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  • 26.11.2013

    Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 24.04.2013 – 1 K 1156/12

    1. Sind die beteiligten inländischen Unternehmer von einem „Sale-and-lease-Back”-Geschäft ausgegangen und wurde die angenommene
    Lieferung der Ware an den Leistungsempfänger ordnungsgemäß der Umsatzsteuer unterworfen, wird das das Sale-and-lease-back-Geschäft
    aber später vom FA steuerlich nicht mehr anerkannt, berichtigt nunmehr der „liefernde” Unternehmer die Rechnung für die ursprünglich
    angenommene Lieferung und wird wegen der zwischenzeitlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des ehedem
    „liefernden”, nun zahlungsunfähgen Unternehmers die Umsatzsteuer infolge der Rechnungsberichtigung an die Insolvenzmasse erstattet,
    so kann der ursprüngliche Leistungsempfänger aus dem Reemtsma-Urteil des EuGH (vom 15.3.2007 – C-35/05) sowie den Grundsätzen
    der Neutralität und Effektivität der Mehrwertsteuer keinen unmittelbaren Anspruch gegenüber dem für den leistenden Unternehmer
    zuständigen FA auf Erstattung der Umsatzsteuer ableiten, die er als Kaufpreisbestandteil im Rahmen der Sale-and-lease-back-Geschäfte
    an den liefernden Unternehmer und den dieser wiederum nach entsprechender Selbstfestsetzung (Anmeldung bzw. Erklärung der
    Umsatzsteuer gem. § 18 Abs. 1, 3 UStG) an das FA gezahlt hat.


    2. § 37 Abs. 2 S. 1 AO verstößt weder gegen das Grundgesetz noch gegen Europarecht und bedarf auch keiner (europarechtskonformen)
    Auslegung unter Beachtung des Anwendungsvorrangs des Europarechts.


    IM NAMEN DES VOLKES

    URTEIL

    In dem Rechtsstreit


    hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Richter am Finanzgericht Hardenbicker als Vorsitzender, die Richterin
    am Finanzgericht Eggers-von Wittenburg, den Richter am Finanzgericht Dr. Bartone sowie die ehrenamtlichen Richter Backes (Hauptgeschäftsführer)
    und Stahl (Unternehmerin) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. April 2013 für Recht erkannt:


    Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides betreffend ein von der Klägerin begehrtes Erstattungsguthaben
    aus überzahlter Umsatzsteuer.


    Die Klägerin gehört der so genannten „…-Gruppe” an. Dies ist eine Gruppe von ca. 500 Kommanditgesellschaften, bei denen die
    Kommanditisten natürliche Personen aus dem gesamten Bundesgebiet sind, während die Komplementärin in allen Gesellschaften
    zunächst die …-Geschäftsführungs-GmbH war (BP-Akte P, Bl. 38). Mit Wirkung zum 31. August 2008 schied die Komplementärin aus
    der Klägerin aus und die … Inc., … vertreten durch Frau… wurde Komplementärin der Klägerin. Einziger Kommanditist ist … (Bl.
    23). Unternehmenszweck der Klägerin ist der Handel, die Vermietung und das Leasing von beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgütern
    (Bl. 23).


    Im Jahr 2006 schloss die Klägerin – wie auch zu verschiedenen Zeitpunkten die anderen …-Gesellschaften – mit der „… GmbH”
    in (nachfolgend P) einen Vertrag über den Ankauf und die Rückvermietung so genannter …systeme („Sale-and-lease-Back”). Der
    Kauf – wie auch die entsprechenden Miet- bzw. Leasingzahlungen – wurden als umsatzsteuerpflichtige Geschäfte behandelt. P
    wies die auf den Verkauf entfallende Umsatzsteuer in den Rechnungen offen aus und führte sie an den Beklagten als zuständiges
    Finanzamt ab. Die Klägerin als Leistungsempfängerin machte die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Für die Rückvermietungen
    durch die Klägerin an P wurde von der Klägerin Umsatzsteuer angemeldet und von P Vorsteuer geltend gemacht. Nach den Feststellungen
    des für einige …-Gesellschaften zuständigen Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung … (vgl. Bericht vom … 2008 – BP-Akte
    bei P Bl. 42 ff.) stellte der Verkauf der …systeme von P an die Klägerin keine Lieferungen i.S.v. § 3 Abs. 1 UStG dar, da
    es an der Verschaffung der Verfügungsmacht scheitere. In Abstimmung mit den für die Besteuerung der …-Gesellschaften zuständigen
    Finanzbehörden erkannte der Beklagte die Kauf- und Leasingverträge zwischen P und der Klägerin steuerlich nicht an. Die von
    P ausgewiesene Umsatzsteuer wurde als ungerechtfertigter Steuerausweis gem. § 14c Abs. 1 UStG angesehen. P machte von der
    Möglichkeit der Rechnungsberichtigung gemäß § 14c Abs. 1 S. 2 UStG Gebrauch und korrigierte den Steuerausweis mit Schreiben
    vom 29. Dezember 2008, auch für die Klägerin. Der Zugang dieser Schreiben wird von der Klägerin bestritten.


