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  • 08.01.2018 · IWW-Abrufnummer 198693

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 19.10.2017 – 6 K 1358/16 E

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:

    Die Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012, jeweils vom 06.03.2015, und die Einspruchsentscheidung vom 07.04.2016 werden aufgehoben.

    Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

    Die Revision wird zugelassen.

    Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.
     
    1

    T a t b e s t a n d
    2

    Streitig ist, ob der Beklagte die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012 wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129 der Abgabenordnung (AO) ändern durfte.
    3

    Der Kläger erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus selbstständiger Arbeit und sonstige Einkünfte aus zwei Rentenversicherungen. Es handelt sich zum einen um eine gesetzliche Rentenversicherung bei der Y. und zum anderen um eine private Rentenversicherung beim X. Lebensversicherung a.G. (X.). Seine Steuererklärungen für die Streitjahre gab der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mittels des Programms der Finanzverwaltung ELSTER in authentifizierter Form, d.h. ohne Papier-Formulare, ab.
    4

    Die Daten der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2011 wurden dem Beklagten am 13.09.2012 übermittelt. Der Kläger erklärte in der Anlage R unter dem Punkt „1. Rente“ (Y.) einen Rentenbetrag einschließlich Einmalzahlung in Höhe von 7.250,00 € und unter dem Punkt „2. Rente“ (X.) einen Rentenbetrag einschließlich Einmalzahlung in Höhe von 352,00 €. In der Anlage Vorsorgeaufwand erklärte der Kläger Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von insgesamt 7.105,00 €, Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 935,00 € und Zuschüsse zu den Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherungen in Höhe von 507,00 €. Die Einkommensteuererklärung wurde im Anschluss an die Übermittlung der Daten nicht zusätzlich in Papierform beim Beklagten eingereicht; auch Nachweise oder sonstige Anlagen wurden dem Beklagten nicht gesondert übersandt.
    5

    Im Zeitpunkt der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung für 2011 lag dem Beklagten die elektronisch zu übermittelnde Rentenbezugsmitteilung der Y. noch nicht vor. Die elektronisch übermittelte Einkommensteuererklärung wurde im Rahmen der Bearbeitung weder ausgedruckt noch zur Einkommensteuerakte genommen.
    6

    Im Rahmen der Veranlagung wurde folgender programmgesteuerter Risiko-Hinweis mit der Nummer 50239 ausgegeben: „Die Summe der erklärten Beiträge zur Basiskranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung auf der Anlage Vorsorgeaufwand (Kz. 52.326/426 ff, 52.350/450 ff, Kz 52.611 ff) und ggf. Anlage Kind (Kz 36/37.x58 ff) weicht nach Abzug von Erstattungen und Zuschüssen von den übermittelten Datensätzen RBM und KV/PV ab. Bitte prüfen.“ Der Risiko-Hinweis ist in der Einkommensteuerakte des Beklagten enthalten und mit einem handschriftlichen Haken versehen. Weiter ist handschriftlich vermerkt: „i.O.“. Der Vermerk wurde am 14.09.2012 durch den Bearbeiter gezeichnet.
    7

    Am 25.09.2012 erging ein Einkommensteuerbescheid für 2011, in dem die Werte der elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärung bzw. die vom X. elektronisch übermittelten Daten, nicht aber die Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Y. übernommen wurden. Als sonstige Einkünfte wurde im Bescheid lediglich ein Betrag in Höhe von 533,00 € aus der privaten Rentenversicherung beim X. ausgewiesen und mit einem Ertragsanteil in Höhe von 95,00 € steuerlich berücksichtigt. Der Einkommensteuerbescheid stand nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
    8

    Die Daten der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2012 wurden dem Beklagten am 29.10.2013 vom Kläger elektronisch übermittelt. Er erklärte in der Anlage R unter dem Punkt „1. Rente“ (Y.) einen Rentenbetrag einschließlich Einmalzahlung in Höhe von 7.402,00 € und unter dem Punkt „2. Rente“ (X.) einen Rentenbetrag einschließlich Einmalzahlung in Höhe von 533,00 €. In der Anlage Vorsorgeaufwand erklärte der Kläger Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von insgesamt 5.709,00 €, Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 751,00 € und Zuschüsse zu den Beiträgen zu Kranken- und Pflegeversicherungen in Höhe von 540,00 €. Die Einkommensteuererklärung wurde im Anschluss an die elektronische Übermittlung nicht zusätzlich in Papierform beim Beklagten eingereicht. Der Kläger legte dem Beklagten jedoch einige Nachweise vor, u.a. eine Bescheinigung der Y. vom 12.07.2012, in der die vom Kläger im Jahr 2012 bezogene monatliche Rente sowie die bezogenen Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung ausgewiesen waren. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Bescheinigung Bezug genommen.
    9

