07.05.2019 · IWW-Abrufnummer 208698
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 19.07.2018 – 2 K 1835/16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Finanzgericht Hessen
Urt. v. 19.07.2018
Az.: 2 K 1835/16
Tenor:
Die Einkommensteuerbescheide für 2009-2013 vom 20.05.2016 sowie die Bescheide über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages für 2009-2013 vom 20.05.2016 werden unter teilweiser Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12.09.2016 mit der Maßgabe geändert, dass die von der Klägerin getätigten Umsätze (Erlöse) jeweils um Betriebsausgaben i.H.v. 60 % des Nettoumsatzes gemindert werden; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Dem Beklagten wird aufgegeben, die Steuern neu zu berechnen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist nach ihren eigenen Angaben vom Gesundheitsamt arbeitsunfähig krankgeschrieben.
Die Klägerin hat im Streitzeitraum beim Stöbern bei Haushaltsauflösungen kostengünstig diverse Gegenstände eingekauft und diese nachfolgend auf der Internetplattform eBay in Form von Versteigerungen zum Verkauf angeboten. Sie hat dabei nach Erkenntnissen einer Steuerfahndungsprüfung im Jahr 2009 bei 577 Auktionen Einnahmen i.H.v. 40.000 € generiert, im Jahr 2010 waren es bei 1057 Auktionen Einnahmen i.H.v. 70.000 €, im Jahr 2011 erfolgten 628 Auktionen mit Einnahmen i.H.v. 90.000 €, im Jahr 2012 führte sie 554 Auktionen mit Einnahmen i.H.v. 90.000 € durch, im Jahr 2013 waren es 260 Auktionen mit Einnahmen i.H.v. 80.000 € (Bl. 24 des Sonderbandes Einsprüche).
Zur Durchführung dieser Tätigkeiten hatte die Klägerin 4 eBay-Accounts eingerichtet und 2 Girokonten eröffnet.
Die Klägerin hat in den Streitjahren keine Steuererklärungen abgegeben und wurde somit steuerlich nicht veranlagt.
Auf der Basis der Ermittlungen der Steuerfahndung hat der Beklagte für die Streitjahre Einkommensteuerbescheide, Umsatzsteuerbescheide und Bescheide über Gewerbesteuermessbeträge gegen die Klägerin ergehen lassen. Mangels Vorliegens von entsprechenden Gewinnermittlungen hat der Beklagte die Betriebsausgaben der Klägerin i.H.v. 30 % der Betriebseinnahmen geschätzt. Gegen die Steuerbescheide hat die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte irriger Weise von einem Gewerbebetrieb bei der Klägerin ausgehe. Sie, die Klägerin, verkaufe Gegenstände, die sie bei Haushaltsauflösungen erworben habe, bei eBay. Ihr mache es Spaß, bei eBay zu zuschauen, wie kurz vor Ablauf der Auktion die Preise sich nach oben bewegen würden. Kurz vor Schluss der Auktionen würden sich teilweise die Preise überbieten und nach oben ausschlagen. Teilweise sei es aber auch so, dass die angebotenen Sachen unter dem Einstiegspreis weggehen würden. Da die Klägerin alle Produkte für 1 € verkauft habe, sei das fast wie Lotto spielen. Lottospiele seien jedoch keine einkommensteuerbare gewerbliche Tätigkeit.
Für die Klägerin sei es die Faszination, das Mitbieten zu sehen und zu beobachten, wie die Sachen sich entwickeln und nach oben geboten würde.
Die Klägerin kaufe allerdings nicht auf eBay, sondern sie verkaufe dort nur. Gegenstände, die sie nicht verkaufen könne, werfe sie weg.
Entsprechend seien auch die eBay-Konten der Klägerin privat und nicht gewerblich angemeldet. Die Klägerin sei nie davon ausgegangen, dass dieses private Hobby steuerpflichtig sein könnte. Tatsächlich würden ihr auch nicht die Verluste aus diesem Geschäft anerkannt werden.
