25.08.2010 · IWW-Abrufnummer 102683
Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 22.04.2010 – C-536/08
Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 sind dahin auszulegen, dass der Erwerber in dem in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 genannten Fall nicht zum sofortigen Abzug der auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ist.
Rs. C-536/08; C-539/08
Tenor:
Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 sind dahin auszulegen, dass der Erwerber in dem in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 genannten Fall nicht zum sofortigen Abzug der auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ist.
Entscheidungsgründe:
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 384, S. 47, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (im Folgenden: Staatssecretaris) und X bzw. der Facet BV/Facet Trading BV (im Folgenden: Facet) wegen Umsatzsteuernacherhebungsbescheiden.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Art. 17 Abs. 1 bis 3 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
"(1) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
...
d) die Mehrwertsteuer, die nach Artikel 28a Absatz 1 Buchstabe a) geschuldet wird.
(3) Die Mitgliedstaaten gewähren jedem Steuerpflichtigen darüber hinaus den Abzug oder die Erstattung der in Absatz 2 genannten Mehrwertsteuer, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden für Zwecke:
a) seiner Umsätze, die sich aus den im Ausland ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 ergeben, für die das Recht auf Vorsteuerabzug bestünde, wenn diese Umsätze im Inland bewirkt worden wären;
b) seiner nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe i), Artikel 15, Artikel 16 Absatz 1 Teile B, C, D und E und Absatz 2 sowie Artikel 28c Teil A und Teil C befreiten Umsätze;
c) seiner nach Artikel 13 Teil B Buchstaben a) und d) Nummern 1 bis 5 befreiten Umsätze, wenn der Leistungsempfänger außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder wenn diese Umsätze unmittelbar mit zur Ausfuhr in ein Land außerhalb der Gemeinschaft bestimmten Gegenständen zusammenhängen."
Art. 28 a Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie lautet:
"Der Mehrwertsteuer unterliegen auch
a) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der gegen Entgelt im Inland durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder aber durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist und als solcher handelt und für ihn die Steuerbefreiung gemäß Artikel 24 nicht gilt und er nicht unter Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a Satz 2 oder Artikel 28b Teil B Absatz 1 fällt".
Art. 28a Abs. 3 der Sechsten Richtlinie lautet:
"Als innergemeinschaftlicher Erwerb eines Gegenstands gilt die Erlangung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen beweglichen körperlichen Gegenstand zu verfügen, welcher durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befand, an den Erwerber versendet oder befördert wird."
Art. 28b Teil A der Sechsten Richtlinie bestimmt:
"(1) Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, in dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden.
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 gilt jedoch als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen im Sinne des Artikels 28a Absatz 1 Buchstabe a) das Gebiet des Mitgliedstaats, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb nach Maßgabe der Regelung in Absatz 1 besteuert worden ist.
Wird der Erwerb dagegen nach Absatz 1 im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung der Gegenstände besteuert, nachdem er nach Maßgabe des Unterabsatzes 1 besteuert wurde, so wird die Besteuerungsgrundlage in dem Mitgliedstaat, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, entsprechend verringert.
Für die Anwendung von Unterabsatz 1 gilt der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen unter folgenden Voraussetzungen als nach Absatz 1 besteuert:
- Der Erwerber weist nach, dass der innergemeinschaftliche Erwerb für Zwecke einer nachfolgenden Lieferung erfolgt ist, die in dem in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat bewirkt wurde und für die der Empfänger nach Artikel 28c Teil E Absatz 3 als Steuerschuldner bestimmt worden ist;
- der Erwerber ist der in Artikel 22 Absatz 6 Buchstabe b) letzter Unterabsatz vorgesehenen Erklärungspflicht nachgekommen."
Art. 28c Teil E Abs. 3 der Sechsten Richtlinie sieht vor:
"Jeder Mitgliedstaat ergreift besondere Maßnahmen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der im Sinne von Artikel 28b Teil A Absatz 1 innerhalb seines Gebiets getätigt wird, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen wird von einem Steuerpflichtigen bewirkt, der nicht im Inland ansässig ist, aber für Zwecke der Mehrwertsteuer in einem anderen Mitgliedstaat erfasst ist;
- der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen erfolgt für Zwecke einer anschließenden Lieferung dieser Gegenstände, die von dem betreffenden Steuerpflichtigen im Inland bewirkt wird;
- die auf diese Weise von dem betreffenden Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände werden von einem anderen Mitgliedstaat aus als dem, in dem der Steuerpflichtige für Zwecke der Mehrwertsteuer erfasst ist, unmittelbar an die Person, für die er die anschließende Lieferung bewirkt, versandt oder befördert;
- Empfänger der anschließenden Lieferung ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nicht steuerpflichtige juristische Person, der bzw. die für Zwecke der Mehrwertsteuer im Inland erfasst ist;
- dieser Empfänger ist nach Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe a) Unterabsatz 3 als Steuerschuldner im Zusammenhang mit der Lieferung, die von dem nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen bewirkt wird, bestimmt worden."
Art. 28d Abs. 1 der Sechsten Richtlinie lautet:
"Der Steuertatbestand tritt zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen bewirkt wird. Der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen gilt als zu dem Zeitpunkt bewirkt, zu dem die Lieferung ähnlicher Gegenstände im Inland als bewirkt gilt."
