27.11.2018 · IWW-Abrufnummer 205734
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 12.09.2018 – 2 K 151/17
Eine dauerhafte Vermietungsabsicht kann auch dann zu bejahen sein, wenn sich der Vermieter eine Kündigung zu einem bestimmten Zeitpunkt wegen Eigenbedarfs vorbehält, um das Mietobjekt einem Angehörigen zu überlassen, sofern davon auszugehen ist, dass diese Überlassung nicht unentgeltlich erfolgen soll.
FINANZGERICHT HAMBURG
12.09.2018
Urteil
Tatbestand
Streitig sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
Der Kläger bezog in den Streitjahren 2011 bis 2014 Einkünfte als Abgeordneter.
Mit Kaufvertrag vom ... 2005 erwarb der Kläger zum Kaufpreis von 224.490 € das Wohnungseigentum an einer 86,52 m2 großen Wohnung in dem Objekt X-Straße-1 in Hamburg, das er in der Folgezeit selbst nutzte. Nach Erwerb hatte der Kläger Renovierungsarbeiten im Umfang von ca. 50.000 € durchgeführt. Am ... 2009 erwarb er in der X-Straße-2 eine weitere Immobilie, die er nach Renovierung ab Ende 2010 selbst nutzte.
Mit Mietvertrag vom ... 2011 vermietete der Kläger die Wohnung X-Straße-1 In dem Vertrag heißt es in § 2 zur Mietzeit u. a.:
Das Mietverhältnis beginnt am 15.03.2011
1. Das Mietverhältnis läuft auf unbestimmte Zeit und endet mit Ablauf des Monats, zu dem der Vermieter oder der Mieter die Kündigung unter Einhaltung einer Frist von 3 Monaten kündigt. ....
2. Das Mietverhältnis läuft auf bestimmte Zeit und endet am 01.03.2015
ohne dass es einer Kündigung bedarf, nur wenn
a) der Vermieter die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts nutzen will, oder
b) ...
c) ...
Grund der Befristung ist: der Vermieter Herr A macht Eigenbedarf für die Nichte Frau B (geb. ... 1994) geltend. Diese wird dann die Wohnung selbst beziehen. Bei dem o. g. Auszugsdatum (1.3.2015) handelt es sich um das spätest mögliche Auszugsdatum des Mieters. Dem Mieter wird während der gesamten Mietzeit ein dreimonatiges Kündigungsrecht eingeräumt.
Ferner war eine Staffelmiete vereinbart, die eine Erhöhung zum 1. März 2013 und zum 1. März 2015 vorsah. Der Mieter kündigte Mitte 2014 von sich aus das Mietverhältnis. Mit Kaufvertrag vom ... 2014 veräußerte der Kläger die Wohnung zum Kaufpreis von 288.000 €.
Der Beklagte hatte die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Streitjahren 2011 bis 2013 (2011: 6.134 €; 2012: 4.774 € und 2013: 19.112 €) zunächst erklärungsgemäß, aber vorläufig im Sinne von § 165 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) berücksichtigt. Mit Einkommensteuerbescheid für 2014 vom 11. November 2015 setzte der Beklagte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit 0 € an und änderte unter demselben Datum die Bescheide für 2011 bis 2013 gem. § 165 Abs. 2 AO und ließ nunmehr die Verluste aus Vermietung und Verpachtung ebenfalls unberücksichtigt. Es fehle an der Gewinnerzielungsabsicht, weil die Wohnung befristet wegen Eigenbedarfs vermietet gewesen sei und zwischen Beginn der Vermietung und Veräußerung lediglich vier Jahre lang Verluste erwirtschaftet worden seien. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 14. Dezember 2015, der mit Entscheidung vom 13. April 2017 zurückgewiesen wurde.
Am 16. Mai 2017 hat der Kläger Klage erhoben. Der Beklagte habe zu Unrecht die Einkünfteerzielungsabsicht verneint und die erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt gelassen.
