21.11.2014 · IWW-Abrufnummer 143301
Finanzgericht Düsseldorf: Urteil vom 22.10.2014 – 7 K 451/14 E
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Düsseldorf
7 K 451/14 E
Tenor:
Der Bescheid vom 31.Mai 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 23.Januar 2014 werden dahingehend geändert, dass keine Kapitaleinkünfte aus den Kaufpreisraten aus der Veräußerung des Objekts … berücksichtigt werden.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten auferlegt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer 2012 veranlagte Eheleute.
Mit notariell beurkundetem Vertrag ... vom 18.Janaur 2012 verkauften sie an die Eheleute A, Sohn und Schwiegertochter des Klägers, ihr von den Käufern auf Grund eines Mietvertrages selbstgenutztes Grundstück ….
Als Gegenleistung verpflichteten die Erwerber sich, an die Kläger auf die Dauer von 31 Jahren monatlich € 1.000,00 zu zahlen. Die Höhe der Rate ist an die Entwicklung des Preisindexes für die Lebenshaltung gekoppelt. Die Kläger sind Gesamtschuldner, der Anspruch ist vererblich und mit einer Reallast besichert. Eine vorzeitige Ablösung ist weitgehend ausgeschlossen. Wegen der Einzelheiten wird auf den zu den Akten gereichten Vertrag verwiesen, besonders auf Abschnitt III.
Die Kläger erhielten im Streitjahr 12 Raten je € 1000,00.
In der durch den Vorberater erstellten Einkommensteuererklärung erklärten sie jeweils € 4824,00 nicht dem inländischen Steuerabzug unterliegende Kapitalerträge. Er teilte die Raten in einen Zins- und einen Tilgungsanteil auf und erklärte den errechneten Zinsanteil als nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Vorberaters verwiesen.
Gegen den insoweit erklärungsgemäß ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 31.Mai 2013 legten die Kläger Einspruch ein. Sie begründeten ihn damit, Die Einkünfte seien vom Vorberater unzutreffend erklärt worden. Es seien keine Zinseinkünfte erzielt worden. Die Gestaltung des Vertrages habe sich an den finanziellen Möglichkeiten der Erwerber orientiert, die den Kauf nicht aus ihren Einkünften hätten finanzieren können. Es habe sich um eine teilweise Schenkung gehandelt, da das Objekt bei einem durch Verkehrswertgutachten ermittelten unstreitigen Wert von € 393.000,00 zu addierten Kaupreisraten von nur € 372.000,00 veräußert worden sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 23.Januar 2014 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Kläger haben am 18.02.2014 Klage erhoben.
Sie tragen vor, der Beklagte vertrete bei der Beurteilung der Ratenzahlungen einen sehr formalen Standpunkt. Eine Auslegung des Vertrages nach §§ 133 und 157 BGB ergebe, dass sie keinesfalls eine Gestaltung beabsichtigt hätten, bei der sie Zinsen erhalten. Es sei ihnen gerade darum gegangen, die Entstehung von Zinsen zu vermeiden. Sie seien auch nicht davon ausgegangen, dass die gewählte Gestaltung als zinspflichtig angesehen werden könne. Wegen ihrer guten und gesicherten Verhältnisse seien sie auf die Erzielung von Zinseinkünften nicht angewiesen, sie hätten die Entstehung von Zinsen bei den Erwerbern gerade vermeiden und einen sorgenfreien Start in das eigene Berufsleben ermöglichen wollen. Gleichzeitig hätten sie keines ihrer fünf Kinder benachteiligen wollen, diese seien daher mit Erbvertrag vom 23.Mai 2012 gemeinschaftlich als Erben eingesetzt worden; im Falle ihres Todes seien die Raten deshalb an die Erbengemeinschaft zu zahlen.