    Mit Beschluss des Amtsgerichts … (…/09) vom … 2009 wurde über das Vermögen von P das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit
    eröffnet und Rechtsanwalt … zum Insolvenzverwalter bestellt (USt-Akte P 2008, Bl. 30). Nachdem die jeweiligen für die …-Gesellschaften
    zuständigen Finanzbehörden bestätigten, dass keine Steuergefährdung (hinsichtlich der Vorsteuer) mehr gegeben sei, erstattete
    der Beklagte die Umsatzsteuer auf Antrag an die Insolvenzmasse. Die Nichtanerkennung der Vorsteuerbeträge bei den …-Gesellschaften
    blieb unangefochten.


    Im Einzelnen handelt es sich um folgende Beträge (in EUR):

    Rechnung vom:NettobetragUStvom Bekl. erstattet/ am:
    … 20071.970374,30374,30 –… April 2012
    (Rbh-Akte Bl. 3 bzw. FG-Akte Bl. 45, 54).

    Am 17. März 2011 stellte die Klägerin beim Beklagten den „Antrag auf Rückerstattung bzw. Verrechnung” der Umsatzsteuer (Bl.
    16), den der Beklagte am 15. Juni 2011 ablehnte (Bl. 14 f.). Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung
    vom 19. April 2012 (Bl. 5 ff.) als unbegründet zurückgewiesen.


    Am 14. Mai 2012 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben. Sie beantragt,

    den Abrechnungsbescheid vom … 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … 2012 dahingehend zu ändern, dass ein Erstattungsbetrag
    aus Umsatzsteuer in Höhe von 374,30 EUR ausgewiesen wird.


    Zur Begründung führt sie im Wesentlichen Folgendes aus:

    Gestützt auf die Rechtsprechung des EuGH (Rs. C 35/05 – Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH) habe die Klägerin als Leistungsempfängerin
    einen unmittelbaren Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten. Der EuGH habe entschieden, dass dem Grundsatz der Neutralität
    und Effektivität der Mehrwertsteuer genügt sei, wenn der Leistende die Erstattung der irrtümlich an die Steuerbehörde gezahlten
    Mehrwertsteuer verlangen und der Leistungsempfänger eine zivilrechtliche Klage gegen den Leistenden einlegen könne. Sei die
    Erstattung der Mehrwertsteuer aber unmöglich oder übermäßig erschwert, so etwa im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Leistenden,
    könne der Antrag auf Erstattung unmittelbar an die Steuerbehörde gerichtet werden.


    Der BFH habe mit Urteil vom 11. Juli 2007 (V R 27/05, BStBl II 2008, 438) entschieden, dass die Frage der Erstattung von Umsatzsteuerbeträgen
    nach der EuGH-Rechtsprechung nicht nur für Steuerausländer, sondern für alle Steuerpflichtigen gelte, wenn entsprechende Fälle
    eines unrichtigen Steuerausweises vorlägen.


    Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt. Zwar könne die Klägerin eine Zivilklage gegen P einreichen. Aufgrund der Eröffnung
    des Insolvenzverfahrens und der damit verbundenen Zahlungsunfähigkeit von P bei Verbindlichkeiten von über … Mio. EUR würde
    die entsprechende Klage aber nicht zur Zahlung der Umsatzsteuer durch P führen (Bl. 25 ff.).


    Die Umsatzsteuer sei auch nicht bewusst unzutreffend ausgewiesen worden. Aus den Rechnungskorrekturen sei für die …-Gesellschaften
    klar ersichtlich, dass P ursprünglich von Lieferungen ausgegangen sei und die Rechnungsaufhebung von der Finanzverwaltung
    ausgegangen sei. Bei dem Kaufvertrag mit anschließendem Leasing handele es sich auch nicht um ein Finanzierungsgeschäft. Weder
    aus den Verkaufsprospekten noch aus den Äußerungen der Verkäufer ergebe sich ein Anhaltspunkt hierfür (Bl. 24 ff.).


    Von der Rechnungskorrektur habe die Komplementärin der Klägerin als Geschäftsführerin erst mit Schreiben des Finanzamts …
    vom … 2010 erfahren. Sie habe das behauptete Schreiben der P vom … 2008 nicht erhalten (Bl. 24 ff.). Hätte die Komplementär-GmbH
    die Rechnungsstornierung erhalten, hätte sie die Rückerstattung bei P unmittelbar beantragt (Bl. 56). Die Anforderung der
    Rechnungsstornierungen beim Finanzamt … hätte keinen Sinn gemacht, wenn sie der Komplementärin vorgelegen hätten (Bl. 55).
    Gleiches gelte für die Anforderung beim Insolvenzverwalter durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am … 2010, auf die
    er im Übrigen keine Reaktion erhalten habe.