Art. 28h der Sechsten Richtlinie in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG und zur Einführung weiterer Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer - Geltungsbereich bestimmter Steuerbefreiungen und praktische Einzelheiten ihrer Durchführung (ABl. L 102, S. 18) bestimmt:
"...
b) Jeder Steuerpflichtige mit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer muss außerdem eine Aufstellung vorlegen, die Angaben über die Erwerber mit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthält, denen er Gegenstände nach Maßgabe des Artikels 28c Teil A Buchstaben a) und d) geliefert hat, sowie über die Empfänger mit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der in Unterabsatz 5 genannten Umsätze.
Diese Aufstellung ist für jedes Kalenderquartal innerhalb eines Zeitraums und nach Modalitäten vorzulegen, die von den Mitgliedstaaten festzulegen sind; diese treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit auf jeden Fall die Bestimmungen über die Zusammenarbeit der Verwaltungen im Bereich der indirekten Steuern eingehalten werden.
..."
Nationales Recht
Art. 15 des Gesetzes über die Umsatzsteuer (Wet op de omzetbelasting) vom 28. Juni 1968 (Staatsblad 1968, Nr. 329, im Folgenden: Umsatzsteuergesetz) sieht vor:
"Die vom Unternehmer nach Art. 2 abzuziehende Steuer ist
...
b) die Steuer, die ihm im Veranlagungszeitraum andere Unternehmer in einer vorschriftsgemäß erstellten Rechnung für ihm gelieferte Gegenstände oder ihm erbrachte Dienstleistungen in Rechnung gestellt haben;
c) die Steuer, die im Veranlagungszeitraum geschuldet wird
...
für den vom Unternehmer bewirkten innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des Art. 17a Abs. 1, mit Ausnahme des in Buchst. b genannten Erwerbs;
...
Kann ein Anspruch auf Steuererstattung nach Art. 30 Abs. 1, 2 und 3 geltend gemacht werden, kann der Unternehmer die Steuer nicht in Abzug bringen.
..."
Art. 17a dieses Gesetzes bestimmt:
"Ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen ist ein Erwerb von Gegenständen nach deren Lieferung durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens, wobei diese Gegenstände von einem Mitgliedstaat nach einem anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert werden.
..."
In Art. 17b des Gesetzes heißt es:
"Der Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen ist der Ort der Beendigung des Versands oder der Beförderung.
Unbeschadet des Abs. 1 wird ein innergemeinschaftlicher Erwerb in dem Mitgliedstaat bewirkt, der dem Abnehmer die für diesen Erwerb verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Abnehmer nicht nachweist, dass die Steuer nach Abs. 1 erhoben worden ist.
..."
Art. 30 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes sieht vor:
"Auf Antrag wird die Steuer auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen erstattet, wenn sie nach Art. 17b Abs. 2 erhoben worden ist und der Betreffende nachweist, dass dieser Erwerb im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung besteuert worden ist.
..."
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Rechtssache C-536/08
X, ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, vertreibt Computer und Computerzubehör. In der Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 1999 kaufte sie entsprechende Waren von in anderen Mitgliedstaaten als den Niederlanden und Spanien ansässigen Unternehmen (im Folgenden: Lieferer) und verkaufte sie an in Spanien ansässige Abnehmer weiter.
In der Rechnung für X wiesen die Lieferer keine Mehrwertsteuer aus, gaben aber ihre niederländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer an. X verwies daraufhin in den ihren Abnehmern ausgestellten Rechnungen auf die Anwendung von Art. 28c Teil E Abs. 3 der Sechsten Richtlinie.
In ihrer Steuererklärung für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 30. September 1998 wies X keine Mehrwertsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb aus. Ebenso wenig zog sie auf diesen innergemeinschaftlichen Erwerb entfallende Mehrwertsteuer als Vorsteuer ab. Sie deklarierte auch keine innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne der Art. 37a des Umsatzsteuergesetzes und 22 Abs. 6 Buchst. b letzter Unterabsatz der Sechsten Richtlinie.
Für den Zeitraum vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. Juni 1999 hingegen wies X in ihrer Steuererklärung die Mehrwertsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb aus und zog die entsprechende Vorsteuer ab. Sie deklarierte außerdem die innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne der in der vorstehenden Randnummer genannten Bestimmungen. Der Vorlageentscheidung zufolge ist nicht festgestellt worden, dass die fraglichen Gegenstände im Rahmen der in Randnr. 14 des vorliegenden Urteils genannten Umsätze unmittelbar an die Abnehmer in Spanien versandt oder befördert worden wären.
Der Inspecteur van de Belastingdienst (im Folgenden: Inspecteur), der der Ansicht war, dass X die fraglichen Gegenstände im Sinne von Art. 17a des Umsatzsteuergesetzes erworben habe, stellte für den genannten Zeitraum einen Bescheid zur Nacherhebung der Mehrwertsteuer zulasten von X aus. Er vertrat die Auffassung, dass X diese Gegenstände nach Art. 17b dieses Gesetzes und Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie in den Niederlanden erworben habe. Auf den Einspruch von X hielt der Inspecteur diesen Bescheid aufrecht und stellte u. a. fest, dass der fragliche innergemeinschaftliche Erwerb kein Recht auf Vorsteuerabzug eröffne.