Nach der Rechtsprechung, so Beschluss des BFH vom 12.September 2011 VIII B 70/09, BFH/NV 2012,229 könne in der unentgeltlichen Überlassung einer Kapitalsumme eine Schenkung gesehen werden, besonders, wenn hierdurch eine Kreditaufnahme vermieden werden solle.
In seiner Entscheidung vom 26.November 1992 X R 187/87, BFHE 170,98, BStBl II 1993,1198 habe der BFH ausgeführt, bei einer Vereinbarung, bei der die Beteiligten keine Zinsen vereinbart hätten, sei nicht automatisch ein Zinsanteil anzusetzen, sondern nur dann, wenn davon auszugehen sei, dass bei alsbaldiger Zahlung ein geringerer Betrag zu entrichten gewesen wäre.
Danach sei eine Verzinsung hier zu verneinen, unabhängig davon, dass der BFH im dort entschiedenen Fall eine derartige Ausnahme nicht anerkannt habe. Hier sei die ersichtlich unter dem Verkehrswert liegende Gegenleistung aber nicht dadurch geprägt worden, dass diese über Jahre verteilt wurde. Entscheidend sei nur gewesen, dass sie aufgrund ihrer gesicherten wirtschaftlichen Position auf einen zeitnahen Eingang nicht angewiesen gewesen seien. Ihre Motive lägen auf der Hand.
Auch in der Entscheidung des BFH vom 28. Oktober 1988 X R 96/96, BFHE 187,450, BStBl II 1999, 217 sei ein erklärter Zinsverzicht ausnahmsweise als beachtlich angesehen worden, weil auf die Zinsen aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen, nicht aber aus steuerlichen Gründen verzichtet worden sei. Hier sei zu berücksichtigen, dass der vom Beklagten angesetzte Zinsanteil bei Weitem über den Zinsen liege, die ein Erwerber bei einer Fremdfinanzierung habe zahlen müssen. Der insgesamt angesetzte Zinsanteil betrage € 179.196,00, damit entfielen fast 60 % der vereinbarten Zahlung auf Zinsen, der Kaufpreis betrage real nur €192.807,00. Dass dies nicht gewollt sei, liege auf den Hand.
Die Kläger beantragen, den Bescheid vom 31.Mai 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 23.Janauar 2014 dahingehend zu ändern, dass keine Kapitaleinkünfte aus den Kaufpreisraten aus der Veräußerung des Objekts …, berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Er trägt vor, nach der ständigen Rechtsprechung des BFH seien bei privaten Veräußerungsgeschäften die geleisteten Kaufpreisraten in Zins- und Tilgungsanteil aufzuteilen, wenn – wie vorliegend- der Kaufpreis länger als ein Jahr gestundet wurde, dies gelte auch dann, wenn eine Verzinsung nicht vereinbart oder ausdr ücklich ausgeschlossen worden sei. Zudem werde bei einer Besteuerung das Ziel der Kläger, den Kindern einen sorgenfreien Start ins Berufsleben zu ermöglichen, nicht vereitelt, da diese hierdurch keine Mehrbelastung erführen.
Der Beschluss VIII B 70/09 habe nur eine vorläufige Regelung getroffen und unzutreffend angenommen, zwischen dem ErbStG und dem EStG bestehe ein Exklusivitätsverhältnis mit einem Vorrang des ErbStG, das jedoch nicht bestehe. Zudem seien die Sachverhalte nicht vergleichbar; während der BFH über einen Zugewinnausgleich und damit über einen gegenleistungsfreien gesetzlichen Anspruch entschiede habe, gehe es hier um einen vertraglichen Anspruch im Rahmen eines Austauschgeschäftes.
Auch der Sachverhalt in X R 96/96 sei nicht vergleichbar, da dort die besondere Situation eines Prozessvergleiches vorgelegen habe.
