Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 20.11.2014 · IWW-Abrufnummer 173108

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 26.06.2014 – VI R 59/13




    Gründe

    1


    I. Streitig ist, ob ein Wohnen am Beschäftigungsort im Sinne einer doppelten Haushaltsführung vorliegt.


    2


    Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute und wurden für die Streitjahre (2010 und 2011) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Professor für ... an der Hochschule in X und bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die Klägerin bezieht als angestellte Buchhändlerin im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses ebenfalls Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Beschäftigungsort der Klägerin und Familienwohnsitz der Kläger mit den beiden gemeinsamen Kindern ist Y.


    3


    Bereits im Jahr 2007 wechselte der Kläger von A an die Universität nach X, als er dort die Möglichkeit erhielt, vertretungsweise einen Lehrstuhl zu übernehmen. Um sich mit den Gepflogenheiten in X und der Universität vertraut machen zu können, nahm er eine Wohnung in der Nähe der Universität. Parallel zur Lehrstuhlvertretung durchlief der Kläger ein Berufungsverfahren für eine andere Professur an der Universität in X, die er dann im Herbst 2007 erhielt. Bereits im Spätsommer 2007 kündigte der Kläger seine Wohnung in X und suchte nach einer für sich geeigneten Wohnung in Z. Er entschied sich für Z deshalb, weil dort die ...bibliothek und auch die ...bibliothek ansässig sind, die im Fachbereich des Klägers sehr gut ausgestattet sind. In seinem Fachgebiet "..." besteht die Arbeit des Klägers im Wesentlichen im Literaturstudium. Die Bibliotheken sucht er dabei im Schnitt drei bis fünf Mal im Monat auf, wobei die Nutzung entsprechend seines Arbeitsfortschritts unterschiedlich intensiv ist. Maßgeblich ist aus Sicht des Klägers der schnellstmögliche Zugriff.


    4


    Die Lehrverpflichtungen des Klägers belaufen sich im Schnitt auf fünf Veranstaltungen pro Woche. Außerdem ist er geschäftsführender Direktor eines Instituts und so mit bestimmten Verwaltungsaufgaben und Verpflichtungen, z.B. an Fachbereichssitzungen teilzunehmen, betraut.


    5


    Die Entfernung der vom Kläger bewohnten Wohnung in Z zum Familienwohnsitz nach Y beträgt 47 km, die Entfernung zur Arbeitsstätte in X 83 km.


    6


    Die Wohnung in Z ist in einer Entfernung von ca. vier Kilometern zur ...bibliothek belegen. Die Autobahn nach X ist schnell zu erreichen.


    7


    In den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung als Werbungskosten geltend. Für 2010 beliefen sich die Aufwendungen auf insgesamt 9.164 EUR und für 2011 auf 8.078 EUR. Im Wesentlichen handelte es sich um die Kosten der Unterkunft des Klägers in Z, diverse Einrichtungsgegenstände und die Aufwendungen für die Heimfahrten nach Y. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte den geltend gemachten Werbungskostenabzug ab, weil die Wohnung in Z zu weit von der Arbeitsstelle in X entfernt sei und deshalb nicht als Wohnung am Beschäftigungsort des Klägers anerkannt werden könne.


    8


    Die dagegen gerichtete Klage war aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1744 veröffentlichten Gründen erfolgreich.


    9


    Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.


    10


    Es beantragt sinngemäß,


    das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    11


    Die Kläger beantragen,


    die Revision zurückzuweisen.

    12


    II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen ( § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Finanzgericht (FG) hat zu Recht entschieden, dass die von den Klägern geltend gemachten Kosten für die doppelte Haushaltsführung des Klägers als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.


    13


    1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Streitjahre (EStG) sind notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer aus beruflichem Anlass begründeten doppelten Haushaltsführung entstehen, Werbungskosten. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beschäftigt ist und auch am Beschäftigungsort wohnt. Der Senat hat in der Entscheidung vom 19. April 2012 VI R 59/11 (BFHE 237, 449, BStBl II 2012, 833 [BFH 19.04.2012 - VI R 59/11] ) die Auffassung vertreten, dass eine Wohnung dem Wohnen am Beschäftigungsort dient, wenn sie dem Arbeitnehmer ungeachtet von Gemeinde- oder Landesgrenzen ermöglicht, seine Arbeitsstätte täglich aufzusuchen. Die Entscheidung darüber, so der Senat weiter, ob die fragliche Wohnung in der Weise am Beschäftigungsort, nämlich so zur Arbeitsstätte gelegen ist, dass der Arbeitnehmer in zumutbarer Weise täglich von dort seine Arbeitsstätte aufsuchen kann, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG. Denn die Antwort darauf kann nur aufgrund der Berücksichtigung und Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles gegeben werden und ist insbesondere von den individuellen Verkehrsverbindungen zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte abhängig; dabei ist naturgemäß die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein wesentliches, allerdings nicht allein entscheidungserhebliches Merkmal.


    14


    Der Senat hält an seiner Auffassung fest. Er weist darauf hin, dass auch die Finanzverwaltung diese Rechtsprechung nicht in Frage stellt (s. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 30. September 2013, BStBl I 2013, 1279, Tz. 95).


    15


    2. Nach Maßgabe der im Urteil in BFHE 237, 449, BStBl II 2012, 833 [BFH 19.04.2012 - VI R 59/11] genannten Rechtsgrundlagen hat das FG zu Recht festgestellt, dass die fragliche Wohnung des Klägers in Z eine Wohnung am Beschäftigungsort im Sinne der doppelten Haushaltsführung darstellt.


    16


    Das FG hat festgestellt, dass der Kläger seinen Arbeitsplatz in X von seiner Wohnung in Z in weniger als einer Stunde erreichen kann. Es hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass es sich bei einer Entfernung von 83 km und einer Fahrzeit von weniger als einer Stunde um eine in der heutigen Zeit übliche Pendelstrecke und Pendelzeit handele. Dies entspricht, wie sich aus dem zitierten Urteil in BFHE 237, 449, BStBl II 2012, 833 [BFH 19.04.2012 - VI R 59/11] ergibt, auch der Auffassung des Senats.


    17


    Nach den weiteren Feststellungen des FG hat sich der Kläger für die Zweitwohnung in Z wegen der dort ansässigen Bibliotheken entschieden. Zu Recht hat das FG diesen Aspekt dahingehend gewürdigt, dass für die Standortwahl auch ein weiterer beruflicher Grund eine maßgebliche Rolle gespielt hat. Wenn das FG im Rahmen der Gesamtwürdigung demgegenüber dem Umstand, dass Z auch günstig zum Wohnort der Familie gelegen ist, eine mindere Bedeutung beigemessen hat, ist dies revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.


    18


    Soweit das FA in seiner Revisionsbegründung nicht die Rechtsauffassung des Senats in Frage gestellt hat, erschöpft sich diese darin, die Richtigkeit der vom FG vorgenommenen Tatsachenwürdigung zu bestreiten. Einen Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze vermag dies nicht zu begründen.


    19


    3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO .


    Vorschriften§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG, § 135 Abs. 2 FGO