    Da der Klägerin bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des P noch nicht bekannt gewesen sei, dass die
    Rechnungen storniert worden seien, seien die Umsatzsteuer-Beträge auch nicht zur Insolvenztabelle angemeldet worden. Hier
    seien nur ausstehende Leasingraten angemeldet worden.


    Was die Leasingraten angehe, so habe die Klägerin auf die Steuerbefreiung für Kreditumsätze verzichtet, mit der Folge, dass
    die Leasingraten weiterhin umsatzsteuerpflichtig gewesen seien. Folglich habe auch für P weiterhin der Vorsteuererstattungsanspruch
    bestanden, so dass diesbezüglich für P auch keine Verrechnungsmöglichkeit mit Vorsteuerbeträgen bestanden habe.


    Der Beklagte sei im Zeitpunkt der Antragstellung auch noch mit der Umsatzsteuer bereichert gewesen.

    Der Erstattung an die Klägerin stehe auch das Insolvenzrecht nicht entgegen (Bl. 56).

    Es sei nicht bewiesen, dass es sich bei der damaligen Geschäftsführerin von P um die Lebensgefährtin eines Gesellschafter-Geschäftsführers
    gehandelt habe und somit kein Interessengegensatz bestanden haben soll. Selbst wenn es sich um Lebensgefährten gehandelt hätte,
    so hätten nicht nur diese zwei Personen, sondern auch der jeweilige Kommanditist tatsächlich an den Entscheidungen der Gesellschaft
    mitgewirkt. Dies belege auch der Verkaufsprospekt.


    Der Vorwurf, die Preise für die erworbenen …systeme sei überhöht, sei unzutreffend. Der Gesamtpreis für eine Investition setze
    sich aus vielen Leistungen zusammen (Bl. 57 ff.).


    Der Beklagte beantragt,

    die Klage als unbegründet abzuweisen.

    Seinen Antrag begründet er im Wesentlichen damit, dass sich aus den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes kein direkter Erstattungsanspruch
    des Leistungsempfängers ergebe. Das Urteil des EuGH in der Rechtssache Reemtsma sei vorliegend nicht anwendbar. Zwar werde
    aus dieser Entscheidung im Schrifttum teilweise abgeleitet, dass insbesondere im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Leistenden
    ein Direktanspruch des Leistungsempfängers gegen die Finanzbehörde bestehe. Auch der BFH beziehe sich auf die Reemtsma-Entscheidung.


    Vorliegend sei davon auszugehen, dass der Klägerin die Rückgängigmachung des Umsatzsteuerausweises durch die Stornierungen
    der Rechnungen bereits zum Ende 2008 und damit längere Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bekannt gewesen sei. Denn
    das Schreiben der P datiere vom … 2008. Die Klägerin habe aber keine Klage gegen P erhoben.


    Es sei ebenfalls davon auszugehen, da dem Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen P zumindest teilweise auch gleich gelagerte
    Ansprüche der P gegenüber der Klägerin gegenüber standen. Denn aufgrund der Nichtanerkennung der Sale-and-Lease-Back-Verträge
    sei davon auszugehen, dass die Klägerin – ebenso wie die anderen …-Gesellschaften – die Umsatzsteuer-Ausweise aus der Rechnungstellung
    der Leasingraten berichtigt habe. Insoweit hätte eine Aufrechnungslage bestanden. Angaben über die entsprechenden Beträge
    habe die Klägerin nicht gemacht.


    Ein Erstattungsanspruch scheitere vorliegend auch daran, dass P die Umsatzsteuer nicht irrtümlich, sondern mit Wissen der
    Beteiligten, also rechtsmissbräuchlich ausgewiesen habe. Aus den Feststellungen der Betriebsprüfungen bei der …-Gruppe seien
    die Vertragsgestaltungen im Zusammenwirken der für alle …-Gesellschaften handelnden Komplementär-GmbH und P entwickelt worden.
    Ein Einfluss der Kommanditisten sei nach dem Verkaufsprospekt (Bp-A' bei P, Bl. 108 bis 119) nicht gegeben gewesen. Es habe
    damit kein zwischen fremden Dritten üblicher Interessengegensatz bestanden. Dies werde dadurch unterstützt, dass es sich bei
    der damaligen Geschäftsführerin der P offenbar um die Lebensgefährtin eines Gesellschafter-Geschäftsführers der Komplementär-GmbH
    bei den …-Gesellschaftern gehandelt habe (Bl. 38). Daraus werde deutlich, dass es sich nicht um ein Sale-and-Lease-Back-Geschäft
    sondern um ein reines Finanzierungsgeschäft gehandelt habe. Ein Gutglaubensschutz, den die Reemtsma-Entscheidung fordere,
    bestehe vorliegend daher nicht.