X focht diese Entscheidung vor dem Gerechtshof te 's-Gravenhage an. Mit Urteil vom 22. April 2005 erklärte dieser die Klage für begründet, hob die streitige Entscheidung auf und kürzte den Nacherhebungsbetrag. Der Staatssecretaris legte beim Hoge Raad der Nederlanden Kassationsbeschwerde ein.
Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass dann, wenn gemäß Unterabs. 1 der letztgenannten Bestimmung als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs das Gebiet des Mitgliedstaats gilt, der dem Erwerber die von ihm für den Erwerb verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, dieser Erwerber zum sofortigen Abzug der demnach in diesem Mitgliedstaat geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ist?
Rechtssache C-539/08
Facet, eine steuerliche Einheit mit Sitz in den Niederlanden, vertreibt Computerteile. In der Zeit vom 1. Dezember 2000 bis zum 30. September 2001 kaufte sie entsprechende Waren von in Deutschland und in Italien ansässigen Unternehmen (im Folgenden: Lieferer) und verkaufte sie an in Zypern ansässige Abnehmer (im Folgenden: Abnehmer) weiter, die einen in Griechenland ansässigen Steuervertreter haben. Die Waren wurden von Deutschland und Italien direkt nach Spanien befördert.
Die Lieferer wiesen in ihren Rechnungen keine Mehrwertsteuer aus. Sie gaben darin allerdings die niederländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von Facet an. Diese wies in den ihren zyprischen Abnehmern ausgestellten Rechnungen ebenfalls keine Mehrwertsteuer aus. Sie gab jedoch die griechische Identifikationsnummer an, die ihr die Abnehmer mitgeteilt hatten.
In ihrer Steuererklärung in den Niederlanden wies Facet die Mehrwertsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb aus und zog sie als Vorsteuer ab. Sie behandelte die Lieferungen an die Abnehmer auch als innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne der Art. 37a des Umsatzsteuergesetzes und 22 Abs. 6 Buchst. b letzter Unterabsatz der Sechsten Richtlinie und gab die griechische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Abnehmer bzw. ihrer Steuervertreter an. Allerdings gaben weder die Steuervertreter noch die Abnehmer selbst im Zusammenhang mit den fraglichen Erwerbsgeschäften Erklärungen zum innergemeinschaftlichen Erwerb ab. Sie deklarierten weder innergemeinschaftliche Lieferungen, noch reichten sie eine "Aufstellung" im Sinne des Art. 22 Abs. 6 Buchst. b letzter Unterabsatz der Sechsten Richtlinie ein. Auch waren die Abnehmer in Spanien nicht zu Umsatzsteuerzwecken registriert und gaben dort keine Erklärung zum innergemeinschaftlichen Erwerb ab.
Der Inspecteur war der Auffassung, dass Facet einen innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt habe und dass sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Er stellte daher einen Nacherhebungsbescheid aus.
Facet focht die Entscheidung des Inspecteur vor dem Gerechtshof te Amsterdam an. Mit Urteil vom 27. Februar 2006 erklärte dieser die Klage für begründet, hob die streitige Entscheidung auf und kürzte den Nacherhebungsbetrag. Der Staatssecretaris legte beim vorlegenden Gericht Kassationsbeschwerde gegen dieses Urteil ein.
Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof eine Frage vorzulegen, die der Vorlagefrage in der Rechtssache C-536/08 entspricht.
Zur Vorlagefrage
Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Erwerber in dem in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie genannten Fall nach Art. 17 Abs. 2 und 3 dieser Richtlinie zum sofortigen Abzug der auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Vorsteuer berechtigt ist.
Zur Beantwortung dieser Frage ist einleitend darauf hinzuweisen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug als integrierender Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ein grundlegendes Prinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann (vgl. Urteile vom 10. Juli 2008, Sosnowska, C-25/07, Slg. 2008, I-5129, Randnr. 15, und vom 23. April 2009, PARAT Automotive Cabrio, C-74/08, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 15).
Das Abzugsrecht kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden. Daraus folgt, dass sich eine Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug auf die Höhe der steuerlichen Belastung auswirkt und in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gelten muss (vgl. Urteil PARAT Automotive Cabrio, Randnr. 16).
Art. 28b Teil A der Sechsten Richtlinie, der Teil der Übergangsregelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten in Abschnitt XVIa dieser Richtlinie ist, regelt den Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen wie dem in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden. Das mit der Übergangsregelung verfolgte Ziel besteht darin, die Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt (vgl. Urteil vom 6. April 2006, EMAG Handel Eder, C-245/04, Slg. 2006, I-3227, Randnr. 40).
In Abs. 1 dieser Vorschrift wird die allgemeine Regel aufgestellt, dass als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen der Ort gilt, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden.
Mit der Richtlinie 92/111 ist in Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie ein letzter Unterabsatz eingefügt worden, der vorsieht, dass der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen als nach Abs. 1 dieser Vorschrift besteuert gilt, wenn der Erwerber nachweist, dass der innergemeinschaftliche Erwerb für Zwecke einer nachfolgenden Lieferung erfolgt ist, die in dem in diesem Abs. 1 genannten Mitgliedstaat bewirkt wurde und für die der Empfänger nach Art. 28c Teil E Abs. 3 als Steuerschuldner bestimmt worden ist, und wenn dieser Erwerber der in Art. 22 Abs. 6 Buchst. b letzter Unterabsatz dieser Richtlinie vorgesehenen Erklärungspflicht nachgekommen ist.