Auch eBay selbst überwache die einzelnen Kunden, und wenn eBay zur Auffassung gelangen, dass es ein gewerbliches Konto sei, schreibe eBay den entsprechenden Kunden an mit der Bitte, dieses Konto von privat auf gewerblich umzustellen. Erfolge dies nicht, kündige eBay die Beziehung. Dies sei aber gerade vorliegend nicht geschehen, so dass die Klägerin zu Recht habe davon ausgehen können, dass es sich hier um einen privaten, nicht steuerbaren Liebhabersektor gehandelt habe.
Außerdem sei die Klägerin vom Gesundheitsamt arbeitsunfähig krankgeschrieben und gar nicht in der Lage, einen Gewerbebetrieb zu führen.
Die Umsätze würden im Wesentlichen aus ein paar privaten Verkäufen und darüber hinaus aus einem Stöbern aus Zeitvertreib bei Haushaltsauflösungen generiert werden, bei denen hin und wieder das eine gekauft und es dann wieder verkauft werde. Die Klägerin selbst könne es sich gar nicht erlauben, die Sachen zu behalten. Die Klägerin schaue hin und wieder bei Haushaltsauflösungen nach interessanten Gegenständen, kaufe diese und müsse diese letztendlich, weil sie nicht genügend Geld bzw. Platz habe, wieder verkaufen. Die Einnahmen würden bestenfalls die Ausgaben tragen.
Die Klägerin erfahre aus Zeitungen, wo Haushaltsauflösungen stattfinden. Sie fahren dann dorthin und stöbere. Teilweise nehme sie was mit, teilweise auch nicht. Zum Versand für die bei eBay ausgestellten Sachen müsse die Klägerin Verpackungsmaterial kaufen, das Porto zahlen und die Sachen versenden.
Nach alledem habe die Klägerin kein Gewerbe angemeldet, weil es aus ihrer Sicht auch kein Gewerbe sei. Eine Hobbytätigkeit würde ihr steuerlich nicht anerkannt werden, dies gelte ebenso für die Verluste aus dieser Tätigkeit. Die Verluste würden wegen der Einstufung als Liebhaberei steuerlich nicht anerkannt werden.
Nach Ansicht der Klägerseite mache es sich das Finanzamt vorliegend zu einfach. Der Beklagte habe nichts für die Gewinnerzielungsabsicht oder die Absicht, Umsätze zu erzielen, bei der Klägerin vorgetragen noch dies bewiesen. Das Finanzamt schließe vielmehr rückwärtsgewandt aus der Addition der gesamten Umsätze bei eBay auf eine angeblich früher von Anfang an vorhandene Gewinnerzielungsabsicht bzw. Umsatzerzielungsabsicht. Dies sei aber kein Nachweis für das tatsächliche Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht, sondern genau genommen nur eine Vermutung.
Für die Klägerin und gegen eine Gewinnerzielungsabsicht spreche auch, dass Sie kein Lager angemietet hatte, um erworbene Produkte dort aufzubereiten oder nicht gängige Produkte dort zwischenzulagern. Sie habe auch zahlreiche Produkte unter Einstandspreis einfach nur für 1 € verschleudert. Es habe bei der Klägerin kein Marketingkonzept, keine Kostenanalyse, keine Erfassung der Einnahmen und Ausgaben keine Optimierung ihrer Verkaufsaktivitäten und keine Werbung gegeben. Alles sei zufällig, ungeplant, unprofessionell gewesen und habe nur einen Zeitvertreib bzw. ein Hobby dargestellt.
Das beklagte Finanzamt habe sich auch nie die realen Einnahmen angesehen. Es sei stets nur von den eBay-Verkäufen ausgegangen. Es sei dabei nicht berücksichtigt worden, dass die eBay-Käufer natürlich nicht alle tatsächlich zu Ihrem Kaufgebot stehen. Es seien viele Bieter aus Spaß dabei und viele, die von ihrem Kaufvertrag - was ihnen rechtlich erlaubt sei - fristgemäß zurücktreten. Es gebe also eine erhebliche Differenz zwischen der Summe, die sich aus den eBay Verträgen ergebe und den tatsächlich erfolgten und abgewickelten Verkäufen.
