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  • 20.07.2006 · IWW-Abrufnummer 062155

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 09.02.2006 – V R 22/03

    Beim "sale-and-lease-back"-Verfahren kann der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums an dem Leasinggut durch den Leasingnehmer an den Leasinggeber eine bloße Sicherungs- und Finanzierungsfunktion zukommen mit der Folge, dass weder diese Übertragung noch die Rückübertragung des Eigentums vom Leasinggeber an den Leasingnehmer umsatzsteuerrechtlich als Lieferung zu behandeln ist.



    Die Frage nach den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen kann auch insoweit grundsätzlich nur auf der Grundlage der konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung beantwortet werden.


    Gründe:

    I.

    Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt ein Unternehmen, das den Verkauf und die Vermietung von Kopiergeräten nebst Wartung zum Gegenstand hat.

    Im 2. Halbjahr 1999 erwarb er von der Firma L GmbH & Co. KG (L-KG) sechs Digitalkopiergeräte zu einem Gesamtkaufpreis von 161 507,74 DM brutto einschließlich 22 276,92 DM Mehrwertsteuer. Diese Kopiergeräte vermietete er an Dritte, in deren Geschäftsräumen sie aufgestellt wurden.

    Zum Zweck der Finanzierung des Kaufs veräußerte der Kläger die Kopiergeräte mit mündlichem Vertrag vom 16. Dezember 1999 an die B-GmbH und erteilte ihr am 16. Dezember 1999 eine Rechnung über 139 230,81 DM zuzüglich 22 276,93 DM Mehrwertsteuer. Gleichzeitig unterzeichnete er den Vordruck über einen Mietkaufvertrag zum Erwerb der genannten Kopiergeräte mit einer Laufzeit von 48 Monaten. Danach stellte ihm die B-GmbH die Kopiergeräte für eine monatliche Mietkaufrate von 3 366,60 DM zur Verfügung. Das zivilrechtliche Eigentum an den Kopiergeräten sollte mit Zahlung der letzten Mietkaufrate wieder auf den Kläger übergehen. Bis dahin trug er die Gefahr des Untergangs der Kopiergeräte und die Instandhaltungskosten. Eine Standortveränderung sowie eine Überlassung an Dritte waren nur mit Genehmigung der B-GmbH gestattet. Nach Ziff. 15 der Vertragsbedingungen des Mietkaufvertrages war der Kläger "wirtschaftlicher Eigentümer" der Kopiergeräte. Ebenfalls am 16. Dezember 1999 unterzeichnete der Kläger sowohl als Mietkäufer als auch als "Lieferfirma" eine Übernahmebestätigung zum Mietkaufvertrag und gab als Übernahmetermin den 15. Dezember 1999 an. Die B-GmbH zeichnete den Mietkaufvertrag am 20. Dezember 1999 gegen. Gleichzeitig stellte sie ihm einen Nettobetrag von 161 596,80 DM (bestehend aus dem Nettokaufpreis von 139 230,81 DM und Mietgebühren in Höhe von 22 365,99 DM) zuzüglich 25 855,49 DM Mehrwertsteuer in Rechnung.

    Der Kläger unterwarf in seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr (1999) die Übereignung an die B-GmbH als steuerpflichtigen und steuerbaren Umsatz der Umsatzsteuer. Gleichzeitig machte er die ihm von der B-GmbH in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer in Höhe von 25 855,49 DM als Vorsteuer geltend.

    Bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass zwischen dem Kläger und der B-GmbH keine Lieferungen von Kopiergeräten stattgefunden hätten. Die wirtschaftliche Verfügungsmacht sei durchgängig beim Kläger verblieben. Davon ausgehend erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 25. Mai 2001 einen Umsatzsteuerbescheid für 1999, mit dem er die Umsatzsteuer auf 133 908,00 DM festsetzte, wobei er die vom Kläger geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus dem Leasinggeschäft nicht anerkannte, die von ihm gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer aber nach § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1999) festsetzte.