Um sicherzustellen, dass Mehrwertsteuer auf den fraglichen Erwerb erhoben wird, bestimmt Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie, dass als Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs das Gebiet des Mitgliedstaats gilt, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat (im Folgenden: Mitgliedstaat der Identifizierung), wenn der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb nach Maßgabe der Regelung in Abs. 1 dieses Artikels besteuert worden ist.
Für den Fall, dass der Erwerb nach Art. 28b Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung der Gegenstände besteuert wird, nachdem er nach Maßgabe des Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 besteuert worden ist, sieht Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 2 einen Korrekturmechanismus vor, der darin besteht, die Besteuerungsgrundlage im Mitgliedstaat der Identifizierung entsprechend zu verringern.
Mit Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie soll demnach zum einen sichergestellt werden, dass der fragliche innergemeinschaftliche Erwerb besteuert wird, und zum anderen verhindert werden, dass dieser Erwerb doppelt besteuert wird.
Die Anwendung des in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Korrekturmechanismus setzt jedoch voraus, dass die im letzten Unterabsatz dieses Artikels genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen, wie in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils dargelegt.
In diesem Zusammenhang ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 des Rates vom 7. Oktober 2003 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 (ABl. L 264, S. 1) nicht erlassen wurde, um ein System des Informationsaustauschs zwischen den Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten einzuführen, das diesen die Feststellung ermöglicht, ob ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung tatsächlich besteuert wurde, falls der Steuerpflichtige selbst nicht in der Lage ist, die insoweit erforderlichen Beweise vorzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2007, Twoh International, C-184/05, Slg. 2007, I-7897, Randnr. 34).
Zweitens ist jeder Mitgliedstaat bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 28b Teil E Abs. 3 der Sechsten Richtlinie verpflichtet, besondere Maßnahmen zu ergreifen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der im Sinne von Art. 28b Teil A Abs. 1 dieser Richtlinie innerhalb seines Gebiets getätigt wird, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird.
Es stellt sich also die Frage, ob einem Steuerpflichtigen in dem in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie angeführten Fall, dass er im Mitgliedstaat der Identifizierung mehrwertsteuerpflichtig ist, weil er die Besteuerung des fraglichen innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung nicht nachgewiesen hat, ein Recht auf einen sofortigen Vorsteuerabzug zu gewähren ist.
Nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. d der Sechsten Richtlinie setzt der Abzug der Vorsteuer auf Intermediärgegenstände und -dienstleistungen, die der Steuerpflichtige insbesondere im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs erworben hat, voraus, dass diese Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.
Unter den Umständen des Ausgangsverfahrens steht jedoch fest, dass die Gegenstände, deren innergemeinschaftlicher Erwerb, der nach Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie als im Mitgliedstaat der Identifizierung erfolgt gilt, besteuert wurde, tatsächlich nicht in diesen Mitgliedstaat eingeführt worden sind.
Unter diesen Umständen liegen keine Umsätze vor, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug im Sinne von Art. 17 der Sechsten Richtlinie besteht. Folglich fällt ein solcher innergemeinschaftlicher Erwerb nicht unter die allgemeine Abzugsregelung dieser Vorschrift.
Die in Art. 17 der Sechsten Richtlinie vorgesehene allgemeine Vorsteuerabzugsregelung soll in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen nicht die besondere Regelung des Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Richtlinie ersetzen, die auf einem Mechanismus der Verringerung der Bemessungsgrundlage beruht, mit dem die Doppelbesteuerung korrigiert werden kann.
Darüber hinaus könnte die Gewährung eines Abzugsrechts in einem solchen Fall die praktische Wirkung des Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 der Sechsten Richtlinie beeinträchtigen, weil für den Steuerpflichtigen, der im Mitgliedstaat der Identifizierung zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, kein Anreiz mehr bestünde, die Besteuerung des fraglichen innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung nachzuweisen. Eine solche Lösung könnte letztlich die Anwendung der Grundregel gefährden, nach der bei einem innergemeinschaftlichen Erwerb davon auszugehen ist, dass der Ort der Besteuerung im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung, d. h. im Endverbrauchsmitgliedstaat, liegt, was das Ziel der Übergangsregelung ist.
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass der Erwerber in dem in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 genannten Fall nicht zum sofortigen Abzug der auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ist.
Kosten
Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 sind dahin auszulegen, dass der Erwerber in dem in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 genannten Fall nicht zum sofortigen Abzug der auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ist.
Tenor:
Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 sind dahin auszulegen, dass der Erwerber in dem in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 genannten Fall nicht zum sofortigen Abzug der auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ist.
Entscheidungsgründe:
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der Fassung der Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 (ABl. L 384, S. 47, im Folgenden: Sechste Richtlinie).
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (im Folgenden: Staatssecretaris) und X bzw. der Facet BV/Facet Trading BV (im Folgenden: Facet) wegen Umsatzsteuernacherhebungsbescheiden.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
Art. 17 Abs. 1 bis 3 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
"(1) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.
(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:
...
d) die Mehrwertsteuer, die nach Artikel 28a Absatz 1 Buchstabe a) geschuldet wird.