    Auch im Zeitpunkt der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung für 2012 lag dem Beklagten die elektronisch zu übermittelnde Rentenbezugsmitteilung der Y. noch nicht vor. Die elektronisch übermittelte Einkommensteuererklärung wurde im Rahmen der Bearbeitung weder ausgedruckt noch zur Einkommensteuerakte genommen.
    10

    Im Rahmen der Veranlagung wurde neben einem Prüfhinweis folgender programmgesteuerter Risiko-Hinweis mit der Nummer 50508 ausgegeben: „Die Summe der erklärten Beiträge zur Basiskranken- und gesetzlichen Pflegeversicherung auf der Anlage Vorsorgeaufwand (Kz. 52.326/426 ff, 52.350/450 ff, Kz 52.611 ff) und ggf. Anlage Kind (Kz 36/37.x58 ff) weicht nach Abzug von Erstattungen und Zuschüssen von den übermittelten Datensätzen RBM und KV/PV um 540,00 € ab. Bitte prüfen.“ Der Risiko-Hinweis ist in der Einkommensteuerakte des Beklagten enthalten und mit dem handschriftlichen Vermerk „korrigiert“ versehen. Der Vermerk wurde am 09.12.2013 und am 13.02.2014 durch die Veranlagungsbeamten gezeichnet. Die entsprechenden Veränderungsdaten sind in der Einkommensteuerakte enthalten und weisen lediglich die Einkünfte aus der Rentenversicherung beim X. in Höhe von insgesamt 533,00 € aus. Der unter dem Sachbereich 52, Kennzahl 332 zunächst erfasste Erklärungswert in Höhe von 540,00 € („Zuschuss zu Beitr. zu Kz326+329“) wurde gelöscht.
    11

    Am 24.02.2014 erging ein Einkommensteuerbescheid für 2012, in dem die Werte der elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärung übernommen wurden mit Ausnahme der Einkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Y., die nicht berücksichtigt wurden. Als sonstige Einkünfte wurde im Bescheid lediglich ein Betrag in Höhe von 533,00 € aus der privaten Rentenversicherung beim X. ausgewiesen und mit einem Ertragsanteil in Höhe von 95,00 € steuerlich berücksichtigt. Im Erläuterungstext zum Bescheid wird u.a. ausgeführt, dass die geleisteten und erstatteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung mit den Beiträgen angesetzt worden seien, die das Versicherungsunternehmen der Finanzverwaltung elektronisch übermittelt habe. Der Bescheid stand nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
    12

    Am 04.06.2014 wurden dem Beklagten die Rentenbezugsmitteilungen der Y. für die Jahre 2011 und 2012 elektronisch übermittelt.
    13

    Mit E-Mails vom 23. und 24.02.2015 wurden die Veranlagungssachbearbeiter des Beklagten hausintern aufgefordert, die steuerliche Auswertung elektronisch übermittelter Rentenbezugsmitteilungen in Fällen zu überprüfen, in denen diese nach überschlägiger Berechnung zu einer Steuerfestsetzung führten. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass es sich bei den fehlerhaft erfassten Fällen sowohl um solche handeln könnte, bei denen die Renteneinkünfte nicht erklärt, wie auch um solche, bei denen die Einkünfte zwar erklärt, aufgrund eines fehlerhaften Abgleichs mit den elektronisch übermittelten Daten aber nicht in die Erklärung übernommen worden seien.
    14

    Nachdem der zuständige Sachbearbeiter bei der Überprüfung festgestellt hatte, dass die Einkünfte des Klägers aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Y. in den Einkommensteuerbescheiden für 2011 und 2012 nicht erfasst worden waren, erließ der Beklagte am 06.03.2015 geänderte Einkommensteuerbescheide für 2011 und 2012, in denen nunmehr erstmals bei den sonstigen Einkünften die vom Kläger bezogenen Renten aus der Rentenversicherung bei der Y. berücksichtigt wurden. In den Änderungsbescheiden erläuterte der Beklagten jeweils, dass die Änderung aufgrund der bisher nicht berücksichtigten Rentenbezugsmitteilungen der Rentenversicherung Y. erfolgt sei. Im Jahr 2011 wurden dabei Rentenbezüge in Höhe von 7.286,00 € und im Jahr 2012 Rentenbezüge in Höhe von 7.402,00 € berücksichtigt.
    15