    Überdies sei die Erstattung auch durch das vorrangige Insolvenzrecht ausgeschlossen. Nach § 35 Abs. 1 InsO erfasse das Insolvenzverfahren
    das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehöre und das er während des Verfahrens erlangt
    habe. Es komme nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im steuerrechtlichen Sinne
    entstanden gewesen sei, sondern darauf, ob in diesem Zeitpunkt nach insolvenzrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den
    Anspruch bereits gelegt gewesen sei. Vorliegend hätten die Erstattungsansprüche aus den Berichtigungen nach § 14c Abs. 1 S.
    2 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG zur Insolvenzmasse gehört. Unbeschadet der nach §§ 94 ff. InsO bestehenden Aufrechnungsmöglichkeiten
    habe der Beklagte seit Bekanntgabe der Verfügungsbeschränkungen im Insolvenzeröffnungsverfahren (Beschluss vom 30. Juli 2009)
    Erstattungsbeträge nur noch an die Insolvenzmasse leisten dürfen. Bereicherungsansprüche könne die Klägerin insoweit nur gegen
    die Insolvenzmasse richten. Ansonsten entstünden Wertungswidersprüche zwischen Steuer- und Insolvenzrecht.


    Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten
    auch hinsichtlich der P (vgl. Bl. 54) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.


    Entscheidungsgründe

    Die Klage ist als Änderungsanfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben.
    Sie ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Abrechnungsbescheid, der kein Guthaben zugunsten der Klägerin ausweist, ist rechtmäßig.


    I. Nach § 218 Abs. 2 Satz 2 AO entscheidet die Finanzbehörde über Streitigkeiten, die die Verwirklichung der Ansprüche aus dem
    Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) betreffen, durch Verwaltungsakt (Abrechnungsbescheid). Dies gilt auch, wenn die Streitigkeit
    einen Erstattungsanspruch (§ 37 Abs. 2 AO) betrifft. Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche
    Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung
    bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags (§
    37 Abs. 2 S. 1 AO). Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall
    der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner
    37 Abs. 2 S. 2, 3 AO).


    Erstattungsberechtigt ist – von den hier erkennbar nicht vorliegenden Fällen der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung abgesehen
    – der Steuerpflichtige, für dessen Rechnung die Zahlung geleistet worden ist, also dessen (möglicherweise nur vermeintliche)
    Schuld nach dem erkennbaren Willen des Zahlenden im Zeitpunkt der Zahlung getilgt werden sollte (Drüen in Tipke/Kruse, Kommentar
    zur AO/FGO, Rz. 58, 63 zu § 37 AO m.w.N.).


    II. Vorliegend weist der Abrechnungsbescheid vom 15. Juni 2011 zu Recht kein Erstattungsguthaben gegenüber der Klägerin aus.
    Denn der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten keine Erstattung zu.


    1. Die Klägerin begehrt in dem Abrechnungsbescheid den Ausweis des von ihr bezifferten Guthabens. Sie sieht sich als Inhaberin
    eines Direktanspruchs gegenüber dem Beklagten auf Erstattung des Umsatzsteuerbetrages, den sie als Kaufpreisbestandteil im
    Rahmen der Sale-and-lease-back-Geschäfte an P und den P wiederum nach entsprechender Selbstfestsetzung (Anmeldung bzw. Erklärung
    der Umsatzsteuer gem. § 18 Abs. 1, 3 UStG) an den Beklagten gezahlt hat. Da die Klägerin ein kollusives Zusammenwirken mit
    P und damit eine Kenntnis von der Nichtsteuerbarkeit des Geschäftes mit P bestreitet, steht ihr aus ihrer Sicht grundsätzlich
    ein Anspruch gegen P aus ungerechtfertigter Bereicherung gem. § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt, S. 2 BGB zu. Da sie dessen Erfüllung
    infolge der Insolvenz des P als unmöglich ansieht, verfolgt sie – nachdem P die entsprechenden Rechnungen gegenüber der Klägerin
    berichtigt hat und seinerseits einen Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Finanzamt geltend macht – in der Sache den Direktanspruch
    gegenüber dem Beklagten.


    2. Der Klägerin steht eine Erstattung durch den Beklagten aber nicht zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus den nationalen
    materiellen Steuergesetzen, noch unmittelbar aus der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (Richtlinie 2006/112/EG vom 28. November
    2006 – ABl. EU Nr. L 347, 1; ABl. EU 2007 L 335, 60), auf die sich die Klägerin etwa im Falle unzureichender Umsetzung in
    innerstaatliches Recht oder infolge des Anwendungsvorrangs von EU-Recht unmittelbar berufen könnte (vgl. EuGH vom 26. Januar
    1999 C-18/95, Terhoeve, Slg 1999, I-345).