(3) Die Mitgliedstaaten gewähren jedem Steuerpflichtigen darüber hinaus den Abzug oder die Erstattung der in Absatz 2 genannten Mehrwertsteuer, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen verwendet werden für Zwecke:
a) seiner Umsätze, die sich aus den im Ausland ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinne des Artikels 4 Absatz 2 ergeben, für die das Recht auf Vorsteuerabzug bestünde, wenn diese Umsätze im Inland bewirkt worden wären;
b) seiner nach Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe i), Artikel 15, Artikel 16 Absatz 1 Teile B, C, D und E und Absatz 2 sowie Artikel 28c Teil A und Teil C befreiten Umsätze;
c) seiner nach Artikel 13 Teil B Buchstaben a) und d) Nummern 1 bis 5 befreiten Umsätze, wenn der Leistungsempfänger außerhalb der Gemeinschaft ansässig ist oder wenn diese Umsätze unmittelbar mit zur Ausfuhr in ein Land außerhalb der Gemeinschaft bestimmten Gegenständen zusammenhängen."
Art. 28 a Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie lautet:
"Der Mehrwertsteuer unterliegen auch
a) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen, der gegen Entgelt im Inland durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder aber durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist und als solcher handelt und für ihn die Steuerbefreiung gemäß Artikel 24 nicht gilt und er nicht unter Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a Satz 2 oder Artikel 28b Teil B Absatz 1 fällt".
Art. 28a Abs. 3 der Sechsten Richtlinie lautet:
"Als innergemeinschaftlicher Erwerb eines Gegenstands gilt die Erlangung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen beweglichen körperlichen Gegenstand zu verfügen, welcher durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem sich der Gegenstand zum Zeitpunkt des Beginns der Versendung oder Beförderung befand, an den Erwerber versendet oder befördert wird."
Art. 28b Teil A der Sechsten Richtlinie bestimmt:
"(1) Als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen gilt der Ort, in dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden.
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 gilt jedoch als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen im Sinne des Artikels 28a Absatz 1 Buchstabe a) das Gebiet des Mitgliedstaats, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb nach Maßgabe der Regelung in Absatz 1 besteuert worden ist.
Wird der Erwerb dagegen nach Absatz 1 im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung der Gegenstände besteuert, nachdem er nach Maßgabe des Unterabsatzes 1 besteuert wurde, so wird die Besteuerungsgrundlage in dem Mitgliedstaat, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, entsprechend verringert.
Für die Anwendung von Unterabsatz 1 gilt der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen unter folgenden Voraussetzungen als nach Absatz 1 besteuert:
- Der Erwerber weist nach, dass der innergemeinschaftliche Erwerb für Zwecke einer nachfolgenden Lieferung erfolgt ist, die in dem in Absatz 1 genannten Mitgliedstaat bewirkt wurde und für die der Empfänger nach Artikel 28c Teil E Absatz 3 als Steuerschuldner bestimmt worden ist;
- der Erwerber ist der in Artikel 22 Absatz 6 Buchstabe b) letzter Unterabsatz vorgesehenen Erklärungspflicht nachgekommen."
Art. 28c Teil E Abs. 3 der Sechsten Richtlinie sieht vor:
"Jeder Mitgliedstaat ergreift besondere Maßnahmen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der im Sinne von Artikel 28b Teil A Absatz 1 innerhalb seines Gebiets getätigt wird, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen wird von einem Steuerpflichtigen bewirkt, der nicht im Inland ansässig ist, aber für Zwecke der Mehrwertsteuer in einem anderen Mitgliedstaat erfasst ist;
- der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen erfolgt für Zwecke einer anschließenden Lieferung dieser Gegenstände, die von dem betreffenden Steuerpflichtigen im Inland bewirkt wird;
- die auf diese Weise von dem betreffenden Steuerpflichtigen erworbenen Gegenstände werden von einem anderen Mitgliedstaat aus als dem, in dem der Steuerpflichtige für Zwecke der Mehrwertsteuer erfasst ist, unmittelbar an die Person, für die er die anschließende Lieferung bewirkt, versandt oder befördert;
- Empfänger der anschließenden Lieferung ist ein anderer Steuerpflichtiger oder eine nicht steuerpflichtige juristische Person, der bzw. die für Zwecke der Mehrwertsteuer im Inland erfasst ist;
- dieser Empfänger ist nach Artikel 21 Absatz 1 Buchstabe a) Unterabsatz 3 als Steuerschuldner im Zusammenhang mit der Lieferung, die von dem nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen bewirkt wird, bestimmt worden."
Art. 28d Abs. 1 der Sechsten Richtlinie lautet:
"Der Steuertatbestand tritt zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen bewirkt wird. Der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen gilt als zu dem Zeitpunkt bewirkt, zu dem die Lieferung ähnlicher Gegenstände im Inland als bewirkt gilt."
Art. 28h der Sechsten Richtlinie in der Fassung der Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG und zur Einführung weiterer Vereinfachungsmaßnahmen im Bereich der Mehrwertsteuer - Geltungsbereich bestimmter Steuerbefreiungen und praktische Einzelheiten ihrer Durchführung (ABl. L 102, S. 18) bestimmt:
"...
b) Jeder Steuerpflichtige mit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer muss außerdem eine Aufstellung vorlegen, die Angaben über die Erwerber mit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer enthält, denen er Gegenstände nach Maßgabe des Artikels 28c Teil A Buchstaben a) und d) geliefert hat, sowie über die Empfänger mit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der in Unterabsatz 5 genannten Umsätze.