    Mit dem dagegen eingelegten Einspruch trug der Kläger vor, wenn man die von ihm für gegeben erachteten Liefervorgänge verneine, müsse man jedenfalls eine kraft Option steuerpflichtige Darlehensgewährung annehmen. Dem schloss sich das FA insoweit an, als es in der Differenz zwischen dem Kaufpreis, den die B-GmbH dem Kläger gezahlt hatte, und der Gesamtvergütung aus dem Mietkaufvertrag ein Nettoentgelt für die Darlehensgewährung in Höhe von 25 944,55 DM sah. Dementsprechend berücksichtigte es weitere Vorsteuern in Höhe von 3 578,56 DM und setzte mit Einspruchsentscheidung vom 28. November 2001 die Umsatzsteuer auf 130 330 DM herab. Im Übrigen wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück.

    Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 887 veröffentlicht. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG aus, das FA gehe zu Recht davon aus, dass der Kläger die der B-GmbH in Rechnung gestellte Umsatzsteuer gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1999 schulde und aus der ihm erteilten Rechnung der B-GmbH vom 20. Dezember 1999 keinen über den Betrag von 3 578,56 DM hinausgehenden Anspruch auf Vorsteuerabzug erworben habe. Der Kläger habe keine Lieferung an die B-GmbH ausgeführt, weil er ihr nicht i.S. des § 3 Abs. 1 UStG 1999 die Verfügungsmacht an den Kopiergeräten verschafft habe. Infolgedessen habe die B-GmbH die Verfügungsmacht auch nicht (erneut) dem Kläger verschaffen können.

    Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision. Mit ihr rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts (§ 3 Abs. 1, § 15 Abs. 1 UStG 1999). Er macht geltend, er habe nicht nur das zivilrechtliche Eigentum, sondern auch die wirtschaftliche Verfügungsmacht an den Kopiergeräten auf die B-GmbH übertragen, weil das Recht zur Verwertung der wirtschaftlichen Substanz, des Wertes und des Ertrages ohne Einschränkung auf die B-GmbH übergegangen sei. Die Verfügungsmacht sei entgegen der Annahme des FA am 16. Dezember 1999 auch vollständig übertragen worden. Erst mit Abschluss des Mietkaufvertrages und der Genehmigung der B-GmbH, die Kopiergeräte bei seinen Kunden aufstellen zu dürfen, jeweils am 20. Dezember 1999, habe er die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Kopiergeräte zurückerlangt. Die Gestaltung des vorliegenden Falls unterscheide sich von Fällen der Sicherungsübereignung dadurch, dass Hauptleistung der B-GmbH die Nutzungsüberlassung an den Leasinggütern sei. Daher erschöpfe sich deren Leistung nicht in einer Kreditgewährung. Schließlich stelle sich die Überlassung der Leasinggüter durch die B-GmbH auch nicht als Rückgängigmachung der von ihm, dem Kläger, an die B-GmbH erfolgten Lieferung dar. Mit der Rücküberlassung werde nicht beabsichtigt, die Rechtsfolgen der Lieferung an die B-GmbH rückabzuwickeln.

    Der Kläger beantragt, das Urteil des FG Berlin vom 18. März 2003 (7 K 7516/01) aufzuheben und die Umsatzsteuer auf 55 246,66 ¤ festzusetzen.

    Das FA ist der Revision entgegengetreten.

    II.

    Die Revision ist unbegründet; sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

    Dem Kläger steht der Vorsteuerabzug aus dem Mietkauf der Kopiergeräte von der B-GmbH nicht zu. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 in der im Streitjahr 1999 geltenden Fassung des UStG 1999 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1999 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Die B-GmbH hat keine Lieferungen an den Kläger ausgeführt.