Insoweit habe das beklagte Finanzamt aus den eBay-Umsätzen auf Gewinne geschlossen. Es sei jedoch nicht jeder Kaufvertragsabschluss bei eBay ein tatsächlicher realer Umsatz. Bieter aus Spaß und vom Kaufvertrag ordnungsgemäß Zurücktretende wie auch berechtigt oder unberechtigt Reklamierende reduzierten natürlich den tatsächlichen Umsatz. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 29. September 2016, 31. Januar 2017, 18. Juni 2018, 10. Juli 2018 und vom 12. Juli 2018 Bezug genommen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung, der er -ebenso wie die übrigen Verfahrensbeteiligten - per Videokonferenz zugeschaltet war, Akteneinsicht beantragt.
Die Klägerin beantragt,
die angefochtenen Steuerbescheide vom 20. Mai 2016 sowie die Einspruchsentscheidung vom 13. September 2016 aufzuheben;
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Ansicht des Beklagten handele es sich bei den Verkäufen von Antiquariat auf der Internetplattform von eBay um Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Zudem sei die Klägerin Unternehmerin im Sinne des Umsatzsteuergesetzes gewesen. Ebay-Mitglieder, die auch Gegenstände des privaten Lebensbedarf veräußern, würden nachhaltig tätig werden, wenn sie sich wie Händler auf dem Markt verhalten. Diese Voraussetzungen würden insbesondere Mitglieder erfüllen, die Ankäufe und Verkäufe planmäßig mit auf Güterumschlag gerichteter Absicht tätigen.
Außerdem würde die Anzahl der Veräußerungen der Klägerin eine Betriebsorganisation erforderlich machen, wie sie bei Händlern üblich sei. Sie müsse sich zu jedem einzelnen Auktionsgegenstand Gedanken zur Bezeichnung, zur Wertfindung und zur Platzierung in der einschlägigen Produktgruppe Gedanken machen. Außerdem sei zur Verkaufsförderung ein digitales Bild des Auktionsgegenstandes zu machen und ins Internet einzustellen. Ferner müsse sie den Auktionsablauf wegen möglicher Fragen potentieller Käufer sowie den Zahlungseingang überwachen und die Ware an den Kunden senden. Insofern sei die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin für die Beurteilung nicht ausschlaggebend, da die zuvor dargestellte Betriebsorganisation bereits von der Klägerin praktiziert worden sei.
Der Beklagte führt weiter aus, dass er die jeweiligen Gewinne geschätzt habe, indem er 30 % der Betriebseinnahmen als Betriebsausgaben angesetzt habe. Diese Schätzung sei erforderlich gewesen, da die Klägerin keine Gewinnermittlung vorgelegt und keine Betriebsausgaben nachgewiesen habe.
Demgegenüber seien sämtliche Betriebseinnahmen unstreitig von der Bußgeld- und Strafsachenstelle nachgewiesen worden.
In Bezug auf die Umsatzsteuerbescheide ist der Beklagte der Ansicht, dass eine Berücksichtigung der Kleinunternehmerregelung aufgrund der Höhe der Umsätze ausgeschlossen sei. Ebenso sei eine Anwendung der Differenzbesteuerung nicht möglich, weil die Voraussetzungen für die dazu erforderlichen Aufzeichnungen gemäß § 25 a Abs. 6 des Umsatzsteuergesetzes nicht erfüllt seien.
Schließlich seien die angefochtenen Steuerbescheide auch innerhalb der Festsetzungsfrist ergangen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 27. Februar 2017 Bezug genommen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hatte im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens am 7. November 2016 beim Beklagten Akteneinsicht genommen (Bl. 70 der Gerichtsakte). Der Beklagte hat dem Prozessbevollmächtigten wunschgemäß Kopien des Akteninhalts übermittelt (Bl. 72 der Gerichtsakte).