Diese Aufstellung ist für jedes Kalenderquartal innerhalb eines Zeitraums und nach Modalitäten vorzulegen, die von den Mitgliedstaaten festzulegen sind; diese treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit auf jeden Fall die Bestimmungen über die Zusammenarbeit der Verwaltungen im Bereich der indirekten Steuern eingehalten werden.
..."
Nationales Recht
Art. 15 des Gesetzes über die Umsatzsteuer (Wet op de omzetbelasting) vom 28. Juni 1968 (Staatsblad 1968, Nr. 329, im Folgenden: Umsatzsteuergesetz) sieht vor:
"Die vom Unternehmer nach Art. 2 abzuziehende Steuer ist
...
b) die Steuer, die ihm im Veranlagungszeitraum andere Unternehmer in einer vorschriftsgemäß erstellten Rechnung für ihm gelieferte Gegenstände oder ihm erbrachte Dienstleistungen in Rechnung gestellt haben;
c) die Steuer, die im Veranlagungszeitraum geschuldet wird
...
für den vom Unternehmer bewirkten innergemeinschaftlichen Erwerb im Sinne des Art. 17a Abs. 1, mit Ausnahme des in Buchst. b genannten Erwerbs;
...
Kann ein Anspruch auf Steuererstattung nach Art. 30 Abs. 1, 2 und 3 geltend gemacht werden, kann der Unternehmer die Steuer nicht in Abzug bringen.
..."
Art. 17a dieses Gesetzes bestimmt:
"Ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen ist ein Erwerb von Gegenständen nach deren Lieferung durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens, wobei diese Gegenstände von einem Mitgliedstaat nach einem anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert werden.
..."
In Art. 17b des Gesetzes heißt es:
"Der Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen ist der Ort der Beendigung des Versands oder der Beförderung.
Unbeschadet des Abs. 1 wird ein innergemeinschaftlicher Erwerb in dem Mitgliedstaat bewirkt, der dem Abnehmer die für diesen Erwerb verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, sofern der Abnehmer nicht nachweist, dass die Steuer nach Abs. 1 erhoben worden ist.
..."
Art. 30 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes sieht vor:
"Auf Antrag wird die Steuer auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen erstattet, wenn sie nach Art. 17b Abs. 2 erhoben worden ist und der Betreffende nachweist, dass dieser Erwerb im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung besteuert worden ist.
..."
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
Rechtssache C-536/08
X, ein Unternehmen mit Sitz in den Niederlanden, vertreibt Computer und Computerzubehör. In der Zeit vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 1999 kaufte sie entsprechende Waren von in anderen Mitgliedstaaten als den Niederlanden und Spanien ansässigen Unternehmen (im Folgenden: Lieferer) und verkaufte sie an in Spanien ansässige Abnehmer weiter.
In der Rechnung für X wiesen die Lieferer keine Mehrwertsteuer aus, gaben aber ihre niederländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer an. X verwies daraufhin in den ihren Abnehmern ausgestellten Rechnungen auf die Anwendung von Art. 28c Teil E Abs. 3 der Sechsten Richtlinie.
In ihrer Steuererklärung für den Zeitraum vom 1. Januar 1998 bis zum 30. September 1998 wies X keine Mehrwertsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb aus. Ebenso wenig zog sie auf diesen innergemeinschaftlichen Erwerb entfallende Mehrwertsteuer als Vorsteuer ab. Sie deklarierte auch keine innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne der Art. 37a des Umsatzsteuergesetzes und 22 Abs. 6 Buchst. b letzter Unterabsatz der Sechsten Richtlinie.
Für den Zeitraum vom 1. Oktober 1998 bis zum 30. Juni 1999 hingegen wies X in ihrer Steuererklärung die Mehrwertsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb aus und zog die entsprechende Vorsteuer ab. Sie deklarierte außerdem die innergemeinschaftlichen Lieferungen im Sinne der in der vorstehenden Randnummer genannten Bestimmungen. Der Vorlageentscheidung zufolge ist nicht festgestellt worden, dass die fraglichen Gegenstände im Rahmen der in Randnr. 14 des vorliegenden Urteils genannten Umsätze unmittelbar an die Abnehmer in Spanien versandt oder befördert worden wären.
Der Inspecteur van de Belastingdienst (im Folgenden: Inspecteur), der der Ansicht war, dass X die fraglichen Gegenstände im Sinne von Art. 17a des Umsatzsteuergesetzes erworben habe, stellte für den genannten Zeitraum einen Bescheid zur Nacherhebung der Mehrwertsteuer zulasten von X aus. Er vertrat die Auffassung, dass X diese Gegenstände nach Art. 17b dieses Gesetzes und Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie in den Niederlanden erworben habe. Auf den Einspruch von X hielt der Inspecteur diesen Bescheid aufrecht und stellte u. a. fest, dass der fragliche innergemeinschaftliche Erwerb kein Recht auf Vorsteuerabzug eröffne.
X focht diese Entscheidung vor dem Gerechtshof te 's-Gravenhage an. Mit Urteil vom 22. April 2005 erklärte dieser die Klage für begründet, hob die streitige Entscheidung auf und kürzte den Nacherhebungsbetrag. Der Staatssecretaris legte beim Hoge Raad der Nederlanden Kassationsbeschwerde ein.
Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen, dass dann, wenn gemäß Unterabs. 1 der letztgenannten Bestimmung als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs das Gebiet des Mitgliedstaats gilt, der dem Erwerber die von ihm für den Erwerb verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat, dieser Erwerber zum sofortigen Abzug der demnach in diesem Mitgliedstaat geschuldeten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ist?
Rechtssache C-539/08
Facet, eine steuerliche Einheit mit Sitz in den Niederlanden, vertreibt Computerteile. In der Zeit vom 1. Dezember 2000 bis zum 30. September 2001 kaufte sie entsprechende Waren von in Deutschland und in Italien ansässigen Unternehmen (im Folgenden: Lieferer) und verkaufte sie an in Zypern ansässige Abnehmer (im Folgenden: Abnehmer) weiter, die einen in Griechenland ansässigen Steuervertreter haben. Die Waren wurden von Deutschland und Italien direkt nach Spanien befördert.
Die Lieferer wiesen in ihren Rechnungen keine Mehrwertsteuer aus. Sie gaben darin allerdings die niederländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von Facet an. Diese wies in den ihren zyprischen Abnehmern ausgestellten Rechnungen ebenfalls keine Mehrwertsteuer aus. Sie gab jedoch die griechische Identifikationsnummer an, die ihr die Abnehmer mitgeteilt hatten.
In ihrer Steuererklärung in den Niederlanden wies Facet die Mehrwertsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb aus und zog sie als Vorsteuer ab. Sie behandelte die Lieferungen an die Abnehmer auch als innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne der Art. 37a des Umsatzsteuergesetzes und 22 Abs. 6 Buchst. b letzter Unterabsatz der Sechsten Richtlinie und gab die griechische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer der Abnehmer bzw. ihrer Steuervertreter an. Allerdings gaben weder die Steuervertreter noch die Abnehmer selbst im Zusammenhang mit den fraglichen Erwerbsgeschäften Erklärungen zum innergemeinschaftlichen Erwerb ab. Sie deklarierten weder innergemeinschaftliche Lieferungen, noch reichten sie eine "Aufstellung" im Sinne des Art. 22 Abs. 6 Buchst. b letzter Unterabsatz der Sechsten Richtlinie ein. Auch waren die Abnehmer in Spanien nicht zu Umsatzsteuerzwecken registriert und gaben dort keine Erklärung zum innergemeinschaftlichen Erwerb ab.
Der Inspecteur war der Auffassung, dass Facet einen innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt habe und dass sie nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei. Er stellte daher einen Nacherhebungsbescheid aus.
Facet focht die Entscheidung des Inspecteur vor dem Gerechtshof te Amsterdam an. Mit Urteil vom 27. Februar 2006 erklärte dieser die Klage für begründet, hob die streitige Entscheidung auf und kürzte den Nacherhebungsbetrag. Der Staatssecretaris legte beim vorlegenden Gericht Kassationsbeschwerde gegen dieses Urteil ein.
Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof eine Frage vorzulegen, die der Vorlagefrage in der Rechtssache C-536/08 entspricht.
Zur Vorlagefrage
Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Erwerber in dem in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie genannten Fall nach Art. 17 Abs. 2 und 3 dieser Richtlinie zum sofortigen Abzug der auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Vorsteuer berechtigt ist.
Zur Beantwortung dieser Frage ist einleitend darauf hinzuweisen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug als integrierender Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ein grundlegendes Prinzip des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann (vgl. Urteile vom 10. Juli 2008, Sosnowska, C-25/07, Slg. 2008, I-5129, Randnr. 15, und vom 23. April 2009, PARAT Automotive Cabrio, C-74/08, Slg. 2009, I-0000, Randnr. 15).
Das Abzugsrecht kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden. Daraus folgt, dass sich eine Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug auf die Höhe der steuerlichen Belastung auswirkt und in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gelten muss (vgl. Urteil PARAT Automotive Cabrio, Randnr. 16).
Art. 28b Teil A der Sechsten Richtlinie, der Teil der Übergangsregelung für die Besteuerung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten in Abschnitt XVIa dieser Richtlinie ist, regelt den Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen wie dem in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden. Das mit der Übergangsregelung verfolgte Ziel besteht darin, die Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt (vgl. Urteil vom 6. April 2006, EMAG Handel Eder, C-245/04, Slg. 2006, I-3227, Randnr. 40).
In Abs. 1 dieser Vorschrift wird die allgemeine Regel aufgestellt, dass als Ort eines innergemeinschaftlichen Erwerbs von Gegenständen der Ort gilt, an dem sich die Gegenstände zum Zeitpunkt der Beendigung des Versands oder der Beförderung an den Erwerber befinden.
Mit der Richtlinie 92/111 ist in Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie ein letzter Unterabsatz eingefügt worden, der vorsieht, dass der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen als nach Abs. 1 dieser Vorschrift besteuert gilt, wenn der Erwerber nachweist, dass der innergemeinschaftliche Erwerb für Zwecke einer nachfolgenden Lieferung erfolgt ist, die in dem in diesem Abs. 1 genannten Mitgliedstaat bewirkt wurde und für die der Empfänger nach Art. 28c Teil E Abs. 3 als Steuerschuldner bestimmt worden ist, und wenn dieser Erwerber der in Art. 22 Abs. 6 Buchst. b letzter Unterabsatz dieser Richtlinie vorgesehenen Erklärungspflicht nachgekommen ist.