Grundsätzlich sei bei einer langfristigen Vermietung von einem Totalüberschuss auszugehen. Etwas anderes könne bei einer kurzen Vermietungszeit und anschließendem Verkauf gelten. Im Streitfall sei aber grundsätzlich eine langfristige Vermietung beabsichtigt gewesen und lediglich eine eingeschränkte Befristung für den Fall vereinbart worden, dass seine Nichte die Wohnung habe mieten wollen. Die Nichte habe sich seinerzeit noch in der Ausbildung befunden und sei sehr daran interessiert gewesen, nach Abschluss der Lehre die Wohnung in Hamburg zu beziehen. Zum Zeitpunkt des Auszugs des Mieters habe die Nichte dann aber das Interesse an der Wohnung verloren gehabt, weil sie zwischenzeitlich mit ihrem Freund in C zusammengezogen sei. Daraufhin habe er, der Kläger, sich entschlossen, die Wohnung nicht mehr zu vermieten, weil die Betreuung eines Mietverhältnisses doch aufwändig sei, sondern sie zu veräußern.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Bescheide für 2011, 2012, 2013 über Einkommensteuer vom 11. November 2015 und die Einspruchsentscheidung vom 13. April 2017 aufzuheben sowie den Bescheid für 2014 und die Einspruchsentscheidung vom 13. April 2017 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wie erklärt berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte stellt weiterhin die erforderliche Gewinnerzielungsabsicht in Abrede. Eine befristete Vermietung sei grundsätzlich ein Indiz dafür, dass keine dauerhafte Vermietung beabsichtigt sei. Im Streitfall seien auch widersprüchliche Angaben gemacht worden. Im Veranlagungsverfahren habe es geheißen, dass die Befristung auf ausdrücklichen Wunsch des Mieters erfolgt sei; aus dem Mietvertrag ergebe sich, dass die Befristung wegen Eigenbedarfs zu Gunsten der Nichte erfolgt sei. Der Entschluss, die Wohnung nach Absage der Nichte sogleich zu veräußern und nicht erneut zu vermieten, spreche ebenfalls gegen eine dauerhafte Vermietungs- und Gewinnerzielungsabsicht.
Auch die Vereinbarung einer Staffelmiete mit Erhöhung ab dem 1. März 2015, dem Befristungsende, spreche nicht für eine auf Dauer angelegte Vermietung. Es sei durchaus sinnvoll, eine weitere Staffelmiete ab dem Ende des Vertrages vorzusehen, um die Nutzungsentschädigung beziffern zu können, die bei vertragswidrigem Gebrauch der Wohnung geltend zu machen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift über den Erörterungstermin vom 20. Juni 2018 Bezug genommen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Die den Kläger betreffenden Steuerakten zur Steuernummer ... haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet gem. § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.
1. Die angegriffenen Einkommensteuerbescheide sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, soweit der Beklagte die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unberücksichtigt gelassen hat.
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. V. m. § 21 EStG unterliegen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, die der Steuerpflichtige erzielt, der Einkommensteuer. Mit dem Begriff des "Erzielens" stellt das Gesetz -- für alle Einkunftsarten -- einen Zusammenhang her zwischen den Einkünften und der Tätigkeit oder Vermögensnutzung, durch die sie erzielt, d. h. erwirtschaftet, werden. Einkünfte werden grundsätzlich durch zielgerichtetes Handeln/zielgerichtete Vermögensnutzung erwirtschaftet. Wesentliches Merkmal der Einkünfteerzielung ist danach die Absicht, durch die Erwerbstätigkeit/Vermögensnutzung auf Dauer gesehen ein positives Ergebnis zu erzielen (Einkünfteerzielungsabsicht). Dementsprechend fällt auch eine Vermietungstätigkeit nur dann unter die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung, wenn der Vermieter die Absicht hat, auf Dauer einen Totalüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erwirtschaften; nichtsteuerbare Veräußerungsgewinne bleiben dabei unberücksichtigt (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhof (BFH) vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751, 766 f.).
a) Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften (ständige Rechtsprechung, grundlegend Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BStBl II 1998, 771; vgl. auch Urteile vom 19. April 2005 IX R 10/04, BStBl II 2005, 692 und IX R 15/04, BStBl II 2005, 754).
Diese Annahme setzt voraus, dass der Steuerpflichtige den Entschluss, auf Dauer zu vermieten, endgültig gefasst hat. Hieran fehlt es, wenn der Steuerpflichtige das Grundstück kurzfristig wieder verkaufen will oder wenn er sich noch nicht entschieden hat, ob er das Grundstück langfristig vermieten oder kurzfristig verkaufen will (vgl. BFH-Urteil vom 4. Dezember 2001 IX R 70/98, BFH/NV 2002, 635). Demgegenüber ist die Einkünfteerzielungsabsicht nach Maßgabe der Grundsätze des Urteils vom 30. September 1997 (IX R 80/94, BStBl II 1998, 771) auch dann zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige nach dem Beginn seiner Vermietungstätigkeit das bebaute Grundstück aufgrund eines neu gefassten Entschlusses veräußert (BFH-Urteile vom 18. Januar 2006 IX R 18/04, BFH/NV 2006, 1078; vom 9. Juli 2003 IX R 102/00, BStBl II 2003, 940 und 9. Juli 2002 IX R 47/99, BStBl II 2003, 580).