Dem Gericht haben die einschlägigen Steuerakten des Beklagten vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
Die angefochtenen Steuerbescheide für die Streitjahre 2009-2013 sind insoweit rechtmäßig, als der Beklagte darin die Einnahmen, die die Klägerin aus dem Verkauf von Gegenständen bei eBay erzielt hat, dem Grunde nach der Einkommensteuer, der Umsatzsteuer und der Gewerbesteuer unterworfen hat.
Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 des Einkommensteuergesetzes). Nach § 15 Abs. 2 S. 1 des Einkommensteuergesetzes ist Gewerbebetrieb eine selbstständige, nachhaltige Tätigkeit, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist, dass die jeweilige Betätigung den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet.
Für die Umsatzsteuer gilt folgendes:
Nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Unternehmer nach § 2 Absatz ein S. 1 des Umsatzsteuergesetzes ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist nach § 2 Abs. 1 S. 3 des Umsatzsteuergesetzes jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt.
Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb bzw. Unternehmereigenschaft einerseits und den nicht steuerbaren Sphäre andererseits ist unter Berücksichtigung und Abwägung der einzelnen Umstände auf das Gesamtbild der Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 20. Dezember 2000 X R 1/97, Bundessteuerblatt II 2001, 706). In Zweifelsfällen ist maßgebend, ob die Tätigkeit, soll sie gewerblich sein, dem Bild entspricht, dass nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist; hierbei gewinnen Merkmale der Professionalität eine besondere Bedeutung (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 16. September 2008 X B 158/07, BFH/NV 2008, 2024).
Bei der rechtlichen Entscheidung über die Frage, ob eine Vermögensverwaltung oder eine unternehmerische Betätigung vorliegt, ist eine Reihe verschiedener, nicht abschließend festgelegter Kriterien zu würdigen, die je nach dem Einzelfall in unterschiedlicher Gewichtung für oder gegen die Nachhaltigkeit der Einnahmeerzielung sprechen können.
Insbesondere sind dabei zu würdigen die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens, die Höhe der Entgelte, die Beteiligung am Markt, die Zahl der ausgeführten Umsätze, das planmäßige Tätigwerden und die Vielfalt des Warenangebots. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass die Zahl und der Umfang der Verkäufe für sich genommen nicht allein maßgeblich sind und die Zahl der Geschäftsvorfälle eines von mehreren zu würdigenden Kriterien ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27.1.2011 V R 21/09, Bundessteuerblatt II 2011, 524).
Bei Würdigung der gesamten Umstände des Streitfalls nach Maßgabe dieser Grundsätze hat die Klägerin im Streitzeitraum mit den Verkäufen durch Auktionen bei eBay nicht lediglich privates Vermögen verwaltet und veräußert bzw. eine Hobbytätigkeit ausgeübt, sondern eine wirtschaftliche, d.h. nachhaltige gewerbliche Tätigkeit entfaltet. Sie ist dabei wie ein gewerblicher Händler aufgetreten.
Die Verkaufstätigkeit der Klägerin war über viele Jahre nachhaltig ausgeübt worden und war auch bezüglich der Anzahl der Verkäufe von beträchtlichem Umfang. Dabei erforderte diese Tätigkeit einen nicht unbeachtlichen administrativen Aufwand und machte eine Betriebsorganisation erforderlich, wie sie bei Händlern üblich ist. So hat die Klägerin selbst vorgetragen, dass sie zur Durchführung ihrer Verkaufsaktionen Verpackungsmaterial kaufen, das Porto zahlen und die Sachen anschließend versenden müsse. Darüber hinaus erforderte die Durchführung und Abwicklung der Verkäufe, dass die Klägerin ein digitales Bild des jeweiligen Auktionsgegenstandes machen und in das Internet einstellen musste und nach Durchführung der Transaktionen den entsprechenden Zahlungseingang überwachen musste.