    Hiergegen legte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 07.04.2016 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Eine Änderung der Einkommensteuerbescheide sei nach § 129 AO möglich gewesen, denn es liege im Streitfall ein mechanisches Versehen seitens des Beklagten vor. Die erklärten Daten zur gesetzlichen Rentenversicherung seien irrtümlich nicht erfasst worden. Sie seien versehentlich nicht übernommen worden, weil bei der Bearbeitung der Steuererklärungen die elektronischen Daten über die gesetzliche Rente von der Y. noch nicht übermittelt gewesen seien. Regelmäßig würden im Zuge der Bearbeitung der Steuererklärung die elektronischen Daten mit den Erklärungsdaten abgeglichen und für die Erstellung des Steuerbescheides übernommen. Im Streitfall seien daher nur die bereits elektronisch übermittelten Daten betreffend die private Rentenversicherung (X.) übernommen worden. Es könne ausgeschlossen werden, dass der Bearbeiter der Steuererklärung aus rechtlichen Erwägungen heraus die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bewusst unversteuert habe lassen wollen, da keine Vermerke gemacht worden seien, die diesen Rückschluss zuließen.
    16

    Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Einkommensteueränderungsbescheide. Er macht geltend, dass die ursprünglichen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre bestandskräftig gewesen seien. Eine nachträgliche Berücksichtigung der Einkünfte aus der Rentenversicherung bei der Y. sei nicht möglich. Denn die Einkünfte seien in den elektronisch übermittelten Einkommensteuererklärungen angegeben worden. Die Daten seien dem Beklagten somit bekannt gewesen.
    17

    Der Kläger beantragt,
    18

    die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide für 2011 und 2012, jeweils vom 06.03.2015, und die Einspruchsentscheidung vom 07.04.2016 aufzuheben.
    19

    Der Beklagte beantragt,
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                                die Klage abzuweisen.
    21

    Er verbleibt bei seiner Auffassung, dass eine Änderung der Einkommensteuerbescheide möglich gewesen sei. Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und erläutert die Verfahrensweise bei der Bearbeitung von Einkommensteuererklärungen in den Streitjahren zusammenfassend wie folgt: Die authentifiziert übermittelten Daten würden aufgerufen, aus der sog. Eingabemaske über den Programmpunkt „Übersicht E-Daten“ der Veranlagung zugeordnet und mit der Eingabe „Kennziffern übernehmen“ in die Festsetzungsdaten übernommen. Nach erfolgter Prüfberechnung würden lediglich die ausgegebenen Hinweise abgearbeitet. Bei der Prüfberechnung würden in jedem Fall die in der Einkommensteuererklärung angesetzten Werte durch die elektronisch übermittelten Daten überschrieben, soweit Kennzeichen der Steuererklärung betroffen seien. Es würden sogar die elektronisch übermittelten Daten in die Steuerfestsetzung übernommen und die erklärten Rentendaten aller Kennziffern nicht übernommen.
    22

    So müsse es auch im Streitfall gewesen sein. Die Bearbeitung der Einkommensteuererklärung für 2011 sei aktenlos erfolgt. Die Bearbeitung der Einkommensteuererklärung 2012 sei mit Akte erfolgt. Den Anweisungen der Finanzverwaltung entsprechend habe der Veranlagungsbeamte jedoch nur die Hinweise bearbeitet. Er habe keine Prüfung der Einkünfte vorgenommen. Insbesondere habe er keine Daten die Renteneinkünfte betreffend manuell gelöscht.
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    Im weiteren Klageverfahren hat der Beklagte seinen Vortrag konkretisiert und die Anwendung des Programms der Finanzverwaltung zur Bearbeitung von authentifiziert übermittelten Einkommensteuererklärungen im Einzelnen wie folgt dargestellt: Die Bearbeitung erfolge grundsätzlich in drei Schritten. In einem ersten Schritt würden aus der Liste der eingegangenen Steuererklärungen die betreffende Steuernummer bzw. der Name des Steuerpflichtigen aufgerufen. In einem Fenster seien die Grunddaten wie Anschrift, Kontoverbindung und Name des Steuerberaters sichtbar. Der Bearbeiter öffne sodann ein separates Fenster, in dem die beim Finanzamt gespeicherten Grunddaten sichtbar würden. Der Bearbeiter gleiche die Daten ab und speichere das Eingangsdatum. Damit sei der Grunddatenabgleich beendet. Auf dem Bildschirm sei bei diesem Vorgang sichtbar, welche Anlagen der Steuerpflichtige ausgefüllt habe. Die einzelnen erklärten Werte in der Anlage seien jedoch nicht sichtbar und würden vom Bearbeiter auch nicht eingesehen.
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    In einem zweiten Schritt erfolge die eigentliche Veranlagung. Dies geschehe über die sog. Fallbearbeitungsmaske. Hier werde unter dem Menüpunkt „Extras“ das Feld „suche elektronische Daten“ gewählt. Sodann würden die von Dritten elektronisch übermittelten Daten angezeigt. Der Bearbeiter übernehme diese sog. E-Daten, indem er das Feld „nehmen“ aktiviere. Dadurch würden die Daten dem Steuerpflichtigen automatisch zugeordnet und in einem weiteren Schritt in das Fachbearbeitungsprogramm übernommen. Das Programm überschreibe die erklärten Daten aus der Steuererklärung, soweit diese Angaben zu Kennziffern enthalte, die von den Dritten elektronisch übermittelt werden müssten. Dies betreffe auch die Rentenbezugsmitteilungen einschließlich Vorsorgeaufwendungen bezüglich dieser Renten. Der Sachbearbeiter sehe während der Veranlagung zu keinem Zeitpunkt die vom Steuerpflichtigen erklärten Daten, es sei denn, er rufe diese gesondert auf. Im Nachhinein sei nicht mehr feststellbar, ob er sich die Erklärungsdaten angesehen habe oder nicht.
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    In einem dritten Schritt aktiviere der Bearbeiter die sog. Prüfberechnung. Das Programm generiere Prüf- und Risiko-Hinweise. Die Prüfberechnung gebe zudem den Steuerbescheid wieder.
    26