Um sicherzustellen, dass Mehrwertsteuer auf den fraglichen Erwerb erhoben wird, bestimmt Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie, dass als Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs das Gebiet des Mitgliedstaats gilt, der dem Erwerber die von ihm für diesen Erwerb verwendete Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt hat (im Folgenden: Mitgliedstaat der Identifizierung), wenn der Erwerber nicht nachweist, dass dieser Erwerb nach Maßgabe der Regelung in Abs. 1 dieses Artikels besteuert worden ist.
Für den Fall, dass der Erwerb nach Art. 28b Teil A Abs. 1 der Sechsten Richtlinie im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung der Gegenstände besteuert wird, nachdem er nach Maßgabe des Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 besteuert worden ist, sieht Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 2 einen Korrekturmechanismus vor, der darin besteht, die Besteuerungsgrundlage im Mitgliedstaat der Identifizierung entsprechend zu verringern.
Mit Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie soll demnach zum einen sichergestellt werden, dass der fragliche innergemeinschaftliche Erwerb besteuert wird, und zum anderen verhindert werden, dass dieser Erwerb doppelt besteuert wird.
Die Anwendung des in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Korrekturmechanismus setzt jedoch voraus, dass die im letzten Unterabsatz dieses Artikels genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen, wie in Randnr. 32 des vorliegenden Urteils dargelegt.
In diesem Zusammenhang ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Verordnung (EG) Nr. 1798/2003 des Rates vom 7. Oktober 2003 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 218/92 (ABl. L 264, S. 1) nicht erlassen wurde, um ein System des Informationsaustauschs zwischen den Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten einzuführen, das diesen die Feststellung ermöglicht, ob ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung tatsächlich besteuert wurde, falls der Steuerpflichtige selbst nicht in der Lage ist, die insoweit erforderlichen Beweise vorzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. September 2007, Twoh International, C-184/05, Slg. 2007, I-7897, Randnr. 34).
Zweitens ist jeder Mitgliedstaat bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 28b Teil E Abs. 3 der Sechsten Richtlinie verpflichtet, besondere Maßnahmen zu ergreifen, damit ein innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen, der im Sinne von Art. 28b Teil A Abs. 1 dieser Richtlinie innerhalb seines Gebiets getätigt wird, nicht mit der Mehrwertsteuer belastet wird.
Es stellt sich also die Frage, ob einem Steuerpflichtigen in dem in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie angeführten Fall, dass er im Mitgliedstaat der Identifizierung mehrwertsteuerpflichtig ist, weil er die Besteuerung des fraglichen innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung nicht nachgewiesen hat, ein Recht auf einen sofortigen Vorsteuerabzug zu gewähren ist.
Nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. d der Sechsten Richtlinie setzt der Abzug der Vorsteuer auf Intermediärgegenstände und -dienstleistungen, die der Steuerpflichtige insbesondere im Rahmen eines innergemeinschaftlichen Erwerbs erworben hat, voraus, dass diese Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden.
Unter den Umständen des Ausgangsverfahrens steht jedoch fest, dass die Gegenstände, deren innergemeinschaftlicher Erwerb, der nach Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie als im Mitgliedstaat der Identifizierung erfolgt gilt, besteuert wurde, tatsächlich nicht in diesen Mitgliedstaat eingeführt worden sind.
Unter diesen Umständen liegen keine Umsätze vor, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug im Sinne von Art. 17 der Sechsten Richtlinie besteht. Folglich fällt ein solcher innergemeinschaftlicher Erwerb nicht unter die allgemeine Abzugsregelung dieser Vorschrift.
Die in Art. 17 der Sechsten Richtlinie vorgesehene allgemeine Vorsteuerabzugsregelung soll in einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen nicht die besondere Regelung des Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Richtlinie ersetzen, die auf einem Mechanismus der Verringerung der Bemessungsgrundlage beruht, mit dem die Doppelbesteuerung korrigiert werden kann.
Darüber hinaus könnte die Gewährung eines Abzugsrechts in einem solchen Fall die praktische Wirkung des Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 2 und 3 der Sechsten Richtlinie beeinträchtigen, weil für den Steuerpflichtigen, der im Mitgliedstaat der Identifizierung zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, kein Anreiz mehr bestünde, die Besteuerung des fraglichen innergemeinschaftlichen Erwerbs im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung nachzuweisen. Eine solche Lösung könnte letztlich die Anwendung der Grundregel gefährden, nach der bei einem innergemeinschaftlichen Erwerb davon auszugehen ist, dass der Ort der Besteuerung im Mitgliedstaat der Beendigung des Versands oder der Beförderung, d. h. im Endverbrauchsmitgliedstaat, liegt, was das Ziel der Übergangsregelung ist.
Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen sind, dass der Erwerber in dem in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 genannten Fall nicht zum sofortigen Abzug der auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ist.
Kosten
Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 17 Abs. 2 und 3 sowie Art. 28b Teil A Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der Fassung der Richtlinie 92/111/EWG des Rates vom 14. Dezember 1992 sind dahin auszulegen, dass der Erwerber in dem in Art. 28b Teil A Abs. 2 Unterabs. 1 genannten Fall nicht zum sofortigen Abzug der auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb entrichteten Mehrwertsteuer als Vorsteuer berechtigt ist.