Aus der Entscheidung X R 187/87 könne nicht hergeleitet werden, eine Abzinsung sei nur vorzunehmen, wenn anzunehmen sei, bei alsbaldiger Zahlung sei ein geringerer Betrag zu berücksichtigen gewesen. Vielmehr sei nach der Entscheidung davon auszugehen, dass bei einer alsbaldigen Zahlung ein geringerer Betrag zu zahlen wäre; die Annahme sei somit Folge und nicht Voraussetzung der Abzinsung.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid ist in dem im Tenor angegebenen Umfang rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die von den Klägern vereinnahmten Zahlungen enthalten keinen --auch keinen pauschalierten-- Zinsanteil.
Eine Zinspflicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG setzt die Überlassung von Kapital gegen Entgelt voraus. Anzusetzen sind alle Entgelte, die für eine Kapitalüberlassung im weitesten Sinne zugeflossen sind. Es muss sich entweder originär um Zinsen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder zumindest um Entgelt i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG handeln, d.h. eine Vermögensmehrung, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalnutzung ist (BFH-Urteile vom 6. April 1993 VIII R 68/90, BFHE 172, 25, BStBl II 1993, 825; vom 14. Dezember 2004 VIII R 5/02, BFHE 209, 423, BStBl II 2005, 739, VIII R 81/03, BFHE 209, 438, BStBl II 2005, 746; vom 16. März 2010 VIII R 4/07, BFHE 229, 141, BFH/NV 2010, 1527 und vom 20. Dezember 2012 VIII R 57/10, BFHE 239, 422, BStBl II 2014,56).
Wird ein zum Privatvermögen gehörender Gegenstand veräußert und die Kaufpreisforderung langfristig --länger als ein Jahr-- bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gestundet, so sind nach der Rechtsprechung des BFH die geleisteten Zahlungen (Kaufpreisraten) in einen Tilgungs- und einen Zinsanteil zu zerlegen. Dies gilt auch dann, wenn die Vertragsparteien Zinsen nicht vereinbart oder sogar ausdrücklich ausgeschlossen haben. Der Zinsanteil unterliegt als "Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen" der Steuer (BFH-Urteile vom 25.Juni 1974 VIII R 163/71, BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431; vom 21.Oktober 1980 VIII R 190/78, BFHE 132, 38, BStBl II 1981, 160; vom 11.Dezember 1986 IV R 222/84 BFHE 149, 149, 156, BStBl II 1987, 553; vom 26. November 1992 X R 187/87 BFHE 170,98, BStBl II 1993,298). Die Gestattung langfristiger Ratenzahlung zur Tilgung einer Schuld stellt danach eine Kreditgewährung durch den Gläubiger dar (vgl. BFH-Urteile vom 14. Februar 1984 VIII R 41/82, BFHE 141, 121, BStBl II 1984, 550; vom 25. Juni 1974 VIII R 163/71, BFHE 114, 463, BStBl II 1975, 431; vom 21. Oktober 1980 VIII R 190/78, BFHE 132, 38, BStBl II 1981, 160; vom 19. Mai 1992 VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87; vom 20. Dezember 1990 XI R 1/85, BFH/NV 1991, 382). Bei der Bestimmung des Zinsanteils ist danach grundsätzlich von einem Zinsfuß von 5,5 v.H. auszugehen, sofern die Vertragspartner nicht einen höheren Rechnungszinsfuß vereinbart haben. Unerheblich ist, ob bei der Stundung oder Verrentung tatsächlich Zinsen berechnet worden sind. Ferner kommt es nicht darauf an, welche Art von Rechtsgrund der Überlassung von Kapital zugrunde liegt (BFH vom 26. November 1992 aaO.). Ihre Grundlage findet diese Rechtsprechung in § 12 Abs.3 BewG, wonach unverzinsliche Forderungen, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig sind, abzuzinsen, d.h. in einen Kapital- und einen Zinsanteil aufzuteilen sind (BFH vom 26. Juni 1996 VIII R 67/95 BFH/NV 1997,175).
