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  • 13.11.2008 · IWW-Abrufnummer 083529

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 30.09.2008 – VII R 18/08

    Werden Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer zusammen veranlagter Eheleute ohne die ausdrückliche Bestimmung geleistet, dass mit der Zahlung nur die Schuld des Leistenden beglichen werden soll, muss das FA eine Überzahlung beiden Eheleuten zu gleichen Teilen erstatten (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung); das gilt auch, wenn über das Vermögen des anderen Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet war.


    Gründe:

    I.

    Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr Ehemann wurden ab dem Veranlagungszeitraum 2002 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im April 2004 erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) gegenüber den Eheleuten unter ihrer Steuernummer einen Bescheid über Vorauszahlungen zur Einkommensteuer und zum Solidaritätszuschlag 2004, wobei zu diesem Zeitpunkt dem FA bekannt war, dass über das Vermögen des Ehemanns der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war. Unter Angabe der Steuernummer des Vorauszahlungsbescheids sowie des Verwendungszwecks "Einkommenst/Soli" überwies die Klägerin jeweils die für die Quartale I-IV 2004 festgesetzten Vorauszahlungen.

    Die Anrechnung der geleisteten Vorauszahlungen auf die mit dem Einkommensteuerbescheid 2004 gegen die Eheleute festgesetzten Steuern führte zu einem Guthaben, über welches das FA im August 2006 einen Abrechnungsbescheid erteilte, mit dem es die Vorauszahlungen und dementsprechend das nach Abrechnung verbliebene Guthaben der Klägerin zurechnete. Gegen diesen Abrechnungsbescheid erhob der Beigeladene als Insolvenzverwalter Einspruch, woraufhin das FA die Klägerin zum Einspruchsverfahren hinzuzog und nach Anhörung der Beteiligten mit Einspruchsentscheidung das nach Abrechnung verbliebene Guthaben hälftig auf die Klägerin und den Beigeladenen aufteilte. Nachdem die Klägerin hiergegen Klage erhoben hatte, erließ das FA unter dem 2. Januar 2008 wegen einer zwischenzeitlich geänderten Einkommensteuerfestsetzung einen entsprechend geänderten Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 2004, mit dem es die streitige hälftige Aufteilung des verbleibenden Guthabens unverändert ließ.

    Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 914 veröffentlichten Gründen ab.

    Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, dass es sich in Anbetracht der Insolvenz ihres Ehemanns von selbst verstehe, dass die von ihr geleisteten Zahlungen nicht auch auf dessen Rechnung hätten gezahlt werden sollen, zumal ihr Ehemann selbst gar keine Zahlungen hätte leisten dürfen. In der Situation des Insolvenzverfahrens sei es geradezu offensichtlich, dass der Ehegatte, der Einkünfte erziele, mit seiner Zahlung nur seine Steuerschulden bedienen und nicht eine Erhöhung bzw. Entlastung der Insolvenzmasse bewirken wolle. Ein ausdrücklicher Hinweis des zahlenden Ehegatten, dass er nur auf eigene Rechnung leiste, sei nur dann erforderlich, wenn auch der Insolvenzverwalter zur Begleichung der Vorauszahlungen aufgefordert worden sei. Außerdem rügt die Klägerin eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG. Das FG hätte veranlassen müssen, dass ein Schreiben des Beigeladenen vom 18. August 2006 im Verfahren vorgelegt wird.

    II.

    Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen; der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtmäßig (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    1. Nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) ist erstattungsberechtigt derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Das ist nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem FA gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. Dies gilt auch für den Fall, dass mehrere Personen als Gesamtschuldner die überzahlte Steuer schuldeten, wie es bei zusammen veranlagten Ehegatten hinsichtlich der Einkommensteuer und der daran anknüpfenden Steuern der Fall ist (§ 26b des Einkommensteuergesetzes --EStG--, § 44 Abs. 1 AO); auch hier steht der Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. In Ermangelung entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen kann allerdings das FA als Zahlungsempfänger, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben, was nach § 26 Abs. 1 EStG Voraussetzung für die Zusammenveranlagung ist, davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will (ständige Rechtsprechung, vgl. zuletzt: Senatsurteil vom 15. November 2005 VII R 16/05, BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453, m.w.N.). Soweit also im Zeitpunkt der Zahlung Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen, ist davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer für Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist. Das hat zur Folge, dass im Fall einer durch die Anrechnung der Vorauszahlungen auf die festgesetzte Steuer entstandenen Überzahlung beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist dann --wie im Streitfall geschehen-- zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen.

    Der Streitfall gibt weder Anlass, diese ständige Rechtsprechung aufzugeben, noch ist anzunehmen, dass das FG-Urteil in Anbetracht der Besonderheiten des Einzelfalls auf der Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO).

    Soweit das FG erkannt hat, dass nach Auswertung aller zur Verfügung stehenden Indizien davon auszugehen sei, dass das FA zu den Zeitpunkten, als die Vorauszahlungen für das Jahr 2004 geleistet wurden, nach dem objektiven Empfängerhorizont keine zureichenden Anhaltspunkte dafür gehabt habe, dass die Klägerin ausschließlich auf eigene Rechnung habe leisten wollen, handelt es sich um eine im Wesentlichen auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung liegende Beurteilung, an die der Senat nur dann nicht gebunden wäre (§ 118 Abs. 2 FGO), wenn diese Würdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstieße oder nicht nachvollziehbar begründet wäre (vgl. Senatsurteile vom 3. Februar 2004 VII R 1/03, BFHE 204, 546, BStBl II 2004, 842; vom 17. Mai 2005 VII R 76/04, BFHE 210, 70). Dies ist jedoch nicht der Fall.

    Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin die fälligen Vorauszahlungsbeträge überwiesen, ohne dabei --abgesehen von der Angabe der für die zusammen veranlagten Eheleute vergebenen Steuernummer sowie des Verwendungszwecks "Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag"-- eine besondere Tilgungsbestimmung zu treffen. Unter diesen Umständen musste das FA --wie das FG zutreffend geurteilt hat-- im Zeitpunkt der Zahlungseingänge nicht davon ausgehen, dass die Vorauszahlungen allein auf Rechnung der Klägerin bewirkt sein sollten.

    Auch gab --anders als die Revision meint-- der Umstand, dass über das Vermögen des Ehemanns das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, keinen zwingenden Hinweis auf eine solche Tilgungsabsicht. Der Senat hat bereits mit Urteil in BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453 entschieden, dass das FA in dem --insoweit allein maßgeblichen-- Zeitpunkt der Vorauszahlung Vermutungen über eine bestimmte wirtschaftliche Interessenlage auf Seiten der steuerpflichtigen Eheleute für den Fall, dass die Vorauszahlungen zu einem späteren Zeitpunkt die festgesetzte Steuer übersteigen und damit zu einem Erstattungsanspruch führen, weder anstellen kann noch muss. Zu der Zeit, in der die Vorauszahlungen bewirkt werden, kann das FA weder absehen, ob die zukünftige Veranlagung zu einem Erstattungsanspruch führen wird, noch ist es gehalten, Überlegungen anzustellen, ob im Fall eines künftigen Erstattungsanspruchs der Eheleute dessen hälftige Aufteilung möglicherweise wirtschaftlich nachteilig für einen der Ehegatten wäre, etwa weil Gläubiger in diesen Anspruch vollstrecken könnten oder das FA die Aufrechnung mit Steuerforderungen erklären könnte, so dass es der Interessenlage der Eheleute eher entspräche, wenn nur der jeweils andere Ehegatte die Steuervorauszahlungen auf eigene Rechnung leistet.