    1. Lieferungen sind gemäß § 3 Abs. 1 UStG 1999 Leistungen, durch die ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Die B-GmbH hat dem Kläger zu keinem Zeitpunkt die Verfügungsmacht an den Kopiergeräten verschafft; diese ist vielmehr nach dem Erwerb der Kopiergeräte von der L-KG durchgehend beim Kläger verblieben.

    a) Die Verschaffung der Verfügungsmacht besteht darin, dass ein Unternehmer oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (§ 3 Abs. 1 UStG 1999). Die Regelung setzt Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) um. Danach gilt als Lieferung eines Gegenstandes die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Die Verschaffung der Verfügungsmacht setzt die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag voraus. Sie ist in der Regel aber nicht notwendig mit dem bürgerlich-rechtlichen Eigentum verbunden (Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 15. Dezember 2005 Rs. C-63/04, Centralan, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2006, 214 RandNr. 60 ff.; vom 6. Februar 2003 Rs. C-185/01, Auto Lease Holland BV, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2003, 137 RandNr. 31 ff.; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21. April 2005 V R 11/03, BFH/NV 2005, 2320).

    Die vorliegende Vertragsgestaltung wird verbreitet als "sale and lease back" bezeichnet. Dabei wird das Eigentum an einem Gegenstand aufgrund eines Kaufvertrages auf einen Leasinggeber übertragen. Dieser vermietet den Gegenstand an den Verkäufer (Leasingnehmer) und ist sich mit ihm einig, dass das Eigentum an dem Gegenstand nach Ablauf der Mietzeit an den Verkäufer (Leasingnehmer) zurückfällt.

    aa) Zivilrechtlich wird das "sale-and-lease-back"-Verfahren ebenso behandelt wie das Finanzierungsleasing, bei dem der Leasinggeber das Eigentum an dem Leasinggegenstand von einem Dritten erwirbt und ihn an den Leasingnehmer vermietet. D.h. auch beim "sale-and-lease-back" erwirbt der Käufer (Leasinggeber) das zivilrechtliche Eigentum an dem Leasinggegenstand (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH--, vom 29. November 1989 VIII ZR 323/88, BGHZ 109, 250).

    bb) Die umsatzsteuerrechtliche Behandlung dieser Gestaltung ist umstritten. Im Schrifttum wird zum Teil eine Lieferung des Verkäufers (Leasingnehmers) an den Käufer (Leasinggeber) angenommen. Das lease-back wird dabei entweder als nicht steuerbare Rückabwicklung dieser Lieferung i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG 1999 (FG München, Beschluss vom 15. Mai 2000 3 V 560/00, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2000, 461) oder als umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Rücklieferung angesehen (Grünwald/Pogodda, UR 2001, 140; Weimann, Umsatzsteuer-Berater --UStB-- 2001, 190).

    Nach anderer Ansicht liegen beim "sale-and-lease-back" im Hinblick auf den Leasinggegenstand keine Lieferungen vor, sondern es handelt sich um ein einheitliches Geschäft, das umsatzsteuerrechtlich als Kreditgewährung des Käufers (Leasinggebers) an den Verkäufer (Leasingnehmer) zu beurteilen ist (FG Berlin, Urteil vom 18. März 2003 7 K 7516/01, EFG 2003, 887; Martin in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3 UStG Rz. 99; Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 3 Rz. 177.1; wohl auch Lange, UR 2004, 574; unklar Nieskens in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz. 778).

    b) Ungeachtet der zivilrechtlichen Eigentumsübertragung hat der Verkauf der Kopiergeräte seitens des Klägers an die B-GmbH nicht zu einer Verschaffung der Verfügungsmacht geführt mit der Folge, dass auch die B-GmbH dem Kläger keine Verfügungsmacht verschafft hat.