Demgegenüber hat der BFH in neueren Entscheidungen bezüglich der Frage der Versteuerung eines Zinsanteils bei wiederkehrenden Leistungen festgestellt, allein der Umstand, dass eine Leistung nicht in einem Betrag, sondern in wiederkehrenden Zahlungen zu erbringen sei, könne deren Steuerbarkeit nicht begründen (BFH vom 9. 2. 2010 VIII R 43/06 BFHE 229,104, BStBl II 2010,818, und VIII R 35/07 BFH/NV 2010,1793).
Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung für einen Fall wie den hier Vorliegenden an.
Der Versteuerung eines Zinsanteils steht das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit entgegen. Die Unverzinslichkeit kann allenfalls die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten, nicht aber die des Empfängers der Ratenzahlungen erhöhen. Bei diesem würden lediglich fiktive Einnahmen der Besteuerung unterworfen (vgl. Kreft GStB 2008 S. 278 ff., 280).
Darüber hinaus fehlt es an einem entgeltlichen Leistungsaustausch bezüglich des fiktiven Zinsanteils zwischen Eltern (Klägern) und Kindern. Die über den gesamten Zeitraum geleisteten Zahlungen entsprechen im Wesentlichen dem Nennwert der Kapitalforderung. Eine Kapitalüberlassung gegen Entgelt ist zu verneinen.
Nach diesen Grundsätzen haben die Kläger nicht entgeltlich Kapital an die Käufer überlassen, eine Zinspflicht gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist nicht entstanden.
Gegen eine entgeltliche Kapitalüberlassung spricht bereits die Höhe der Raten. Die Höhe der vereinbarten Raten orientiert sich an dem Wert des Grundstücks, den die Käufer zur Gleichstellung mit den anderen Geschwistern für das Grundstück zu zahlen hatten.
Ein Leistungsaustauschverhältnis zwischen den Vertragsparteien, in dem den Klägern für die ratierliche Zahlung des Kaufpreises ein Vorteil zugeflossen ist, ist angesichts der Umstände des Falles nicht festzustellen. Die Kläger haben nach der Vereinbarung insgesamt nicht einmal den Schätzpreis des Grundstücks zu erwarten; dafür, dass sie mit einem Verkauf unter Wert einverstanden waren, etwa um das Grundstück überhaupt verkaufen zu können, liegen keine Anhaltspunkte vor, sie liegen angesichts der geordneten Vermögensverhältnisse auch nicht nahe. Sie würde auch der Regelung im Erbvertrag widersprechen, nach der alle Abkömmlinge gleich behandelt werden sollen.
Die insgesamt zu zahlenden € 372.000,00 sollen den Wert des an die Kinder fallenden Grundstücks widerspiegeln, der nach einem Verkehrswertgutachten € 393.000,00 betrug. Die Rente kann damit keinen Zinsanteil enthalten. Hätten die Kläger nämlich den Wert des Grundstücks sofort als Einmalbetrag erhalten und diesen zinsbringend angelegt, hätte sich diese Summe durch Zins und Zinseszins, gerechnet auf die Laufzeit von 31 Jahren, gegenüber dem tatsächlichen Wert erheblich erhöht. Monatliche Zahlungen, die dem Rechnung tragen, hätten daher deutlich höher ausfallen müssen als die von den Klägern vereinnahmten Beträge. Mit der von ihnen gewählten Vorgehensweise, die Höhe der monatlich an die Kläger zu entrichtenden Rate allein aus einer Aufteilung des Grundstückswertes zu errechnen durch Verteilung auf gleichmäßig zu entrichtende Raten, kommt es bei den Klägern zu keinem Zinszufluss. Eine entgeltliche Kapitalüberlassung zur Nutzung seitens der Kläger ist damit nicht gegeben.
Auch weitere Umstände, die auf eine Überlassung von Kapital gegen Entgelt hindeuten, sind nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Übertragung der Steuerberechnung auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.