    Alternativ zur oben dargestellten Vorgehensweise könne der Bearbeiter sofort nach dem Grunddatenabgleich eine Prüfberechnung vornehmen lassen. Dies führe dazu, dass das Programm Abweichungen zwischen den erklärten Daten und den übermittelten Daten automatisch erkenne und sichtbar mache. Die Prüf- und Risiko-Hinweise würden dann nach einer weiteren Prüfberechnung am Schluss des Veranlagungsvorgangs ausgegeben.
    27

    Im Streitfall liege es nahe, dass der Bearbeiter die Veranlagung wie in der 1. Alternative dargestellt, also ohne Abruf einer Prüfberechnung nach dem Grunddatenabgleich, vorgenommen habe. Der Sachbearbeiter habe die Daten zu den Renten im Streitfall offenbar ungeprüft so übernommen, wie sie sich aus den dem Beklagten bei der erstmaligen Veranlagung vorhandenen Rentenbezugsmitteilungen ergeben hätten. Da die Rentenbezugsmitteilungen der Y. nicht vorgelegen hätten, habe der Bearbeiter diese Daten bei den Veranlagungen auch nicht berücksichtigt. Hierbei handele es sich um ein mechanisches Versehen. Denn der Sachbearbeiter habe jederzeit die Möglichkeit gehabt, die erklärten Werte in den Steuererklärungen einzusehen. Auch die Risiko-Hinweise hätten nicht darauf hingedeutet, dass die erfassten Renten der Höhe nach unzutreffend gewesen seien. Es könne schließlich keinen Unterschied machen, ob die Steuerklärung lediglich elektronisch gespeichert sei oder dem Bearbeiter in Papierform vorliege. Es liege jeweils ein Fehler offen zu Tage, da dieser durch einen Abgleich mit der betreffenden Steuererklärung habe leicht korrigiert werden können.
    28

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten Bezug genommen.
    29

    Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 26.04.2017 erörtert. Auf das Protokoll zum Erörterungstermin wird verwiesen.
    30

    Der Senat hat die Sache am 19.10.2017 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
    31

    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
    32

    A. Die Klage ist zulässig und begründet.
    33

    Die angefochtenen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012 vom 06.03.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 07.04.2016 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
    34

    Der Beklagte hat zu Unrecht die ursprünglichen bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012 geändert.
    35

    I. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit (innerhalb der Verjährungsfrist) berichtigen.
    36

    1. Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH- vom 31.07.1990 I R 116/88, BFHE 162, 115). Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist. Der Fehler muss auf ein bloßes mechanisches Versehen zurückzuführen sein. Nicht unter § 129 Satz 1 AO fallen Rechtsirrtümer, unrichtige Tatsachenwürdigung, die unzutreffenden Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts und Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen (vgl. ständige Rechtsprechung -Rspr.-, z.B. BFH-Urteile vom 06.11.2012 VIII R 15/10, BFHE 239, 296, BStBl II 2013, 307; vom 21.01.2010 III R 22/08, BFH/NV 2010, 1410; vom 04.06.2008 X R 47/07, BFH/NV 2008, 1801; vom 17.06.2004 IV R 9/02, BFH/NV 2004, 1505, m.w.N.; vom 18.08.1999 I R 93/98, BFH/NV 2000, 539, und vom 04.11.1992 XI R 40/91, BFH/NV 1993, 509). Eine offenbare Unrichtigkeit scheidet bereits dann aus, wenn eine mehr als theoretische Möglichkeit besteht, dass der Fehler auf den vorgenannten Ursachen beruht (BFH-Urteil vom 01.07.2010 IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004, m.w.N.). „Mechanisches Versehen“ i.S.d. Vorschrift des § 129 AO bedeutet danach, dass der erklärte, bekanntgegebene Inhalt des Verwaltungsakts aus Versehen vom offensichtlich gewollten materiellen Regelungsinhalt abweicht (vgl. BFH in BFHE 239, 296, BStBl II 2013, 307; Urteil des FG Köln vom 30.03.2017 15 K 3280/15, EFG 2017, 1055).
    37