Nach alledem war die Klägerin als eBay Mitglied bei der Veräußerung der Gegenstände des privaten Lebensbedarfs nachhaltig tätig und hat sich wie ein Händler am Markt verhalten. Sie hat dabei die Ankäufe und Verkäufe planmäßig mit auf Güterumschlag gerichteter Absicht getätigt, was allein schon der Umstand verdeutlicht, dass sie nach eigenem Bekunden es sich wegen Platzmangels nicht erlauben konnte, die im Rahmen von Haushaltsauflösungen erworbenen Sachen selbst zu behalten.
Stellt man auf das Gesamtbild der Verhältnisse wie die Dauer und die Intensität des Tätigwerdens der Kläger, die Höhe der erzielten Entgelte durch die eBay-Auktionen, die Beteiligung am Markt und die Anzahl der ausgeführten Umsätze ab, so war die Klägerin mit Gewinnerzielungsabsicht gewerblich tätig und trat auch als Unternehmerin im Sinn des Umsatzsteuerrechts auf (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26.4.2012 V R 2/11, Bundessteuerblatt II 2012, 634); Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26.5.2010 4 V 210/09, Juris Dokumentation; Urteil des Finanzgerichts Köln vom 4.3.2015 14 K 188/13, EFG 2015, 1103).
Zudem hat die Klägerin bei der Ausübung ihrer Verkaufstätigkeit selbstständig gehandelt, da sie auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko tätig wurde. Es war auch eine nachhaltige Betätigung gegeben. Eine solche ist anzunehmen, wenn die Betätigung von der Absicht getragen ist, sie bei passender Gelegenheit zu wiederholen und daraus eine selbstständige Erwerbsquelle zu machen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Januar 1995 XI R 28/94, BFH/NV 1995, 787).
Im Gegensatz zur nachhaltigen Betätigung steht der gelegentliche -privat motivierte- Verkauf einzelner Gegenstände, so dass die Anzahl der Verkaufsvorgänge ein gewichtiges Indiz für die Abgrenzung der gewerblichen von der privat motivierten Betätigung ist. Da es für die Beurteilung entscheidend auf die Absicht zur Wiederholung und Eröffnung einer Erwerbsquelle ankommt, ist es unerheblich, dass die verkauften Gegenstände bis zur Aufnahme der gewerblichen Betätigung Privatvermögen des Steuerpflichtigen gewesen sind. Auch der nachhaltige Verkauf von Privatvermögen kann zur Annahme einer gewerblichen Betätigung führen.
Die Klägerin ist in der Gesamtbetrachtung ihrer im Internet entfalteten Verkaufsaktivitäten so andauernd und wiederholt am Markt als Anbieter verschiedene Güter in Erscheinung getreten, dass sie unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung nicht mehr als private Verkäuferin, sondern als typische Einzelhändlerin einzuordnen ist.
Demgegenüber kommt dem Umstand, dass die Klägerin kein Ladenlokal unterhalten hat, angesichts der übrigen Umstände kein solches Gewicht zu, dass eine gewerbliche Betätigung und eine Unternehmereigenschaft zu verneinen wäre. Vielmehr ist das Fehlen eines Ladenlokals für den überregionalen Versandhandel, insbesondere den Internethandel, wesenstypisch. Als Kehrseite der steigenden Bedeutung des Internet Handels verliert der Gesichtspunkt des Ladenlokals für die Beurteilung einer Tätigkeit als Handel zunehmend an Gewicht.
Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass die Klägerin ihre Tätigkeit selbst nicht als gewerblich qualifiziert hat. Maßgeblich für die steuerrechtliche Qualifizierung einer Tätigkeit ist nicht die vom Steuerpflichtigen subjektiv vorgenommene Beurteilung, sondern die Wertung nach objektiven Kriterien, so dass eine vom Steuerpflichtigen vorgenommene Eigenqualifikation seiner Handlungen rechtlich unbeachtlich ist, wenn sie nicht durch die tatsächlichen Gegebenheiten gedeckt ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 16. September 2008 X B 158/07, BFH/NV 2008, 2024).
