abzug zu bringen sind, ist über die zwischen den Beteiligten ebenfalls streitige Höhe der einzelnen Aufwendungen nicht mehr zu entscheiden.
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B. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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C. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden nicht erstattet (§ 139 Abs. 4 FGO), da die Beigeladene keinen Antrag gestellt oder das Verfahren anderweitig gefördert hat.
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D. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt. Die Entscheidung des Gerichts ergibt sich aus der Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Die tragenden rechtlichen Erwägungen entsprechen der Rechtsprechung des BFH. Insbesondere hat der BFH die Frage zur Rückkehr zum vertragsgemäßen Verhalten bereits dahingehend entschieden, dass eine solche ‒ auf welchem Grund sie auch beruht ‒ nicht zur steuerrechtlichen Anerkennung des Übertragungsvertrages führt (vgl. BFH-Urteil vom 15.09.2010 - X R 13/09 BFHE 231, 116, BStBl II 2011, 641).