    Insbesondere steht der Klägerin die Erstattung des oben genannten, im Ergebnis ohne Rechtsgrund gezahlten Umsatzsteuerbetrags
    nicht nach § 37 Abs. 2 AO zu. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO weist den Erstattungsanspruch aus Überzahlungen demjenigen zu, auf dessen
    Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Dies ist vorliegend P. Dieser hatte die Umsatzsteuer zur Begleichung seiner (vermeintlichen)
    Steuerschuld aus den Sale-and-lease-back-Geschäften, die fehlerhaft als steuerpflichtige Umsätze i.S.v. §§ 1 Abs. 1 Nr. 1,
    3 Abs. 1 UStG behandelt wurden, an den Beklagten entrichtet. Bis zur Berichtigung der Steueranmeldungen bzw. Steuererklärungen
    schuldete P die in den Rechnungen an die Klägerin ausgewiesene Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG. Nach der inzwischen durchgeführten
    Berichtigung der Steuerfestsetzungen gem. §§ 14c Abs. 1 S. 2, 17 UStG besteht insoweit keine Umsatzsteuerschuld des P mehr.
    Für die bereits entrichtete Umsatzsteuer besteht danach kein Rechtsgrund für den Beklagten mehr, die Beträge zu behalten.
    § 37 Abs. 2 AO regelt keinen Anspruch des Leistungsempfängers (hier der Klägerin) auf Auszahlung an ihn.


    Der Senat hat keine verfassungsrechtlichen Zweifel an § 37 Abs. 2 Satz 1 AO. Er ist auch davon überzeugt, dass die Norm in
    Einklang mit dem Europarecht steht und keiner anderen (europarechtskonformen) Auslegung unter Beachtung des Anwendungsvorrangs
    des Europarechts bedarf (vgl. hierzu allgemein BFH vom 20. September 2006 I R 113/03, BFH/NV 2007, 220; vom 17. Juli 2008
    X R 62/04, BStBl II 2008, 976; vom 22. Juli 2008 VIII R 101/02, BFH/NV 2008, 1747; zur Beschränkung der Freizügigkeit z.B.
    EuGH vom 26. Januar 1999 C-18/95, Terhoeve, Slg 1999, I-345, Randnr. 56 f.). Insbesondere folgt aus der Rechtsprechung des
    EuGH vom 15. März 2007 in der Rs. Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH (C-35/05), auf die sich die Klägerin stützt, vorliegend
    keine andere Beurteilung.


    2.1. Der EuGH hat in der Rechtssache Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH, einer Gesellschaft mit Sitz in Deutschland, entschieden,
    dass dem Grundsatz der Neutralität und Effektivität der Mehrwertsteuer genügt sei, wenn „nur der Leistende die Erstattung
    der irrtümlich an die Steuerbehörden bezahlten Mehrwertsteuer verlangen kann und der Leistungsempfänger eine zivilrechtliche
    Klage gegen den Leistenden auf Rückzahlung der rechtsgrundlos bezahlten Beträge hat. Nur wenn die Erstattung der Mehrwertsteuer
    unmöglich oder übermäßig erschwert wird, müssen die Mitgliedstaaten, damit der Grundsatz der Effektivität gewahrt wird, die
    erforderlichen Mittel vorsehen, die es dem Leistungsempfänger ermöglichen, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer erstattet
    zu bekommen”.


    Die Entscheidung bestätigt zunächst den von der Bundesrepublik Deutschland umgesetzten Verfahrensablauf, der einerseits den
    an einem umsatzsteuerlich als Leistungsaustausch gem. § 1 Abs. 1 UStG zu qualifizierenden Kaufgeschäft beteiligten Zivilparteien
    über das zivilgerichtliche Klageverfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit die erforderlichen Möglichkeiten zur Verfügung
    stellt, aus dem Rechtsgeschäft resultierende Ansprüche (z.B. wegen Leistungsstörungen o.ä.) gerichtlich durchzusetzen, und
    andererseits den steuerlich Berechtigten und Verpflichteten im Rahmen eines in § 18 UStG normierten Besteuerungsverfahrens
    die Möglichkeit gibt, Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durchzusetzen.


    Soweit die „Reemtma-Entscheidung” – soweit erkennbar – erstmals einen Direktanspruch eines „Geschädigten” auf Erstattung von
    Umsatzsteuer durch die Finanzbehörden bestätigt, so ist zu beachten, dass die Entscheidung zu einem Vorsteuervergütungsverfahren
    entsprechend der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß
    der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige
    (ABl. EU L 44 S. 23) ergangen ist. In dem dortigen Entscheidungssachverhalt erhielt die Reemtsma GmbH mit Sitz in Deutschland
    und ohne ständige Niederlassung in Italien von einem in Italien ansässigen Unternehmer Werbe- und Marketingleistungen, für
    die der Leistende Mehrwertsteuer offen in Rechnung stellte, die Reemtsma auch an den Leistenden zahlte und die dieser an den
    italienischen Fiskus entrichtete. Reemtsma beantragte in Italien vergeblich, die gezahlte Mehrwertsteuer als Vorsteuer erstattet
    zu bekommen, wobei Reemtsma darauf hinwies, dass die Leistungen nicht in Italien (sondern in Deutschland) steuerpflichtig
    gewesen seien.