Die Einkünfteerzielungsabsicht kann dagegen nicht vermutet werden, wenn die Vermietung nicht auf Dauer angelegt ist. Dies ist u. a. dann der Fall, wenn bereits bei Abschluss des Mietvertrages die Absicht besteht, das Objekt anschließend zu veräußern (z. B. BFH Urteil vom 4. Dezember 2001 IX R 70/98, BFH/NV 2002, 635 m. w. N.) oder wenn der Steuerpflichtige plant, das Objekt nach einer gewissen Zeit selbst nutzen zu wollen und bis dahin kein Totalüberschuss erwirtschaftet werden kann (z. B. BFH Urteil vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BStBl II 2003, 695). Unabhängig hiervon ist Indiz für eine fehlende Dauervermietungsabsicht, wenn das Objekt in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb tatsächlich veräußert wird, in der Regel innerhalb von fünf Jahren (BFH-Urteile 18. Januar 2006 IX R 18/04, BFH/NV 2006, 1078; vom 9. Juli 2002 IX R 47/99, BStBl II 2003, 580).
b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist eine Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers zu bejahen.
Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger nach Aufgabe der Selbstnutzung die Wohnung X-Straße-1 dauerhaft vermieten wollte. Die Klausel in § 2 des Mietvertrages vom ... 2013 steht dieser Annahme nicht entgegen. Danach ist als Grundsatz geregelt, dass der Mietvertrag auf unbestimmte Zeit geschlossen wird (§ 2 Nr. 1). Damit im Zusammenhang steht die Vereinbarung einer Staffelmiete mit Erhöhungen ab dem 1. März 2013 und 1. März 2015. Eine Einschränkung erfährt diese Regelung in § 2 Nr. 2 Buchst. a dahin, dass der Vertrag am 1. März 2015 endet, wenn Eigenbedarf geltend gemacht wird. Der Eigenbedarf wird im Vertrag dahin erläutert, dass die Nichte des Klägers die Wohnung ggfs. beziehen wird. Hierzu hat der Kläger vorgetragen und auch im Erörterungstermin persönlich und für das Gericht nachvollziehbar erläutert, dass er die Wohnung an die Nichte habe vermieten, d. h. nicht unentgeltlich überlassen, wollen.
Soweit der Beklagte dagegen eingewandt hat, es sei zweifelhaft, ob die Nichte als ausgebildete ... die mit dem Vormieter vereinbarte Miete habe aufbringen können, berührt dies nicht die generelle dauerhafte Vermietungsabsicht. Bei Abschluss eines Mietvertrages mit der Nichte wäre der Kläger frei gewesen, eine geringere Miete zu vereinbaren als mit dem Vormieter, ggfs. wäre die Regelung in § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG zu beachten gewesen. Ob bei der Vereinbarung einer geringeren Miete im Ergebnis ein Totalüberschuss zu erzielen gewesen wäre, hätte im Rahmen einer abschließenden Prognose beurteilt werden müssen, unabhängig von der (Vor)frage der Dauerhaftigkeit der Vermietungsabsicht.
Für die Auslegung der Mietzeitklausel im steuerrechtlichen Kontext ist es unerheblich, ob die bedingte Befristung zivilrechtlich wirksam war - woran allerdings erhebliche Zweifel bestehen - weil es allein auf die Beurteilung der Absichten des Klägers ankommt. Allerdings dürfte die Deutung des Beklagten, dass bei Widersprüchlichkeiten im Zweifel nur die Befristung wirksam geworden sei, nicht zutreffen. Vielmehr dürfte der Vertrag im Zweifel, dem Regelfall entsprechend, mit unbefristeter Laufzeit zustande gekommen sein.
Vor diesem Hintergrund sieht der Senat auch die Indizwirkung für eine fehlende Dauervermietungsabsicht aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs zwischen Beginn der Vermietungstätigkeit und Veräußerung innerhalb von rund vier Jahren als widerlegt an. Insoweit hat der Kläger überzeugend dargetan, dass er sich erst nach der mieterseitigen Kündigung zum Verkauf entschlossen hat, nachdem die Nichte wegen veränderter persönlicher Verhältnisse die Wohnung nicht mehr habe übernehmen wollen und er zu der Erkenntnis gelangt sei, dass die Betreuung eines Mietverhältnisses mit erheblichem Aufwand verbunden ist.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich schließlich auch nicht deshalb, weil im Festsetzungsverfahren durch den seinerzeitigen Bevollmächtigten vorgetragen worden ist, dass die Befristung auf Wunsch des damaligen Mieters in den Vertrag aufgenommen worden sei. Dieser Vortrag ist durch die tatsächliche Regelung im Mietvertrag eindeutig widerlegt und dürfte auf einem Missverständnis beruhen.
3. Die geänderten Einkommensteuerbescheide für 2011 bis 2013 sind danach aufzuheben. Für 2014 ist die Steuer wie folgt herabzusetzen:
Bisher zu versteuerndes Einkommen 110.441 €
Abzgl. Verlust aus Vermietung und Verpachtung 12.185 €
Neues zu versteuerndes Einkommen 98.256 €
Einkommensteuer nach Grundtabelle 33.028 €
ab Spenden an politische Parteien 825 €
ab Ermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen 21 €
dazu Kindergeld 1.104 €
Festzusetzende Einkommensteuer 33.286 €
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.