    2. Nach der Rspr. des BFH sind alle bekannten Umstände – auch außerhalb der eigentlichen Steuerakten – zu berücksichtigen, aus denen sich aus der Sicht eines unvoreingenommenen Dritten ein, ggf. bereits im Vorfeld der Steuerfestsetzung unterlaufenes oder angebahntes, Versehen klar und eindeutig ergibt (BFH-Urteil in BFHE 239, 296, BStBl II 2013, 307 m.w.N.). Die Frage, ob ein offenbares mechanisches Versehen vorlag oder ob insoweit eine bewusste Entscheidung bei der Rechtsanwendung oder der Sachverhaltsermittlung nicht ausgeschlossen werden kann, ist anhand des objektiv gegebenen Sachverhalts zu beantworten. Zu diesem Sachverhalt können auch elektronisch gespeicherte Daten gehören, sofern sie ohne weiteres sichtbar gemacht werden können. Mit Rücksicht auf die zunehmende EDV-technische Abwicklung von Verwaltungsvorgängen kann die Offenbarkeit eines Umstands nicht allein von seiner Erscheinung in Papierform abhängen (BFH in BFHE 239, 296, BStBl II 2013, 307; Urteile des FG Düsseldorf vom 16.02.2017 14 K 3554/14 E, EFG 2017, 1315, und vom 11.10.2016 10 K 1715/16 E, EFG 2016, 1843).
    38

    II. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze lagen im Streitfall in Bezug auf beide Streitjahre zwar Unrichtigkeiten vor, die „offenbar“ waren (dazu 1.). Jedoch fehlt es an einem Fehler, der einem Schreib- oder Rechenfehler i.S.d. § 129 Satz 1 AO ähnlich ist (dazu 2.).
    39

    1. Die streitrelevanten Fehler waren „offenbar“. Denn der Kläger hatte in den Einkommensteuererklärungen 2011 und 2012 die streitrelevanten Renten des Rentenversicherungsträgers Y. in Höhe von 7.250,00 € (2011) bzw. in Höhe von 7.402,00 € erklärt. Die Steuererklärungen waren in der EDV des Beklagten im Zeitpunkt der Veranlagung gespeichert; die erklärten Rentenbeträge waren in den ursprünglichen Einkommensteuerbescheiden 2011 und 2012 vom 25.09.2012 bzw. vom 24.02.2014 jedoch nicht erfasst. Durch einen Abgleich der Einkommensteuerklärungen mit den Einkommensteuerbescheiden hätte sich für einen unvoreingenommenen Dritten im Zeitpunkt der Veranlagung eindeutig und klar ergeben, dass die in den Einkommensteuerbescheiden erfassten Rentenbeträge unzutreffend sind, weil es sich hierbei lediglich um die vom X. bezogenen Leistungen (jeweils 533,00 €) handelte.
    40

    2. Jedoch fehlt es nach Überzeugung des erkennenden Senats im Streitfall an einem Fehler, der einem Schreib- oder Rechenfehler i.S.d. § 129 Satz 1 AO ähnlich ist. Denn zum einen kann nicht ausgeschlossen werden, dass kein unbewusstes Abweichen der Erklärung des Sachbearbeiters von dem Gewollten des Sachbearbeiters vorliegt (dazu a.). Zum anderen besteht mehr als nur die theoretische Möglichkeit, dass dem Sachbearbeiter bei Bearbeitung der Steuerklärung bezüglich beider Streitjahre ein Sachverhaltsermittlungsfehler unterlaufen ist (dazu b.).
    41

    a. Die bewusste Nichtbeachtung von Werten in einer Steuererklärung stellt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht einen „mechanischen“, einem Schreib- oder Rechenfehler ähnlichen Fehler dar. Vielmehr scheidet bei einer bewussten Inkaufnahme von Fehlern eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 Satz 1 AO aus. Denn in einem solchen Fall stimmen das vom Sachbearbeiter Erklärte und das vom Sachbearbeiter Gewollte – Ansatz der E-Daten anstelle der Erklärungswerte – miteinander überein. Für das Vorliegen eines unbewussten Abweichens von Erklärtem und Gewolltem i.S.d. § 129 Satz 1 AO trägt hier das Finanzamt, welches sich auf die Norm beruft, die objektive Beweislast.
    42