    2.2. Die allgemeinen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zugrunde liegenden Grundsätze der Neutralität und Effektivität der Mehrwertsteuer,
    die ihre Konkretisierung durch die Rechtsprechung des EuGH erfahren, rechtfertigen vorliegend keine entsprechende Anwendung
    des vom EuGH in der Rechtssache Reemtsma geprägten Rechtssatzes.


    2.2.1. Die der Reemtsma-Entscheidung des EuGH zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation ist mit der Vorliegenden schon im Ansatz
    nicht vergleichbar. Anders als in dem Fall der Reemtsma GmbH befindet sich die Klägerin vorliegend nicht in einem Vorsteuervergütungsverfahren
    entsprechend § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV, in dem sie bereits einen eigenen direkten und unmittelbaren Anspruch
    auf Erstattung von Vorsteuer gegen den Beklagten hätte. Demzufolge erfuhren die Grundsätze der Neutralität und der Effektivität
    der Mehrwertsteuer in der Reemtsma-Entscheidung eine speziell zu Art. 2 und 5 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates
    vom 6. Dezember 1979 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Verfahren zur Erstattung
    von Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige – inzwischen: Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom 12. Februar
    2008 zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung,
    sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige – ABl. EU L 44 S. 23) ergangene Konkretisierung durch diese
    Rechtsprechung.


    2.2.2. Zwar wird in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Reemtsma bei der Prüfung des
    Grundsatzes der Neutralität der Umsatzsteuer auch in Bezug auf andere, rein inländische Fallkonstellationen herangezogen (vgl.
    BFH vom 11. Oktober 2007 V R 27/05, BStBl II 2008, 438; FG Hamburg vom 23. März 2009 6 K 80/08, EFG 2009, 1163). In diesen
    rein inländischen Sachverhaltskonstellationen war Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung jedoch die Festsetzung der Umsatzsteuer,
    namentlich die Frage der Rechtmäßigkeit der Vorsteuerberichtigung beim Leistungsempfänger, und auch in diesen Fällen wurde
    ein auf die Reemtsma-Entscheidung gestützter Anspruch im Ergebnis verneint. In der Rechtsprechung wurde – soweit ersichtlich
    – losgelöst von dem Besteuerungsverfahren beim Leistungsempfänger kein Anspruch des Leistungsempfängers gegen das Finanzamt
    des Leistenden auf Grundlage der Reemtsma-Entscheidung bestätigt.


    2.2.3. Teile der Literatur hingegen befürworten die Anwendung des Rechtssatzes aus der „Reemtsma-Entscheidung” auch auf inländische
    Sachverhaltskonstellationen wie der Vorliegenden (vgl. Burgmaier, UR 2007, 343; Stadie, UR 2007, 430), ohne allerdings den
    konkreten Ansatz für eine Rechtsgrundlage zu benennen. So wird argumentiert, der Anspruch des Leistungsempfängers (hier der
    Klägerin) könne nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, dass nur der Leistende (hier P) Steuerschuldner sei und daher
    nur in dem Verhältnis zwischen Finanzamt und Leistendem die Steuer berichtigt werden könne. Um den Leistungsempfänger beziehungsweise
    das Finanzamt zu schützen, sei davon auszugehen, dass dem Leistenden ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Finanzamt nur zustehe,
    wenn er die unrichtig ausgewiesene Umsatzsteuer dem Rechnungsempfänger nachweislich zurückgezahlt habe. Nur dadurch könne
    letztlich verhindert werden, dass der Leistende den Erstattungsanspruch geltend mache, das Geld aber nicht an den Leistungsempfänger
    zurückbezahlt würde. Das Finanzamt müsse daher im eigenen Interesse diese Voraussetzung (Rückzahlung der unrichtig ausgewiesenen
    Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger) prüfen, da sonst das Risiko bestehe, dass der Leistungsempfänger seinen Direktanspruch
    geltend mache, wenn die Rückforderung der Mehrwertsteuer vom Leistenden unmöglich oder übermäßig erschwert werde.