Der Beklagte hat jedoch die Höhe der aus dem Internethandel erzielten Einkünfte nicht zutreffend ermittelt, weil noch weitere Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.
Nach § 162 Abs. 1 S. 1 der Abgabenordnung hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie sie nicht ermitteln oder berechnen kann. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt, weil im Zuge der durchgeführten Ermittlungen zwar die Höhe der von der Klägerin erzielten Erlöse, nicht aber die Höhe die ihr durch die Beschaffung der Waren entstandenen Aufwendungen ermittelt werden konnten.
Dies hatte seinen Grund darin, dass die Klägerin selbst keine Gewinnermittlungen nach steuerlichen Vorschriften erstellt und keine Steuererklärungen eingereicht hatte. Da allerdings nach der Art der Warenverkäufe unterstellt werden kann, dass der Klägerin im Zusammenhang mit der Erzielung dieser Einnahmen auch Aufwendungen entstanden sind, waren diese zu schätzen. Dabei sind bei einer Schätzung alle für sie bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen.
Die Klägerin hat in den Streitjahren unstreitig einen Gesamtumsatz von 380.000 € getätigt (Bl. 24 des Sonderbandes Einsprüche). Da die Klägerin für diesen Zeitraum weder eine Steuererklärung noch eine Gewinnermittlung vorgelegt hat, hat der Beklagte die im Zusammenhang mit diesen Umsätzen angefallenen Betriebsausgaben mit 30 % der Betriebseinnahmen geschätzt (§ 162 der Abgabenordnung).
In Anbetracht der Tatsache, dass die Rechtsprechung in vergleichbaren Fällen (vgl. Urteil des Finanzgerichts Köln vom 4.3.2015 14 K 188/13, EFG 2015, 1103; Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26.5.2010 4 V 210/09, Juris Dokumentation) jedoch den Ansatz von Betriebsausgaben in einer Spanne von 40 % bzw. 80 % des Nettoumsatzes für angemessen befunden hat, hält das Gericht im Streitfall die Schätzung von Betriebsausgaben i.H.v. 60 % des Nettoumsatzes für gerechtfertigt.
In Bezug auf die Umsatzsteuer ist eine Berücksichtigung der Kleinunternehmerregelung aufgrund der Höhe der Umsätze ausgeschlossen (§ 19 des Umsatzsteuergesetzes). Auch eine Anwendung der Differenzbesteuerung ist im vorliegenden Fall nicht möglich, weil die Klägerin die Voraussetzungen für die von ihr zu führenden Aufzeichnungen nicht erfüllt hat (§ 25 a Abs. 6 des Umsatzsteuergesetzes).
Nach alledem war der Klage nur teilweise ein Erfolg beschieden.
Der Beklagte hat dem Prozessbevollmächtigten des Klägers im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens antragsgemäß am 7.11.2016 Akteneinsicht gewährt und ihm Kopien des Akteninhalts übermittelt.
Vor diesem Hintergrund geht der vom Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung erneut gestellte Antrag auf Akteneinsicht ins Leere.
Dem Beklagten wird aufgegeben die Steuern der Streitjahre neu zu berechnen (§ 100 Abs. 2 S. 2 der Finanzgerichtsordnung).Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben (§ 136 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung).
Die Revision wird zugelassen (§ 115 der Finanzgerichtsordnung).
Die Zulassung der Revision beruht darauf, dass die finanzgerichtliche Rechtsprechung den nachhaltigen Internethandel mit Gebrauchsgegenständen als gewerbliche Tätigkeit einstuft (vgl. Urteil des Finanzgerichts Köln vom 4.3.2015 14 K 188/13, EFG 2015, 1103; Beschluss des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26.5.2010 4 V 210/09, Juris Dokumentation), wohingegen der nachhaltige An- und Verkauf von Wertpapieren auf eigene Rechnung nicht als gewerbliche Tätigkeit qualifiziert wird (vgl. Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 29.8.2007 3 K 5109/03 B, EFG 2008, 128).
RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 15