    aa. Vorliegend konnte der Senat nicht feststellen, dass den Sachbearbeitern bei Erlass der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide 2011 und 2012 rein unbewusste und ungewollte Fehler unterlaufen sind. Denn nach dem Vortrag des Beklagten waren die Veranlagungsbeamten nach der risikoorientierten Bearbeitungsweise der Finanzverwaltung gehalten, Berichtigungen und Korrekturen der Erklärungsdaten grundsätzlich erst nach Erfassung der E-Daten und nach Durchführung einer Prüfberechnung sowie nur insoweit durchzuführen, als die nach Übernahme der sog. E-Daten programmgesteuerten Prüf- und Risiko-Hinweise einen Anlass zur Überprüfung der Erklärungsdaten ergaben. Bei dem Arbeitsschritt „E-Daten übernehmen“ wurden die erklärten Daten aus der Steuerklärung nach den Angaben des Beklagten durch das Bearbeitungsprogramm der Finanzverwaltung automatisch mit solchen Werten überschrieben, die von Dritten – im Streitfall die bezogenen Renten und Zuschüsse zu den Beiträgen zu den Kranken- und Pflegeversicherungen – elektronisch zu übermitteln waren. Waren im Zeitpunkt der Veranlagung noch keine Daten übermittelt, blieben die erklärten Werte bei Erstellung des jeweiligen Einkommensteuerbescheides unberücksichtigt. Eine generelle Einsichtnahme in die Steuerklärungen durch die Sachbearbeiter war nach der Darstellung des Beklagten nicht vorgesehen.
    43

    bb. Der erkennende Senat geht – wie auch der Beklagte selbst – mangels anderweitiger Anhaltspunkte davon aus, dass die zuständigen Sachbearbeiter die Einkommensteuererklärungen für 2011 und 2012 im Streitfall nach der oben dargestellten Arbeitsweise (Übernahme der E-Daten ohne vorherige Durchführung einer Prüfberechnung und ohne vorherige Einsichtnahme in die erklärten Werte) bearbeitet haben. Hierfür spricht nicht nur der Umstand, dass die vorgenannte Arbeitsweise den für die Veranlagungssachbearbeiter geltenden Anweisungen der Finanzverwaltung entsprach, sondern auch, dass den Sachbearbeitern die Abweichung zwischen den vom Kläger erklärten Renteneinkünften und den von der Y. elektronisch übermittelten Daten bei einer anderen Arbeitsweise (Durchführung einer Prüfberechnung vor Übernahme der E-Daten oder Einsichtnahme in die E-Daten vor Übernahme der E-Daten) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgefallen wäre. Bei dieser Ausgangslage ist davon auszugehen, dass die Sachbearbeiter ohne Rücksicht auf die vom Steuerpflichtigen erklärten Werte generell die elektronisch beigestellten Werte übernehmen wollten.
    44

    Etwas anderes ergibt sich auch nicht, wenn – was sich allerdings nicht mehr mit Sicherheit feststellen lässt – die Sachbearbeiter bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2011 und 2012 die mit den Steuererklärungen elektronisch übermittelten Werte eingesehen haben sollten. Denn in Anbetracht des Umstandes, dass die in den E-Daten enthaltenen Werte dennoch in die Veranlagungen übernommen wurden, spricht in diesem Fall auch alles dafür, dass die Veranlagungsbeamten bewusst die programmgesteuert beigestellten elektronischen Daten bei der Veranlagung übernehmen wollten, unabhängig davon, ob diese mit den Erklärungsdaten übereinstimmten oder nicht. Zu den elektronisch bereit gestellten Daten gehörten im Streitfall auch die vom Kläger bezogenen Renten und die von den Rentenversicherungsträgern gezahlten Zuschüsse zu den Beiträgen zu den Kranken- und Pflegeversicherungen. Diese Daten waren von den Rentenversicherungsträgern dem Beklagten elektronisch zu übermitteln. Da die Y. die hier relevanten Daten dem Beklagten im Zeitpunkt der Veranlagung noch nicht elektronisch übermittelt hatte, konnten diese durch die „Übernahme der E-Daten“ auch nicht in die Veranlagung mit einbezogen werden. Im Streitfall kann die nicht fernliegende Möglichkeit, dass der Bearbeiter in jedem Fall die im Zeitpunkt der Veranlagung vorliegenden E-Daten der Besteuerung zugrunde legen wollte, jedenfalls nicht ausgeschlossen werden.
    45

