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  • 05.11.2009 · IWW-Abrufnummer 093631

    Bundesfinanzhof: Urteil vom 25.06.2009 – IX R 49/08

    Bei einer sozialpädagogischen Lebensgemeinschaft sind die Aufwendungen für Gemeinschaftsräume, die sowohl der eigenen Wohnnutzung des Steuerpflichtigen und seiner Familie wie auch der (entgeltlichen) Betreuung der in die Familie integrierten fremden Kinder dienen, regelmäßig nach der Zahl der der Haushaltsgemeinschaft zugehörigen Personen aufzuteilen.


    Gründe:

    I.

    Die im Streitjahr 2003 zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) leben seit September 2003 nicht nur mit ihren beiden leiblichen Kindern im gemeinsamen Haushalt, sondern mit drei weiteren Kindern. Mit diesen gründete die Klägerin als Heilpädagogin eine sozialpädagogische Lebensgemeinschaft (SPLG). Hieraus erzielt sie Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Im Rahmen einer derartigen SPLG sollen junge Menschen mit erheblichen familiären Problemen unter Betreuung von Fachkräften in eine intakte Familie einbezogen werden, um ihnen Zukunftsperspektiven zu eröffnen sowie eine schulische, berufliche und soziale Integration zu ermöglichen. Träger der SPLG der Klägerin ist das ... heilpädagogische Kinderheim mit Sitz in X. Für jedes betreute Kind wird eine monatliche Abrechnung für das zuständige Jugendamt erstellt. Das Betreuungshonorar beinhaltet u.a. anteilige Raumkosten. Dieser Kostensatz wird in Anlehnung an den "Rahmenvertrag I NRW" über eine Aufteilung der gesamten Wohnkosten nach Köpfen ermittelt.

    Die Kläger trugen dem gestiegenen Wohnbedarf durch die Gründung der SPLG in der Weise Rechnung, dass der Kläger im Juni 2003 ein Einfamilienhaus erwarb, bestehend aus fünf Kinderzimmern, zwei Badezimmern, einem Elternschlaf- und Arbeitszimmer, einer Küche, einem Wohnzimmer und einem Keller. Elternschlafzimmer und Arbeitszimmer befinden sich im Dachgeschoss und sind durch Regale als Raumteiler voneinander getrennt.

    Mit Vertrag vom August 2003 vermietete ab September 2003 der Kläger der Klägerin drei Kinderzimmer, das von den Projektkindern genutzte Bad sowie das Arbeitszimmer im Dachgeschoss. Des Weiteren wurde in dem Mietvertrag die Mitbenutzung der Gemeinschaftsräume (Küche, Wohn- und Essbereich sowie Diele und Garten) eingeräumt.

    Die Kläger machten für das Streitjahr u.a. bei den Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung anteilige Absetzungen für Abnutzung (AfA) für die gemeinschaftlich genutzten Räume geltend. Als Aufteilungsmaßstab wurde die Relation der betreuten Kinder (drei) zur Gesamtbewohnerzahl des Hauses (sieben) gewählt. Im Einzelnen ergab sich für die an die SPLG vermieteten Räume ein Nutzungsanteil von 30,76% an der Gesamtwohnfläche des Hauses (60 qm von 195 qm). Aus der Aufteilung der gemeinsam genutzten Flächen ergab sich ein auf die Vermietung entfallender Nutzungsanteil von 19,12% (37,29 qm von 195 qm). Insgesamt machte der Kläger im Rahmen der AfA-Berechnung einen Anteil an der Gesamtfläche von 49,89% geltend. Für die anteilige Nutzungszeit im Streitjahr (vier Monate) ermittelte der Kläger eine Gesamt-AfA von 1 591 EUR. Davon ordnete er 794 EUR den Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu. Ferner machte der Kläger AfA in Höhe von 535,32 EUR für die Möblierung der Küche, die Beschaffung von Kücheninventar, Kellerregale, Essgruppe sowie Regale im Wohnzimmer geltend, welche wegen erhöhter Beanspruchung auf acht Jahre abzuschreiben seien.

    Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei den Werbungskosten zu den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung die auf die Gemeinschaftsräume sowie die angeschafften Einrichtungsgegenstände entfallenden Werbungskosten nicht. Der Einspruch blieb insoweit ohne Erfolg.

    Das Finanzgericht (FG) erachtete die Klage insoweit für begründet, als bei der Ermittlung der Werbungskosten zu den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung --wie von den Klägern erklärt-- von einem anteiligen auf die Vermietung entfallenden Nutzungsanteil von 49,89%, d.h. auch unter Berücksichtigung der gemeinsam genutzten Räume und Einrichtungsgegenstände auszugehen sei. § 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stehe einer solchen Aufteilung nicht entgegen (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 475).

    Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung materiellen Rechts (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) rügt. Eine schematische Pro-Kopf-Aufteilung sei im Streitfall kein geeignetes objektives Merkmal zur Aufteilung der gemischten Aufwendungen für die gemeinsam genutzten Räume und Einrichtungsgegenstände.

    Das FA beantragt,

    das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung auf der Grundlage einer anteiligen, auf die Vermietung entfallenden Nutzfläche in Höhe von 49,89% weitere Werbungskosten in Höhe von 304 EUR (Gebäude-AfA) und 267 EUR (AfA für angeschaffte Einrichtungsgegenstände) berücksichtigt worden seien, und die Klage auch insoweit als unbegründet zurückzuweisen.

    Die Kläger haben keinen Antrag gestellt.

    II.

    Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zutreffend hat das FG die streitige, auf die Gemeinschaftsräume sowie die angeschafften Einrichtungsgegenstände entfallende AfA zum Werbungskostenabzug bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung zugelassen.

    1.

    Die vom Kläger vermieteten Gemeinschaftsräume und Einrichtungsgegenstände dienen sowohl der privaten Wohnnutzung des Klägers und seiner Familie als auch als Vermietungsgegenstand und insoweit der Einkünfteerzielung des Klägers (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG hinsichtlich der Gemeinschaftsräume sowie § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG hinsichtlich der Einrichtungsgegenstände).

    § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG verbietet zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und damit den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der privaten Lebensführung als auch der Einkünfteerzielung dienen. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) hat das Aufteilungs- und Abzugsverbot nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG seit jeher aber nicht angewandt, wenn und soweit sich der der Einkünfteerzielung dienende Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben mit Sicherheit und leicht --ggf. im Wege der Schätzung-- abgrenzen lässt, d.h. eine gerechte und der Sachlage entsprechende Aufteilung nach objektiven und leicht nachprüfbaren Maßstäben möglich erscheint (BFH-Beschluss vom 20. Juli 2006 VI R 94/01, BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121, mit umfassenden Nachweisen zur Rechtsprechung sowie zur Kritik in der Literatur).

    2.

    Nach diesen Grundsätzen hat das FG in nicht zu beanstandender Weise die AfA für die streitbefangenen Gemeinschaftsräume und Einrichtungsgegenstände als abziehbare Werbungskosten des Klägers im Rahmen seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 Satz 1 EStG) behandelt.

    Die Aufteilung nach der Zahl der Nutzer einer Wohnung stellt einen objektiven Maßstab dar, der eine sichere und leichte Abgrenzung einer steuerbaren Raumnutzung von der privaten Wohnnutzung ermöglicht. Dabei kommt es nicht darauf an, welche Person welche konkreten in qm messbaren Flächenanteile der Wohnräume oder Teile der Einrichtungsgegenstände mit welcher Intensität und welchen Zeitanteilen pro Tag nutzt. Um die durch die Einkünfteerzielung --im Zusammenhang mit den aufgenommenen Kindern und deren Betreuung-- einerseits von der durch die private Wohnnutzung andererseits verursachte Abnutzung abzugrenzen, stellt die Anzahl der Personen, die sich aus privaten Gründen oder im einkommensteuerbaren Bereich in der Wohnung als ihrem Lebensmittelpunkt in einer Hausgemeinschaft aufhalten, einen objektiven Maßstab dar. Hierfür ist entgegen der Ansicht des FA weder eine "statische Nutzung" erforderlich noch müssen einzelne Lebensgewohnheiten nachvollzogen werden.

    Die Würdigung des FG, die zu erfassende Inanspruchnahme der Räume und Einrichtungsgegenstände im Rahmen einer reinen Wohnnutzung sei für jeden Haushaltsangehörigen als gleich zu erachten, bindet den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO, da sie zumindest möglich ist (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II 2006, 359, m.w.N.). Außergewöhnliche Umstände, die ggf. eine Abweichung von der vom FG zugrunde gelegten Typik rechtfertigen würden --etwa der Bedarf an besonderen technischen Einrichtungen zur Fortbewegung, um deren AfA es ginge--, sind im Streitfall nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich.

    Der Aufteilung steht auch, anders als das FA meint, nicht eine fehlende Überprüfbarkeit entgegen. Dem Merkmal der Überprüfbarkeit kommt lediglich ergänzende Bedeutung zu; es hindert jedoch nicht eine Aufteilung gemischter Aufwendungen nach objektiven Maßstäben, wenn diese sich --wie im Streitfall-- als geeignet erweisen.

    RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 12 Nr. 1 S. 2, EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, EStG § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 2