    2.2.4. Die Literaturmeinung überzeugt nicht.


    2.2.4.1. Der EuGH hat zwar klargestellt, dass ein Steuerpflichtiger sich im Einzelfall unmittelbar auf den Grundsatz der Neutralität
    der Mehrwertsteuer berufen kann, um einer nationalen Bestimmung entgegenzutreten, deren Einhaltung dem Grundsatz der Neutralität
    wiederspräche (so EuGH vom 11. April 2013 Rs. C-138/12, DStR 2013, 857 zur Frage des Erstattungsverlangens eines Leistenden
    bei zu viel entrichteter fälschlich ausgewiesener Mehrwertsteuer bei fehlender Berichtigungsmöglichkeit).


    Allein aus dem Grundsatz der Effektivität und der Neutralität der Mehrwertsteuer lässt sich aber keine Rechtsgrundlage für
    einen direkten Anspruch des Leistungsempfängers – außerhalb des eigenen Besteuerungsverfahrens oder eines anderen nach dem
    deutschen Umsatzsteuergesetz vorgesehenen Steuerschuldverhältnis – herleiten. Einen solchen Rechtssatz hat auch der EuGH nicht
    aufgestellt. Der Senat versteht die Ausführungen des EuGH in der Rechtssache Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH dahingehend,
    dass im eigenen Besteuerungsverfahren des Leistungsempfängers oder auch im eigenen Verfahren der Vorsteuervergütung entsprechend
    § 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV die dargestellten Grundsätze zu beachten sind. Dies bedeutet allerdings nicht, dass
    die dargestellten Grundsätze dazu dienen sollen, eine Rechtsgrundlage für einen Erstattungsanspruch gegenüber einem von der
    betreffenden Behörde „vertretenen” Land, mit dem – losgelöst von dem betreffenden Verfahren – noch kein Steuerschuldverhältnis
    besteht, erst zu begründen. Anderenfalls käme dem europäischen Mehrwertsteuersystem die ungewollte Funktion zu, einen originär
    gegenüber dem leistenden Unternehmer bestehenden Kondiktionsanspruch (aus § 812 BGB) in einen steuerschuldrechtlichen Direktanspruch
    gegenüber einem anderen Finanzamt umzuqualifizieren. Hierfür besteht aber auch nach der Reemtsma-Entscheidung keinerlei Notwendigkeit.
    Denn jedenfalls dann, wenn die Mitgliedsstaaten – wie Deutschland in § 18 UStG – ein umsatzsteuerliches Besteuerungsverfahren
    für den Leistenden einerseits und ein umsatzsteuerliches Besteuerungsverfahren für den Leistungsempfänger andererseits geregelt
    haben, so kann und muss im Rahmen dieser beiden Besteuerungsverfahren auf Grund des Anwendungsvorrangs des Europarechts auch
    der Grundsatz der Effektivität und der Neutralität der Mehrwertsteuer beachtet und das hierfür Erforderliche umgesetzt werden.
    Bestehen diese Verfahren – wie vorliegend –, so besteht daneben allerdings kein Raum dafür, ein weiteres Verfahren (Direktanspruch
    des Leistungsempfängers gegenüber dem für den Leistenden zuständigen Finanzamt) zu konstruieren.


    2.2.4.2. Bejahte man – wie die Literaturmeinung – einen Direktanspruch des Leistungsempfängers, so entstünde eine Anspruchskonkurrenz
    zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger. Beide könnten danach die Erstattung vom Finanzamt des Leistenden fordern.
    Dem steht auch der Vorschlag der Literaturmeinung, die Erstattung an den Leistenden von dem Nachweis abhängig zu machen, dass
    der Leistende seinerseits dem Leistungsempfänger die zu Unrecht erhaltene Umsatzsteuer erstattet hat, nicht entgegen. Ein
    solcher Zahlungsvorbehalt ergibt sich aus den nationalen Vorschriften gerade nicht. Danach kann der Leistende (hier P), dessen
    Rückzahlungsanspruch sich unmittelbar aus den nationalen Vorschriften ergibt (siehe obige Darstellung), die Rückzahlung des
    überzahlten Betrags vom Finanzamt fordern, ungeachtet der Erfüllung der zivilrechtlichen Rückzahlungspflicht gegenüber dem
    Leistungsempfänger. Nach der Literaturmeinung könnte das Finanzamt des Leistenden aber nicht mit schuldbefreiender Wirkung
    an den Leistenden zahlen. Im Ergebnis führte dies zu einer „Garantiehaftung” bzw. „Durchgriffshaftung” des Finanzamts des
    Leistenden, welches mitunter den Betrag zweimal zahlen müsste. Dies ist jedoch in jeder Hinsicht abzulehnen. Für ein solches
    Ergebnis findet sich auch keinerlei Grundlage. Die Grundprinzipien des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, hier namentlich
    der Neutralität der Mehrwertsteuer, würden bei einer derartigen Maßnahme vollständig missachtet. Zudem würde dies der Sicherung
    des Umsatzsteueraufkommens zuwiderlaufen. Die Mitgliedsstaaten sind aber gerade gehalten, Maßnahmen zu erlassen, um eine genaue
    Erhebung der Steuer sicherzustellen (vgl. EuGH vom 18. Juni 2009, Rs. Stadeco C-566/07, Slg. 2009, I-5295 m.w.N.). Dies hat
    die Bundesrepublik Deutschland durch die Schaffung der beiden Besteuerungsverfahren hinreichend getan.