    b. Weiter ist nicht auszuschließen, dass in den Streitjahren jeweils ein Sachverhaltsermittlungsfehler vorlag. Obwohl ein konkreter Anlass zur Überprüfung der elektronisch übermittelten Daten zu den Renteneinkünften des Klägers bestand, haben die Sachbearbeiter – soweit nach Aktenlage ersichtlich – bewusst darauf verzichtet, einen Abgleich mit der Steuererklärung durchzuführen, die ihnen parallel vorlag. Die Sachbearbeiter haben die Angaben allein ausgehend von den elektronisch übermittelten Daten und den daraufhin durch die EDV ausgesteuerten Risiko-Hinweisen selektiv überprüft, ohne im Weiteren sich hierdurch aufdrängenden Zweifeln nachzugehen, ob die elektronische Übermittlung der Rentendaten tatsächlich vollständig war.
    46

    aa. Bezüglich des Veranlagungsjahres 2011 überprüfte der Sachbearbeiter allein den Risiko-Hinweis (50239), der sich in Form eines Papierausdrucks in der Akte befindet, und markierte diesen mit einem Haken und dem Vermerk „i.O.“. Es liegt nahe, dass der Sachbearbeiter damit seinen Willen erklären wollte, nur die übermittelten Datensätze aus den vorliegenden Rentenbezugsmitteilungen (RBM) und den Mitteilungen über die entsprechenden Zuschüsse zu den Kranken- und Pflegeversicherungen zu berücksichtigen. Anders kann der Vermerk „i.O.“ nicht verstanden werden, denn dieser bezieht sich unmittelbar auf den Inhalt des Risiko-Hinweises, der auf die Abweichung zwischen den erklärten Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf der Anlage Vorsorgeaufwand (Kz 52.326/426 ff, Kz 52.311 ff) nach Abzug von Erstattungen und Zuschüssen und den übermittelten Datensätzen RBM und KV/PV ausdrücklich hinweist.
    47

    (1) Zwar weist der Risiko-Hinweis – wie der Beklagte zu Recht vorträgt – nicht unmittelbar auf die erklärten Renteneinkünfte hin, sondern „nur“ auf die erklärten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Jedoch verweist er im Weiteren auf den „Abzug von Erstattungen und Zuschüssen“. Die vom Kläger erklärten Zuschüsse zur Kranken- und / oder Pflegeversicherung in Höhe von 507,00 € (2011) standen indes in so krassem Missverhältnis zu den elektronisch übermittelten und vom Programm der Finanzverwaltung erfassten Rentenbezügen in Höhe von lediglich 533,00 €, dass dies Veranlassung zu Sachverhaltsermittlungen betreffend die Richtigkeit der übermittelten Renteneinkünfte gab. Geht der Sachbearbeiter diesen Fragen nicht nach und dokumentiert die betreffende Werte gleichwohl als „in Ordnung“, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass er bewusst und jedenfalls anstelle der Erklärungswerte die übermittelten Daten als Tatsachen berücksichtigen wollte.
    48

    (2) Diese aufgrund neuer Willensbildung unzutreffende Annahme von in Wirklichkeit nicht vorliegenden Tatsachen – hier die Höhe der bezogenen Renten – beruht zudem auf mangelnder Sachaufklärung. Denn der Sachbearbeiter hätte bei Prüfung der Kennziffern – wie im Risiko-Hinweis angegeben – durch Einsichtnahme in die elektronische Einkommensteuererklärung unmittelbar festgestellt, dass der Kläger weitere Rentenbeträge in Höhe von (erklärten) 7.250,00 € von der Y. bezogen hatte, und dass die bezogenen Zuschüsse von diesem Rentenversicherungsträger gezahlt worden sind. Die unterlassene Sachverhaltsaufklärung lässt sich aus Sicht des Senats nicht mit einem bloßen mechanischen Versehen, sondern nur damit erklären, dass sich der konkrete Sachbearbeiter allein auf die elektronisch übermittelten Daten verlassen und auf eine weitere Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Renteneinkünfte verzichten wollte. Hierin liegt eine neue Willensbildung, die eine offenbare Unrichtigkeit i.S.d. § 129 AO ausschließt.
    49