    aa) Ob beim Leasinggeschäft eine Übertragung der Verfügungsmacht vorliegt, richtet sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse. Dieses ergibt sich aus dem von den Vertragspartnern nach den vertraglichen Vereinbarungen vorgesehenen normalen, d.h. störungsfreien Ablauf des Leasinggeschäftes. Eine für alle Erscheinungsformen des Leasing einheitliche Beurteilung ist dabei nicht möglich, weil sich beim Leasinggeschäft Elemente mehrerer zivilrechtlicher Vertragstypen (insbesondere Miet-, Kauf- und Darlehensvertrag) in unterschiedlicher Gewichtung miteinander verbinden können. Die Frage nach den umsatzsteuerrechtlichen Leistungsbeziehungen kann nur auf der Grundlage der konkreten vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlicher Durchführung beantwortet werden.

    bb) Danach ist die Verfügungsmacht beim Kläger verblieben, weil Substanz, Wert und Ertrag der Kopiergeräte nicht auf die B-GmbH übergegangen, sondern beim Kläger verblieben sind.

    cc) Nach der Interessenlage der Vertragsbeteiligten, die der im Falle der Sicherungsübereignung zum Zwecke der Sicherung einer Forderung vergleichbar ist, ist die Verfügungsmacht beim Kläger verblieben. Auch bei der Sicherungsübereignung kommt es im Falle des störungsfreien Ablaufs weder zu einer Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer noch zu einer (Rück-)Lieferung des Sicherungsgutes nach Fortfall des Sicherungszwecks (vgl. BFH-Urteil vom 6. Oktober 2005 V R 20/04, UR 2006, 119). Der wirtschaftliche Gehalt der Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der B-GmbH hat in der Finanzierung des Erwerbs der Kopiergeräte und einer Sicherung der B-GmbH durch das zivilrechtliche Eigentum an diesen bestanden. Hierfür spricht auch, dass Kaufvertrag und Leasingvertrag zwar formal selbständig sind, wie sich schon aus den unterschiedlichen Zeitpunkten des jeweiligen Vertragsschlusses ergibt (16./20. Dezember 1999), andererseits aber rechtlich und wirtschaftlich eine Einheit bilden. Aus der Interessenlage der Vertragsparteien ergibt sich, dass der eine Vertrag nicht ohne den anderen geschlossen worden wäre.

    Nach alldem hat die Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums seitens des Klägers an die B-GmbH nur Sicherungs- und Finanzierungsfunktion gehabt; dem wesentlichen Inhalt des Gesamtkonzepts zufolge haben diese Vereinbarungen nur der Finanzierung des Kaufpreises gedient.

    2. Dem steht nicht Art. 5 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG entgegen. Danach gilt als Lieferung die Übergabe eines Gegenstands auf Grund eines Vertrages, der die Vermietung eines Gegenstands während eines bestimmten Zeitraums oder den Ratenverkauf eines Gegenstands vorsieht, mit der Klausel, dass das Eigentum spätestens mit Zahlung der letzten fälligen Rate erworben wird. Diese Regelung ist vorliegend schon deshalb nicht einschlägig, weil es an einer "Übergabe" der Kopiergeräte durch die B-GmbH an den Kläger fehlt.

    3. Der Kläger kann die Rechnung, in der er zu Unrecht Umsatzsteuer auf die tatsächlich nicht erfolgte Lieferung der Kopiergeräte an die B-GmbH gesondert ausgewiesen hat, grundsätzlich berichtigen (vgl. EuGH-Urteil vom 19. September 2000 Rs. C-454/98, Schmeinck & Cofreth und Manfred Strobel, UR 2000, 470; BFH-Urteile vom 8. März 2001 V R 61/97, BFHE 194, 517, BStBl II 2004, 373; vom 11. April 2002 V R 26/01, BFH/NV 2002, 1006). Da eine solche Berichtigung aber im Streitjahr nicht erfolgt ist, hatte der Senat hierüber nicht zu befinden.

    RechtsgebieteUStG 1999, Richtlinie 77/388/EWGVorschriftenUStG 1999 § 3 Abs. 1 UStG 1999 § 17 Abs. 2 Nr. 3 Richtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 1 Richtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 4