    Dies ist nicht anders, wenn über das Vermögen eines der Ehegatten das Insolvenzverfahren eröffnet ist. Zum einen kann das FA nicht voraussehen und muss auch insoweit keine Vermutungen anstellen, ob in dem Zeitpunkt, in dem die Steuerveranlagung möglicherweise einen auf Vorauszahlungen beruhenden Erstattungsanspruch ergibt, das Insolvenzverfahren weiter andauert oder ob der Anspruch ggf. nachträglich der Insolvenzmasse zugeführt wird. Zum anderen mag es --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- auch während des Insolvenzverfahrens eines der Ehegatten durchaus Gründe für den jeweils anderen geben, Steuervorauszahlungen auf Rechnung beider Eheleute zu bewirken. So steht die Erwägung des FG, dass der Antrag auf Zusammenveranlagung der Eheleute der Zustimmung des Insolvenzverwalters bedarf und deshalb möglicherweise Absprachen mit diesem über eine teilweise Auskehrung des Erstattungsanspruchs an die Insolvenzmasse bestehen, nicht im Widerspruch zu Denkgesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen. Darüber hinaus kann bei Eheleuten gerade die bestehende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, die nach § 26 Abs. 1 EStG Voraussetzung für die beantragte Zusammenveranlagung ist, der Grund für den nicht insolventen Ehepartner sein, bei einer bestehenden Gesamtschuld auch auf die Schuld des jeweils anderen zu leisten, um diesen dabei zu unterstützen, seine Gläubiger zu befriedigen und seine schlechte wirtschaftliche Situation schnell zu bereinigen.

    Nach alledem ist es --ebenso wie in einem Fall, der dem Senatsurteil in BFHE 211, 396, BStBl II 2006, 453 zugrunde lag-- auch in einem Fall der Insolvenz eines Ehegatten in erster Linie Sache der betroffenen Eheleute zu entscheiden, ob sich die hälftige Aufteilung eines möglichen künftigen Erstattungsanspruchs wirtschaftlich nachteilig auf einen der Ehegatten auswirken könnte, und es ist ihre Sache, Steuervorauszahlungen auf die Gesamtschuld ggf. nur auf Rechnung eines der Ehegatten zu leisten, wofür es lediglich eines entsprechenden Hinweises an das FA im Zeitpunkt der Leistung der Steuervorauszahlung bedarf.

    2. Die Verfahrensrüge der Revision ist unzulässig, weil der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt ist (§ 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b FGO).

    Zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels eines vom FG übergangenen Beweisantrags gehört nach ständiger Rechtsprechung (u.a.) auch der Vortrag, dass die Nichterhebung des angebotenen Beweises in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil in BFHE 204, 546, BStBl II 2004, 842, m.w.N.). Hierzu trägt die Revision nichts vor. Auch aus dem Sitzungsprotokoll des FG ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin den Antrag gestellt hat, das Einspruchsschreiben des Beigeladenen vom 18. August 2006 in ungekürzter Form vorzulegen.

    Zur schlüssigen Darlegung des Verfahrensmangels einer Verletzung der dem FG von Amts wegen obliegender Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) gehören Angaben, welche Tatsachen das FG mit welchen Beweismitteln noch hätte aufklären sollen und weshalb sich dem FG auf der Grundlage seines materiell-rechtlichen Standpunkts eine Aufklärung hätte aufdrängen müssen, obwohl der Kläger selbst keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat; schließlich, welches genaue Ergebnis die Beweiserhebung hätte erwarten lassen und inwiefern dieses zu einer für den Kläger günstigeren Entscheidung hätte führen können (vgl. Senatsurteil in BFHE 204, 546, BStBl II 2004, 842, m.w.N.). Auch an solchen Angaben der Revision fehlt es im Streitfall.

    RechtsgebieteAO, EStGVorschriftenAO § 44 Abs. 1, AO § 37 Abs. 2, EStG § 26, EStG § 26b