    bb. Zum gleichen Ergebnis gelangt der Senat bezüglich des Streitjahres 2012. Hier kommt zu Lasten des Beklagten erschwerend hinzu, dass der Sachbearbeiter – soweit nach Aktenlage ersichtlich – den Wert der erklärten und zunächst elektronisch erfassten Zuschüsse zur Kranken- und / oder Pflegeversicherung in Höhe von 540,00 € gelöscht hat, ohne die Höhe der Renteneinkünfte zu überprüfen. Denn den programmgesteuerten Risiko-Hinweis, der sich in Form eines Papierausdrucks in der Akte befindet, hat der Sachbearbeiter mit „korrigiert“ vermerkt. Untermauert wird dies durch den Erläuterungstext im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 2012 vom 24.02.2014, in dem ausgeführt wird, dass die geleisteten und erstatteten Beiträge zur (Basis-)Krankenversicherung und gesetzlichen Pflegeversicherung mit den Beträgen angesetzt worden seien, die das Versicherungsunternehmen, der Träger der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung oder die Künstlersozialkasse der Finanzverwaltung elektronisch übermittelt habe. Ausweislich der abgehefteten „Veränderungsdaten“ wurden die Zuschüsse unter dem Sachbereich 52, Kennzahl 332, erstmals bei Erlass des angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheides 2012 berücksichtigt.
    50

    3. Das Urteil des BFH vom 28.05.2015 (Aktenzeichen VI R 63/16, BFH/NV 2015, 1078) steht dem Ergebnis im Streitfall nicht entgegen. Denn der BFH hatte dort über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Prüfhinweis unbeachtet blieb und sich der Eingabefehler des Sachbearbeiters perpetuierte. Ein möglicher Rechtsanwendungsfehler trotz des ergangenen Prüfhinweises konnte dort daher ausgeschlossen werden. Demgegenüber kann im vorliegenden Streitfall ein möglicher sachverhaltsbezogener Denk- oder Überlegungsfehler nicht ausgeschlossen werden, weil die jeweils zuständigen Sachbearbeiter die streitrelevanten Risiko-Hinweise nicht gänzlich unbearbeitet ließen, sondern gesehen, geprüft und den eigenen Willen durch entsprechende – wenn auch lediglich sehr kurze – Vermerke dokumentiert haben. Ein bloßer Eingabefehler wie im Fall, über den der BFH in BFH/NV 2015, 1078 zu entscheiden hatte, liegt im Streitfall mithin nicht vor.
    51

    4. Das Problem der Änderbarkeit von bestandskräftigen Einkommensteuerbescheiden nach § 129 AO bei unterbliebener Berücksichtigung von elektronisch zu übermittelnden Daten Dritter hat auch der Gesetzgeber erkannt und die – allerdings erst mit Wirkung zum 01.01.2017 und daher im vorliegenden Fall nicht anwendbare – Vorschrift des § 175b AO eingeführt, wonach ein Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern ist, soweit von der mitteilungspflichtigen Stelle an die Finanzbehörden übermittelte Daten i.S.d. § 93c AO bei der Steuerfestsetzung nicht oder nicht zutreffend berücksichtigt wurden.
    52

    III. Eine Änderung der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012 kann auch nicht auf die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt werden.
    53

    1. Zwar hatte der Kläger für das Jahr 2011 die von der Y. bezogene Jahres-Rente lediglich in Höhe von 7.250,00 € erklärt, obwohl er – unstreitig – tatsächlich eine Jahres-Rente in Höhe von 7.286,00 € erhalten hatte. Bezüglich der Differenz in Höhe von 36,00 € liegt damit eine Tatsache vor, die dem Beklagten erst nachträglich bekannt geworden ist. Jedoch steht einer Änderung des Einkommensteuerbescheides für 2011 unter zusätzlicher Berücksichtigung der Renteneinkünfte in Höhe von 36,00 € die Kleinbetragsverordnung (KBV) entgegen. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KBV in der Fassung vom 19.12.2000 werden Festsetzungen der Einkommensteuer nur geändert oder berichtigt, wenn die Abweichung von der bisherigen Festsetzung mindestens 10,00 € beträgt. Die Vorschriften der KBV sind auch im finanzgerichtlichen Verfahren anzuwenden, wenn sich die Frage nach einer Anwendung dieser Vorschrift erstmals im finanzgerichtlichen Verfahren stellt (vgl. BFH-Beschluss vom 03.06.2013 V B 4/13, juris). Eine Änderung der Steuerfestsetzung für das Jahr 2011 durch Erhöhung der sonstigen Leistungen in Höhe von 36,00 € würde zu einer Abweichung von der bisherigen Festsetzung in Höhe von weniger als 10,00 € führen, so dass der Einkommensteuerbescheid 2011 insoweit nicht geändert werden darf.
    54

    2. Für das Jahr 2012 kommt eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht in Betracht, weil Tatsachen, die dem Beklagten erst nachträglich bekannt geworden sind, nicht ersichtlich sind. Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfüllt sein könnten, hat der Beklagte auch nicht vorgetragen.
    55

    B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
    56

    C. Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
    57

    D. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.