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  • 12.01.2006 · IWW-Abrufnummer 060099

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 22.09.2005 – IX R 26/04

    Anders als Garagen von Ein- oder Zweifamilienhäusern sind Garagen, die auf dem Gelände eines großen Mietwohnungskomplexes nachträglich errichtet werden, jedenfalls dann als selbständige Wirtschaftsgüter gesondert abzuschreiben, wenn ihre Errichtung nicht Bestandteil der Baugenehmigung für das Mietwohngebäude war und kein enger Zusammenhang zwischen der Nutzung der Wohnungen und der Garagen besteht, weil die Zahl der Garagen hinter der Zahl der Wohnungen deutlich zurückbleibt und die Garagen zum Teil an Dritte vermietet sind.


    Gründe:

    I.

    Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Eigentümerin von drei Mietwohngrundstücken mit Mehrfamilienhäusern, von denen zwei über jeweils 27 und das dritte über 49 Wohneinheiten verfügen. Im Streitjahr 1995 errichtete die Klägerin auf den Grundstücken insgesamt 15 neue Garagen. Die Zahl der neu errichteten und der zuvor bereits vorhandenen Garagen unterschreitet bei jedem der Grundstücke deutlich die Zahl der Wohnungen. Von den neu errichteten Garagen sind fünf an Personen vermietet, die nicht Wohnungsmieter der Klägerin sind.

    Die Klägerin beantragte in ihrer Steuererklärung für das Streitjahr, die Absetzung für Abnutzung (AfA) hinsichtlich der neu errichteten Garagen gesondert vom Gebäude nach § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit 5 v.H. der Herstellungskosten anzusetzen.

    Davon abweichend berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) diese Kosten im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr lediglich als nachträgliche Anschaffungskosten der Mehrfamilienhäuser. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 271 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

    Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 7 EStG.

    Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer unter Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf 43 473 DM herabzusetzen.

    Das FA beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

    II.

    Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

    Entgegen der Ansicht des FA und des FG handelt es sich bei den Garagen um ein gegenüber den Mietwohnhäusern selbständig abschreibbares "Gebäude". Mangels entsprechender tatsächlicher Feststellungen des FG kann der Senat allerdings nicht beurteilen, ob der Bauantrag für die Garagen vor dem 1. Januar 1995 gestellt wurde und damit der insoweit entstandene --unstreitige-- Herstellungsaufwand im Streitjahr 1995 nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG als AfA in Höhe von 5 v.H. der Herstellungskosten abgezogen werden kann; diese Feststellung hat das FG nachzuholen.

    1. Gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung kann der Bauherr --wie im Streitfall-- AfA in fallenden Jahresbeträgen, nämlich im Jahr der Fertigstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils 5 v.H. sowie jeweils 2,5 v.H. in den folgenden sechs und jeweils 1,25 v.H. in den darauf folgenden 36 Jahren geltend machen, wenn das Gebäude aufgrund eines vor dem 1. Januar 1995 gestellten Bauantrags hergestellt worden ist.

    a) Nach § 7 Abs. 1 EStG ist Gegenstand der AfA das abnutzbare Wirtschaftsgut im Ganzen. Wer ein Gebäude errichtet, hat dieses grundsätzlich als einheitliches Wirtschaftsgut mit dem Gesamtbetrag der Herstellungskosten zu bewerten und einheitlich AfA der Nutzungsdauer entsprechend vorzunehmen. AfA von unselbständigen Teilen des Gebäudes sind unzulässig, sofern es sich nicht um gesetzlich ausdrücklich zugelassene Sonderabschreibungen handelt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. Juni 1983 VIII R 179/79, BFHE 139, 509, BStBl II 1984, 196, mit Hinweis auf BFH-Beschlüsse vom 22. August 1966 GrS 2/66, BFHE 86, 792, BStBl III 1966, 672, sowie vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132).

    b) Getrennt --ohne bautechnische Verbindung-- auf einem Grundstück stehende Baulichkeiten sind grundsätzlich gesonderte Wirtschaftsgüter (BFH in BFHE 139, 509, BStBl II 1984, 196, m.w.N.). Das Bewertungsrecht, das den Grund und Boden und die aufstehenden Gebäude als eine wirtschaftliche Einheit auffasst (§ 68 Abs. 1 Nr. 1, §§ 70, 2 des Bewertungsgesetzes --BewG--), ist insoweit einkommensteuerrechtlich unmaßgeblich. Wie der Große Senat des BFH ausgeführt hat, gebietet für die Einkommensteuer § 6 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 EStG, zwischen dem (nicht abnutzbaren) Grund und Boden und den aufstehenden (abnutzbaren) Gebäuden zu unterscheiden (Beschluss vom 16. Juli 1968 GrS 7/67, BFHE 94, 124, BStBl II 1969, 108). Hieran ändert sich nichts, wenn die mehreren Gebäude einheitlich genutzt werden (z.B. für Zwecke einer Landwirtschaft) oder gemeinsame Versorgungsanlagen haben (BFH-Urteil vom 30. Juli 1981 IV R 37/78, BFHE 134, 32, BStBl II 1981, 783). Verschiedene Nutzungs- und Funktionszusammenhänge können zwar dazu führen, Teile eines Gebäudes als verschiedene Wirtschaftsgüter aufzufassen (BFH in BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132). Ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang ist jedoch regelmäßig nicht geeignet, mehrere getrennt stehende Baulichkeiten zu einem Wirtschaftsgut zusammenzufassen (BFH in BFHE 139, 509, BStBl II 1984, 196).

    c) Nur für Baulichkeiten oder sonstige Einrichtungen, die trotz fehlender baulicher Verbindung einem auf demselben Grundstück befindlichen Hauptgebäude derart dienen, dass dieses ohne die Einrichtung als unvollständig erscheint, hat die Rechtsprechung die Selbständigkeit dieser dienenden Baulichkeiten oder sonstigen Einrichtungen verneint (z.B. bei einer Umzäunung als Teil des durch den Zaun geschützten Gebäudes; BFH-Urteil vom 15. Dezember 1977 VIII R 121/73, BFHE 124, 193, BStBl II 1978, 210).