    2.2.4.3. Ungeachtet dessen stünde eine solche Handhabung wie von der Literaturmeinung gefordert auch in Widerspruch zur innerstaatlichen
    Rechtsordnung und den entsprechenden Grundprinzipien. So könnte es im Falle eines Direktanspruchs des Leistungsempfängers
    gegenüber dem Finanzamt des Leistenden im Einzelfall zu einer ungerechtfertigten Bevorteilung des Leistungsempfängers gegenüber
    anderen Gläubigern des Leistenden kommen, so etwa gerade in dem vom EuGH angesprochenen Fall der Insolvenz des Leistenden.
    Mit der Insolvenzeröffnung werden alle persönlichen Gläubiger des Schuldners, die einen zu dieser Zeit begründeten Vermögensanspruch
    gegen ihn haben, zu Insolvenzgläubigern (§ 38 InsO). Ihre Ansprüche werden folglich Insolvenzforderungen, die grundsätzlich
    nur nach Maßgabe der Vorschriften für das Insolvenzverfahrens verfolgt und befriedigt werden können. Die individuelle Sicherstellung
    oder Befriedigung von Forderungen außerhalb des Insolvenzverfahrens ist verboten. Diese insolvenzrechtlichen Grundsätze würden
    missachtet, wenn der Leistungsempfänger im Wege dieser Art „Durchgriffshaftung” seinen (originär zivilrechtlichen) Anspruch
    vom Finanzamt des Leistenden vollständig befriedigt erhielt, während die übrigen Insolvenzgläubiger auf die Insolvenzmasse
    – und damit in aller Regel auf eine nur quotale Befriedigung – verwiesen sind. Den Leistenden als „Steuereinnehmer” für Rechnung
    des Staates anzusehen mit der Folge, dass sich der Staat die Zahlungsunfähigkeit seines Gehilfen zurechnen lassen muss, wie
    in der Literatur zuweilen vertreten wird (vgl. Stadie, UR 2007, 430, 431), überzeugt nicht. Denn auf diese Weise würde das
    Insolvenzrisiko vollständig auf das Land und damit auf die Allgemeinheit abgewälzt, wofür jegliche Grundlage fehlt. Dies stellt
    im Ergebnis nicht die Erfüllung, sondern eine Verletzung des Grundsatzes der Neutralität der Umsatzsteuer dar.


    3. Da nach dem Vorstehenden bereits keine Rechtsgrundlage für einen Erstattungsanspruch der Klägerin, der im Wege des Abrechnungsbescheides
    auszuweisen wäre, bestand und insbesondere die Rechtssätze des Direktanspruchs, die der EuGH in der Rechtssache Reemtsma aufgestellt
    hat, auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sind, kam es für die Entscheidung nicht darauf an, ob die Voraussetzungen,
    die der EuGH in der Reemtsa-Entscheidung fordert (irrtümlicher Umsatzsteuerausweis, übermäßig erschwerte Möglichkeit oder
    Unmöglichkeit der Erstattung durch den Leistenden) vorliegend erfüllt waren.


    III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.


    IV. Der Senat lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zu, ob nach den
    europarechtlichen Grundsätzen der Effektivität und der Neutralität der Mehrwertsteuer – in Anlehnung an die Entscheidung des
    EuGH in der Rechtssache Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH – ein Anspruch eines Unternehmers als Leistungsempfänger gegenüber
    dem Land, „vertreten durch” das Finanzamt des leistenden Unternehmers, auf Erstattung von zu Unrecht erhobener Umsatzsteuer
    besteht, die der Leistungsempfänger an den Leistenden gezahlt und die dieser wiederum an das für ihn zuständige Finanzamt
    entrichtet hat, wenn der Umsatzsteuerausweis später korrigiert und die Umsatzsteuerfestsetzung beim Leistenden berichtigt
    wurde und wenn der leistende Unternehmer insolvent wird.


    Da der Senat keinen Zweifel an der Vereinbarkeit der entscheidungserheblichen nationalen Normen mit dem Europarecht hat, unterbleibt
    ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gem. § 267 Abs. 2 AEUV.

    VorschriftenAO § 218 Abs. 2 S. 2, AO § 37 Abs. 2 S. 1, UStG § 14c Abs. 1 S. 2, UStG § 17 Abs. 1, UStG § 18 Abs. 1, UStG § 18 Abs. 3, BGB § 812 Abs. 1, InsO § 35 Abs. 1

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