    Eine solche --gegen eine Selbständigkeit als Wirtschaftsgut sprechende-- dienende Funktion nimmt die Rechtsprechung insbesondere für Garagen an, soweit sie in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit Ein- oder Zweifamilienhäusern stehen. Diese seien nach heutigen Wohnvorstellungen ohne Garage oder Stellplatz unvollständig, weshalb die Bauordnungen durchgängig die Errichtung von Garagen im Zusammenhang mit Wohnungsbauten anordneten (BFH-Urteil vom 2. Juni 1999 X R 16/96, BFHE 189, 67, BStBl II 1999, 596). Dies gilt auch für nachträglich errichtete Garagen, weil auch in mehreren Bauabschnitten errichtete Gebäude als Bewertungseinheit angesehen werden (BFH-Urteil in BFHE 139, 509, BStBl II 1984, 196, m.w.N.; allgemein zur Bewertungseinheit trotz mehrerer Bauabschnitte BFH-Urteil vom 5. November 2003 X R 16/01 BFH/NV 2004, 485).

    2. Nach diesen Maßstäben sind die im Streitfall errichteten Garagen nicht als unselbständige Bestandteile der Miethäuser anzusehen, sondern als selbständige Gebäude i.S. des § 7 Abs. 5 EStG abzuschreiben.

    Anders als Garagen von Ein- oder Zweifamilienhäusern stehen Garagen im Zusammenhang mit großen Mietwohnungskomplexen nicht von vornherein in einem untrennbaren Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit den Mietwohnungen, soweit ihre Errichtung nicht Bestandteil der erteilten Baugenehmigungen war (Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 7 Rz. 18). Fehlt eine solche baurechtliche Verpflichtung wie hier nach den tatsächlichen Feststellungen des FG, kann nicht von einem solchen Funktionszusammenhang ausgegangen werden (vgl. auch Blümich/ Brandis, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 7 EStG Rz. 492 Stichwort "Garagen").

    Dass zwischen den Wohnungen von Mehrfamilienhäusern und auf den Mietwohngrundstücken errichteten Garagen kein vergleichbar enger --im Wesentlichen ausschließlich auf die Nutzer der Wohneinheiten ausgelegter-- Zusammenhang wie bei der Errichtung von Garagen auf Ein- und Zweifamilienhausgrundstücken besteht, wird im Streitfall besonders deutlich. Denn die Zahl der neuen und alten Garagen bleibt weit hinter der Anzahl der Mietwohnungen (103) zurück. Angesichts dieser Umstände, die insbesondere für Mehrfamilienhäuser in Ballungsräumen typisch sind, fehlt ersichtlich eine Grundlage für den Ausgangspunkt des FG, nach der Verkehrsanschauung werde regelmäßig auch in Ballungsräumen seit mindestens einem Jahrzehnt zumindest ein privater Stellplatz als regelmäßiger Wohnkomfort einer Mietwohnung erwartet. Zudem sind die streitigen Garagen nicht ausschließlich zur Vermietung an Mieter bestimmt, sondern werden zum Teil (ein Drittel der neuen Garagen) nach den tatsächlichen Feststellungen des FG an Dritte vermietet.

    Bei einer solchen Ausgangslage sind die Garagen wegen des fehlenden engen einheitlichen Funktions- und Nutzungszusammenhangs mit den Wohnungen nicht als unselbständiger Bestandteil der Wohngebäude anzusehen (a.A. FG Köln, Urteil vom 14. Juli 2000 15 K 2702/94, EFG 2000, 990).

    Der insoweit entstandene Herstellungsaufwand betrifft infolgedessen nur die Garagen als selbständige Gebäude; er ist folglich ebenso wie Aufwand für Garagen auf gemischt genutzten Grundstücken (vgl. Nolde in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, § 7 EStG Anm. 397 Stichwort "Garagen", m.w.N.), Hof- und Platzbefestigungen sowie Befestigungen für Stellplätze von Betriebsgrundstücken (vgl. dazu BFH-Urteile vom 1. Juli 1983 III R 161/81, BFHE 138, 513, BStBl II 1983, 686; vom 10. Oktober 1990 II R 171/87, BFHE 162, 367, BStBl II 1991, 59; vom 4. März 1998 X R 151/94, BFH/NV 1998, 1086) nach § 7 EStG --gesondert-- abzuschreiben (ebenso Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 7 Rz. 18).

    3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat die auf der Grundlage seiner bisherigen Rechtsauffassung entbehrliche Feststellung nachzuholen, ob die Klägerin den Bauantrag vor dem 1. Januar 1995 gestellt und damit die formalen Voraussetzungen für die begehrte AfA erfüllt hat.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 7 Abs. 5